Kurzmeinung: Sehr gut recherchierter spannender Comic! Kritisch und Aktuell.
Jyschs Zeichenstil überzeugt, denn er passt perfekt zum Thema :)
Winken und lächeln am Hindukusch
Winken und lächeln am Hindukusch.
Nicht einfach, wenn man als Bundeswehrsoldat in Afghanistan in einen Krieg verwickelt ist. Der Soldaten Hauptmann Menger ist einer der Protagonisten des Comics von Arne Jysch und erzählt die Geschichte von deutschen Soldaten im Auslandeinsatz. Die Geschichte ist fiktiv, dennoch ist sie nahe und sie ist aktuell.
Kunduz, 2009. Hier beginnen die Ereignisse. „Das ist ein böser Tag gewesen. Hauptgefreiter Basti, Feldwebel Schumm und Hauptfeldwebel Diesberg sind gefallen. Es gab fünf Schwerverletzte. Das ist ein Scheißkrieg hier. Aber das will ja keiner wahrhaben.“ Darum geht es auch. Die Fotografin Anni stößt zur Truppe hinzu und nimmt den Leser an die Hand um erstmal einen Eindruck vom Soldatenleben zu bekommen. Dann wird sie zum Einsatz mitgenommen und natürlich verläuft dieser nicht nach Plan, der Hubschrauber stürzt ab, es gibt Tote und Verletzte....
Es geht um die Verluste, die dieser Krieg mit sich bringt, weitab von Luxusproblemen hierzulande. Um PTBS, um dass sich wieder in dieser Welt zurechtfinden, um die Große Kluft zwischen der Kriegswelt in Afghanistan und der „heilen Welt“ hier. Es geht darum, die Welt der Soldaten ein bisschen besser zu verstehen. Dieser Comic bietet Einblicke in Soldatenalltag, regt zum Nachdenken an und lädt zum Vertiefen ein.
Dem Comic gelingt die schmale Gradwanderung zwischen Fiktion und Realität. Der Autor und Zeichner schreibt in den Anhang , dass „militärische Vorgehensweisen und Ausstattungen aus künstlerischen und dramaturgischen Gründen teilweise verändert wurden“. Diese Momente sind für den Laien jedoch nicht unbedingt erkennbar, weil Arne Jysch versucht mit Action und Spektakel nicht zu übertreiben, sondern einen Weg findet um relativ authentisch zu wirken.
Gerade die Deutschen tun sich schwer mit militärischer Heldenbildung, und hier ist es gelungen eine mutige Hauptfigur aufzuzeichnen ohne sie jedoch zum Nationalheld verklären zu wollen.
Es sind aber auch nicht die Handlung oder die Charaktere, die Überzeugen, (beide hätten durchaus noch etwas mehr Tiefe vertragen können) es ist vielmehr die Atmosphäre, die Arne Jysch mit seinem Debüt eingefangen hat. Obwohl er selbst nie in Afghanistan war und auch nie „gedient“ hat, hat man als Leser das Gefühl einen gut recherchierten Comic in den Händen zu halten. Ein Stückchen Gegenwart und seine Interpretation. Die Quellenangabe am Ende bezeugt das, aber sie dient auch dazu bequem weitere Medien auszusuchen, wenn man mehr zur Thematik erfahren will.
Künstlerisch ist diese Grapic Novel auch für Laien gut zugänglich. Das Arne Jysch eigentlich Storyboards zeichnet kommt dem Comic sehr zugute, denn Handlung und Seitenaufbau, Perspektivwechsel usw... sind sehr harmonisch aufeinander abgestimmt und gekonnt filmisch eingesetzt. Der Zeichenstil ist ein flotter Strich und lockere Aquarellfarben, sodass die Bilder lebendig und doch realitätsnah wirken. Besonders gelungen, sind kleine Details, wie z.B. die Sprechblasen der Afghanen. Um beim Lesen das Gefühl zu haben, dass man Afghani bzw. Persisch „hört“, wurde eine wunderbare Lösung gefunden. Auf dem ersten Blick denkt der Leser, dass es sich um die verschnörkelte Persische Schrift handelt, doch es sind deutsche Worte, welche dem persischen Schriftbild angepasst wurden. Ein wunderbares Beispiel um aufzuzeigen, wie hingabevoll bis ins Detail an einer gelungenen Stimmung gearbeitet wird.
Nicht nur für Comicfans und die Comicforschung ist dieser Comic ein attraktiver Band,
sondern für alle, die sich ein bisschen mehr an die kontroverse Afghanistanthematik rantrauen wollen und für alle die sehen möchten, was Comics heute alles leisten können.
„Wer über Comics spricht, muß auch über die Gesellschaft, die sie produziert, nachdenken.“