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Cover des Buches Die Stadt und ihre ungewisse Mauer (ISBN: 9783957133175)

Bewertung zu "Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" von Haruki Murakami

Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
gstvor 6 Tagen
Kurzmeinung: Auch wenn ich nicht weiß, was mir der Autor mit diesem langen Roman sagen will, habe ich dem Hörbuch gerne 17 Stunden lang gelauscht.
Der schattenlose Traumleser

Der neue große Roman von Haruki Murakami: ein melancholischer, zärtlicher und philosophischer Roman über eine verlorene Liebe, die Suche nach dem Selbst und die Möglichkeit, Mauern zu überwinden. (Die Zeit)

Gleich zu Beginn werden die Zuhörer in eine erste Liebe hineingeworfen. Der namenlose Erzähler war 17, seine Freundin 16 Jahre alt. Das wiederholt er mehrmals und man fragt sich warum. Traut er uns nicht zu, dass wir ihm konzentriert lauschen? Meine anfängliche Begeisterung hielt sich jedenfalls in Grenzen.

Doch das änderte sich nach ca. 15 Prozent des Hörbuchs. Plötzlich war ich angekommen in der Erzählung, die wechselt zwischen dem Damals und dem Jetzt, in dem er in dieser ominösen Stadt mit der Mauer angekommen war, seinen Schatten abgegeben hatte und zum Traumleser geworden war. Dort traf er jeden Tag auf die Frau, die er schon in seiner Jugend geliebt hatte, die ihn aber nicht erkannte. Verwirrend – oder?

Ja, das Buch ist verwirrend. Erzählt Murakami doch in drei Teilen eine Geschichte, die voller Mysterien ist und uns unter anderem ins Reich der lebenden Toten führt. Oft ist unklar, was Realität und was Traum ist. Doch es ist in einer so schönen Sprache verfasst, dass das Zuhören reinster Genuss ist. Sicher trägt dazu auch die angenehme Stimme von David Nathan bei, der es schafft, die Umwelt vergessen zu lassen.

Trotz anfänglicher Skepsis kann ich dieses Hörbuch, das über 17 Stunden dauert, voller Überzeugung empfehlen. Die Entwicklung des Autors zeigt sich deutlich, denn der Beginn der Erzählung entstand schon 1980, als seine Karriere als Schriftsteller gerade begann. Den zweiten und dritten Teil dagegen schrieb er erst Jahrzehnte später. Doch was er mir damit sagen will, ist mir leider verborgen geblieben.

Cover des Buches Die Insel der Seligen (ISBN: 9783899790504)

Bewertung zu "Die Insel der Seligen" von Rudolf Eppelsheimer

Die Insel der Seligen
gstvor 8 Tagen
Kurzmeinung: Wer mehr über Antroposophie, Karmaforschung und Inkarnation wissen will, könnte sich hier umschauen.
Romantisch überhöht

Was hat mich nur geritten, unbedingt dieses Buch lesen zu wollen? Neun Jahre ist es her, dass ich den ersten Teil dieser Trilogie gelesen habe. Damals war ich hin und weg von der „Romanze am Tegernsee“ und davon überzeugt, auch die weiteren Teile lesen zu wollen. Vielleicht hätte ich den Wunsch lieber nicht realisieren sollen? Dann wäre mir das esoterische Himmelreich der Karmaforschung und Inkarnation erspart geblieben, ebenso wie meine Verlorenheit.

Das Buch ist in einer altmodischen Sprache geschrieben, was ja nicht schlecht sein muss. Zur Verdeutlichung soll dieses Zitat aus einer Bildbeschreibung auf Seite 45 dienen:

Auf Marmorklippen lagert im Schaum der Wogen eine heilige Familie selbviert. Der Säugling liegt an der Mutterbrust und der Vater stützt sich auf einen der Tiefe enttauchten Seehund, dem sich auch das zweite Kind, ein reizender Knabe, begeistert zuwendet. Aller Augen aber leuchten vor sprühender Lebenslust.

Der Roman beinhaltet viele solcher romantischen Beschreibungen. Es wird von Musik erzählt, von Gemälden und von Goethes und Rilkes Gedanken. Das Schöngeistige steht neben den Träumen der Protagonisten im Vordergrund. Liebevolle Naturbeschreibungen ergänzen das Leseerlebnis, das sich aber vor allem mit anthroposophischem Gedankengut beschäftigt. Familienmitglieder und Freunde unterhalten sich über ihre früheren Erdenleben und begeben sich sogar gemeinsam auf eine Reise nach Griechenland, um ihrem früheren Sein näherzukommen. Ihre „Seelenwanderung“ findet in dem Jahr statt, als Prinzessin Diana zu Tode kam – also 1997.

Die Worte von Rudolf Eppelsheimer, dem 1927 geborenen Autor, kommen mir vor wie die Träume eines alternden Mannes. An manchen Stellen kann ich ihnen nicht folgen, in mir entstehen keine erläuternden Bilder. Auf der anderen Seite war es mir nicht möglich, das Buch einfach zuzuschlagen und auf die Seite zu legen. Meine Neugier und der verzweifelte Versuch, tiefer einzusteigen in seine Gedankenwelt hielt mich fest. Kenne ich doch selbst diese kurzen Eingebungen, die mich rätseln lassen, ob ich diesem oder jenem Menschen schon einmal in einem früheren Leben begegnet sein könnte. Doch bisher hat sich das erhoffte Guckloch in eine andere Zeit nie richtig geöffnet. Und da ich noch nie auf der Akropolis war, schon gar nicht bei Mondenschein, las ich den Satz auf Seite 73 ohne die passenden Emotionen:

Das magische Licht am historischen Ort half den Freunden, jedem auf seine Weise, in frühere Dasein zurückzufinden.


Was hat mir dieses Buch nun gegeben? Ich bin neugierig geworden auf die von Rudolf Steiner Anfang des 20. Jahrhunderts begründete Anthroposophie, die „Weisheit vom Menschen“. Darin geht es um das Verständnis von Natur, Geist und menschlicher Entwicklung. Der Literaturwissenschaftler Rudolf Eppelsheimer, der 2006 in München starb (ein Jahr nach Veröffentlichung des beschriebenen Romans) hat sich wohl sehr intensiv damit beschäftigt. 1958 promovierte er an der Universität München über Die tragische Grundstruktur in Goethes Dichtung, die auch in der Steinerschen Lehre eine große Rolle spielt.


Cover des Buches Das Opernhaus: Rot das Feuer (ISBN: 9783499010903)

Bewertung zu "Das Opernhaus: Rot das Feuer" von Anne Stern

Das Opernhaus: Rot das Feuer
gstvor 9 Tagen
Kurzmeinung: Historische Tatsachen in Form eines unterhaltsamen Romans eingefangen. Liebe und Politik – eine interessante Verbindung
Dresden 1849

In diesem zweiten Teil des Dresden-Epos nimmt uns die Autorin mit ins Dresden von 1849. Elise hat sich mit den Aufführungen als Violinistin einen großen Traum erfüllt. Beim Geigenspiel wird sie von ihrem angesehenen Ehemann Adam begleitet, doch das ist so ziemlich die einzige Situation, in der sich die beiden einig sind. Auch in der Erziehung der Adoptivtochter Netty haben sie unterschiedliche Vorstellungen. Während sie dem Mädchen möglichst viele Freiheiten einräumt, achtet der um einige Jahre ältere Mann vor allem auf das Einhalten der Konventionen. Kein Wunder, dass Elise immer noch an ihrer Jugendliebe Christian hängt, es sich aber selbst kaum einzugestehen wagt.

Auch der Kulissenmaler Christian hat sie nicht vergessen. Ihn treiben neben den Erinnerungen auch die berufliche Zukunft und politischen Gegebenheiten um. In der Stadt brodelt es. Unzufriedene Arbeiter und Dienstmädchen, Musiker und Gelehrte wollen für ihre Rechte kämpfen. Unter ihnen so bekannte Namen wie Richard Wagner und Gottfried Semper. Auch Elises jüngste Schwester Barbara beteiligt sich und sorgt damit für große Aufregung in der Familie.


Die Historikerin und promovierte Germanistin Anne Stern (*1942 in Berlin) ist bekannt für ihre historischen Romane. „Rot das Feuer“ ist der zweite Teil der Reihe rund um die Dresdner Semperoper. Dieser Roman lässt sich auch ohne Kenntnis des ersten Teils gut lesen.


Da ich in der Nähe von Dresden wohne, kann ich gar nicht genug über die Geschichte meiner Wahlheimat erfahren. Ich bin nach dem Genuss des ersten Teiles gerne wieder in Elises Zerrissenheit und die ausführliche Darstellung des Dresdener Maiaufstandes eingetaucht. Neu war für mich, wie vergeblich sich schon damals Frauen für ihre Rechte einzusetzen versuchten. Und sehr interessant fand ich das Nachwort mit geschichtlichen Daten. Mir gefällt solch leicht lesbare Unterhaltungslektüre, die ganz nebenbei viel Wissen vermittelt.

Cover des Buches Muldental (ISBN: 9783257070941)

Bewertung zu "Muldental" von Daniela Krien

Muldental
gstvor 9 Tagen
Kurzmeinung: Geschichten, die unter die Haut gehen
Erzählungen über eine zerbröckelnde Welt

Sie können selbst nicht fassen, was sie da tun, und doch tun sie es. Und es geht erstaunlich leicht. Halb aus Spaß, halb aus Verzweiflung setzen die Freundinnen den langgehegten Plan B in die Tat um: Sie mieten eine Wohnung und lassen sich über einen gemeinsamen früheren Freund Freier beschaffen. Das größte Glück und der tiefste Abgrund liegen immer nur eine Handbreit auseinander. So auch bei Marie, die vergeblich versucht der Erpressung durch die Stasi standzuhalten. Aber nun, an einem der heißesten Tage des Sommers, kommt es zur Eskalation. In zehn Geschichten schildert Daniela Krien Menschen, deren Hoffnungen und Pläne nach der Wende erfüllt oder betrogen wurden. (Klappentext)


Für dieses Buch sollte man sich Zeit nehmen! Denn jede einzelne Erzählung (eigentlich sind es elf, doch die erste und letzte haben einen unmittelbaren Zusammenhang) geht tief unter die Haut und muss verdaut werden. Hier lässt sich nachvollziehen, was die deutsche Wiedervereinigung für die Menschen aus der ehemaligen DDR für Folgen hatte. Nicht jedem war es möglich, gleich wieder Fuß zu fassen. Manche suchten nach neuen Möglichkeiten für sich, doch Manche verzweifelten an den Veränderungen, an den neuen Regeln und dem verlorengegangenen Halt.


Daniela Krien war 14, als die Mauer fiel. Sie hat den Umbruch in Jena und dem Vogtland unmittelbar miterlebt. Ihre Mutter musste sich beruflich neu orientieren und sich um den jüngeren Sohn kümmern. Die Autorin brach ihre gymnasiale Schulausbildung in der elften Klasse ab und absolvierte eine dreijährige Ausbildung zur Zahnarzthelferin in Hof an der Saale. Später machte sie am Chemnitzer Abendgymnasium in weiteren drei Jahren das Abitur nach. Nach verschiedenen beruflichen Stationen zog sie 1999 nach Leipzig, wo sie Kulturwissenschaften und Kommunikations- und Medienwissenschaft studierte. 2011 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, dem noch zwei weitere folgten.


Ich habe sie alle gelesen und war von jedem beeindruckt. Besonders gefällt mir an ihrer Art zu schreiben, dass sie nicht wertet, sondern Situationen darstellt und es dem Leser überlässt, selbst darüber nachzudenken. Wer mehr über Menschen und ihre Beweggründe erfahren will, ist bei ihr gut aufgehoben.


Cover des Buches Wellness (ISBN: 9783869525983)

Bewertung zu "Wellness" von Nathan Hill

Wellness
gstvor 22 Tagen
Kurzmeinung: Gesellschaftskritik hübsch verpackt. Zum Lachen und Weinen gleichzeitig.
Kaleidoskop der modernen Gesellschaft

Ach, wie herrlich beginnt diese Story! Jack und Elizabeth verlieben sich auf den ersten Blick! Doch wie das Leben so läuft: als dreiköpfige Familie sieht alles ganz anders aus…

Nathan Hill lässt uns am Leben dieses Traumpaares teilhaben und wirft gleichzeitig einen Blick in die Zusammensetzung der heutigen Gesellschaft. Er zeigt uns nicht nur die völlig unterschiedliche Herkunft der beiden, sondern auch ihr Streben nach Höherem. Dass das nicht immer mit rechten Dingen zugeht, wissen wir ja. Aber so im Detail hinzusehen, lässt uns doch immer wieder mit dem Kopf schütteln oder erstaunt aufatmen. Vor allem, wenn wir uns selbst ertappen.

Elizabeth wendet alle psychologischen Tricks an, um ihren Sohn zu einem brauchbaren Mitglied der Gesellschaft zu machen; um schließlich festzustellen, dass andere das viel besser können. Allerdings kann auch sie Menschen manipulieren und das sogar beruflich. Währenddessen verstrickt sich Jack als Kunstprofessor in eigene Projekte, bei denen man schon nach dem Sinn fragen darf.

Beide zusammen haben sich in Schulden für eine Traumwohnung gestürzt, bei der die Realisierung in Frage gestellt ist. Nicht nur die unterschiedlichen Vorstellung dazu führen zu Streitigkeiten, die ihre Ehe schwer belasten.


Der 1978 geborene amerikanische Schriftsteller Nathan Hill hat hier ein buntes Kaleidoskop des heutigen Lebens zusammengestellt, in dem er auf die Wirkung von Placebos ebenso eingeht wie auf die Entstehung von Verschwörungstheorien im Internet. Wer dieses Buch liest, erfährt sehr viel über die menschliche Psyche und wird anschließend nicht mehr ganz so unbedarft ans Leben gehen wie zuvor.

Mir hat das von Uve Teschner eingelesene Hörbuch über 21, meist sehr vergnügliche Stunden bereitet. Zwar wurde es an manchen Stellen, besonders im Mittelteil, etwas ausufernd, doch das war gut zu verkraften, da die Personenzeichnungen sehr gut gelungen sind.


Cover des Buches Im Tempel meines Herzens (ISBN: B00205D7EE)

Bewertung zu "Im Tempel meines Herzens" von Alice Walker

Im Tempel meines Herzens
gstvor 23 Tagen
Kurzmeinung: Ein Werk, das man sich hart erarbeiten muss, nichts zum schnellen Konsum.
Ein Buch zum Lieben und Hassen

Alice Walker erzählt in diesem 1992 erschienenen Roman aus dem Leben von zwei farbigen Paaren: Der berühmte Gitarrist Arveyda ist von einer verbotenen Leidenschaft erfüllt; seine Frau Carlotta will eine dunkle Vergangenheit vergessen. Der Historiker Suwelo ist von den Frauen enttäuscht, seine Frau Fanny (die Enkelin von Miss Celie aus Die Farbe Lila) glaubt nicht mehr an eine gemeinsame Zukunft mit ihm. Die vier Freunde leben, denken und fühlen unterschiedlich; in ihren Adern fließt afrikanisches, indianischer oder Mestizenblut. Und doch hat ihr Unglück die gleiche Ursache: Die jahrtausendelange Unterdrückung ihrer Völker durch die Weißen hat sie liebesunfähig und innerlich unfrei gemacht, ihnen den Bezug zu ihrer Geschichte genommen.
 In dieser ausweglos erscheinenden Situation begegnen die vier Freunde der weisen Lissie mit tausend Gesichtern und Vergangenheiten. In ihren magischen Träumen durchlebt sie alle Phasen der Menschheitsgeschichte. (Klappentext)


Diese Beschreibung hört sich noch recht verständlich an. Doch was uns hier geboten wird, ist großteils ziemlich verwirrend. Der Handlungsverlauf setzt sich aus einzelnen Geschichten und Gesprächen zusammen, die mosaikartig ineinander greifen. Sie handeln von der Vergangenheit der Erzähler sowie deren nächsten Verwandten und mäandern zwischen den Personen und Zeiten hin und her.


Die zentrale Figur dieses Buches ist Miss Lissie, die zu anderen Zeiten „selbst Medizinfrau, Hexe und Priesterin verschiedener Glaubensrichtungen gewesen“ war. Sie erinnert sich an Geschichten, von denen keiner je gehört hatte, an Sachen, die ihr keiner je erzählt haben konnte und die sie nicht aus Büchern haben konnte, da sie darin gar nicht zu finden waren.

Das sechsteilige Buch führt uns nach Afrika, Amerika und Europa und erzählt (meist in langen Gesprächen) über das Leben zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Geschlechtern.


Die US-amerikanische Schriftstellerin und politische Aktivistin Alice Walker kam am 9. Februar 1944 in Eatonton/Georgia auf die Welt. Sie studierte Amerikanische Literatur in Atlanta und New York. Später engagierte sie sich in Bürgerrechtsbewegung, arbeitete als freie Journalistin und Redakteurin von „Ms.“, dem Sprachrohr der Neuen Frauenbewegung. Sie bekleidete eine Professur für Amerikanische Literatur. International bekannt wurde die Afroamerikanerin vor allem als Autorin des Romans Die Farbe Lila, der 1983 mit dem American Book Award und dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und 1985 von Steven Spielberg verfilmt wurde.


Mehrmals war ich kurz davor, Im Tempel meines Herzens abzubrechen, doch just in solchen Moment kam ein neuer, interessanter Abschnitt. Ich tauchte in eine mir unbekannte Welt mit fremden Hintergründen ein, die mich oft verständnislos zurückließ; an anderen Stellen jedoch auch faszinierte. Meiner Meinung nach ist das ein Buch, das in gemeinschaftlichem Austausch Kraft entfalten könnte. Aber allein gelesen ist mir die Komposition zu verwirrend.

So teile ich meine Wertung auf: Der Informationsgehalt ist hervorragend (5 Sterne), die Komposition bekommt nur einen Stern und die Übersetzung ist solala (3 Sterne).

Cover des Buches Alle Herrlichkeit auf Erden. (ISBN: B0025WU5G0)

Bewertung zu "Alle Herrlichkeit auf Erden." von Han Suyin

Alle Herrlichkeit auf Erden.
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Das Buch wird zwar unter der Rubrik Liebesroman geführt, es passt aber mindestens so gut zur klassischen Literatur
Zerrissen zwischen Ost und West

In diesem Buch begeben wir uns auf eine Zeitreise in die Mitte des 20. Jahrhunderts: In Hongkong sammelt sich die Highsociety der aus China Geflüchteten. Han Suyin, eine in China geborene und in England ausgebildete Ärztin praktiziert dort und lernt den englischen Journalist Mark kennen. Die beiden verlieben sich und versuchen trotz der vielen Hindernisse das Beste aus ihrer Liebe zu machen. Ein Thema, das wenige Jahre nach Erscheinen des Buches in Hollywood verfilmt und mit drei Oscars ausgezeichnet wurde.

Doch das Buch ist viel mehr als Liebesroman. An vielen Stellen wie ein Tagebuch geschrieben, berichtet Han Suyin aus ihrem Leben. Als Eurasierin sehnt sie sich nach China zurück. Ein Besuch in ihrer Heimat Tschun-King, zeigt ihr die Armut und den Schmutz. Auch fällt ihr auf, wie anders die Bräuche sind und der Charakter der Menschen - im Vergleich zu Europa, wo sie ihr Studium absolviert hatte.


Obwohl die Tagebucheinträge besonders zu Beginn ziemlich geschwätzig wirken, hat mich das Buch beeindruckt. Die Autorin versteht es, ihre Umgebung genau zu betrachten und ausführlich zu beschreiben, was einen guten Eindruck der Gegend vermittelt. Auch zeigt sie die Zerrissenheit der Eurasier, die sich in zwei Welten bewegen. Nach ihrer Ausbildung in Westeuropa oder Amerika „kehren wir wieder zurück in unsere Welt des Hungers, des unaussprechlichen Elends, der wuchernden Korruption und der schreienden Ungerechtigkeit, bettelnder Hände und abstoßenden Wunden.“ Sie schreibt: „von der akademischen Abstraktionen des Westens kehren wir zurück zu der bitteren Not des Ostens.“

Dieses Eintauchen in eine andere Welt hat für mich die titelgebende Liebesgeschichte etwas in den Hintergrund treten lassen. Insofern würde ich das Buch auch eher als klassische Literatur einordnen.


Han Suyin ist der Künstlername von Rosalie Elisabeth Kuanghu Chow, die 1917 im chinesischen Xinyang geboren wurde und im November 2012 in Lausanne in der Schweiz verstarb. Sie war Tochter eines chinesischen Eisenbahningenieurs und einer belgischen Mutter. Die Autorin englischsprachiger Bücher über die Volksrepublik China und Romanen, die in Ostasien spielen, schrieb auch Autobiografisches. Nachdem sie wegen des Zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges ihre medizinische Ausbildung unterbrechen musste, arbeitete sie als Hebamme. Ihr erster Mann starb 1947 im chinesischen Bürgerkrieg, neun Jahre nach der Eheschließung. Nach Vollendung ihres Studiums in London 1948 kam sie nach Hongkong, wo sie den vorliegenden Roman, ihren größten literarischen Erfolg, schrieb. Er wurde 1955 von Henry King verfilmt und mit drei Oscars ausgezeichnet. 


Fazit: Man merkt dem Schreibstil das Alter an. Wer jedoch etwas Geduld aufbringt und Freude an Beschreibungen hat, wird nicht enttäuscht. 

Cover des Buches Hotel Silence (ISBN: 9783458643807)

Bewertung zu "Hotel Silence" von Auður Ava Ólafsdóttir

Hotel Silence
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Das Buch beginnt düster und endet hoffnungsvoll
Lebenssinn

Hotel Silence liegt in einer Region, in der vor kurzem noch Krieg herrschte. Es wurde gerade erst wieder eröffnet. Betrieben wird es von einem jungen Geschwisterpaar, dessen Tante, die bisherige Besitzerin, während des Krieges ins Ausland ging. Noch gibt es kaum Gäste, weil die Umgebung noch alles andere als einladend ist.

Dorthin reist der lebensmüde Jonas, der seinen Verwandten und Freunden ersparen möchte, seine Leiche finden zu müssen. Als Gepäck hat er nur seinen Werkzeugkasten dabei und seine alten Tagebücher. Die wollte er eigentlich entsorgen, fand aber noch keinen geeigneten Platz dafür. Nicht zurücklassen konnte er seine Tätowierung auf der Brust: eine weiße Wasserlilie, die ihn wohl an seine Tochter erinnern soll, denn ihr Name Vatnalilja bedeutet übersetzt Wasserlilie.
 Im Hotel angekommen finden sich tausend Gründe, weshalb er sein Leben noch nicht beenden kann. Wenn er mal nicht beschäftigt ist, dann liest er in seinen alten Tagebüchern und lernt sich dabei ganz neu kennen. Im Umgang mit den vom Krieg traumatisierten Menschen kommt allmählich sein Lebensmut zurück.

Die isländische Schriftstellerin Auður Ava Ólafsdóttir wurde 1958 in Reykjavík geboren. Sie studierte an der Sorbonne Kunstgeschichte und lebte in Frankreich und Italien. Sie lehrt Kunstgeschichte an der Universität Reykjavík und ist Direktorin des Museums der Universität Island. Sie gilt als eine der besten Schriftstellerin Islands und ihre in 25 Sprachen übersetzten Bücher wurden vielfach ausgezeichnet. Im Inselverlag sind außer Hotel Silence noch drei weitere Romane von ihr erschienen. 

Dies ist ein Mut machendes Buch, in dem deutlich wird, wie sehr Menschen einen Sinn im Leben brauchen. Es beginnt ziemlich trist und depressiv, was mir anfangs gar nicht gefiel. Es ändert sich erst mit der Ankunft in dem nicht benannten Kriegsgebiet. Die Sprache lässt sich flüssig lesen und beinhaltet viele unter die Haut gehenden Metapher, die mir immer wieder mal ein Lächeln aufs Gesicht zauberten. Es wird von Verzweiflung berichtet, von Freundschaft und Einfühlungsvermögen. Mich hat es neugierig gemacht auf die anderen Bücher der Autorin.

Cover des Buches Geordnete Verhältnisse (ISBN: 9783446279551)

Bewertung zu "Geordnete Verhältnisse" von Lana Lux

Geordnete Verhältnisse
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Die Autorin versteht es, toxische Beziehungen näher zu betrachten. Beginnt harmlos und humorvoll und endet niederschmetternd.
Ergebnis einer schwierigen Kindheit

Philipp, seit frühester Jugend Außenseiter, wurde schon in der Kindheit schnell wütend. Er hatte nie Freunde, bis Faina in seine Klasse kam und neben ihm platziert wurde. Sie, rothaarig wie er, war mit ihren Eltern aus der Ukraine gekommen und fand keinen anderen Anschluss. Ebenso wie er hatte sie es nicht leicht in ihrer disfunktionalen Familie, die verzweifelt viele Bräuche aus der alten Heimat aufrecht zu erhalten suchte. Die mehr oder weniger unbeabsichtigt begonnene Freundschaft zwischen Philipp und Faina wurde immer enger und hielt über Jahre.

„Ich war immer die Klügere, die Fleißigere, die Begabtere“, resümiert Faina als Erwachsene. Dankbar stellt sie fest, dass er sie noch nie im Stich gelassen hat. So steht sie nach einer längeren Trennung schwanger und mittellos vor seiner Tür. Für ihn kein Problem. Er hält zu ihr und hilft, so gut es ihm möglich ist.
Während in den ersten beiden Teilen des Buches Philipp und Faina nacheinander aus ihrer Sicht die Sachlage schildern, schaltet sich im dritten Teil, in dem es um das Zusammenleben der beiden geht, auch eine neutrale Erzählerin ein. Das ermöglichte mir als Leserin das Verhältnis der beiden zueinander mit Abstand zu betrachten und die Überforderung beider zu erkennen.
Am Ende habe ich das Buch schockiert zugeschlagen. Das Markenzeichen der Autorin sind toxische Beziehungen von Menschen, die eine schwierige Kindheit hatten. Sie schafft es, den Lesern und Leserinnen die Vergangenheit ihrer Protagonisten so nahe zu bringen, dass man unweigerlich Verständnis für sie aufbringt – auch wenn man nicht alle Verhaltensweisen gut findet. Sie lässt uns an deren Kämpfen teilhaben und mitleiden, wenn Träume zerplatzen. Ihr Schreibstil ist einfühlsam und es fällt ihr nicht schwer, nach und nach Spannung aufzubauen.

Lana Lux wurde 1986 in der Ukrainischen Sowjetunion geboren und kam als Zehnjährige nach Deutschland, wo sie die deutsche Sprache lernte, Abitur machte und studierte. Seit 2010 lebt die Schriftstellerin jüdischer Herkunft mit Ehemann und Tochter in Berlin. Geordnete Verhältnisse ihr dritter Roman.

 Fazit: Ein lesenswertes Psychogramm, das ich kaum aus der Hand legen konnte und das mich tief beeindruckt zurückgelassen hat.

Cover des Buches Die Vegetarierin (ISBN: 9783746637600)

Bewertung zu "Die Vegetarierin" von Han Kang

Die Vegetarierin
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Besonders, ausgefallen, beeindruckend und kafkaesk
Träume

Dieses Buch ist etwas Besonderes und beruht auf einer ausgefallenen Idee der südkoreanischen Autorin. Träume spielen darin eine große Rolle, da sie nicht nur einen einzigen Menschen verändern, sondern auch Auswirkungen auf dessen Umgebung haben. Aber sie gehen nicht in Erfüllung, wie sich gleich zu Beginn zeigt. Denn Yong-Hye, die vom Ich-Erzähler wegen ihrer Durchschnittlichkeit zur Frau erwählt wird, bleibt nicht durchschnittlich. Sie wird zur Vegetarierin und erschüttert damit sein Weltbild und das ihrer ganzen Familie.

Bei diesem Buch hat mich schon die erste Seite regelrecht eingesogen. Da beschreibt der Erzähler die Hauptperson so abfällig, dass mir sofort klar war: Diese Ehe kann nicht gut gehen! Mehr möchte ich dazu gar nicht sagen, das muss jeder selbst erlesen.

Der Mittelteil, in dem Verwandte dieser Frau zur Sprache kommen, hat mich fasziniert. Die hier beschriebene Farbenpracht verursachte mir eigene (Wach-)Träume. Da sind Bilder entstanden, die mir nicht mehr so schnell aus dem Kopf gehen und dem Cover sehr ähneln.

Das Ende ist mehr oder weniger logisch aufgebaut und fällt ziemlich niederschmetternd aus.


Die Südkoreanerin Han Kang ist Jahrgang 1970. Als Tochter eines Schriftstellers wuchs sie ab ihrem elften Lebensjahr in Seoul auf, wo sie Koreanische Literatur studierte und promovierte. Sie schrieb Gedichte, gewann 1994 mit ihrer Kurzgeschichte Rotes Segel einen Literaturpreis, dem für weitere Veröffentlichungen noch Preise folgten. Auch die 2007 entstandene Vegetarierin wurde ausgezeichnet und 2010 sogar verfilmt. Ins Deutsche übersetzt erschien dieser Roman 2017.

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