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gretavox

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Cover des Buches Feuerbach (ISBN: 9783747203040)

Bewertung zu "Feuerbach" von Markus Flexeder

Feuerbach
gretavoxvor 2 Jahren
Kurzmeinung: Meisterhafter Kriminalroman!
Großartig - ein ganz besonderer Kriminalroman!

Obwohl der Verlag Markus Flexeders Roman unter der Kategorie „Regionalkrimis“ einordnet, ist „Feuerbach“ viel mehr als ein herkömmlicher Regionalkrimi, da er erfreulicherweise auf die sonst üblichen Ingredienzien dieses Genres verzichtet.

Statt einer betulichen Handlung mit viel Lokalkolorit präsentiert der Autor eine psychologische Studie verschiedener Charaktere, eingebettet in den historischen Hintergrund der Zwanzigerjahre in München. Dabei merkt man dem Roman die sorgfältige Recherche an, die die Grundlage für die erwähnten Ereignisse und authentischen Personen (z.B. der gescheiterte Hitler-Putsch, der Schriftsteller Bertold Brecht, Max Schreck, Darsteller des Nosferatu in dem gleichnamigen Film) bildet. Zum Glück widersteht Flexeder dem bei Autoren historischer Romane oft anzutreffenden Impuls, durch ein Zuviel an Informationen eher ein Sachbuch als einen Roman zu produzieren. Die geschichtlichen Bezüge sind eher beiläufig und unaufdringlich eingefügt, verfehlen aber keinesfalls ihre Wirkung im Kontext der Nachkriegswirren. Flexeder gelingt es meisterhaft, die trostlos bis aufgeladene Atomsphäre der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg und die in ihr unheilvoll gefangenen Protagonisten einzufangen.

Auch stilistisch hebt sich Flexeders Buch von den herkömmlichen Regional- und historischen Krimis mit ihrer oft sehr Dialog lastigen Sprache ab. Dabei bedient der Autor sich geschickt eines Kunstgriffs: 

Die Tagebuch- und Briefform mit wechselnder Perspektive erlaubt einen weitgehenden Verzicht auf die direkte Rede. Auch wenn gegen Ende des Buches die Erzählperspektive zur dritten Person inklusive Dialogen wechselt, so trifft der Autor hier wie schon in den Passagen mit indirekter Rede genau den Duktus der zeitgenössischen Sprechweise, ohne gestelzt und für heutige Leser abschreckend zu wirken. Alleine das ist eine großartige Leistung!

Die Handlung entfaltet sich zunächst behutsam, nimmt aber dann schnell Fahrt auf, sodass man spätestens ab der Mitte des Buches endgültig gefesselt ist. Die Mordtaten und die Beseitigung der Leichen, die deutliche Parallelen zu den etwa zeitgleich begangenen Verbrechen des Serienmörders Fritz Haarmann aufweisen, sind verstörend und nichts für Zartbesaitete, aber auch hierfür findet der Autor adäquate Worte.

Der Ermittler ist weit entfernt von jenen exzentrisch-schrulligen Kommissaren, die sonst oft die Regionalkrimis bevölkern. Man nimmt ihm das Leiden an seiner ausweglosen Situation ab und ist schockiert über sein unerwartetes tragisches Ende. Auch die anderen Charaktere, allen voran die Titel-gebende Figur Feuerbach, sind psychologisch so treffend gezeichnet, dass ihre Beweggründe nachvollziehbar sind. Selbst der Mörder ist in seiner ganzen Monstrosität überzeugend dargestellt.

Markus Flexeder ist mit „Feuerbach“ erneut ein außerordentlicher Kriminalroman gelungen, dem ich eine breite Leserschaft wünsche. Mein Fazit: gut recherchiert, psychologisch überzeugend und stilistisch brillant.

Cover des Buches Die hellen Tage (ISBN: 9783596512737)

Bewertung zu "Die hellen Tage" von Zsuzsa Bánk

Die hellen Tage
gretavoxvor 3 Jahren
Kurzmeinung: Ein Buch, das sich Zeit lässt, wortgewaltig erzählt
Im Sog einer ungewöhnlichen Erzählung

In ihrem Roman „Die hellen Tage“ ignoriert Zsuzsa Bánk scheinbar alle Tipps, die Schreibratgeber für Autoren bereit halten: Auf 541 Seiten enthält das Buch keinen einzigen Dialog, die Sätze sind verschachtelt und lang, gehen manchmal fast über eine Seite, und es passiert eigentlich nichts Weltbewegendes oder Spannendes. Dennoch entwickelt das Buch einen eigentümlichen Sog, dem man sich als Leser/in nur schwer entziehen kann. Mir jedenfalls ging es so. Selten habe ich in jüngster Zeit ein Buch gelesen, das mich so gefesselt und nicht ein einziges Mal gelangweilt hat. 

Ein Großteil der Faszination beruht sicher auf der außergewöhnlichen Freundschaft der drei Protagonisten Aja, Karl und Seri. Die Autorin nimmt sich Zeit, ihre Beziehung mit allen Höhen und Tiefen zu entwickeln. Aber es sind vor allem die Väter und Mütter, deren Schicksale berühren: Karls Eltern haben das Trauma eines verlorenen Kindes zu verkraften, Seris Mutter den frühen Tod ihres Ehemanns und dessen Geheimnis. Ajas Mutter Evi, eine ehemalige Zirkusartistin und zunächst Analphabetin, meistert ihr Leben auf ihre ganz eigene unaufdringliche, warmherzige Art, ohne dabei jedoch ihre Ziele aus den Augen zu verlieren. 

Faszinierend ist auch der ungewöhnliche Schreibstil der Autorin. Obwohl die Sätze ausufernd und verschlungen sind, bereiten die Bilder und Vergleiche pures Lesevergnügen.

Natürlich enthält das Buch Unstimmigkeiten und Schwächen: Gewisse Schilderungen wie „das schief hängende Tor, der Klatschmohn, die Weizenfelder, Karls blasser Fleck unter der Schläfe“ werden in ihrer fast wörtlichen Wiederholung etwas überstrapaziert. Was die Charaktere angeht, so fällt auf, dass die jungen Leute keinerlei Begegnungen mit anderen Menschen außer denen in ihrem engen Kosmos zu haben scheinen und die Motivation für ihr Handeln nicht immer nachvollziehbar ist. Unglaubwürdig ist auch, dass es keinerlei erotische Komponente zwischen ihnen gibt.

Der Roman ist nichts für Menschen, die auf jeder Seite Spannung und Action erwarten. Wer sich aber auf die leisen Töne einer wunderbaren Sprache einlassen kann, liegt mit diesem Buch genau richtig.

Cover des Buches Ein Traum vom Glück (ISBN: 9783785726709)

Bewertung zu "Ein Traum vom Glück" von Eva Völler

Ein Traum vom Glück
gretavoxvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Gelungene Familiensaga vor dem Hintergrund des Nachkriegsdeutschlands im Ruhrgebiet
Leben und Lieben im Ruhrgebiet der frühen 1950er Jahre

Der Titel des Buches könnte auf den ersten Blick den Eindruck vermitteln, dass es sich um eine romantisch-rührselige Liebesgeschichte handelt. Doch Eva Völlers Roman ist alles andere als das.

Die Autorin erzählt das Schicksal einer Essener Familie im Nachkriegsdeutschland. Mit eindringlichen Schilderungen und lebensnahen Dialogen trifft sie das Lokalkolorit und Zeitgefühl, was einer „Ruhrpott-Pflanze“ wie mir, aufgewachsen in den 1950er Jahren, natürlich das Herz wärmt. Das Buch streift Themen wie die zeitbedingte Armut und Knappheit, das Wohnen auf engstem Raum, die Rolle der Frauen beim Wiederaufbau und das Streben nach Wohlstand und einem besseren Leben. Das Phänomen der Spätheimkehrer bietet den Stoff für eine letztendlich tragische Liebesgeschichte.

Die Charaktere, auch die Nebenfiguren, aus deren wechselnden Perspektiven diese Ruhrpott-Saga erzählt wird, sind gut gezeichnet. Eine zentrale Figur ist Katharina, eine lebens- und liebeshungrige junge Frau, die ihrem Herzen und ihrer Begierde folgt und damit die geltenden Moralvorstellungen der Zeit sprengt und das Schicksal herausfordert. Dass Katharina nicht immer ganz sympathisch herüber kommt, macht die Figur umso glaubwürdiger. Die erotischen Szenen mit ihr sind sinnlich ausgearbeitet und fügen sich in den Kontext. 

Der Roman liest sich insgesamt flüssig und bleibt trotz seiner mehr als 400 Seiten immer spannend. Das einzige Manko ist meiner Meinung nach, dass sich gegen Ende die Ereignisse auf Kosten der Glaubwürdigkeit geradezu überschlagen.

Cover des Buches Kopfkissengeschichten (ISBN: 9783944490762)

Bewertung zu "Kopfkissengeschichten" von Tsubaki Hime

Kopfkissengeschichten
gretavoxvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Kurzgeschichten auf den Punkt gebracht
Niveauvolle Erotik

Das vorwiegend aus der Ich-Perspektive geschriebene Buch nimmt den Leser/die Leserin mit auf eine sehr sinnliche Reise. Dabei erzählt die japanisch-deutsche Autorin pointiert und offen von ihren erotischen Abenteuern mit verschiedenen Männern, wobei einige Protagonisten in mehreren Geschichten auftauchen. (z.B. in Geschichten 2, 3 und 4) Tsubaki Hime findet immer wieder schöne, ungewöhnliche Bilder, die die Fantasie anregen. Ein leicht voyeuristischer Grundton zieht sich durch einige Erzählungen. Dieser ist jedoch niemals platt. Bisweilen sind die Texte beinahe philosophisch angehaucht und erwähnen auch enttäuschende Begegnungen (z.B. Geschichten 6 und 9), was die Glaubwürdigkeit des Geschilderten bestärkt, ein Aspekt, der mir persönlich besonders gut gefällt.

Das geschmackvolle Cover passt hervorragend zum Inhalt und rundet das gelungene Buch ab.

Cover des Buches Rotlicht (ISBN: 9783446256194)

Bewertung zu "Rotlicht" von Nora Bossong

Rotlicht
gretavoxvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Gut geschrieben und recherchiert, aber nicht unbedingt etwas Neues
It's a man's world

In „Rotlicht“ unternimmt Nora Bossong  – meist zusammen mit einem schützenden, männlichen Begleiter – einen Streifzug durch die Welt des Rotlichtmilieus. Sie nimmt den Leser mit in eine Tabledance-Bar, ein Sexkino, einen Swingerclub, ein Laufhaus, auf die Erotikmesse Venus und den Straßenstrich.  Sie spricht mit Pornoproduzenten und Prostituierten.

Keine Frage: Die Autorin hat einen anspruchsvollen Schreibstil. Sie hat bestens recherchiert und zieht intelligente Schlussfolgerungen, die fast schon ins Philosophische gehen. Das Buch ist aus der Ich-Perspektive geschrieben, bietet eine Menge Eigen-Reflexion und sogar einen Selbstversuch in Form einer Tantra-Massage.

Trotz der interessanten Einblicke, berührt das Buch nur bedingt. Es ist schwer zu sagen, woran das liegt. Vielleicht weil es mehr ein Essay über die käufliche Lust ist als eine bloße Reportage mit bisweilen  sehr verkopften Formulierungen wie „eine gesamtgesellschaftlich internalisierte Scham“ (S.119).

Und da, wo es wirklich interessant wird und die Neugier des Lesers geweckt ist, hört es leider abrupt auf. Über die Tantra-Massage erfährt man zwar, dass sie als „schön“ empfunden wurde und die Autorin „aufgewühlt“ hat, aber nicht, was konkret passiert ist. Zu viel wollte die Autorin anscheinend doch nicht von sich preisgeben.

Manches ist auch nicht unbedingt neu. Die Welt des Sex als Ware ist eindeutig männlich, die weiblichen Bedürfnisse kommen zu kurz. Das ist die vorhersehbare Quintessenz von „Rotlicht“.

Anderseits überrascht das Buch mit Denkanstößen, wie z.B. bei der Forderung nach Legalisierung der Prostitution, ein Thema, das man vielleicht noch nicht unter dem vorgestellten Blickwinkel gesehen hat. Am besten gelungen sind Nora Bossong die detaillierten Beschreibungen der Orte und Menschen, die alleine schon das Buch lesenswert machen.

Cover des Buches Der Gang vor die Hunde (ISBN: 9783038820017)

Bewertung zu "Der Gang vor die Hunde" von Erich Kästner

Der Gang vor die Hunde
gretavoxvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Wortgewaltig. Ein Leseerlebnis.
Abgesang auf die Weimarer Republik

1931 unter dem Titel „Fabian“ herausgebracht, aber vom Verlag wegen seiner freizügigen erotischen Schilderungen und der gesellschaftlichen Kritik entschärft, ist der Roman nun unter Kästners Wunschtitel „Der Gang vor die Hunde“ in der vom Autor ursprünglich intendierten Originalfassung erschienen, zusammen mit einem textkritischen Anhang.
Auch noch in der entschärften Version galt das Buch als dekadent und obszön und wurde 1933 von den Nazis bei der Bücherverbrennung unter dem Vorwurf der Pornografie ins Feuer geworfen.
Der Roman hat im Grunde keine richtige Handlung. Kästner lässt seine Hauptfigur, den promovierten Germanisten Jakob Fabian, meist nur bei seinem Nachnamen genannt, wie zufällig durch das Berlin der frühen Dreißigerjahre streifen und beleuchtet dabei schlaglichtartig den Zustand der Gesellschaft.
Das Buch enthält einige politische Anspielungen, die sich meist aus Fabians Zeitungslektüre speisen, so wird z.B. der Mord an Walther Rathenau erwähnt. (S. 189). Aber auch ohne allzu konkret zu werden, gelingt Kästner ein ungeschöntes Sittenbild der Großstadt in der Endphase der Weimarer Republik: die allgegenwärtige Arbeitslosigkeit, die galoppierende Inflation, die Vergnügungssucht und Dekadenz – kurz, eine Gesellschaft, die ungebremst auf die Katastrophe zusteuert. Fabians Orientierungslosigkeit und Rastlosigkeit, zwei letztendlich völlig sinnlose Todesfälle sowie der verstörende Schluss sind dabei nur konsequent.
Kästner schreibt mit einer unangestrengten Leichtigkeit, gleichzeitig frech und pointiert. Ein schönes Beispiel: „Mir wuchs der Unterleib meiner Frau sozusagen über den Kopf.“ (S. 18)
In den erotischen Passagen ist er direkt, auch wenn seine Sprache aus heutiger Sicht weniger frivol und provokant ist als vor 80 Jahren.
„Da lehnten sich zwei Trikotengel über die Brüstung. Die eine Frau war dick und blond, und ihre Brust lag auf dem Plüsch, als sei serviert. Die andere Person war mager, und ihr Gesicht sah aus, als hätte sie krumme Beine.“ (S. 47)
Nicht nur die sexuelle Freizügigkeit des „Fabian“ rief seinerzeit Empörung hervor. Mehrere Episoden, die der Zensur zum Opfer fielen, sind im „Gang vor die Hunde“ nun wieder zu finden, so z.B. das Kapitel um die Blinddarm-Operationswunde des Direktors Breitkopf (Kapitel 3) und die wunderbar spöttische Fahrt im Empörten Autobus (Kapitel 4), in der Fabian und sein Freund Labude sich über die nationalen Heiligtümer in Berlin, wie z.B. den Berliner Dom und das Brandenburger Tor, lustig machen. (S. 41)
Fast das gesamte Kapitel 14 ist die Schilderung eines scheinbar wirren Albtraums Fabians. Hinter der grotesken Überzeichnung, die in ihrer Ästhetik bisweilen an Fritz Langs „Metropolis“ erinnert, blitzt die Realität hervor: das Leben im überhitzten Berlin, wo es moralisch wie erotisch drunter und drüber geht. Dabei ist Kästner nie belehrend, und er bietet auch keine Lösungen an. Seine inhärente Kritik an denjenigen, die die politischen Verhältnisse durchschauen, sich aber abwartend passiv verhalten, hat jedoch bis heute nichts an Aktualität verloren. Kästner ist eben viel mehr als ein bekannter Kinder- und Jugendbuchautor.

Cover des Buches New Yorker Geschichten (ISBN: 9783036951133)

Bewertung zu "New Yorker Geschichten" von Dorothy Parker

New Yorker Geschichten
gretavoxvor 8 Jahren
Kurzmeinung: Die Sammlung beweist, dass Dorothy Parker eine Meisterin der Kurzgeschichte ist.
Scharfzüngige Chronistin der Roaring Twenties

Zugegeben, ich bin nicht unparteiisch: ich mag Kurzgeschichten – vor allem, wenn sie gut geschrieben sind. Leider ist die Gattung etwas aus der Mode gekommen und das Handwerkszeug, eine wirkliche Kurzgeschichte zu verfassen, beherrscht auch nicht jeder Autor, denn ein Text ist noch lange keine Kurzgeschichte, nur weil er kurz ist. Dorothy Parker ist eine Meisterin der Short Story.
In dem Sammelband "New Yorker Geschichten" entführt sie den Leser in die Welt der New Yorker Gesellschaft der Roaring Twenties und der frühen 1930er Jahre. In diesen Kurzgeschichten beleuchtet sie die Beziehung zwischen Mann und Frau, die Leidenschaft, vor allem das Scheitern der Liebe und immer wieder den Verlust von Vertrauen, den Verrat und verheerende Missverständnisse, z.B. in "New York – Detroit", "Ein Telefonanruf". "Eine starke Blondine" (Originaltitel: "Big blonde") wurde übrigens 1929 in den USA zur besten Kurzgeschichte des Jahres gekürt.
Oft sympathisiert die Autorin mit den sozial Schwächeren, z.B. in "Arrangement in Schwarz und Weiß" oder "Mrs. Hofstadter aus der Josephine Street", doch ihr Engagement ist niemals belehrend. Am besten gefallen mir die Geschichten, in denen Parker die verwöhnten Damen der vermeintlichen Oberschicht bloßstellt, die ihre läppischen Sorgen wie ein abgebrochener Fingernagel zur großen Tragödie hoch stilisieren, z. B. in ´"Aus dem Tagebuch einer New Yorker Lady" oder in "Pferdchen". Dann kann Parker gnadenlos boshaft sein.
Aber was auch ihr Thema ist – bei Parker wirkt jedes Wort mit Bedacht gewählt, eine Schreibtugend, die vielen heutigen Autoren abzugehen scheint. Abgesehen von einigen, heute zumindest in der deutschen Übersetzung antiquiert wirkenden Ausdrücken wie "du heiliger Strohsack" oder "ach du Scheibenhonig" ist Parkers Sprache geschliffen und von wahrhaft zeitloser Schönheit. Der Autorin werden übrigens auch verschiedene Wortschöpfungen zugeschrieben, z.B. "face-lift" oder "one-night" stand, die heute gang und gäbe sind.
Dass Dorothy Parker eine blitzgescheite, scharfzüngige Schriftstellerin mit einem untrüglichen Gefühl für Sprache ist, stellt sie in ihren New Yorker Geschichten eindrucksvoll unter Beweis.

Cover des Buches Täuscher (ISBN: 9783423215749)

Bewertung zu "Täuscher" von Andrea Maria Schenkel

Täuscher
gretavoxvor 8 Jahren
Kurzmeinung: Gut recherchierter Krimi mit ungewöhnlicher Struktur
Interessanter Zickzackkurs

Hin und her schickt Anna Maria Schenkel, die mit Tannöd bekannt gewordene Krimi-Autorin, ihre Leser auf der Suche nach einem Doppelmörder im Landshut der 1920er Jahre. Einmal mehr beruht Schenkels Roman auf einem authentischen Kriminalfall, wieder verlangt sie durch Zeitsprünge und fehlende Chronologie dem Leser einiges ab. Aber auch in „Täuscher“ besticht die Autorin durch die gleichen schriftstellerischen Tugenden wie in ihren Vorgängerwerken: präzise Recherche und eine sachliche, fast schon protokollarische Erzählweise. Aus einer anfangs etwas unüberschaubaren Story gelingt es ihr, einen Roman zu schaffen, in dem sich zum Schluss die Bruchstücke des Mosaiks zu einem logischen Ganzen zusammenfügen.
„Täuscher“ fehlt zwar das Unheimliche, Düstere der ersten Romane von Anna Maria Schenkel, dennoch ein weiterer Krimi in einer ungewöhnlichen Umsetzung.
„Täuscher“ fehlt zwar das Unheimliche, Düstere der ersten Romane von Anna Maria Schenkel, dennoch ein weiterer Krimi in einer ungewöhnlichen Umsetzung.

Cover des Buches Sinnliche Streifzüge (ISBN: 9783944490519)

Bewertung zu "Sinnliche Streifzüge" von RoSa

Sinnliche Streifzüge
gretavoxvor 8 Jahren
Kurzmeinung: Gelungenes Debut. Empfehlenswert!
Anregender Spaziergang durch die Welt der Erotik

Titel und Cover halten, was sie versprechen. Der straffe Bauch einer Frau in einem schwarzen Spitzendessous und ein Finger, der über den Körper streift, zieren das gelungene Cover. So wie der Finger über den Körper spaziert, nimmt uns die Autorin mit auf einen ebenso fantasievollen wie offenherzigen Streifzug durch die Welt der Erotik. Ein Lust-Wandeln im wahrsten Sinne des Wortes.
Der größte Teil von RoSas Geschichten ist in der Ich-Perspektive geschrieben. Aber auch wenn die dritte Person gewählt wird, kann man sich gut in Situationen und Empfindungen hineinversetzen. Manche der insgesamt 12 Erzählungen von unterschiedlicher Länge erweisen sich als (Tag-)Träume, andere scheinen einen realen Hintergrund zu haben. Die Autorin entführt uns an die verschiedensten Orte: ein Zug, ein Büro, eine Sauna, ein Hotelzimmer, ein Club oder ein Sexshop. Mehr sei zur Handlung nicht verraten.
Mühelos schafft die Autorin den Spagat zwischen romantischen Einlagen und härteren Passagen, in denen sie durchaus auch Gebrauch von etwas derberen Worten macht. Ich bin ein Fan von Kurzgeschichten und deshalb vielleicht nicht ganz unparteiisch, aber trotzdem: Ich finde, das berühmte „Kopfkino“ wird hier sicher auch bei anderen Lesern/Leserinnen richtig angekurbelt.

„Sinnliche Streifzüge“ ist ein vielversprechendes Debut.

Cover des Buches Hausfrau (ISBN: 9783847905912)

Bewertung zu "Hausfrau" von Jill Alexander Essbaum

Hausfrau
gretavoxvor 8 Jahren
Kurzmeinung: Ein intelligentes, grandioses Buch
In der Abwärtsspirale

Anna, Enddreißigerin, verheiratet mit einem Schweizer Banker und Mutter dreier Kinder, lebt ein behagliches Leben in einer kleinen Stadt bei Zürich. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Anna hat Sprachprobleme, sie langweilt sich und tröstet sich mit Affären, bis ein tragisches Ereignis und dessen Folgen sie vollends aus der Bahn werfen.
Jill Alexander Essbaums Romandebut „Hausfrau“ ist die schonungslose Dokumentation eines Abstiegs, der im Buch nur drei (Herbst)Monate umspannt. Die Autorin verknüpft dazu drei Handlungsebenen: Annas private Erlebnisse einschließlich Rückblenden, Szenen aus ihrem Deutschunterricht und ihre Analysestunden bei der Therapeutin Dr. Messerli. Was etwas betulich beginnt, weitet sich spätestens ab der Mitte des Buches in einer fatalen Vermengung von kleinen Zwischenfällen und dramatischen Ereignissen zu einer Lawine aus, die unweigerlich auf eine Katastrophe hinausläuft.
Essbaums Schreibstil ist nüchtern-distanziert, manchmal sehr offen, fast schon hart – besonders in den erotischen Passagen. Doch die Sprache passt auch hier bis in die kleinsten Nuancen und ist ein gutes Beispiel dafür, dass Sexszenen manchmal auch nach drastischeren Worten verlangen.
Der Titel „Hausfrau“, wie das Buch übrigens auch in der englischen Originalfassung heißt, hätte nicht besser gewählt sein können. Anna ist Haus-Frau: Sie ist gebunden an ihr Heim und bemüht sich nach Kräften, als Hausfrau und Mutter zu funktionieren. Das Cover für die deutsche Ausgabe zeigt den Schriftzug „Hausfrau“ in Kreuzstich gestickt auf einem Leinenstoff. Der letzte Buchstabe des Wortes ist unfertig; der Faden verliert sich, so wie die Hausfrau Anna sich verlieren wird.
Mit der Figur der Anna hat Essbaum eine starke Protagonistin geschaffen, die alle  Kriterien eines „runden“ Charakters  im Sinne E.M. Forsters erfüllt. So schwankt der Leser denn auch zwischen Sympathie und Ablehnung für die fast schon tragische Heldin. Genauso muss es sein.
Vielleicht ist der Name Anna bewusst gewählt. Das Time Magazine charakterisierte das Buch folgendermaßen: „In Hausfrau, Anna Karenina goes Fifty Shades with a side of Madame Bovary“. Der Vergleich mit Tolstois und Flauberts Roman-Heldinnen ist durchaus naheliegend, aber das Buch in einem Atemzug mit Fifty Shades of Grey zu nennen, wertet den Erotik-Wälzer nur ungerechtfertigt auf.

Hausfrau ist ein intelligentes, grandioses Buch. Unbedingt lesenswert.

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