Bewertung zu "Als wir unsterblich waren" von Charlotte Roth
Zwei Frauen - verbunden durch das Band der Geschichte.
Alexandra, eine junge Studentin aus Ostberlin, stößt in den Wirren des Mauerfalls auf das Geheimnis ihrer Großmutter und löst so das Rätsel um ihre Wurzeln und kann endlich zu sich selbst finden. Paula kämpft an der Seite ihrer Freunde und ihrer großen Liebe Clemens mit Leidenschaft für die Rechte der Frauen und Arbeiter, dabei werden sie aber eingeholt vom 1.Weltkrieg und von den Schatten Hitler-Deutschlands. Dies fordert seine Opfer und Paula muss erkennen, dass sie das „Knacken der Wände“ überhört und sie das Schicksal einfach überrollt hat.
Die Zeit vor dem 1. Weltkrieg, insbesondere die Arbeiterbewegung rund um die Sozialdemokratie, ist bisher ein wenig beleuchtetes Thema, deshalb finde ich es gut, dass sich Charlotte Roth diesem angenommen und es mit einer fiktiven Geschichte in Szene gesetzt hat. Man lernt eine Zeit kennen, die bisher eher im Dunkeln lag und nun zum neuen Leben erwacht. Leider muss ich sagen, dass mich die Geschichte an sich leider nicht gepackt und gefesselt hat, was zum großen Teil daran gelegen hat, dass das Familiengeheimnis bzw. die Familiengeschichte nicht sehr spannend in Szene gesetzt worden ist. Hier hätte die Autorin sehr viel mehr Spannung und Raffinesse inszenieren können. Einige der Charaktere sind meiner Meinung nach leider nicht sehr ausgreift und bleiben recht eindimensional, wie beispielsweise die Figur des Kutte. Andere sind recht gut herausgearbeitet, wie Stefanie oder Manfred. Leider bin ich mit den Hauptcharakteren nicht sonderlich warm geworden, vieles konnte ich nicht nachvollziehen bzw. dadurch auch nicht richtig mitfiebern. Sprachlich hat mich das Buch überzeugt und auch stilistisch hat die Autorin einige schöne Kniffe eingesetzt. Besonders die Wiederholung der Aussagen, die einen Bogen zwischen den Kapiteln und damit zwischen den beiden Zeiten schlagen, fand ich sehr gelungen.
Was ich sehr schade fand, ist das die Erwartungshaltung, die ich durch den Klappentext aufgebaut habe, nicht vom Buch erfüllt worden ist. Ich hatte einen Roman über das Leben zweier Frauen in unterschiedlichen historischen Zeiten erwartet. Jedoch ist Alexandra bzw. die Wende nur der Rahmen und die Geschichte um Paula der absolute Hauptplot. Was an sich eine interessante Geschichte ist, aber bei der Erwartungshaltung bei mir schon für Enttäuschung sorgte, da ich mich sehr für DDR/Wendegeschichten interessiere.
Als Fazit würde ich sagen, ist dieses Buch für alle zu empfehlen, die allgemein gerne Frauenromane vor geschichtlichem Hintergrund lesen oder sich für die Anfänge der Sozialdemokratie bzw. die Arbeiterbewegung interessieren. Wer ein Buch über die Wende erwartet, wird leider enttäuscht.