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franztunda

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Cover des Buches Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe (ISBN: 9783518457764)

Bewertung zu "Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe" von Wolfgang Welt

Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe
franztundavor 17 Jahren
Rezension zu "Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe" von Wolfgang Welt

Welt-Literatur aus Bochum
Wie Wolfgang Welt mit seiner autobiographischen Trilogie des Scheiterns »Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe« doch noch bei Suhrkamp gelandet ist

Gut Ding will Weile haben, weiß der Volksmund. Und so kann es schon mal ne ganze Zeit dauern, bis man Autor by Suhrkamp wird. Wie im Fall von Wolfgang Welt, der in dem weitgehend geschmacksfreien Anything-Goes-Stream der 80-iger Jahre des letzten Jahrtausends vom Plattenverkäufer in einem Bochumer »ELPI«-Laden zum gefürchteten Musikkritiker und schließlich, so will es zumindest Willi Winkler, zum »größten Erzähler des Ruhrgebiets« heranreifte, um mehr als zwanzig Jahre nach seinem ersten Telefonat mit dem Lektor Müller-Schwefe als »suhrkamp taschenbuch 3776« zu reüssieren. Der hatte damals gerade Rainald Goetz mit »Irre« herausgebracht, konnte aber Welt unter dem anspruchsvollen Siegfried Unseld nicht durchsetzen. Erst die Fürsprache Peter Handkes, der die Welt-Literatur zwischen den Polen Hermann Lenz und Buddy Holly ausmachte, brachte nun, Lichtjahre später, den jungen Welt aufs Buch-Cover und seine autobiographische Trilogie des Scheiterns in die Buchhandlungen.
Als »Schreibchaot, so'ne Art Pop-Dutschke von der Uni« wär' er damals im Ruhrgebiet berüchtigt gewesen, erzählt Wolfgang seinem Kumpel Herbert, während sie durch die Gemeinde ziehn, auf'm Weg vom »Rotthaus« zur »Zeche« in der Kurzgeschichte »Kalter Bauer in Bochum«. Die ist gut und findet sich hinten in der knapp 500 Seiten umfassenden Trilogie neben anderen guten wie »Herbert Grönemeyer lebt nicht mehr hier«, »Einmal Tschibo und zurück« und »Abschied von der Trümmerfrau«, einer petite Hommage an seine Mutter, mit der Welt heute noch in einem kleinen Häuschen der ehemaligen Bergarbeitersiedlung Wilhelmshöhe in Bochum lebt, wo er seit einigen Jahren als Nachtportier am Schauspielhaus beschäftigt ist.

Seine wilde Zeit begann für den heute 54-jährigen Autor in der Bochumer Szene-Kneipe »Spektrum«, nachdem er die beiden Verleger des dortigen Stadtmagazins »Marabo« angequatscht hatte, um ihnen eine Story zum 20. Todestag von Buddy Holly anzudrehn, denn eigentlich hatte Wolfgang immer schon davon geträumt, Schriftsteller zu werden, und nur nicht gewußt, über was er schreiben sollte. Fortan war die Musikszene im Ruhrgebiet äußerst welthaltig, und der Kritikus ein von den Presse-Damen der Plattenfirmen gefürchtetes Original. Auch die seinerzeit aufstrebenden Barden des Potts, Westernhagen, Grönemeyer und Kunze, durften seine Bekantschaft machen. Den damals gerade debutierenden, »belesenen Rotzlöffel« Heinz-Rudolf Kunze machte er mit einer rhetorischen Hinrichtung erster Sahne zum Gespött der Szene.
Welts Trilogie ist ein einziger end- und letztlich sinnloser Trip, (allerdings ohne, daß Welt je einen geschmissen hätte!), durch die völlig überhitzte Musikbranche zu Zeiten der Neuen-Deutschen-Welle. Sie besteht aus den drei Teilen »Peggy Sue«, »Der Tick« und »Der Tunnel am Ende des Lichts«; als Zugabe die titelstiftende Story aus der Anthologie »Staccato«, die 1982 von der Spex-Legende Diedrich Diedrichsen by Kübler herausgegeben wurde.
Böswillig könnte man unterstellen, daß Welt uns, besessen und getrieben, seinen Terminkalender um die Ohren haut, exzessives Namedropping betreibt, und seine Bedeutung als Musikkritikus wie als Autor wohl etwas überschätzt.
Gutmütig darf man sagen, daß sich in Welts atemloser Trilogie des Scheiterns eine ganze Generation von abgebrochenen Germanisten, Philosophen und Politologen wiederfinden kann, die damals alle geglaubt hatten, den Journalismus neu erfinden zu können. Stadtzeitungen schossen im ganzen Land wie Pilze aus dem Boden, Buchhaltung hatte zwar keiner gelernt, aber Subjektivität war angesagt, und schließlich hatten ein paar von ihnen Hunter S. Thompson gelesen, hielten sich für Bob Woodward oder Carl Bernstein. Für eine schöne, verrückte Weile kochte die Szene, eine sich überschätzende, im luhmannschen Sinne selbstreferentielle brodelnde Blase, der dann, irgendwann nach der Wiedervereinigung nahezu geräuschlos die Luft ausging.
Wolfgang Welts Geschichte ist mehr als eine Trash-Komödie mit regionalem Flair. Sein »Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe« ist ein dem Leben abgerungener, tragikkomischer Bildungsroman eines Möchtegerns, und als solcher authentisches Dokument einer Zeitspanne zwischen Anything goes - but nothing happens. Herbert Debes

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