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Cover des Buches Bittere Wasser (ISBN: 9783498003159)

Bewertung zu "Bittere Wasser" von Tina Pruschmann

Bittere Wasser
gstvor 17 Stunden
Kurzmeinung: Bei diesem Buch habe ich mich von Cover und Klappentext täuschen lassen. Statt Zirkusleben bekam ich viel Leben außerhalb des Zirkus.
Wenig Zirkus, viel Leben

Bei diesem Buch habe ich mich vom Cover und dem Klappentext täuschen lassen. Da ich seit jeher ein Zirkusfan bin, habe ich mich auf eine entsprechende Lektüre gefreut. Bekommen habe ich einen Einblick in Idas Leben, das zwar im Zirkus begann, aber mit der Einschulung bei den Großeltern im Erzgebirge fortgeführt wurde. 


Dort beeindruckte sie ihre Klassenkameraden mit ihren Einradkünsten und besuchte die Eltern während der Ferien noch im Zirkus, doch davon wurde kaum etwas berichtet. Statt dessen hat sich die Autorin lange mit Geschichte und Traditionen eines Erzgebirgsdorfes beschäftigt. Sie nennt es Tann, doch wer das Buch von Kati Naumann „Sehnsucht nach Licht“ gelesen hat, erkennt den Ort unschwer als das heutige Bad Schlema, dessen Historie Kati Naumann viel lebendiger geschildert hat.


Für mich waren mehr als einhundert Jahre Ortsgeschichte für dieses Buch zu viel, vor allem, da mir der Stil der Autorin so gar nicht zusagte. Für mein Befinden schreibt sie zu distanziert. Wie die Menschen mit dem Ende der DDR zurechtgekommen sind, ist zwar interessant und man kann ein wenig in die Zeit eintauchen, in der die Menschen überlegten, ob sie „rübermachen“ sollten oder nicht. Bei mir entstanden jedoch aus der Zeit, in der das Land abgewickelt wurde, kaum Bilder im Kopf.


Erst, als Ida, die in etwa dem Alter der Autorin (*1975) entspricht, die Elefanten des eliminierten DDR-Staatszirkus in die Ukraine nach Kiew begleitete, kam ich im Buch an. Eines der besten Kapitel war für mich das Gespräch zwischen Jewhen und Ida:



Jewhen: „Mit den Dingen kam der Dreck in die Straßen. Früher wars besser.“


 Ida: Das liegt nicht an den Dingen. Das liegt an der Freiheit. Mit der Freiheit kam der Dreck.“

oder



Jewhen: „Was macht der kleine Mann heute?“


Ida: „Er verwechselt Quarkkeulchen mit Solidarität.“


Jewhen: „Was meinst du, Ida? Red nicht so kryptisch!“


 Ida: „Ich meine die Wärme. Der kleine Mann denkt an früher und denkt an die Wärme, und er glaubt, die kam von der Solidarität. Die kam aber nicht von der Solidarität, sondern von den Quarkkeulchen mit Apfelmus, die es freitagsmittags als Schulessen gab.“

Von Idas Zeit in Kiew und schließlich auch von ihrer Rückkehr zum Vater hätte ich gern mehr lesen mögen. Zum Schluss wird das Buch sogar noch emotional. Doch insgesamt ist mir der Einblick in Idas Leben und die vielen geschichtlichen Ereignisse, die nichts mit ihr zu tun hatten, nicht mehr wert als drei Sterne. Die Autorin hat sich mit der Vielfalt der Themen eindeutig übernommen.

Cover des Buches Alligatoren (ISBN: 9783959672207)

Bewertung zu "Alligatoren" von Deb Spera

Alligatoren
gstvor 2 Tagen
Kurzmeinung: Ein Südstaatenroman, der schmerzhafte Themen aufgreift und mit drei sehr unterschiedlichen, mutigen und zupackenden Frauen bekannt macht.
Spannend wie ein Krimi

Drei Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten sind mehr oder weniger miteinander verwoben und kämpfen für sich und ihre Kinder.

Da ist Gertrude, die mit ihrem dem Alkohol zugewandten Mann ins Abseits gerät und in die Armut abrutscht. Sie hat vier Töchter und nichts zu essen für sich und ihre Kinder. Nur ihr Bruder hilft ihr. Er macht sie auf einen Job aufmerksam, der ihr das Leben erträglicher gestalten könnte. Denn Nähen kann sie, doch wohin mit den Kindern?

Da kommt Retta ins Spiel. Die schwarze Köchin aus einem angesehenen Haushalt ist immer und überall hilfsbereit. Ihre Chefin ist Anne Cole, die zusammen mit einem ihrer Söhne eine Näherei betreibt. Doch Mr. Cole, der gerade durch den Baumwollkäfer seine Existenz verloren hat, sieht das nur als Hobby. Von sich überzeugt setzt er auf Tabakanbau und ahnt nicht, dass er dadurch während der Weltwirtschaftskrise alles verliert.

Zusammen mit den starken Protagonistinnen durchleben wir eine Colera-Epedemie, bei der viele Menschen sterben. Wir lernen herrschsüchtige Männer kennen, die vor nichts Halt machen. Und hoffen mit naiven Kindern, dass ihnen das Schlimmste erspart bleibt.

Deb Spera hat ein spannendes Buch geschrieben, das mich regelrecht gefesselt hat. Sie bringt in einem ansprechenden Stil viele schlimme Dinge zur Sprache, die tief unter die Haut gehen. Es könnte sein, dass dieser Roman sehr zart besaitete Menschen triggert.

Cover des Buches 25 letzte Sommer (ISBN: 9783844937879)

Bewertung zu "25 letzte Sommer" von Stephan Schäfer

25 letzte Sommer
gstvor 2 Tagen
Kurzmeinung: Ein ruhiges Buch zum Abschalten und Runterkommen
Kleine Auszeit

Der Erzähler dieses Buches fährt gern in das kleine Haus auf dem Land. Dieses Mal hat die Familie etwas anderes vor und er ist alleine dort. Er hat sich viel Arbeit mitgebracht und eigentlich keine Zeit zum Müßiggang. Trotzdem gönnt er sich wenigstens einen Morgenspaziergang. Dabei trifft er auf einen unbekannten, etwa gleichaltrigen Mann, mit dem er schnell ins Gespräch kommt. Ab da verläuft sein Wochenende anders als geplant und er muss feststellen, dass ihm das sehr gut tut…

In meinen Augen die richtige Lektüre für alle, die es nötig haben, etwas ihren Stresslevel abzubauen. Die Männer, die das Wochenende mehr oder weniger gemeinsam verbringen, greifen Themen zur Natur und dem Leben insgesamt auf. Es wird deutlich, dass das Dasein aus mehr als Arbeit und Stress bestehen sollte.

Mich hat das relativ kurze Hörbuch (3 Stunden und 6 Minuten) in einem etwas ruhigeren Lebensabschnitt erreicht. Die Stimme von Markus Hoffmann war nicht für mich gemacht; sie kam mir zu getragen rüber. Trotzdem konnte ich mir die Situation gut vorstellen und die Idee an sich gefiel mir. Wer verbringt nicht gern erholsame Stunden zusammen mit einem Freund? Die Gespräche enthielten so einige Wahrheiten, die mir im Laufe meines Lebens auch schon aufgefallen sind.

Fazit: Ein ruhiges Buch zum Abschalten und Runterkommen

Cover des Buches Agathe (ISBN: 9783446261914)

Bewertung zu "Agathe" von Anne Cathrine Bomann

Agathe
gstvor 19 Tagen
Kurzmeinung: Nettes, Mut machendes Büchlein, das mir gut gefallen hat
Agathe

Ein alternder Psychotherapeut denkt nur noch daran, dass er bald zu arbeiten aufhören wird. Da kommt eine Patientin, die sich nicht abwimmeln lässt. Er ist gar nicht begeistert, als seine Sekretärin einen Termin für sie vereinbart. Das Zuhören hat er sich schon länger abgewöhnt, lässt die Stunden nur noch an sich vorbeilaufen. Doch Agathe hat etwas an sich, das ihn verändert. Und plötzlich zählt er nicht mehr die Tage und Stunden, bis er in den Ruhestand gehen kann.

Anne Cathrine Bomann ist Jahrgang 1983. Sie arbeitet als Psychologin und lebt in Kopenhagen. Agathe war ihr Debütroman. 

Mich hat dieses Büchlein, das leicht und aufmunternd zu lesen ist, gut unterhalten. Je weiter ich in der Lektüre kam, desto stärker kam der positive Aspekt zum Vorschein. Ich könnte mir vorstellen, dass es Menschen anspricht, die vor dem Ruhestand stehen und Angst davor haben, dass sie „ausrangiert“ werden. 

Cover des Buches Demon Copperhead (ISBN: 9783839821046)

Bewertung zu "Demon Copperhead" von Barbara Kingsolver

Demon Copperhead
gstvor 20 Tagen
Kurzmeinung: Obwohl Sprecher und Stil gut waren, hat mich das Buch irgendwann verloren. Die Drogengeschichte war einfach zu lang für mich.
Schwieriges Leben mit Drogengeschichte

Zu Beginn war ich begeistert von diesem Roman, der mich mitgenommen hat nach Amerika, in einen Trailerpark, wo ein kleiner Junge von seiner drogensüchtigen Mutter geboren wurde. Sein Leben war alles andere als einfach, er bekam einen Stiefvater, der ihn "erziehen" wollte, verlor seine Mutter und den noch ungeborenen Bruder, kam von einer Pflegefamilie in die nächste. Bis er seine Großmutter kennenlernte, war ich ganz bei der Sache. Auch noch, als die ihn zu einem Pflegevater vermittelte, der ihn zum Baseballspieler machte. Demon wurde immer besser und  hatte in seiner Pflegeschwester einen wirklichen Kameraden – bis er sich schwer verletzte und von einem Arzt Drogen zur Schmerzbekämpfung bekam. Ab da ging es bergab: Er wurde selbst süchtig, nachdem er das seine ganze Kindheit und Jugend umgehen konnte. Und da verlor mich die Geschichte. Ich hörte sie trotzdem bis zum Ende und wurde letztendlich auch teilweise wieder versöhnt. Aber die Begeisterung war dahin. Was nicht am Sprecher (Fabian Busch) lag, der den Ton von Demon recht gut rüberbringen konnte. Aber die verzweifelte Suche, sich im Elend einzurichten und der viel zu spät entstandene Wunsch, ihm wieder zu entkommen, haben mich verzweifeln lassen. Dabei hatte der Junge Talente, die er in klaren Momenten auch einzusetzen wusste!


Die amerikanische Schriftstellerin Barbara Klingsolver wurde am 8.April 1955 in Annapolis, Maryland geboren. Sie wuchs im ländlichen Kentucky in einer Arztfamilie auf und lebte als Siebenjährige kurze Zeit mit ihren Eltern in Belgisch-Kongo. Sie studierte erst Klavier, später Biologie, ging für ein Jahr nach Frankreich und lebte dann zwanzig Jahre in Tucson, Arizona, wo sie 1980 einen M.A. in Umweltwissenschaften und Biologie machte. Eine Zeit arbeitete sie als freiberufliche Journalistin. Ihr erster Roman erschien 1988: Das Bohnenbaumglück. Es folgten zahlreiche weitere Werke, in denen sie aktuelle Themen des liberalen US-amerikanischen Bildungsbürgertums aufgreift. Ihre Bücher gelangten regelmäßig auf die Bestsellerliste der New York Times. Für ihr neuestes Werk, den umfangreichen Demon Copperfield erhielt sie 2023 den US-amerikanischen Pulitzer-Preis für Belletristik.

Cover des Buches Erst grau dann weiß dann blau (ISBN: 9783446173729)

Bewertung zu "Erst grau dann weiß dann blau" von Margriet de Moor

Erst grau dann weiß dann blau
gstvor 21 Tagen
Kurzmeinung: Ein unter die Haut gehendes Thema, allerdings schwer zu lesen
Keine einfache Lektüre

Robert hat Magda auf einer Reise durch Kanada kennengelernt, hat sie zuerst amüsiert und dann fasziniert mit seiner besitzergreifenden Entschiedenheit. Magda, die nach dem Krieg mit mit ihrer Mutter nach Kanada ausgewandert ist, geht mit ihm zurück nach Europa, lebt mit ihm ein paar Jahre in den Cevennen und schließlich in Holland, lernt die neue Sprache, übersetzt, findet Freunde. Es geht ihr gut mit Robert, und dennoch spürt und weiß sie bald, „dass sich ganz in der Nähe des Lebens, in dem man zufällig gelandet ist, ein anderes befindet, das man seelenruhig genauso gut hätte führen können.“
Eines Tages ist Magda verschwunden, einfach nicht mehr da, ohne eine Nachricht zu hinterlassen weggefahren. Robert hält sich an den Alltagsritualen fest: Arbeit, die Hunde ausführen, der Garten.
Nach zwei Jahren ist sie plötzlich wieder da. (Klappentext)

Doch sie erzählt niemandem, wo sie war was sie gemacht hat. Das hält Robert nicht aus. Sein Freund Erik findet ihn apatisch neben ihrer blutüberströmten Leiche und mit angeritzten Pulsadern.

Erik ist Augenarzt und erzählt im ersten Teil des Buches. Als LeserIn dringt man ein in seine Gedankenwelt zwischen Augenoperationen, der Liebe zu seiner Frau und dem entsetzlichen Geschehen. Alles geht durcheinander in seinem Kopf und verwirrt den Lesenden. Es wechseln die Zeiten, mal ist er bei sich, dann spricht er plötzlich in der dritten Person.

Auch im zweiten Teil, in dem das gemeinsame Leben von Robert und Magda beleuchtet wird, konnte ich dem assoziativ-schnelle Wechsel der Perspektiven und dem nahtlose Übergang von Zeitebenen nur schwer folgen. Ich musste schon eine Menge Phantasie aufbringen, um mir ein einigermaßen klares Bild von dieser Ehe zu zusammen zu reimen.
Erst im dritten Teil, in dem wir mehr über Magdas Auszeit erfahren, als es den tatsächlich Beteiligten möglich war, fand ich einen Bezug zu diesem Buch. Dieser Teil, in dem Magda in ihre Vergangenheit reist, hat mir auch am besten gefallen. Entweder hatte ich mich zwischenzeitlich an die Erzählsprünge gewöhnt oder sie waren nicht mehr ganz so ausgeprägt wie zu Beginn.
Im vierten und letzten Teil schließlich folgen wir den Gedanken von Nellie (Eriks Frau) am Tag der Beerdigung. 

Margriet de Moor ( 21.November 1941 in Noordwijk) ist eines von zehn Kindern eines Lehrerehepaares. Sie studierte zunächst am Königlichen Konservatorium in Den Haag Klavier und Gesang. In ihrem Zweitstudium belegte sie Kunstgeschichte sowie Archäologie in Amsterdam, das sie mit Klavierunterricht finanzierte. Zusammen mit ihrem Ehemann Heppe de Moor eröffnete Margriet de Moor 1984 einen Salon für Künstler. Für den Salon machte sie eine Reihe von Film- und Video-Portraits der ausstellenden Künstler. Nachdem die Subventionen für die Filmprojekte eingestellt worden waren, begann sie mit dem Schreiben. 

Auch wenn die Autorin für diesen, ihren ersten Roman, der in Holland ein überragender Erfolg wurde, 1992 mit dem renommierten Ako-Preis ausgezeichnet wurde, hat sich bei mir nicht die große Begeisterung eingestellt. Ich bin mit der sprunghaften Erzählweise nicht so recht klar gekommen, obwohl ich das Thema an sich sehr interessant fand. 

Cover des Buches Das stille Haus (ISBN: 9783596512010)

Bewertung zu "Das stille Haus" von Orhan Pamuk

Das stille Haus
gstvor 24 Tagen
Kurzmeinung: Ein Buch, in dem man versinken kann.
Eine Woche Ferien

Dieses Buch im Miniformat 14,5 x 9,5 cm hat es in sich! Das handliche Format ist ideal für die Handtasche geeignet, so dass man es immer dabei haben kann, um zu jeder sich ergebenden Möglichkeit danach zu greifen. Es lässt sich gut in der Hand halten und das mattglänzende Cover ist unempfindlich. Ich liebe es!

Doch im allgemeinen geht es bei Bücher ja vor allem um den Inhalt. Wobei mich der Nobelpreisträger Orhan Pamuk noch nie enttäuscht hat. Allerdings hatte ich bei diesem Buch anfängliche Schwierigkeiten. Ich stolperte darüber, dass jedes Kapitel aus der Sicht eines anderen Erzählers (insgesamt fünf!) geschrieben ist. Zuerst lernen wir Recep, einen kleinwüchsigen Mann kennen, der sich rührend um die ziemlich unzufriedene 90jährige Fatma kümmert. Die war mit dem bereits verstorbenen Selâhattin verheiratet und macht uns im Laufe des Buches mit ihrem etwas weltfremden Mann vertraut. Er hatte drei Kinder, einen ehelichen Sohn und zwei uneheliche. Einer davon ist Recep und da wird klar, warum die alte Frau nicht so gut auf ihn zu sprechen ist.

Nun wartet sie auf den Besuch der Enkel, Kinder ihres inzwischen auch schon verstorbenen Sohnes. Faruk, der älteste, kommt in seiner Art sehr nach dem Großvater. Er ist Historiker und forscht, ohne wirklich zu Ergebnissen zu kommen. Und er liebt alkoholische Getränke. Metin, der Jüngste, geht noch zur Schule und träumt davon, eines Tages in Amerika zu studieren. Hier in dem Ferienort am Marmarameer trifft er auf Gleichaltrige, die wenig mit sich anzufangen wissen und so manchen Blödsinn veranstalten. Das Mädchen Nilgün ist am zurückgezogensten. Sie liest gerne und geht morgens, wenn noch keine Menschen da sind, an den Strand zum Schwimmen. Dabei wird sie von Hasan, Receps Enkel gestalkt.

Das Ganze spielt um 1980 herum, kurz vor dem Militärputsch in der Türkei. Zwei Parteien bekriegen sich, die einen wollen mehr Freiheit, die anderen am Althergebrachten festhalten. In diesem Spannungsfeld begleiten wir die Protagonisten und erleben ein schreckliches Unglück mit.

Orhan Pamuk schreibt ausführlich und genau. Plötzlich ist man als LeserIn mitten in der Geschichte, schüttelt aus Unverständnis den Kopf und hofft vergeblich, dass nichts passiert.


Dies ist der zweite Roman des 1952 in Istanbul geborenen Nobelpreisträgers von 2006. Er entstand zwischen 1980 und 1983 und hat mich trotz diverser Längen sehr beeindruckt. Besonders gefallen hat mir das Eintauchen in eine Gesellschaft am Wendepunkt. Und nach anfänglichen Schwierigkeiten gefiel mir die von mehreren Erzählern getragene Story, die einen guten Überblick in die Geschehnisse ermöglichte, immer besser. Ein Buch, dessen Lektüre sich lohnt, für das man aber etwas Zeit mitbringen sollte.

Cover des Buches Frauen, die beim Lachen sterben (ISBN: 9783990272923)

Bewertung zu "Frauen, die beim Lachen sterben" von Alexandra Stahl

Frauen, die beim Lachen sterben
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Ein ruhiges Buch zum Runterkommen
Blick in den Spiegel

Ebenso minimalistisch wie das Cover ist der ganze Roman. Da schaut eine Frau in den Spiegel und sieht sich, ihre Freundschaften und ihre Umgebung. Sie erzählt in einem leichten Ton und springt zwischen dem Jetzt und der Vergangenheit hin und her. Für mich war es ein erholsames Buch; ebenso, wie es für Iris, die Erzählerin, ein erholsamer Urlaub auf der griechischen Insel war.
In Berlin führte sie ein Leben zwischen ihrem Hauptjob als Betreuerin von Literaturstipendiaten, Nebenjobs und diversen Freundschaften. Als es ihr nicht gut ging, riet ihr eine Freundin zu dieser Auszeit. Aus der geplanten einen Woche werden mehrere – und schließlich eine veränderte Zukunft.
Viel geschieht nicht in diesem Buch und doch eine ganze Menge. Es werden die unterschiedlichsten Beziehungen analysiert, Ich habe mich gerne in Iris’ Gedanken fallen lassen und wartete gespannt auf den Grund, weshalb sie nach Griechenland aufbrach. Etwas verwirrend fand ich die abrupten Wechsel zwischen Erinnerungen und dem Inselaufenthalt.
Wer zur Ruhe kommen und sich aus dem Alltag fort träumen mag, der wird sich hier gut aufgehoben fühlen. Allzu viel Aktion darf man jedoch nicht erwarten.

Cover des Buches Die Stadt und ihre ungewisse Mauer (ISBN: 9783957133175)

Bewertung zu "Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" von Haruki Murakami

Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Auch wenn ich nicht weiß, was mir der Autor mit diesem langen Roman sagen will, habe ich dem Hörbuch gerne 17 Stunden lang gelauscht.
Der schattenlose Traumleser

Der neue große Roman von Haruki Murakami: ein melancholischer, zärtlicher und philosophischer Roman über eine verlorene Liebe, die Suche nach dem Selbst und die Möglichkeit, Mauern zu überwinden. (Die Zeit)

Gleich zu Beginn werden die Zuhörer in eine erste Liebe hineingeworfen. Der namenlose Erzähler war 17, seine Freundin 16 Jahre alt. Das wiederholt er mehrmals und man fragt sich warum. Traut er uns nicht zu, dass wir ihm konzentriert lauschen? Meine anfängliche Begeisterung hielt sich jedenfalls in Grenzen.

Doch das änderte sich nach ca. 15 Prozent des Hörbuchs. Plötzlich war ich angekommen in der Erzählung, die wechselt zwischen dem Damals und dem Jetzt, in dem er in dieser ominösen Stadt mit der Mauer angekommen war, seinen Schatten abgegeben hatte und zum Traumleser geworden war. Dort traf er jeden Tag auf die Frau, die er schon in seiner Jugend geliebt hatte, die ihn aber nicht erkannte. Verwirrend – oder?

Ja, das Buch ist verwirrend. Erzählt Murakami doch in drei Teilen eine Geschichte, die voller Mysterien ist und uns unter anderem ins Reich der lebenden Toten führt. Oft ist unklar, was Realität und was Traum ist. Doch es ist in einer so schönen Sprache verfasst, dass das Zuhören reinster Genuss ist. Sicher trägt dazu auch die angenehme Stimme von David Nathan bei, der es schafft, die Umwelt vergessen zu lassen.

Trotz anfänglicher Skepsis kann ich dieses Hörbuch, das über 17 Stunden dauert, voller Überzeugung empfehlen. Die Entwicklung des Autors zeigt sich deutlich, denn der Beginn der Erzählung entstand schon 1980, als seine Karriere als Schriftsteller gerade begann. Den zweiten und dritten Teil dagegen schrieb er erst Jahrzehnte später. Doch was er mir damit sagen will, ist mir leider verborgen geblieben.

Cover des Buches Die Insel der Seligen (ISBN: 9783899790504)

Bewertung zu "Die Insel der Seligen" von Rudolf Eppelsheimer

Die Insel der Seligen
gstvor einem Monat
Kurzmeinung: Wer mehr über Antroposophie, Karmaforschung und Inkarnation wissen will, könnte sich hier umschauen.
Romantisch überhöht

Was hat mich nur geritten, unbedingt dieses Buch lesen zu wollen? Neun Jahre ist es her, dass ich den ersten Teil dieser Trilogie gelesen habe. Damals war ich hin und weg von der „Romanze am Tegernsee“ und davon überzeugt, auch die weiteren Teile lesen zu wollen. Vielleicht hätte ich den Wunsch lieber nicht realisieren sollen? Dann wäre mir das esoterische Himmelreich der Karmaforschung und Inkarnation erspart geblieben, ebenso wie meine Verlorenheit.

Das Buch ist in einer altmodischen Sprache geschrieben, was ja nicht schlecht sein muss. Zur Verdeutlichung soll dieses Zitat aus einer Bildbeschreibung auf Seite 45 dienen:

Auf Marmorklippen lagert im Schaum der Wogen eine heilige Familie selbviert. Der Säugling liegt an der Mutterbrust und der Vater stützt sich auf einen der Tiefe enttauchten Seehund, dem sich auch das zweite Kind, ein reizender Knabe, begeistert zuwendet. Aller Augen aber leuchten vor sprühender Lebenslust.

Der Roman beinhaltet viele solcher romantischen Beschreibungen. Es wird von Musik erzählt, von Gemälden und von Goethes und Rilkes Gedanken. Das Schöngeistige steht neben den Träumen der Protagonisten im Vordergrund. Liebevolle Naturbeschreibungen ergänzen das Leseerlebnis, das sich aber vor allem mit anthroposophischem Gedankengut beschäftigt. Familienmitglieder und Freunde unterhalten sich über ihre früheren Erdenleben und begeben sich sogar gemeinsam auf eine Reise nach Griechenland, um ihrem früheren Sein näherzukommen. Ihre „Seelenwanderung“ findet in dem Jahr statt, als Prinzessin Diana zu Tode kam – also 1997.

Die Worte von Rudolf Eppelsheimer, dem 1927 geborenen Autor, kommen mir vor wie die Träume eines alternden Mannes. An manchen Stellen kann ich ihnen nicht folgen, in mir entstehen keine erläuternden Bilder. Auf der anderen Seite war es mir nicht möglich, das Buch einfach zuzuschlagen und auf die Seite zu legen. Meine Neugier und der verzweifelte Versuch, tiefer einzusteigen in seine Gedankenwelt hielt mich fest. Kenne ich doch selbst diese kurzen Eingebungen, die mich rätseln lassen, ob ich diesem oder jenem Menschen schon einmal in einem früheren Leben begegnet sein könnte. Doch bisher hat sich das erhoffte Guckloch in eine andere Zeit nie richtig geöffnet. Und da ich noch nie auf der Akropolis war, schon gar nicht bei Mondenschein, las ich den Satz auf Seite 73 ohne die passenden Emotionen:

Das magische Licht am historischen Ort half den Freunden, jedem auf seine Weise, in frühere Dasein zurückzufinden.


Was hat mir dieses Buch nun gegeben? Ich bin neugierig geworden auf die von Rudolf Steiner Anfang des 20. Jahrhunderts begründete Anthroposophie, die „Weisheit vom Menschen“. Darin geht es um das Verständnis von Natur, Geist und menschlicher Entwicklung. Der Literaturwissenschaftler Rudolf Eppelsheimer, der 2006 in München starb (ein Jahr nach Veröffentlichung des beschriebenen Romans) hat sich wohl sehr intensiv damit beschäftigt. 1958 promovierte er an der Universität München über Die tragische Grundstruktur in Goethes Dichtung, die auch in der Steinerschen Lehre eine große Rolle spielt.


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