Obwohl der Verlag Markus Flexeders Roman unter der Kategorie „Regionalkrimis“ einordnet, ist „Feuerbach“ viel mehr als ein herkömmlicher Regionalkrimi, da er erfreulicherweise auf die sonst üblichen Ingredienzien dieses Genres verzichtet.
Statt einer betulichen Handlung mit viel Lokalkolorit präsentiert der Autor eine psychologische Studie verschiedener Charaktere, eingebettet in den historischen Hintergrund der Zwanzigerjahre in München. Dabei merkt man dem Roman die sorgfältige Recherche an, die die Grundlage für die erwähnten Ereignisse und authentischen Personen (z.B. der gescheiterte Hitler-Putsch, der Schriftsteller Bertold Brecht, Max Schreck, Darsteller des Nosferatu in dem gleichnamigen Film) bildet. Zum Glück widersteht Flexeder dem bei Autoren historischer Romane oft anzutreffenden Impuls, durch ein Zuviel an Informationen eher ein Sachbuch als einen Roman zu produzieren. Die geschichtlichen Bezüge sind eher beiläufig und unaufdringlich eingefügt, verfehlen aber keinesfalls ihre Wirkung im Kontext der Nachkriegswirren. Flexeder gelingt es meisterhaft, die trostlos bis aufgeladene Atomsphäre der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und die in ihr unheilvoll gefangenen Protagonisten einzufangen.
Auch stilistisch hebt sich Flexeders Buch von den herkömmlichen Regional- und historischen Krimis mit ihrer oft sehr Dialog lastigen Sprache ab. Dabei bedient der Autor sich geschickt eines Kunstgriffs:
Die Tagebuch- und Briefform mit wechselnder Perspektive erlaubt einen weitgehenden Verzicht auf die direkte Rede. Auch wenn gegen Ende des Buches die Erzählperspektive zur dritten Person inklusive Dialogen wechselt, so trifft der Autor hier wie schon in den Passagen mit indirekter Rede genau den Duktus der zeitgenössischen Sprechweise, ohne gestelzt und für heutige Leser abschreckend zu wirken. Alleine das ist eine großartige Leistung!
Die Handlung entfaltet sich zunächst behutsam, nimmt aber dann schnell Fahrt auf, sodass man spätestens ab der Mitte des Buches endgültig gefesselt ist. Die Mordtaten und die Beseitigung der Leichen, die deutliche Parallelen zu den etwa zeitgleich begangenen Verbrechen des Serienmörders Fritz Haarmann aufweisen, sind verstörend und nichts für Zartbesaitete, aber auch hierfür findet der Autor adäquate Worte.
Der Ermittler ist weit entfernt von jenen exzentrisch-schrulligen Kommissaren, die sonst oft die Regionalkrimis bevölkern. Man nimmt ihm das Leiden an seiner ausweglosen Situation ab und ist schockiert über sein unerwartetes tragisches Ende. Auch die anderen Charaktere, allen voran die Titel-gebende Figur Feuerbach, sind psychologisch so treffend gezeichnet, dass ihre Beweggründe nachvollziehbar sind. Selbst der Mörder ist in seiner ganzen Monstrosität überzeugend dargestellt.
Markus Flexeder ist mit „Feuerbach“ erneut ein außerordentlicher Kriminalroman gelungen, dem ich eine breite Leserschaft wünsche. Mein Fazit: gut recherchiert, psychologisch überzeugend und stilistisch brillant.