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haberland86

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Cover des Buches Metro 2033 (ISBN: 9783453529687)

Bewertung zu "Metro 2033" von Dmitry Glukhovsky

Metro 2033
haberland86vor 5 Jahren
Kurzmeinung: Ideenreiche und in beste Science Fiction gehüllte Gesellschaftskritik.
Ideenreiche und in beste Science Fiction gehüllte Gesellschaftskritik.

Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal von der Metro-Reihe des russischen Schriftstellers Dmitry Glukhovsky hörte, fand ich die Idee, dass die Menschheit sich eines Tages selbst zerstört und die Überlebenden eines erschreckend plausiblen Atomkriegs unter der Erde in U-Bahn-Schächten leben müssen, ziemlich interessant.

Allerdings bin ich kein großer Fan von Science-Fiction und Fantasy und befürchtete, dass die Handlung zu sehr in diese Richtung gehen würde, daher schob ich die Lektüre des ersten Bandes (den ich mir nach viel hin und her überlegen schließlich gekauft hatte) immer wieder vor mir her.

Leider.

Denn abgesehen von einigen skurrilen Gestalten, die aufgrund der radioaktiven Strahlung mutiert sind, bleibt Glukhovsky’s Distopie stets plausibel und ist gespickt mit Kritik an unserer (aber vor allem der russischen) Gesellschaft, dem Umgang der Menschen miteinander und wie wir unseren Planeten behandeln.

Zwar verzichtet er dabei nicht auf Stereotypen, aber vielleicht ist das auch notwendig, um zu verdeutlichen, dass sich das Wesen der meisten Menschen niemals grundlegend ändern wird, egal welche Katastrophen ihnen auch wiederfahren mögen.

Da ich noch nie in Moskau war, fiel es mir anfangs nicht ganz leicht, mich im unterirdischem Gewirr der Millionenmetropole  mit ihren unzähligen Stationen zurechtzufinden. Dank der Metropläne in den Umschlägen, gelang es mir aber nach etwa 100 Seiten, mich ganz gut im Metrouniversum zu orientieren.

Ohnehin spielen die genauen Schauplätze an der Erdoberfläche nur eine Nebenrolle. Vielmehr geht es darum, dass der zwanzigjährige Artjom einen Weg finden soll, das eindringen seltsamer Gestalten von der Oberfläche in die U-Bahn-Schächte zu verhindern.

Um das Überleben der Menschheit zu sichern, begibt er sich auf eine lebensgefährliche Reise, durch das Tunnelgewirr unterhalb der russischen Hauptstadt. Längst nicht alle, die ihn auf seinem Weg begleiten, werden die Reise überleben. Denn neben den Kommunisten der roten Linie, gibt es Stationen, die von Nazis, Kannibalen oder einer alles verschlingenden Masse bevölkert werden.

Da Artjom seine Heimatstation WDNCh noch nie verlassen hat, erfahren er und der Leser erst nach und nach, was an den Gerüchten dran ist, die seine entlegene Heimatstation über die Jahre erreicht haben und – wie im wahren Leben – erweisen sich viele Gerüchte als falsch oder maßlose Übertreibung.

Das Buch endet mit einem grandiosen Cliffhanger, nach dem man sofort mit dem Folgebuch „Metro 2034“ beginnen möchte.

Ich fühlte mich auf über 700 Seiten, die ich Artjom auf seiner Reise durch die Moskauer Metro begleiten durfte, sehr gut unterhalten. Dmitry  Glukhovsky  hat  es  durch eine Vielzahl an Ideen und spannenden Wendungen geschafft, merkliche Längen zu vermeiden und meine anfänglichen Vorbehalte restlos zerschlagen. Ein tolles Buch, das mir als Leser einmal mehr verdeutlicht hat, wie gut es uns geht und dass wir unser privilegiertes Leben nur dann werden schützen können, wenn wir politische und soziale Missstände ernst nehmen und unseren Planeten vor uns selbst schützen.

Cover des Buches Insulanerkind: Eine Kindheit auf Baltrum (ISBN: 9783746730103)

Bewertung zu "Insulanerkind: Eine Kindheit auf Baltrum" von Kirsten Wendt

Insulanerkind: Eine Kindheit auf Baltrum
haberland86vor 5 Jahren
Kurzmeinung: Ein herzerwärmendes Buch (nicht nur) für Nordsee-Fans und Kinder der 70er Jahre
Ein herzerwärmendes Buch (nicht nur) für Nordsee-Fans und Kinder der 70er Jahre

In den letzten Jahren habe ich schon ein paar Bücher von Kirsten Wendt gelesen. Während mich die Krimis nicht wirklich überzeugen konnten, gefielen mir ihre humorvollen Bücher sehr gut. Entsprechend gespannt war ich, wie sie ihre Kindheitserinnerungen verpacken würde.

Als ihr Vater die Stelle des Kurdirektors auf Baltrum antritt, zieht Kico mit ihren Eltern und ihrem kleinen Bruder auf die Nordseeinsel. Was sich wie ein großes Abenteuer anhört, gestaltet sich als schwierig, da sie (anders als die anderen Mädchen) keine Pferde mag, nicht besonders sportlich ist und auch sonst andere Interessen hat, als die Insulanerkinder. Dass diese Leute von Festland seltsam finden, macht es ihr nicht gerade leicht Anschluss zu finden.

Doch statt Trübsal zu blasen erkundet sie die Insel auf eigene Faust und schafft sich ihr ganz eigenes Inselparadies. Als sie Charlotte kennenlernt, die mit ihrer Mutter Urlaub auf Baltrum macht, scheint sie endlich angekommen. Doch leider muss das Gästekind nach ein paar Wochen wieder nach Hause fahren und für Kico beginnt eine lange Zeit des Wartens.

Mit Insulanerkind ist Kirsten Wendt eine lustige und emotionale Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit gelungen. Sie schaffte es problemlos, mich an die Nordsee zu entführen und in mir nicht nur eine Urlaubsstimmung zu erzeugen, sondern vielmehr eine Sehnsucht nach den friesischen Inseln, die ich als Jugendlicher besuchte.

Durch ihre wunderbaren Landschaftsbeschreibungen und den Bildern in meinem Kopf, glaubte ich Borkum tatsächlich vor mir zu sehen und versank vollkommen in der Lebensgeschichte der Autorin. Hierbei erinnerte ich mich an viele Details, die ich bereits vergessen zu haben glaubte.

Auch wenn ich während meiner eigenen Kindheit – einige Jahre später – andere Helden hatte und die Mode eine andere war, konnte ich mich in Kirstens Beschreibungen oft wieder finden. Offenbar haben Kinder aller Generationen die gleichen Grundprobleme und einen ähnlichen Blick auf die Welt der Erwachsenen. Genau, wie jeder Mensch einen ganz eigenen Sehnsuchtsort zu haben scheint. Dass Baltrum Kirsten Wendt’s Sehnsuchtsort ist und ihr Herz an der Insel hängt, merkt man in jeder Zeile.

Durch den flüssigen Schreibstil flogen die Seiten nur so vorüber. Ich fand es schön und mutig, wie die Autorin ein Stück ihrer Lebensgeschichte mit uns teilt und finde es sympathisch, wie offen sie auch peinliche Situationen und nicht ausspart. Besonders süß fand ich hier etwa, wie sie unmittelbar nach ihrem Umzug nach Baltrum Touristen mit Terroristen verwechselt.

Außerdem fand ich es anrührend, wie sie sich Sorgen um Charlotte macht, als sie davon erfährt, dass ihre Freundin an Leukämie erkrankt sein soll. Kirsten Wendt beschreibt sehr schön, wie ihre Gedanken hierbei zwischen dem Ernst der Erwachsenenwelt und der Naivität der Kinderwelt hin und her schwankten.

Ein herzerwärmendes Buch (nicht nur) für Nordsee-Fans und Kinder der 70er Jahre, das gut unterhält, für Urlaubsstimmung sorgt und gleichzeitig Erinnerungen an die eigene Kindheit und persönliche Sehnsuchtsorte wach ruft.


Cover des Buches Eisenberg (ISBN: 9783426517659)

Bewertung zu "Eisenberg" von Andreas Föhr

Eisenberg
haberland86vor 6 Jahren
Kurzmeinung: Ein spannender und komplexer Fall voll überraschender Wendungen.
Ein spannender und komplexer Fall voll überraschender Wendungen

Bislang kannte ich Andreas Föhr nur als Autor der Wallner & Kreutzer Krimi. Obwohl ich noch kein Buch von ihm gelesen hatte, standen seine Bücher schon länger auf meinem Wunschzettel. Da ich eine Reihen gerne mit Teil 1 beginne (und es mich irgendwie abschreckt, wenn in dieser schon mehr als 3 Bücher erschienen sind), war seine neue Krimi-Reihe um die Staatsanwältin Rachel Eisenberg für mich eine gute Möglichkeit, den Autoren und seinen Schreibstil kennenzulernen.

Dieser war sehr flüssig, was mir bereits auf den ersten Seiten positiv auffiel. Nur wenige Autoren schaffen es, dass ich ein Buch innerhalb weniger Tage auslese. Da merkt man den routinierten Bestseller-Autor.

Die Handlung war spannend und voller überraschender Wendungen, sodass es mir als Leser nie langweilig wurde. Die vielleicht größte Stärke dieses Krimis liegt in Föhrs Expertise auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften. Als gelernter Jurist versteht er, wovon er schreibt.

Während meines Studiums langweilten mich die Rechts-Vorlesungen  unwahrscheinlich, zumal der ohnehin trockene Stoff von den meisten Dozenten auch noch monoton und einschläfernd vorgetragen wurde. Zu jener Zeit fragte ich mich, wie man überhaupt Jura studieren kann und ob der Alltag eines Anwalts tatsächlich so langweilig war, wie es uns in den Vorlesungen vermittelt wurde.

Ich weiß es bis heute nicht, aber die Arbeit von Rachel Eisenberg und ihren Kollegen strengte mich zu keinem Zeitpunkt an oder zog sich auch nur ansatzweise in die Länge.

Leider war das Handeln einiger Personen – insbesondere Rachel selbst – oftmals nicht ganz nachvollziehbar oder sogar widersprüchlich, was mich zu dem Punkten bringt, die mich beim Lesen störten.

Denn einerseits wird Rachel als eine toughe, unabhängige Frau dargestellt, die gleichzeitig eine Super-Anwältin und Super-Mutter ist und das Leben in vollen Zügen genießt, während sie scheinbar nebenbei ihrer Tätigkeit nachgeht und sogar noch die Zeit findet, sich als Strafverteidigerin um die Leute zu kümmern, die sich selbst keinen Anwalt leisten können. Sie ist sich nicht zu schade, auf Stöckelschuhen durch Provinznester zu spazieren (wobei nicht so recht klar wird, weshalb sie sich nicht ein wenig passender kleidet) und findet in ihrer Teenager-Tochter eine hilfreiche Detektivin, anstatt sich mit ihr in die Wolle zu kriegen.

Auf der anderen Seite wirkt sie unnahbar bis zur Arroganz, scheint einen Sauberkeitswahn zu haben, ihre Pflicht-Klienten zu verachten und sehr viel Wert auf ihr Äußeres zu legen.

Als besonderes unrealistisch empfand ich folgende Sätze:

Rachel erfasste Neid, als sie zusah, wie Nicole die wagenradgroße Pizza in sich hineinschlang. Sie selbst hatte schon seit Jahren keine ganze Pizza mehr gegessen.

Egal wie sehr man auf seine Figur bedacht ist – wenn man Lust auf eine Pizza hat, hat man Lust auf eine Pizza. Und dann isst man sie, selbst wenn man dafür ein paar zusätzliche Stunden im Fitness-Studio verbringen muss.

Kurzum – so diszipliniert und auf allen Gebieten erfolgreich, wie die Anwältin dargestellt wird, ist im wahren Leben niemand. Vielleicht wollte Föhr hier einfach zu viel. Vielleicht wollte er aber auch nur die Ambivalenz unserer westlichen Welt unterstreichen, die ja tatsächlich voller Widersprüche steckt. In jedem Fall bringen solche Nebensätze, von denen es etliche in diesem Buch gibt, weder die Handlung weiter noch tragen sie zur Entwicklung der Figuren bei und dienen schon gar nicht dazu, dem Leser ein besseres Bild von Rachel Eisenbergs Charakter zu vermitteln. Mich zumindest haben sie oftmals verwirrt, weil sie nicht in mein Bild der Personen passte. Mir wäre besser lieber gewesen, Rachel hätte ein paar Charaktereigenschaften weniger besessen und dafür ein klareres Profil gehabt. Egal ob dieses nun sympathisch oder unsympathisch gewesen wäre.

An manchen Stellen wiederum hätte ich mir ein wenig mehr Hintergrundinformationen erhofft oder zumindest eine Erklärung dafür, wie manche Schlüsse, die die Figuren ziehen, zustande kommen. Etwa in dem Satz:

Das Mädchen spürte, dass ihre Mutter Todesangst hatte.

Gerne hätte ich gewusst, woran das Mädchen spürte, dass seine Mutter Todesangst hatte (Gestik, Mimik, Verhalten), anstatt diesen Fakt einfach nur präsentiert zu bekommen. Manche Leserinnen und Leser mögen solche Ungereimtheiten nicht stören. Aber durch deren Häufigkeit konnte ich, trotz der spannenden Handlung und dem flüssigen Schreibstil, sowie dem juristischen Sachverstand und der grandiosen Art, wie dieser in die Geschichten einfließt, nicht hinwegsehen.

Trotzdem fühlte ich mich die meiste Zeit über gut unterhalten und war von den vielen unerwarteten Wendungen dieses komplexen Falls positiv überrascht. Eine Reihe, die Fans von Justiz-Krimis in jedem Fall verfolgen sollten.

Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.

Cover des Buches Mister Aufziehvogel (ISBN: 9783832144791)

Bewertung zu "Mister Aufziehvogel" von Haruki Murakami

Mister Aufziehvogel
haberland86vor 6 Jahren
Kurzmeinung: Sprachlich top. Inhaltlich verwirrend.
Sprachlich top. Inhaltlich verwirrend.

Immer wieder höre ich, wie Leserinnen und Leser weltweit in Begeisterungsstürme ausbrechen, wenn sie von den Büchern des japanischen Autors Haruki Murakami sprechen. Als mir eine Freundin vor kurzem „Mister Aufziehvogel“ empfahl, das ihr Einstieg in dessen Werk war, zögerte ich nicht und kaufte mir das Buch. Fest dazu entschlossen, mich in die Riege der Murakami-Jünger einzureihen.

Tatsächlich trafen die ersten Kapitel, in welchen der Alltag des Helden Toru Okada beschrieben wird, meinen Geschmack. Leicht zu lesen und sprachlich trotzdem schön, zeigte sich die hervorragende Beobachtungsgabe des Autors, der jedes Detail im Umfeld seines Protagonisten äußerst präzise beschrieb.

Bald aber wurde mir Murakamis Blick für die Details im Alltag eines arbeitslosen Anwaltsgehilfen zu viel. Zwar bringt er die Banalität und Tristesse der ständig wiederkehrenden Tätigkeiten – bügeln, waschen, kochen, einkaufen – sehr gut herüber, sie interessierten mich aber ebenso wenig, wie der Streit über Toilettenpapier und Taschentücher, den Toru mit seiner Frau Kumiko ausfechtet.

Überraschend und interessant empfand ich lediglich die Erkenntnis, dass mir die Alltagssorgen der Okadas erschreckend bekannt vorkamen. Aus irgendeinem Grund hatte ich mir den Alltag der Japaner befremdlicher – irgendwie exotischer - vorgestellt, doch seltsamerweise kam mir alles sehr vertraut vor und ich stellte fest, dass die Japaner uns Mitteleuropäern ein ganzes Stück ähnlicher zu sein scheinen, als ich dachte.

Dennoch gefiel mir das erste der drei Bücher des Romans ausgesprochen gut. Bis zu dem Punkt, als mit den Schwestern Malta und Kreta Kano das Übersinnliche Einzug in den Roman hält und die Realität mehr und mehr einer Traumwelt weicht. Vielleicht störte mich das nur deshalb so, weil ich es nicht erwartet hatte, aber alles in allem möchte ich innerhalb eines Romans lieber in einer Welt bleiben.

Mit den Briefen des Leutnant Mamiya kommt eine weitere Ebene hinzu – die Geschehnisse in der ehemals japanischen Kolonie Mandschukuo während des Zweiten Weltkriegs. Ein Kapitel der Geschichte, das mir vollkommen neu war. Entsprechend interessant fand ich die Frontberichte des Leutnants, auch wenn mir die detaillierte Schilderung der grausamen russischen Foltermethoden zu viel war. Insbesondere auf die Details zur Häutung eines japanischen Gefangenen bei lebendigem Leib hätte ich gut und gerne verzichten können.

Nicht verzichten wollen hätte ich hingegen auf die erfrischenden Szenen, die sich zwischen Toru Okada und May Kashahara abspielten. Wenn sie über Gott und die Welt reden und dabei über dies und das philosophieren, während beide voneinander lernen. Auch Mays Briefe an Toru habe ich gerne gelesen, da ich wusste – hier passiert zumindest keine Grausamkeit, es gibt immer etwas zu schmunzeln und meistens etwas zum Nachdenken.

Am Ende bleiben auch nach über 700 – teils ziemlich langatmigen - Seiten viele Fäden offen und ich blieb ein wenig ratlos zurück, ob ich den tieferen Sinn des Buches überhaupt verstanden habe. Alles in allem kein schlechtes Buch, das mich sprachlich überzeugen konnte und inhaltlich einiges bot, letzten Endes aber irgendwie nicht so ganz meins war.

Zumindest der erhoffte Murakami-Jünger bin ich (noch) nicht geworden. Schade.

Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.

Cover des Buches Jeder stirbt für sich allein (ISBN: 9783351033491)

Bewertung zu "Jeder stirbt für sich allein" von Hans Fallada

Jeder stirbt für sich allein
haberland86vor 6 Jahren
Kurzmeinung: Beklemmendes Zeitzeugnis mit viel Lokalkolorit.
Beklemmendes Zeitzeugnis mit viel Lokalkolorit

Vor einigen Jahren erfuhr ich auf der Frankfurter Buchmesse von der Neuübersetzung dieses Klassikers, der 2012 erstmal in der Originalfassung erschien. Auch wenn ich den ursprünglichen Text nie gelesen habe, faszinierte mich das Thema des Romans. Zwei alte, unscheinbare Leute die, nach dem Tod ihres Sohnes, durch das Schreiben von Postkarten stillen Protest am NS-Regime üben und dafür mit dem Leben bezahlen.
Erst beim Lesen des Anhangs erfuhr ich, dass die Geschichte der Quangels einen wahren Kern hat und es in den 1940er Jahren tatsächlich ein Paar gab, das durch die Ablage von Postkarten mit staatsfeindlichem Inhalt zum Tode verurteilt wurde. Außerdem erfuhr ich, dass Hans Fallada diesen Roman eigentlich gar nicht schreiben wollte (das Thema war ihm von einem Freund vorgeschlagen worden), da er sich selbst als Mitläufer sah und daher nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf andere zeigen wollte. Umso beindruckender, was er in nur wenigen Wochen aus dem Stoff gemacht hat.

Obwohl dies mein erstes Buch von Hans Fallada war, ging ich mit einer gewissen Erwartungshaltung an die Lektüre von „Jeder stirbt für sich allein“; wusste ich doch, dass er zu den ganz großen deutschen Schriftsteller zählt.
Auch wenn manchen die Sprache dieses Romans zu trivial erscheint, um ihn als Literatur anzusehen, habe ich selten einen Autoren erlebt, der Alltägliches so knapp und präzise beschreiben kann. Der schnörkellose, sachliche Schreibstil stand in krassem Gegensatz zu den Schrecken, die in dem Roman beschrieben werden. Auch die holzschnittartigen und oftmals klischeehaften Figuren wollen nicht so recht dazu passen. Vielleicht sind aber genau diese Stilmittel die einzige Möglichkeit, um solche Grausamkeiten überhaupt niederschreiben zu können.
Auch der über weite Strecken verwendete Schreibstil des auktorialen Erzählers diente vermutlich dem gleichen Zweck.

Auf den ersten 100 Seiten fiel es mir nicht gerade leicht, in den Roman hineinzukommen. Es werden etliche Figuren vorgestellt, die sich nicht in einen klaren Zusammenhang bringen lassen. Ich verstand zu Beginn nicht einmal, dass die Quangels die Hauptprotagonisten sein sollen (in der Regel lese ich die Klappentexte nur beim Kauf und nicht unmittelbar vor der Lektüre).
Seltsamerweise entstanden dabei keine Längen, obwohl die Geschichte gemächlich vor sich hindümpelte. Zu interessant fand ich die Einblicke in den Alltag der damaligen Zeit. Insbesondere der Arbeiter und einfachen Leute. Die Art und Weise, wie Fallada die Berliner Schnauze der Romanfiguren einfängt, gefiel mir sehr gut. Ich hätte sofort den schleppenden, nasalen klang des Berlinerischen im Ohr und musste dabei oft an meine Oma denken, die zur gleichen Zeit in Berlin aufwuchs.
Nach etwa 200 Seiten entwickelte die Geschichte sich in eine klare Richtung und entfaltete eine unwahrscheinliche Sogwirkung, in der die Angst der Bevölkerung in Nazi-Deutschland aus jeder Zeile sprach.
Da dies mein erstes Buch von Hans Fallada war, kann ich es nicht mit anderen Werken von ihm vergleichen. Doch die Mischung aus der bedrückenden Atmosphäre, die damals in dem Land herrschte, das – von einem Wahnsinnigen reagiert -  so unendlich viel leid über sich und andere gebracht hat und der Bewunderung für das mutige Ehepaar, fesselte mich und trieb mir oftmals beinahe die Tränen in die Augen.
„Jeder stirbt für sich allein“ ist in jedem Fall alles andere als leichte Kost und manchmal so schrecklich, das ich es nur schwer aushielt. Trotzdem schwebte über allem Schrecken die Hoffnung, dass die Quangels nach ihrer Verurteilung doch noch mit dem Leben davonkommen.

Ich finde es wichtig, dass die Geschichten von damals auch heute noch gelesen werden, um uns ins Gedächtnis zu rufen, was einmal war und was nie wieder passieren darf. Insbesondere in einer Zeit, in der rechte Strömungen mehr und mehr Zulauf erhalten und drohen allmählich wieder gesellschaftsfähig zu werden.

Ein beklemmendes Zeitzeugnis mit viel Lokalkolorit, das dem Leser nach einem schleppenden Anfang ein wahres Wechselbad der Gefühle beschert, immer wieder die eigene Moral in Frage stellt und unweigerlich die Frage aufwirft, wir man selbst reagiert und auf welcher Seite man gestanden hätte.


Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.

Cover des Buches Transplantierter Tod (ISBN: 9783745097030)

Bewertung zu "Transplantierter Tod" von Dieter Aurass

Transplantierter Tod
haberland86vor 6 Jahren
Kurzmeinung: Das schlechteste Buch, das ich je gelesen habe.
Das schlechteste Buch, das ich je gelesen habe

Vor einigen Wochen empfahl mir eine Bekannte die Bücher von Dieter Aurass, da sie schon lange nicht mehr solch spannende Bücher gelesen hat. Da sie weiß, dass ich immer auf der Suche nach spannenden Thrillern bin, dachte sie netterweise an mich und ich kaufte mir dieses E-Book.
Leider konnte der Autor mich mit diesem Buch so gar nicht überzeugen. Mehr noch, es war das schlechteste Buch, das ich je gelesen habe und das beste daran war der Moment, als ich es endlich zur Seite legen konnte.

Da dies mein erstes Buch von Dieter Aurass war, fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten und ich kann nicht beurteilen, ob mir eines seiner anderen Werke besser gefallen hätte.
Dabei war der Klappentext ziemlich vielversprechend. Doch schon auf den ersten Seiten offenbarte sich die ungenügende Umsetzung, die auf mich oftmals eher wie der Entwurf eines Thrillers mit Potenzial wirkte, als ein mehrmals überarbeitetes und professionell lektoriertes Buch.

Anders, als durch mangelndes Korrekturlesen, kann ich mir die vielen Fehler in Logik, Rechtschreibung und Grammatik zumindest nicht erklären (obwohl ich darin auch kein Spezialist bin).

Beim Lesen kam mir außerdem oft der Gedanke, dass „Transplantierter Tod“ ursprünglich in der Ich-Perspektive geschrieben wurde. Zumindest eine Überarbeitung scheint also stattgefunden zu haben.
Der Schreibstil erinnerte mich an einen Schulaufsatz und legte den Schluss nahe, dass entweder überhaupt kein Lektorat stattgefunden hat oder der ursprüngliche Text noch viel schlimmer war.

Vielleicht lag es an diesen groben Formfehlern, jedenfalls kam ich bis zum Schluss nicht in die Geschichte hinein. Zumal ich mir unter vielen Beschreibungen des Autors nichts vorstellen konnte. Zum Beispiel waren etliche Kleidungsstücke der Protagonisten modisch – eine modische Jeans, eine modische Lederjacke oder sogar ein modischer Haarschnitt. Was mir fehlte, waren Erklärungen, was genau daran modisch war.
Aber wie so oft, ging Dieter Aurass bei diesen Gelegenheiten leider nicht durch die Tür, die er aufgestoßen hatte.

Mir fiel es außerdem über weite Strecken sehr schwer, das Handeln von Eduard und Gwendolyn nachzuvollziehen. Sie schienen mir sehr sprunghaft und so ungenügend konstruiert, als würde nicht Mal der Autor selbst seine Figuren richtig kennen.
Gwendolyn zum Beispiel wird in vielen Situationen als tough beschrieben, heult und jammert aber - gefühlt die Hälfte der Geschichte - nur herum. Das war nicht nur schwer nachvollziehbar, sondern auch nervig.
Genauso seltsam war ihre Unnahbarkeit einerseits und das ständige Gefummel von Eduard anderseits, dass sie stets unkommentiert hinnahm, statt ihm seine Grenzen aufzuzeigen (wie ich es erwartet hätte). Es reicht eben nicht, hier und da zu schreiben, wie eine Figur ist, wenn sie dann nicht entsprechend handelt.
Schließlich gab es sogar Sätze, in welchen sich nicht einmal der Autor selbst zurechtfand und nach etwa der Hälfte den Faden verlor.
 
Ich kann mir nur schlecht vorstellen, dass solche Schnitzer nicht durch ein Korrektorat hatten ausgemerzt werden können. Daher finde ich es schlussendlich nicht nur schade, ein dermaßen schlechtes Buch gekauft zu haben, sondern fühle mich selbst um die wenigen Euro, die der Thriller gekostet hat, betrogen.
Ein schönes Beispiel dafür, warum Self-Publishing noch immer solch einen schlechten Ruf hat und ein Affront gegen all die Autorinnen und Autoren, die wirklich gute Bücher selbstverlegen.

Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.

Cover des Buches Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind (ISBN: 9783570585627)

Bewertung zu "Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind" von Jonas Jonasson

Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind
haberland86vor 6 Jahren
Kurzmeinung: Ein amüsantes Abenteuer, das mit aberwitzigen Ideen für unterhaltsame Lesestunden sorgt.
Amüsantes Leseabenteuer, das leider nicht an die Vorgänger heranreicht

Per Persson arbeitet in einem heruntergekommen Hotel als Rezeptionist. Bereits sein Großvater hatte das einstige Familienvermögen verjubelt, was er ihm auch Jahre nach dessen Tod noch immer nachträgt.
Auch Johanna Kjellander hat das Leben übel mitgespielt. Die Familientradition sah für sie ein Leben als Pfarrerin vor, sodass sie auf Druck ihres Vaters seine Gemeinde übernahm. Doch Johanna glaubt nicht an Gott und wird nach einer fatalen predigt von den Gemeindemitgliedern davongescheucht. Seither tingelt sie als Obdachlose durch Schweden und bietet ziemlich erfolglos Fürbitten gegen Geld an.
Johann Anderson hat beinahe sein ganzes Leben im Gefängnis verbracht. Angeblich hat er im Suff Leute ermordet, was ihm den Spitznamen Mörder-Anders einbrachte. Auch wenn er sich an seine angeblichen Taten nicht erinnern kann, glaubt er, dass die schwedische Justiz mit ihrer Vermutung schon Recht haben wird.

Die schrägen Protagonisten des Romans ließen einmal mehr auf ein lustiges Abenteuer in typischer Jonasson-Manier hoffen, der mich mit seinen ersten beiden Büchern "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" und "Die Analphabetin, die rechnen konnte" bereits gut zu unterhalten verstand. Dies gelang ihm - zum Teil - auch mit "Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind", das aber bei Weitem nicht an seine Vorgänger heranreichte.

Auch diese, moralisch zweifelhafte, Geschichte, war wieder flott geschrieben und äußerst kurzweilig. Die ersten 50 Seiten gefielen mir äußerst gut. Leider entschlossen sich die drei Freunde dann dazu ein florierendes Unternehmen im Bereich Körperverletzung aufzuziehen. Sicherlich hatten die Opfer einen Denkzettel verdient, aber die ganzen gebrochenen Arme und Beine waren mir irgendwann zu viel. Selbst wenn es ganz amüsant war, wie Mörder-Anders und seine Freunde die gesamte Stockholmer Unterwelt an der Nase herumführten, während sie ihnen das Geld aus der Tasche zogen, war die Story bei weitem nicht so lustig, wie ich das von Jonas Jonasson gewohnt bin.

Eines Tages findet Mörder-Anders zu Gott und weigert sich fortan die Aufträge seiner Kunden durchzuführen, womit das Knochenbrechen schließlich ein Ende nimmt. Den Kunden gefällt das natürlich überhaupt nicht und bald sind die dunkelsten Gestalten Stockholms hinter ihnen her. Sie fliehen in die schwedische Provinz und gründen eine Religionsgemeinschaft, die darauf basiert, die frommen Kirchgänger mit Wein abzufüllen, um ihre Geldbeutel zu öffnen. Während der dümmliche Ex-Mörder voll und ganz hinter seiner Sache steht und denkt, der Gemeinde durch die Verabreichung von Jesus' Leib und Blut den Weg in den Himmel zu ebnen, geht es der Pfarrerin und dem Rezeptionisten in erster Linie darum, sich selbst zu bereichern, da in ihren Augen nehmen seliger ist, denn geben.
Es kommt, wie es kommen muss – eines Tages werden sie von den geprellten Gangstern aufgespürt, sodass sie einmal mehr die Flucht ergreifen müssen und wieder vor den Trümmern ihrer mühevoll aufgebauten Existenz stehen.

Es dauert nicht lange, bis der Pfarrerin eine neue Geschäftsidee in den Sinn kommt. Da es kurz vor Weihnachten ist, soll Mörder-Anders sich als Weihnachtsmann verkleiden und arme, bemitleidenswerte Schweden beschenken,, wodurch die drei – wie soll es in diesem aberwitzigen Roman auch anders sein - ein Vermögen machen und bis an ihr Lebensende ausgesorgt haben.

Fazit
Ein amüsantes Abenteuer, das mit aberwitzigen Ideen und einem Augenzwinkern für unterhaltsame Lesestunden sorgt. Mir persönlich waren manche Ideen des Autors allerdings zu abstrus und realitätsfern. Insgesamt fühlte ich mich gut unterhalten und konnte wieder einiges über Schweden und seine Bewohner dazulernen. Dennoch war ich nach einem unbefriedigenden und langweiligen Finale nicht traurig darüber, das Buch schließlich zur Seite legen zu müssen.
Bleibt nur zu hoffen, dass Jonas Jonasson bei seinem nächsten Werk wieder zu alter Stärke zurückfinden wird.

Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.

Cover des Buches Sorry (ISBN: 9783548281834)

Bewertung zu "Sorry" von Zoran Drvenkar

Sorry
haberland86vor 6 Jahren
Kurzmeinung: Ein sehr spannender, äußerst lesenswerter und noch immer aktueller Thriller, der mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
Sehr spannend und noch immer aktuell

Vor ein paar Jahren las ich mit "Du" meinen ersten Roman von Zoran Drvenkar. Die verschachtelte Geschichte voller überraschender Wendungen gefiel mir sehr, sodass ich nicht zögerte, als ich letzten Mai "Sorry" in einem Berliner Second Hand Laden fand.
Auch wenn ich mich grob an den minimalistischen und schonungslosen Schreibstil des Autors erinnerte, hätte ich nicht gedacht, dass mir bereits das erste Kapitel eine Spur zu heftig sein könnte. Glücklicherweise ging es in den folgenden Kapiteln wieder harmloser zu und es entwickelte sich eine spannende Geschichte über vier Freunde, die eine Agentur für Entschuldigungen gründen und damit sehr erfolgreich werden. Alles scheint perfekt, bis sie einen Auftrag erhalten, der sie in einen Sumpf aus Schuld und Kindesmissbrauch hineinzieht und den sie nicht alle überleben werden.

Drvenkar erzählt die Geschichte aus der Sicht verschiedener Protagonisten. Neben den vier Freunden Frauke, Tamara, Kris und Wolf sind das auch "Du" und "Der Mann, den es nicht gab", die man zu Beginn nicht so recht einordnen kann. Zeitlich werden die Kapitel außerdem mit "davor" oder "danach" übertitelt. Der Leser bleibt zunächst im Unklaren darüber, vor oder nach welchem Ereignis die jeweiligen Kapitel spielen. Ein kniffeliges Rätsel, das erst ganz zum Schluss komplett aufgeklärt wird.

Wie erwartet, entstand nach wenigen Seiten ein Sog, dem ich mich nicht mehr entziehen konnte und der mich immer tiefer in die Geschichte eintauchen ließ. Dies lag sicherlich auch an der realistischen Story, die fast zehn Jahre nach Erscheinen von "Sorry" nichts an ihrer Aktualität eingebüßt hat.

Eine Agentur, die sich für ihre Auftraggeber entschuldigt, könnte vermutlich wirklich gute Geschäfte machen, aber auch sehr seltsame und verstörende Aufträge erhalten. Ob natürlich jemand so weit gehen würde, Menschen umzubringen, um sich anschließend bei ihnen zu entschuldigen sei dahingestellt. Auch die vom Täter an den Tag gelegte Selbstverständlichkeit, nicht erwischt zu werden, sowie das Vermögen, das die vier Freunde innerhalb kürzester Zeit mit ihren Aufträgen scheffeln, schienen mir ein wenig übertrieben.
Für einen fiktiven Thriller geht das aber in Ordnung, zumal der Autor alles sehr plausibel verpackt und die einzelnen Figuren jederzeit logisch und absolut nachvollziehbar handeln.
Die Story ist packend geschrieben und mitunter so nervenaufreibend, dass ich es kaum aushielt. Über Hunderte von Seiten schwang eine unheilvolle Stimmung zwischen den Zeilen mit, die zwar auf Dauer bedrückend und deprimierend wirkte, aber gleichzeitig die Spannung aufrecht hielt. Ein Kunststück, das mir bislang bei keinem anderen Autoren in diesem Maße auffiel.
Wer allerdings ein positives Buch sucht, das beim Lesen ein gutes Gefühl hervorruft, wird mit diesem Buch leider nicht glücklich werden.
Sorry.

Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.

Cover des Buches Ein ganzes halbes Jahr (ISBN: 9783499266720)

Bewertung zu "Ein ganzes halbes Jahr" von Jojo Moyes

Ein ganzes halbes Jahr
haberland86vor 6 Jahren
Kurzmeinung: Kurzweilig und überraschend tiefgründig
Kurzweilig und überraschend tiefgründig

Zu Weihnachten bekam ich „Ein ganz neues Leben“, den Nachfolger dieses Romans geschenkt. Zunächst war ich ein wenig irritiert und fragte mich zum einen, warum man mir den zweiten Teil einer Buchreihe schenkt und zum anderen, wie jemand darauf kam, dass mir solche Schnulzen liegen könnten. Trotzdem beschloss ich, den Versuch zu wagen und lieh mir „Ein ganzes halbes Jahr“ von meiner Tante aus.

Bereits auf den ersten Seiten fiel mir der Schreibstil der Autorin positiv auf. Ich weiß nicht genau, was ich erwartet habe – immerhin ist die britische Schriftstellerin Jojo Moyes Journalistin - aber vermutlich hatte ich, aufgrund der Buchcover, eine blumig geschriebene Schnulze vermutet.
Überhaupt gefiel mir vieles an diesem Roman besser, als ich es für möglich gehalten hätte. Und doch wollte der berühmte Funke erst ziemlich zum Schluss hin auf mich überspringen.
Aber von vorne.

Der Roman wird größtenteils aus Sicht der 27-jährigen Kellnerin Louisa Clark erzählt, die ihren Job verliert, als ihr Chef beschließt, sein kleines Café in der englischen Kleinstadt Bishop’s Stortford zu schließen. Vom Jobcenter bekommt sie relativ eine Stelle als Pflegekraft vermittelt, die zwar kein Traumjob, aber zumindest gut bezahlt ist.
Zunächst denkt Lou, wie alles sie nennen, für die Pflege eines alten Mannes zuständig zu sein, doch als sie an ihrem ersten Arbeitstag bei der genannten Adresse eintrifft, stellt sich heraus, dass es sich bei ihrem Pflegling um einen querschnittsgelähmten, jungen Mann handelt, der ungefähr in ihrem Alter ist.
Will Traynor macht es Loiu in ihrem neuen Job aber nicht leicht. Er verhält sich ihr gegenüber sehr zurückweisend und gibt ihr das Gefühl, alles falsch zu machen. Doch schon bald finden sie einen Weg miteinander klarzukommen und die gemeinsame Zeit für beide erträglich zu machen. Da sie komplett unterschiedlich sind, lernen sie viel voneinander und Lou bringt Will, durch ihre schusselige und tollpatschige Art, immer wieder zum Lachen.

Um Will dabei zu helfen seinen Lebensmut wieder zu finden, den er während der letzten Jahre im Rollstuhl verloren hatte, plant Lou diverse Ausflüge mit ihrem Schützling und stellt erst dadurch fest, wie kompliziert selbst die alltäglichsten Dinge für behinderte Menschen sind.

Zwischendurch wechselt die Erzählperspektive und einzelne Kapitel werden aus der Sicht anderer Figuren, wie etwa Will’s Mutter und Lou's Schwester erzählt.
Leider kommen einem die Erzähler dadurch nicht wirklich näher, sodass diese Kapitel – meiner Meinung nach – auch aus Lou's Sicht hätten erzählt werden können.
Dennoch eine schöne Idee, die für ein wenig Auflockerung sorgte.

Trotz solcher Bemühungen fiel es mir schwer, mit den Figuren warm zu werden, was wohl vor allem daran lag, dass sie mir nicht wirklich sympathisch waren.
Lou war mir bis zuletzt ein Mysterium und ich wusste nicht, ob sie nun verpeilt oder asozial, dick oder dünn, hübsch oder hässlich ist.
Das gleiche Problem hatte ich mit ihrer Schwester Treena und ihrer Mutter.
Von Will’s Mutter hatte ich dafür schnell ein Bild im Kopf und sie verhielt sich genau so, wie ich sie eingeschätzt hatte.
Was die Männer betrifft, hatte ich hingegen keine Probleme. Mir war klar wie sie ticken, wie sie aussehen, wie sie sprechen. Vielleicht ist das ja gerade die große Kunst, dass mir die Frauen – wie im wahren Leben – ein Rätsel bleiben, während ich die Männer auf Anhieb verstehen kann.
Vor allem in Will konnte ich mich gut hineinversetzen. Er tat mir sehr leid und doch bewunderte ich ihn für seine starke Persönlichkeit.
Seine Geschichte war es schließlich auch, die zum Ende hin meine emotionale Distanz abbaute und mich mit allen Figuren mitfühlen ließ.

Bis auf die letzten 100 Seiten plätscherte die Story gemächlich vor sich hin und bot nur wenige Überraschungen oder unvorhersehbare Wendungen. Alles war dann doch irgendwie genau so, wie ich es mir vor der Lektüre gedacht hatte.
Nur dass die Themen so tiefgründig sind, dass sie mich über die Lektüre hinaus an die Alltagsbewältigung von Rollstuhlfahrern denken lassen und die Geschichte alles in allem eher deprimierend ist, damit konnte Jojo Moyes mich dann doch überraschen.

Fazit
ein kurzweiliges, tiefgründiges Buch, das mich trotz der eher deprimierenden Thematik gut unterhalten konnte und zu Recht viele Leserinnen und Leser fand.
Nachdem ich zum Ende hin mit den Protagonisten warm wurde, kann ich mir nun auch vorstellen, den Nachfolger zu lesen, selbst wenn „Ein ganzes halbes Jahr“ keine Begeisterungsstürme bei mir auslöste.

Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.

Cover des Buches Im Kopf des Mörders - Tiefe Narbe (ISBN: 9783596296163)

Bewertung zu "Im Kopf des Mörders - Tiefe Narbe" von Arno Strobel

Im Kopf des Mörders - Tiefe Narbe
haberland86vor 6 Jahren
Kurzmeinung: Auftakt einer neuen Krimi-Reihe, die nichts für Zartbesaitete ist und leider weit hinter dem zurückbleibt, was ich von Arno Strobel erwartet
Fesselnd und kurzweilig, aber nicht ganz das, was ich erwartet habe

Zum Geburtstag bekam ich den ersten Teil von Arno Strobels neuer Thriller-Triologie um Oberkommissar Max Bischoff geschenkt. Eine schöne Überraschung, denn schon länger wollte ich ein Buch des Bestseller-Autors lesen, was ich dann auch umgehend tat. Die ersten Kapitel flogen nur so dahin. Der flüssige Schreibstil, die einfache Sprache und eine fesselnde Story erzeugten einen wahren Sog, in den ich mich gerne hineinziehen ließ.

 

Oberkommissar Max Bischoff war mir mit seiner dynamischen Art auf Anhieb sympathisch (was auch daran liegen mag, dass wir im gleichen Alter sind). Doch auch sein älterer und etwas grummeligen Partner Horst Böhmer, der als "alter Hase" im Polizeidienst immer einen kühlen Kopf behält und nicht viel mit den neumodischen Ermittlungsmethoden anfangen kann, die heutzutage auf der Polizeischule gelehrt werden, konnte mich überzeugen.

Etwas nervig waren die ständigen Diskussionen zum Thema Theorie vs. Praxis, die mir nach etwa 100 Seiten allmählich auf den Keks gingen und nicht so recht zum sonst guten Verhältnis der beiden passen wollten. Sicherlich lässt sich über so etwas diskutieren, aber wenn die Zusammenarbeit klappt und die Kommissare sich durch ihre unterschiedlichen Herangehensweisen ergänzen, empfinde ich es als unrealistisch, das Thema immer und immer wieder durchzukauen.

Besonders gut gefiel mir der authentische Düsseldorfer-Lokalkolorit, der sehr gut recherchiert schien. Ich war positiv überrascht, da ich nicht mit einem Lokal-Krimi gerechnet hatte.

 

Hin und wieder war mir die Story aber ein wenig zu vorhersehbar, da die vom Autor eingestreuten Hinweise manchmal zu offensichtlich waren; etwa was die Persönlichkeit von Beate von Braunshausen oder das Verhältnis ihres Mannes zu Miriam Winkel betraf. Dafür war ich bezüglich des Mörders bis zum Schluss auf der falschen Fährte und wurde von der Auflösung des Falls total überrascht.

 

Im zweiten Drittel gab es für mich, trotz des geringen Umfangs, außerdem ein paar Längen. Irgendwann begann der Fall, sich im Kreis zu drehen. Es passierte nicht viel Neues, aus den Zeugenbefragungen gingen keine neuen Erkenntnisse hervor und die Kommissare taten nichts weiter, als von A nach B zu fahren. Das mag zwar realistisch sein, war für mich als Leser aber eher langweilig.

Komplett unnötig waren aus meiner Sicht die kurzen, kursiv gedruckten Kapitel, die  einen Einblick in die Gedankenwelt des Täters erlauben (und der Reihe ihren Namen geben). Auch hier erfährt man (mit Ausnahme des letzten Kapitels) nichts, was zum Verlauf der Geschichte beiträgt oder dem Leser gegenüber den Polizisten einen Wissensvorsprung verschafft. Schade.

 

Alles in allem war "Tiefe Narbe" für mich weniger ein Thriller, als vielmehr ein Krimi, selbst wenn mir bei manchen Beschreibungen der geschundenen Körper der Atem stockte und das Buch sicherlich nichts für Zartbesaitete ist. Im Endeffekt geht es aber um die Aufklärung von drei Mordfällen durch Kriminalbeamte der Polizei. Durch den Erfolg der Bücher von Arno Strobel und den interessanten Klappentext hatte ich hohe Erwartungen, die leider nicht ganz erfüllt wurden. Vielleicht war es auch einfach die falsche Reihe und seine anderen Bücher können mich mehr überzeugen.


Die vollständige Rezension findet sich auf meinem Blog.

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