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Cover des Buches Agathe (ISBN: 9783446261914)

Bewertung zu "Agathe" von Anne Cathrine Bomann

Agathe
gstvor 17 Tagen
Kurzmeinung: Nettes, Mut machendes Büchlein, das mir gut gefallen hat
Agathe

Ein alternder Psychotherapeut denkt nur noch daran, dass er bald zu arbeiten aufhören wird. Da kommt eine Patientin, die sich nicht abwimmeln lässt. Er ist gar nicht begeistert, als seine Sekretärin einen Termin für sie vereinbart. Das Zuhören hat er sich schon länger abgewöhnt, lässt die Stunden nur noch an sich vorbeilaufen. Doch Agathe hat etwas an sich, das ihn verändert. Und plötzlich zählt er nicht mehr die Tage und Stunden, bis er in den Ruhestand gehen kann.

Anne Cathrine Bomann ist Jahrgang 1983. Sie arbeitet als Psychologin und lebt in Kopenhagen. Agathe war ihr Debütroman. 

Mich hat dieses Büchlein, das leicht und aufmunternd zu lesen ist, gut unterhalten. Je weiter ich in der Lektüre kam, desto stärker kam der positive Aspekt zum Vorschein. Ich könnte mir vorstellen, dass es Menschen anspricht, die vor dem Ruhestand stehen und Angst davor haben, dass sie „ausrangiert“ werden. 

Cover des Buches Demon Copperhead (ISBN: 9783839821046)

Bewertung zu "Demon Copperhead" von Barbara Kingsolver

Demon Copperhead
gstvor 18 Tagen
Kurzmeinung: Obwohl Sprecher und Stil gut waren, hat mich das Buch irgendwann verloren. Die Drogengeschichte war einfach zu lang für mich.
Schwieriges Leben mit Drogengeschichte

Zu Beginn war ich begeistert von diesem Roman, der mich mitgenommen hat nach Amerika, in einen Trailerpark, wo ein kleiner Junge von seiner drogensüchtigen Mutter geboren wurde. Sein Leben war alles andere als einfach, er bekam einen Stiefvater, der ihn "erziehen" wollte, verlor seine Mutter und den noch ungeborenen Bruder, kam von einer Pflegefamilie in die nächste. Bis er seine Großmutter kennenlernte, war ich ganz bei der Sache. Auch noch, als die ihn zu einem Pflegevater vermittelte, der ihn zum Baseballspieler machte. Demon wurde immer besser und  hatte in seiner Pflegeschwester einen wirklichen Kameraden – bis er sich schwer verletzte und von einem Arzt Drogen zur Schmerzbekämpfung bekam. Ab da ging es bergab: Er wurde selbst süchtig, nachdem er das seine ganze Kindheit und Jugend umgehen konnte. Und da verlor mich die Geschichte. Ich hörte sie trotzdem bis zum Ende und wurde letztendlich auch teilweise wieder versöhnt. Aber die Begeisterung war dahin. Was nicht am Sprecher (Fabian Busch) lag, der den Ton von Demon recht gut rüberbringen konnte. Aber die verzweifelte Suche, sich im Elend einzurichten und der viel zu spät entstandene Wunsch, ihm wieder zu entkommen, haben mich verzweifeln lassen. Dabei hatte der Junge Talente, die er in klaren Momenten auch einzusetzen wusste!


Die amerikanische Schriftstellerin Barbara Klingsolver wurde am 8.April 1955 in Annapolis, Maryland geboren. Sie wuchs im ländlichen Kentucky in einer Arztfamilie auf und lebte als Siebenjährige kurze Zeit mit ihren Eltern in Belgisch-Kongo. Sie studierte erst Klavier, später Biologie, ging für ein Jahr nach Frankreich und lebte dann zwanzig Jahre in Tucson, Arizona, wo sie 1980 einen M.A. in Umweltwissenschaften und Biologie machte. Eine Zeit arbeitete sie als freiberufliche Journalistin. Ihr erster Roman erschien 1988: Das Bohnenbaumglück. Es folgten zahlreiche weitere Werke, in denen sie aktuelle Themen des liberalen US-amerikanischen Bildungsbürgertums aufgreift. Ihre Bücher gelangten regelmäßig auf die Bestsellerliste der New York Times. Für ihr neuestes Werk, den umfangreichen Demon Copperfield erhielt sie 2023 den US-amerikanischen Pulitzer-Preis für Belletristik.

Cover des Buches Erst grau dann weiß dann blau (ISBN: 9783446173729)

Bewertung zu "Erst grau dann weiß dann blau" von Margriet de Moor

Erst grau dann weiß dann blau
gstvor 19 Tagen
Kurzmeinung: Ein unter die Haut gehendes Thema, allerdings schwer zu lesen
Keine einfache Lektüre

Robert hat Magda auf einer Reise durch Kanada kennengelernt, hat sie zuerst amüsiert und dann fasziniert mit seiner besitzergreifenden Entschiedenheit. Magda, die nach dem Krieg mit mit ihrer Mutter nach Kanada ausgewandert ist, geht mit ihm zurück nach Europa, lebt mit ihm ein paar Jahre in den Cevennen und schließlich in Holland, lernt die neue Sprache, übersetzt, findet Freunde. Es geht ihr gut mit Robert, und dennoch spürt und weiß sie bald, „dass sich ganz in der Nähe des Lebens, in dem man zufällig gelandet ist, ein anderes befindet, das man seelenruhig genauso gut hätte führen können.“
Eines Tages ist Magda verschwunden, einfach nicht mehr da, ohne eine Nachricht zu hinterlassen weggefahren. Robert hält sich an den Alltagsritualen fest: Arbeit, die Hunde ausführen, der Garten.
Nach zwei Jahren ist sie plötzlich wieder da. (Klappentext)

Doch sie erzählt niemandem, wo sie war was sie gemacht hat. Das hält Robert nicht aus. Sein Freund Erik findet ihn apatisch neben ihrer blutüberströmten Leiche und mit angeritzten Pulsadern.

Erik ist Augenarzt und erzählt im ersten Teil des Buches. Als LeserIn dringt man ein in seine Gedankenwelt zwischen Augenoperationen, der Liebe zu seiner Frau und dem entsetzlichen Geschehen. Alles geht durcheinander in seinem Kopf und verwirrt den Lesenden. Es wechseln die Zeiten, mal ist er bei sich, dann spricht er plötzlich in der dritten Person.

Auch im zweiten Teil, in dem das gemeinsame Leben von Robert und Magda beleuchtet wird, konnte ich dem assoziativ-schnelle Wechsel der Perspektiven und dem nahtlose Übergang von Zeitebenen nur schwer folgen. Ich musste schon eine Menge Phantasie aufbringen, um mir ein einigermaßen klares Bild von dieser Ehe zu zusammen zu reimen.
Erst im dritten Teil, in dem wir mehr über Magdas Auszeit erfahren, als es den tatsächlich Beteiligten möglich war, fand ich einen Bezug zu diesem Buch. Dieser Teil, in dem Magda in ihre Vergangenheit reist, hat mir auch am besten gefallen. Entweder hatte ich mich zwischenzeitlich an die Erzählsprünge gewöhnt oder sie waren nicht mehr ganz so ausgeprägt wie zu Beginn.
Im vierten und letzten Teil schließlich folgen wir den Gedanken von Nellie (Eriks Frau) am Tag der Beerdigung. 

Margriet de Moor ( 21.November 1941 in Noordwijk) ist eines von zehn Kindern eines Lehrerehepaares. Sie studierte zunächst am Königlichen Konservatorium in Den Haag Klavier und Gesang. In ihrem Zweitstudium belegte sie Kunstgeschichte sowie Archäologie in Amsterdam, das sie mit Klavierunterricht finanzierte. Zusammen mit ihrem Ehemann Heppe de Moor eröffnete Margriet de Moor 1984 einen Salon für Künstler. Für den Salon machte sie eine Reihe von Film- und Video-Portraits der ausstellenden Künstler. Nachdem die Subventionen für die Filmprojekte eingestellt worden waren, begann sie mit dem Schreiben. 

Auch wenn die Autorin für diesen, ihren ersten Roman, der in Holland ein überragender Erfolg wurde, 1992 mit dem renommierten Ako-Preis ausgezeichnet wurde, hat sich bei mir nicht die große Begeisterung eingestellt. Ich bin mit der sprunghaften Erzählweise nicht so recht klar gekommen, obwohl ich das Thema an sich sehr interessant fand. 

Cover des Buches Das stille Haus (ISBN: 9783596512010)

Bewertung zu "Das stille Haus" von Orhan Pamuk

Das stille Haus
gstvor 22 Tagen
Kurzmeinung: Ein Buch, in dem man versinken kann.
Eine Woche Ferien

Dieses Buch im Miniformat 14,5 x 9,5 cm hat es in sich! Das handliche Format ist ideal für die Handtasche geeignet, so dass man es immer dabei haben kann, um zu jeder sich ergebenden Möglichkeit danach zu greifen. Es lässt sich gut in der Hand halten und das mattglänzende Cover ist unempfindlich. Ich liebe es!

Doch im allgemeinen geht es bei Bücher ja vor allem um den Inhalt. Wobei mich der Nobelpreisträger Orhan Pamuk noch nie enttäuscht hat. Allerdings hatte ich bei diesem Buch anfängliche Schwierigkeiten. Ich stolperte darüber, dass jedes Kapitel aus der Sicht eines anderen Erzählers (insgesamt fünf!) geschrieben ist. Zuerst lernen wir Recep, einen kleinwüchsigen Mann kennen, der sich rührend um die ziemlich unzufriedene 90jährige Fatma kümmert. Die war mit dem bereits verstorbenen Selâhattin verheiratet und macht uns im Laufe des Buches mit ihrem etwas weltfremden Mann vertraut. Er hatte drei Kinder, einen ehelichen Sohn und zwei uneheliche. Einer davon ist Recep und da wird klar, warum die alte Frau nicht so gut auf ihn zu sprechen ist.

Nun wartet sie auf den Besuch der Enkel, Kinder ihres inzwischen auch schon verstorbenen Sohnes. Faruk, der älteste, kommt in seiner Art sehr nach dem Großvater. Er ist Historiker und forscht, ohne wirklich zu Ergebnissen zu kommen. Und er liebt alkoholische Getränke. Metin, der Jüngste, geht noch zur Schule und träumt davon, eines Tages in Amerika zu studieren. Hier in dem Ferienort am Marmarameer trifft er auf Gleichaltrige, die wenig mit sich anzufangen wissen und so manchen Blödsinn veranstalten. Das Mädchen Nilgün ist am zurückgezogensten. Sie liest gerne und geht morgens, wenn noch keine Menschen da sind, an den Strand zum Schwimmen. Dabei wird sie von Hasan, Receps Enkel gestalkt.

Das Ganze spielt um 1980 herum, kurz vor dem Militärputsch in der Türkei. Zwei Parteien bekriegen sich, die einen wollen mehr Freiheit, die anderen am Althergebrachten festhalten. In diesem Spannungsfeld begleiten wir die Protagonisten und erleben ein schreckliches Unglück mit.

Orhan Pamuk schreibt ausführlich und genau. Plötzlich ist man als LeserIn mitten in der Geschichte, schüttelt aus Unverständnis den Kopf und hofft vergeblich, dass nichts passiert.


Dies ist der zweite Roman des 1952 in Istanbul geborenen Nobelpreisträgers von 2006. Er entstand zwischen 1980 und 1983 und hat mich trotz diverser Längen sehr beeindruckt. Besonders gefallen hat mir das Eintauchen in eine Gesellschaft am Wendepunkt. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten gefiel mir die von mehreren Erzählern getragene Story, die einen guten Überblick in die Geschehnisse ermöglichte, immer besser. Ein Buch, dessen Lektüre sich lohnt, für das man aber etwas Zeit mitbringen sollte.

Cover des Buches Frauen, die beim Lachen sterben (ISBN: 9783990272923)

Bewertung zu "Frauen, die beim Lachen sterben" von Alexandra Stahl

Frauen, die beim Lachen sterben
gstvor 25 Tagen
Kurzmeinung: Ein ruhiges Buch zum Runterkommen
Blick in den Spiegel

Ebenso minimalistisch wie das Cover ist der ganze Roman. Da schaut eine Frau in den Spiegel und sieht sich, ihre Freundschaften und ihre Umgebung. Sie erzählt in einem leichten Ton und springt zwischen dem Jetzt und der Vergangenheit hin und her. Für mich war es ein erholsames Buch; ebenso, wie es für Iris, die Erzählerin, ein erholsamer Urlaub auf der griechischen Insel war.
In Berlin führte sie ein Leben zwischen ihrem Hauptjob als Betreuerin von Literaturstipendiaten, Nebenjobs und diversen Freundschaften. Als es ihr nicht gut ging, riet ihr eine Freundin zu dieser Auszeit. Aus der geplanten einen Woche werden mehrere – und schließlich eine veränderte Zukunft.
Viel geschieht nicht in diesem Buch und doch eine ganze Menge. Es werden die unterschiedlichsten Beziehungen analysiert, Ich habe mich gerne in Iris’ Gedanken fallen lassen und wartete gespannt auf den Grund, weshalb sie nach Griechenland aufbrach. Etwas verwirrend fand ich die abrupten Wechsel zwischen Erinnerungen und dem Inselaufenthalt.
Wer zur Ruhe kommen und sich aus dem Alltag fort träumen mag, der wird sich hier gut aufgehoben fühlen. Allzu viel Aktion darf man jedoch nicht erwarten.

Cover des Buches Die Stadt und ihre ungewisse Mauer (ISBN: 9783957133175)

Bewertung zu "Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" von Haruki Murakami

Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Auch wenn ich nicht weiß, was mir der Autor mit diesem langen Roman sagen will, habe ich dem Hörbuch gerne 17 Stunden lang gelauscht.
Der schattenlose Traumleser

Der neue große Roman von Haruki Murakami: ein melancholischer, zärtlicher und philosophischer Roman über eine verlorene Liebe, die Suche nach dem Selbst und die Möglichkeit, Mauern zu überwinden. (Die Zeit)

Gleich zu Beginn werden die Zuhörer in eine erste Liebe hineingeworfen. Der namenlose Erzähler war 17, seine Freundin 16 Jahre alt. Das wiederholt er mehrmals und man fragt sich warum. Traut er uns nicht zu, dass wir ihm konzentriert lauschen? Meine anfängliche Begeisterung hielt sich jedenfalls in Grenzen.

Doch das änderte sich nach ca. 15 Prozent des Hörbuchs. Plötzlich war ich angekommen in der Erzählung, die wechselt zwischen dem Damals und dem Jetzt, in dem er in dieser ominösen Stadt mit der Mauer angekommen war, seinen Schatten abgegeben hatte und zum Traumleser geworden war. Dort traf er jeden Tag auf die Frau, die er schon in seiner Jugend geliebt hatte, die ihn aber nicht erkannte. Verwirrend – oder?

Ja, das Buch ist verwirrend. Erzählt Murakami doch in drei Teilen eine Geschichte, die voller Mysterien ist und uns unter anderem ins Reich der lebenden Toten führt. Oft ist unklar, was Realität und was Traum ist. Doch es ist in einer so schönen Sprache verfasst, dass das Zuhören reinster Genuss ist. Sicher trägt dazu auch die angenehme Stimme von David Nathan bei, der es schafft, die Umwelt vergessen zu lassen.

Trotz anfänglicher Skepsis kann ich dieses Hörbuch, das über 17 Stunden dauert, voller Überzeugung empfehlen. Die Entwicklung des Autors zeigt sich deutlich, denn der Beginn der Erzählung entstand schon 1980, als seine Karriere als Schriftsteller gerade begann. Den zweiten und dritten Teil dagegen schrieb er erst Jahrzehnte später. Doch was er mir damit sagen will, ist mir leider verborgen geblieben.

Cover des Buches Die Insel der Seligen (ISBN: 9783899790504)

Bewertung zu "Die Insel der Seligen" von Rudolf Eppelsheimer

Die Insel der Seligen
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Wer mehr über Antroposophie, Karmaforschung und Inkarnation wissen will, könnte sich hier umschauen.
Romantisch überhöht

Was hat mich nur geritten, unbedingt dieses Buch lesen zu wollen? Neun Jahre ist es her, dass ich den ersten Teil dieser Trilogie gelesen habe. Damals war ich hin und weg von der „Romanze am Tegernsee“ und davon überzeugt, auch die weiteren Teile lesen zu wollen. Vielleicht hätte ich den Wunsch lieber nicht realisieren sollen? Dann wäre mir das esoterische Himmelreich der Karmaforschung und Inkarnation erspart geblieben, ebenso wie meine Verlorenheit.

Das Buch ist in einer altmodischen Sprache geschrieben, was ja nicht schlecht sein muss. Zur Verdeutlichung soll dieses Zitat aus einer Bildbeschreibung auf Seite 45 dienen:

Auf Marmorklippen lagert im Schaum der Wogen eine heilige Familie selbviert. Der Säugling liegt an der Mutterbrust und der Vater stützt sich auf einen der Tiefe enttauchten Seehund, dem sich auch das zweite Kind, ein reizender Knabe, begeistert zuwendet. Aller Augen aber leuchten vor sprühender Lebenslust.

Der Roman beinhaltet viele solcher romantischen Beschreibungen. Es wird von Musik erzählt, von Gemälden und von Goethes und Rilkes Gedanken. Das Schöngeistige steht neben den Träumen der Protagonisten im Vordergrund. Liebevolle Naturbeschreibungen ergänzen das Leseerlebnis, das sich aber vor allem mit anthroposophischem Gedankengut beschäftigt. Familienmitglieder und Freunde unterhalten sich über ihre früheren Erdenleben und begeben sich sogar gemeinsam auf eine Reise nach Griechenland, um ihrem früheren Sein näherzukommen. Ihre „Seelenwanderung“ findet in dem Jahr statt, als Prinzessin Diana zu Tode kam – also 1997.

Die Worte von Rudolf Eppelsheimer, dem 1927 geborenen Autor, kommen mir vor wie die Träume eines alternden Mannes. An manchen Stellen kann ich ihnen nicht folgen, in mir entstehen keine erläuternden Bilder. Auf der anderen Seite war es mir nicht möglich, das Buch einfach zuzuschlagen und auf die Seite zu legen. Meine Neugier und der verzweifelte Versuch, tiefer einzusteigen in seine Gedankenwelt hielt mich fest. Kenne ich doch selbst diese kurzen Eingebungen, die mich rätseln lassen, ob ich diesem oder jenem Menschen schon einmal in einem früheren Leben begegnet sein könnte. Doch bisher hat sich das erhoffte Guckloch in eine andere Zeit nie richtig geöffnet. Und da ich noch nie auf der Akropolis war, schon gar nicht bei Mondenschein, las ich den Satz auf Seite 73 ohne die passenden Emotionen:

Das magische Licht am historischen Ort half den Freunden, jedem auf seine Weise, in frühere Dasein zurückzufinden.


Was hat mir dieses Buch nun gegeben? Ich bin neugierig geworden auf die von Rudolf Steiner Anfang des 20. Jahrhunderts begründete Anthroposophie, die „Weisheit vom Menschen“. Darin geht es um das Verständnis von Natur, Geist und menschlicher Entwicklung. Der Literaturwissenschaftler Rudolf Eppelsheimer, der 2006 in München starb (ein Jahr nach Veröffentlichung des beschriebenen Romans) hat sich wohl sehr intensiv damit beschäftigt. 1958 promovierte er an der Universität München über Die tragische Grundstruktur in Goethes Dichtung, die auch in der Steinerschen Lehre eine große Rolle spielt.


Cover des Buches Das Opernhaus: Rot das Feuer (ISBN: 9783499010903)

Bewertung zu "Das Opernhaus: Rot das Feuer" von Anne Stern

Das Opernhaus: Rot das Feuer
gstvor 14 Tagen
Kurzmeinung: Historische Tatsachen in Form eines unterhaltsamen Romans eingefangen. Liebe und Politik – eine interessante Verbindung
Dresden 1849

In diesem zweiten Teil des Dresden-Epos nimmt uns die Autorin mit ins Dresden von 1849. Elise hat sich mit den Aufführungen als Violinistin einen großen Traum erfüllt. Beim Geigenspiel wird sie von ihrem angesehenen Ehemann Adam begleitet, doch das ist so ziemlich die einzige Situation, in der sich die beiden einig sind. Auch in der Erziehung der Adoptivtochter Netty haben sie unterschiedliche Vorstellungen. Während sie dem Mädchen möglichst viele Freiheiten einräumt, achtet der um einige Jahre ältere Mann vor allem auf das Einhalten der Konventionen. Kein Wunder, dass Elise immer noch an ihrer Jugendliebe Christian hängt, es sich aber selbst kaum einzugestehen wagt.

Auch der Kulissenmaler Christian hat sie nicht vergessen. Ihn treiben neben den Erinnerungen auch die berufliche Zukunft und politischen Gegebenheiten um. In der Stadt brodelt es. Unzufriedene Arbeiter und Dienstmädchen, Musiker und Gelehrte wollen für ihre Rechte kämpfen. Unter ihnen so bekannte Namen wie Richard Wagner und Gottfried Semper. Auch Elises jüngste Schwester Barbara beteiligt sich und sorgt damit für große Aufregung in der Familie.


Die Historikerin und promovierte Germanistin Anne Stern (*1982 in Berlin) ist bekannt für ihre historischen Romane. „Rot das Feuer“ ist der zweite Teil der Reihe rund um die Dresdner Semperoper. Dieser Roman lässt sich auch ohne Kenntnis des ersten Teils gut lesen.


Da ich in der Nähe von Dresden wohne, kann ich gar nicht genug über die Geschichte meiner Wahlheimat erfahren. Ich bin nach dem Genuss des ersten Teiles gerne wieder in Elises Zerrissenheit und die ausführliche Darstellung des Dresdener Maiaufstandes eingetaucht. Neu war für mich, wie vergeblich sich schon damals Frauen für ihre Rechte einzusetzen versuchten. Und sehr interessant fand ich das Nachwort mit geschichtlichen Daten. Mir gefällt solch leicht lesbare Unterhaltungslektüre, die ganz nebenbei viel Wissen vermittelt.

Cover des Buches Muldental (ISBN: 9783257070941)

Bewertung zu "Muldental" von Daniela Krien

Muldental
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Geschichten, die unter die Haut gehen
Erzählungen über eine zerbröckelnde Welt

Sie können selbst nicht fassen, was sie da tun, und doch tun sie es. Und es geht erstaunlich leicht. Halb aus Spaß, halb aus Verzweiflung setzen die Freundinnen den langgehegten Plan B in die Tat um: Sie mieten eine Wohnung und lassen sich über einen gemeinsamen früheren Freund Freier beschaffen. Das größte Glück und der tiefste Abgrund liegen immer nur eine Handbreit auseinander. So auch bei Marie, die vergeblich versucht der Erpressung durch die Stasi standzuhalten. Aber nun, an einem der heißesten Tage des Sommers, kommt es zur Eskalation. In zehn Geschichten schildert Daniela Krien Menschen, deren Hoffnungen und Pläne nach der Wende erfüllt oder betrogen wurden. (Klappentext)


Für dieses Buch sollte man sich Zeit nehmen! Denn jede einzelne Erzählung (eigentlich sind es elf, doch die erste und letzte haben einen unmittelbaren Zusammenhang) geht tief unter die Haut und muss verdaut werden. Hier lässt sich nachvollziehen, was die deutsche Wiedervereinigung für die Menschen aus der ehemaligen DDR für Folgen hatte. Nicht jedem war es möglich, gleich wieder Fuß zu fassen. Manche suchten nach neuen Möglichkeiten für sich, doch Manche verzweifelten an den Veränderungen, an den neuen Regeln und dem verlorengegangenen Halt.


Daniela Krien war 14, als die Mauer fiel. Sie hat den Umbruch in Jena und dem Vogtland unmittelbar miterlebt. Ihre Mutter musste sich beruflich neu orientieren und sich um den jüngeren Sohn kümmern. Die Autorin brach ihre gymnasiale Schulausbildung in der elften Klasse ab und absolvierte eine dreijährige Ausbildung zur Zahnarzthelferin in Hof an der Saale. Später machte sie am Chemnitzer Abendgymnasium in weiteren drei Jahren das Abitur nach. Nach verschiedenen beruflichen Stationen zog sie 1999 nach Leipzig, wo sie Kulturwissenschaften und Kommunikations- und Medienwissenschaft studierte. 2011 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, dem noch zwei weitere folgten.


Ich habe sie alle gelesen und war von jedem beeindruckt. Besonders gefällt mir an ihrer Art zu schreiben, dass sie nicht wertet, sondern Situationen darstellt und es dem Leser überlässt, selbst darüber nachzudenken. Wer mehr über Menschen und ihre Beweggründe erfahren will, ist bei ihr gut aufgehoben.


Cover des Buches Wellness (ISBN: 9783869525983)

Bewertung zu "Wellness" von Nathan Hill

Wellness
gstvor 2 Monaten
Kurzmeinung: Gesellschaftskritik hübsch verpackt. Zum Lachen und Weinen gleichzeitig.
Kaleidoskop der modernen Gesellschaft

Ach, wie herrlich beginnt diese Story! Jack und Elizabeth verlieben sich auf den ersten Blick! Doch wie das Leben so läuft: als dreiköpfige Familie sieht alles ganz anders aus…

Nathan Hill lässt uns am Leben dieses Traumpaares teilhaben und wirft gleichzeitig einen Blick in die Zusammensetzung der heutigen Gesellschaft. Er zeigt uns nicht nur die völlig unterschiedliche Herkunft der beiden, sondern auch ihr Streben nach Höherem. Dass das nicht immer mit rechten Dingen zugeht, wissen wir ja. Aber so im Detail hinzusehen, lässt uns doch immer wieder mit dem Kopf schütteln oder erstaunt aufatmen. Vor allem, wenn wir uns selbst ertappen.

Elizabeth wendet alle psychologischen Tricks an, um ihren Sohn zu einem brauchbaren Mitglied der Gesellschaft zu machen; um schließlich festzustellen, dass andere das viel besser können. Allerdings kann auch sie Menschen manipulieren und das sogar beruflich. Währenddessen verstrickt sich Jack als Kunstprofessor in eigene Projekte, bei denen man schon nach dem Sinn fragen darf.

Beide zusammen haben sich in Schulden für eine Traumwohnung gestürzt, bei der die Realisierung in Frage gestellt ist. Nicht nur die unterschiedlichen Vorstellung dazu führen zu Streitigkeiten, die ihre Ehe schwer belasten.


Der 1978 geborene amerikanische Schriftsteller Nathan Hill hat hier ein buntes Kaleidoskop des heutigen Lebens zusammengestellt, in dem er auf die Wirkung von Placebos ebenso eingeht wie auf die Entstehung von Verschwörungstheorien im Internet. Wer dieses Buch liest, erfährt sehr viel über die menschliche Psyche und wird anschließend nicht mehr ganz so unbedarft ans Leben gehen wie zuvor.

Mir hat das von Uve Teschner eingelesene Hörbuch über 21, meist sehr vergnügliche Stunden bereitet. Zwar wurde es an manchen Stellen, besonders im Mittelteil, etwas ausufernd, doch das war gut zu verkraften, da die Personenzeichnungen sehr gut gelungen sind.


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