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haensbaens

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Von wegen versprochen (ISBN: 9783963241413)

Bewertung zu "Von wegen versprochen" von G Benson

Von wegen versprochen
haensbaensvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Unterhaltsame Liebesgeschichte und Vorreiter der deutschsprachigen Literatur in Sachen gendergerechte Sprache.
Unterhaltsame Liebesgeschichte und Vorreiter der deutschsprachigen Literatur in Sachen gendergerechte Sprache

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

Die Ausgangssituation gleicht einem immer wiederkehrenden Muster im Bereich Lesbian Fiction: Zwei Frauen müssen so tun, als ob sie eine Beziehung führen, und verlieben sich letztendlich doch ineinander. Muster Nr. 2 ist der Ice-Queen-Charakter Sams: die Undurchschaubare, Distanzierte mit einem Herz aus Eis, wie es scheint; die nur langsam auftaut und nach und nach Einblicke in ihr Inneres gibt, das dann doch voll ist von Wärme und zu einem guten Menschen gehört. Wer nun also diese beiden Elemente lesbischer Romanzen liebt, landet einen Volltreffer.

Nun ist das allerdings nicht alles, was Von wegen versprochen* ausmacht. Auf den zweiten Blick ist eben doch nicht alles so, wie es scheint, und die Figuren gewinnen über die Seiten immer mehr an Tiefe. Die Geschichte beschäftigt sich viel mit dem Thema Familie und was passiert, wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird. Wie viel Verantwortung nimmt man selbst auf sich, und wann ist der Punkt erreicht, an dem man sich Hilfe von außen suchen muss? Ist die Pflege der Lieben Familiensache oder können wir sie guten Gewissens in die Obhut von Fremden geben? Ebenso geht es um grundlegende Werte, um Akzeptanz und nicht-Akzeptanz von Sexualitäten und Geschlechtern, die von der bekannten Norm abweichen und darum, was Eltern eigentlich zu tun haben: ihr Kind zu lieben, egal wie es ist und was es tut.

Der Schreibstil ist sehr einfach gehalten und lässt nur wenig Raum für Interpretation. Der Leser erfährt die Dinge genau dann, wenn er sie erfahren soll – versteckte Hinweise werden kaum gestreut. Das macht das Lesen sehr angenehm und leicht, wodurch das Buch wunderbar als Zwischendurchlektüre funktioniert. Besonders viel Spaß hat das Vorlesen gemacht, denn G Benson bedient sich einer unschlagbaren Situationskomik. Trotz all der schweren Themen im Krankenhaus und in den Familien bleibt die Stimmung größtenteils locker luftig und trieft nur so vor Sarkasmus.

Als letzten und wichtigsten Punkt möchte ich die Einbindung eines nicht-binären, also enby (von non binary) Charakters nennen. Seit Ende 2018 kann in Deutschland das dritte Geschlecht divers in offiziellen Dokumenten eingetragen werden. Die Geschlechterdualität von Mann und Frau war schon immer ein soziales Konstrukt, denn neben intergeschlechtlichen Menschen, deren körperliche Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig zu einem der vorherrschenden Geschlechter zuordenbar sind, gibt es auch Menschen, deren Gender (= soziales Geschlecht) nicht eindeutig weiblich oder männlich ist. Auch wenn diese rechtliche Erkenntnis in Deutschland aus meiner Sicht lange überfällig war, freut es mich doch, dass wir durch solche Entscheidungen immer weiter vorwärts kommen.

Und jetzt mal ehrlich: Wie viele Bücher habt ihr gelesen, in denen enby Personen vorkommen? Ja. Bei mir war es, vor diesem, keins. Von wegen versprochen ist eines der ersten deutschsprachigen Bücher, die eine enby Person inklusive passender geschlechtsneutraler Pronomen einführt: Haydens beste_r Freund_in Luce. Völlig selbstverständlich wird das Pronomen »sier« für Luce verwendet, dier Hayden bedingungslos in allem unterstützt. Am Anfang waren diese neuen Pronomen ungewohnt zu lesen, doch nach etwa einem Drittel des Buchs sind sie mir gar nicht mehr aufgefallen. Man gewöhnt sich eben an alles. Mit viel Feingefühl beschrieben gibt es sowohl ein Vor- als auch ein Nachwort darüber, was enby bedeutet und was die Schwierigkeit der Übersetzung ins Deutsche ausgemacht hat: dass es in unserem Sprachgebrauch noch nicht »die eine« Lösung für geschlechtsneutrale Pronomen gibt. Mit diesem Buch sorgt der Ylva Verlag für mehr Normalität und Sichtbarkeit von enby Personen in der Literatur, was ich einfach großartig finde.

Fazit

Von wegen versprochen ist vieles: wiederkehrende Muster der Lesbian Fiction durch gespielte Zuneigung, die in reale Gefühle mündet und der Ice Queen, die nur langsam auftaut. Zwischendurchlektüre durch einen einfachen, leicht lesbaren Schreibstil. Trotzdem voll Tiefgründigkeit und schwerer Themen, die auf lockere Weise behandelt werden. Bauchmuskeltrainer durch den intensiven, sich durchziehenden, von Sarkasmus triefenden Humor. Und letztendlich Vorreiter der deutschsprachigen Literatur in Sachen gendergerechte Sprache und selbstverständliche Einbindung eines nicht-binären Charakters.

Cover des Buches Aus der Rolle gefallen (ISBN: 9783963242595)

Bewertung zu "Aus der Rolle gefallen" von Lee Winter

Aus der Rolle gefallen
haensbaensvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Schöne, erwachsene Liebesgeschichte. Definitiv zu empfehlen als Seelenpflege für Zwischendurch!
Schöne, erwachsene Liebesgeschichte - für Grey's Anatomy Fans geeignet!

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpres.com

Die Ausgangssituation könnte nicht prekärer sein: Um eine neue Richtung in ihrer Karriere einzuschlagen, die sie weiterbringt, muss Elizabeth einen aufstrebenden Kunstfilm-Regisseur von ihrer Liebe zu Summer überzeugen, die sie eigentlich kaum kennt. Noch dazu sind beide Schauspielerinnen in der Filmwelt nicht geoutet, weil es nach wie vor schwierig ist, als offen lesbische Frau weibliche Hauptrollen zu bekommen. Was im Theater vollkommen akzeptiert ist, scheint Hollywood noch Schwierigkeiten zu bereiten.

Das Lustige daran: Beide Frauen wissen nicht voneinander, dass sie sich für Frauen im Allgemeinen und füreinander im Speziellen interessieren. Dazu kommt noch, dass Elizabeth, die ihre Karriere in London als Shakespeare-Theater-Größe begann, seit Jahren zu ihrer Mentorin Grace aufsieht und nie ganz von ihr loskommt. Dass die TV-Produzenten der Krankenhausserie Elizabeth zu einem Hassobjekt des Publikums gemacht haben, weil sie nicht alles mit sich machen ließ, macht die Situation auch nicht gerade einfacher. Drama ist also vorprogrammiert, doch das nicht im schlechten Sinne. Es ist nämlich kein überflüssiges Drama. Es ist nicht unangenehm und vor allem ist es nicht kindisch. Jede Situation wird erwachsen und mit Respekt behandelt, sodass die Geschichte nicht zu einem Teenie-High-School-Drama verkommt.

Es wird ebenso mit Vorurteilen gespielt. Summer scheint das dümmliche, naive Blondchen zu sein, dem man keinen Wunsch abschlagen kann und Elizabeth die britische Eiskönigin, deren Blicke tödlich sind. Dass die beiden völlig anders sind, erfährt man als Leser ziemlich schnell, denn die Geschichte wird abwechselnd aus Summers und Elizabeths Perspektive erzählt. Langsam nähern sie sich an und werden nach und nach eines Besseren belehrt.

Was mir sehr gut gefallen hat, war der Einblick in das Showbusiness. Ich selbst verfolge »Grey’s Anatomy« seit Stunde 0, bin damit aufgewachsen und habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie es wohl hinter den Kulissen ablaufen könnte. In Aus der Rolle gefallen* erleben wir genau das. Schauspieler, die zu Freunden werden und die, die sich auf den Tod nicht ausstehen können, Produzenten, die ihre Meinung durchsetzen wollen und vollkommene Offenheit und Verletzlichkeit der Schauspieler auf Knopfdruck erwarten, Zeitdruck, durch den jede Folge durchgejagt wird und scheinbare Werte für Diversität, die dem großen Geld manchmal im Weg stehen. Und trotzdem blieb alles realistisch, denn Menschen streben nun mal nach Erfolg. Auch der Umgang mit der Presse war hochaktuell und ich fand es spannend zu erleben, wie die kleinsten Äußerungen in den Sozialen Medien von den Presseagenten strategisch durchdacht und geplant sind. Es hat mir Spaß gemacht, die beiden ans Set zu begleiten und ich bin gleichzeitig froh, dass das nicht mein Job ist. 😀

Nicht zu kurz kommt natürlich die Liebesgeschichte. Die finde ich wahnsinnig mitreißend und gleichzeitig authentisch beschrieben. Es ist nicht die große Liebe auf den ersten Blick. Und doch ist irgendeine Anziehung da, die sich hier und da in Nuancen bemerkbar macht und nur langsam ans Licht kommt. Liebesgeschichte bedeutet in diesem Fall auch Happy End und ist damit besonders zu empfehlen, wenn man ein paar Streicheleinheiten für die Seele braucht.

Fazit

Aus der Rolle gefallen ist eine Liebesgeschichte zweier Frauen, die kaum unterschiedlicher sein könnten, die eine jung, die andere etwas älter, aus Amerika und Großbritannien, warmherzig und zurückgezogen. Besonders das Hollywood-Setting hat es mir angetan und mein »Grey’s Anatomy«-Fanherz höher schlagen lassen. Es war spannend, mehr darüber zu erfahren, wie es hinter den Kulissen einer erfolgreichen Krankenhausserie ablaufen kann und was von Schauspielern alles erwartet wird. Der Umgang mit Social Media ist hochaktuell, was die Geschichte für mich noch glaubhafter macht. Von der Liebesgeschichte, die sich langsam entwickelt, wurde ich total vereinnahmt. Definitiv zu empfehlen als Seelenpflege für Zwischendurch!

Cover des Buches Der Zauber der verlorenen Dinge (ISBN: 9783570175224)

Bewertung zu "Der Zauber der verlorenen Dinge" von Moïra Fowley-Doyle

Der Zauber der verlorenen Dinge
haensbaensvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Ein überraschend besonderes Buch, in dessen Geschichte und diverse Charaktere ich mich nur verlieben konnte.
Der Zauber des Alltäglichen - starke Frauenfiguren

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

Der Zauber der verlorenen Dinge war nach langer Zeit mal wieder ein Jugendbuch, das mich überrascht, auf leise Weise gefesselt und verzaubert hat. Für mich ein besonderes Lesehighlight – denn ich bin immer auf der Suche nach ungewöhnlichen Geschichten, nach etwas Neuem, das ich noch nicht kannte. Genau das ist dieses Buch für mich. Ich bin mir sicher, dass es nicht jedem gefallen wird. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass es einige frühzeitig abbrechen. Ich hoffe, euch im Folgenden ein Gefühl für dieses Buch zu vermitteln, sodass ihr danach wisst, ob es etwas für euch ist oder ihr lieber direkt zu einem anderen Buch übergeht.

Eine Geschichte mit Fantasy-Elementen

Geschichten über Zauberei sind nicht selten. Hier sollte man sich darüber bewusst sein, dass es nicht im herkömmlichen Sinne um Zauberei geht. Es gibt keine Hexen oder übernatürliche Gestalten; man kann das Buch kaum dem Fantasy-Genre zuordnen. Die Geschichte finde ich insofern spannend, dass man am Anfang genau das erwartet, denn die Charaktere finden immerhin ein Zauberbuch. Tatsächlich verbirgt sich der Zauber hier im Alltäglichen. Bis zum Schluss fragt man sich, ob der Zauber wirklich echt ist, oder ob alles nur eine skurrile Ansammlung von Zufällen und Einbildung war. Die Geschichte beginnt sehr langsam, sodass alles vor sich hinplätschert, und ehe man sich versieht, hat man schon über die Hälfte des Buchs gelesen, ohne zu wissen, wo die Reise eigentlich hingeht. Es gibt drei Erzählstränge: Olives und Hazels Sichtweisen, die sich irgendwann durch ein Zusammentreffen verbinden, und parallel dazu Laurels Sichtweise in Form von Tagebucheinträgen, in denen sie über die Auswirkungen des Zaubers schreibt, den sie mit ihren Freundinnen in der Nacht des Stadtfestes gewirkt hat. Wie diese Erzählstränge miteinander verbunden sind, erfährt man erst fast zum Schluss, was dafür sorgt, dass man alles nochmal in Frage stellt. Durch diese Raffinesse gehört Der Zauber der verlorenen Dinge* zu den Büchern, das man nach Beenden nochmal direkt von vorne lesen möchte, um all die versteckten Hinweise zu erkennen. Die Geschichte braucht sehr lange, um in Fahrt zu kommen. Gelangweilt habe ich mich allerdings zu keiner Zeit.

Ein magischer Schreibstil

Eine Sache, in die ich mich sofort verliebt habe, ist Moïra Fowley-Doyles Schreibstil. Denn der ist einfach magisch – aber eben im Alltäglichen. Die Geschichte spielt in unserer Welt in der aktuellen Zeit. Und doch hat man die ganze Zeit das Gefühl, in einer Art Weissagung zu stecken. In einer Legende, die man sich noch in Jahrzehnten erzählen wird. Es fällt mir tatsächlich schwer, hier die richtigen Worte zu finden. Die Autorin schreibt sowohl poetisch als auch direkt, mystisch und gleichzeitig realitätsnah, traumartig und doch im Hier und Jetzt verankert. Dadurch bilden sich auch einige längere Sätze, die ich persönlich sehr schätze, für Jugendbücher jedoch eher ungewöhnlich sind. Lest am besten Mal in die Leseprobe (PDF)* hinein, der Schreibstil zieht sich so durch die Geschichte.

Viele diverse Charaktere

Die Charaktere könnten für einige der Knackpunkt sein; sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung. Es gibt sehr viele. Olives Erzählstrang über sich und Rose, Hazels über sich, Rowan und Ivy und Laurels über sich, Holly und Ash. Und ja, alle Protagonisten haben Namen von Pflanzen, was eine nicht unwichtige Rolle spielt. Es dauert einige Zeit, bis man mit der Fülle an Charakteren zurechtkommt und sie auseinanderhalten kann. Aber: Es lohnt sich. Denn alles hängt zusammen und jeder Charakter ist für sich einzigartig. Auch die Repräsentation von Diversität kommt nicht zu kurz: Olive und Rose sind bisexuell (und NICHT zusammen), Hazel lesbisch. Olive ist auf einem Ohr taub, Rose teils indischer Abstammung. All diese Eigenschaften fügen sich völlig natürlich ins Gesamtbild ein, ohne aufgesetzt zu wirken.

Was ich auch nicht unerwähnt lassen möchte ist, dass die Geschichte in Irland spielt. Irland hatte für mich schon immer die Bedeutung wunderschöner Landschaften und mystischer Tendenzen, die hier unglaublich gut ins Bild passen.

Fazit

Der Zauber der verlorenen Dinge ist für mich ein überraschend besonderes Buch, in dessen Geschichte und diverse Charaktere (zwei bisexuelle, ein lesbisches Mädchen, eines auf einem Ohr taub, eines halb-indischer Abstammung) ich mich nur verlieben konnte. Es strahlt eine Magie des Alltäglichen aus und ist nicht mit einer Welt voll Hexen und Zauberer zu verwechseln. Die Geschichte beginnt langsam und gipfelt in einem Plottwist, der einen das Buch direkt nochmal von vorne lesen wollen lässt. Bis zum Schluss stellt man sich die Frage, was echt ist vom Zauber und was nur eine Ansammlung von Zufällen und Einbildung. Das Buch wird nicht jedem gefallen, einige könnten es sogar vorzeitig abbrechen, weil sich der Sinn der Geschichte erst so spät erschließt und es am Anfang herausfordernd ist, bei der Vielzahl an Charakteren den Überblick zu behalten. Für mich ist es ein wahres Highlight, in dessen magischem Schreibstil ich mich nur so verloren habe.

Cover des Buches Was ist mit uns (ISBN: 9783038800309)

Bewertung zu "Was ist mit uns" von Becky Albertalli

Was ist mit uns
haensbaensvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Eine leichte Geschichte über die Frage, ob es Schicksal sein kann, dass sich zwei Personen begegnen und darüber, wie es danach weiter geht.
Zwei wunderbare Autoren vereint

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

Auf Was ist mit uns war ich unendlich gespannt. Ich liebe die Schreibstile der beiden Autoren, die doch so grundverschieden sind. Während Beckys Geschichten einfach wunderbar süß, liebenswert, positiv und irgendwie in einer eigenen Blase funktionieren, schreibt Adam meistens über Tod, Trauer und Verlust. Seine Charaktere sind meist nachdenklich und eher vorsichtig, während Beckys Charaktere vor Optimismus und Fröhlichkeit nur so strotzen. Diese Grundkonstellation ist einfach spannend und ich finde, es war sehr schnell klar, welcher Autor welchen Charakter gezeichnet hat (Becky den Waffle-House-liebenden, hyperaktiven, liebenswerten Arthur und Adam den etwas verhalteneren, in Trennung lebenden Puerto Ricaner Ben).

Tatsächlich machen für mich ebendiese Kontraste bezüglich der Charaktere und Schreibstile den größten Wert dieser Geschichte aus. Wer die Geschichten beider Autoren mochte, wird nicht darum herumkommen, sich auch ihr gemeinsames Werk vorzunehmen.

Die Grundidee der Geschichte liegt in den Fragen: Sind Begegnungen Schicksal? Sind zwei Menschen füreinander bestimmt? Und gleichzeitig: Wie sieht die Realität aus im gemeinsamen Kennenlernen und wie viel davon entspricht unserer Vorstellung der Liebe auf den ersten Blick? Ich glaube, die Geschichte ist hochaktuell, da die heutige Generation junger Menschen durch das Internet und Apps im Vergleich zu vor dieser Zeit sehr viel mehr herumdatet und gleichzeitig hohe Erwartungen an den perfekten Partner stellt. Dass ein Kennenlernen nie so verläuft, wie man sich das in seiner Vorstellung ausgemalt hat, kann da schon mal ein Rückschlag sein; doch gleichzeitig ist das einfach die Realität. Und genau das ist in meinen Augen ein großer Pluspunkt dieser Geschichte: Es ist kein Happily Ever After, nachdem sie sich das erste Mal in die Augen gesehen haben. Das Kennenlernen verspricht so viele Fettnäpfchen und unperfekte Momente, dass Ben und Arthur ihr erstes Date wieder und wieder stattfinden lassen. Dieser Reiz der Realitätsnähe im aktuellen Setting war für mich sehr erfrischend, da Liebesgeschichten, insbesondere im Jugendbuchbereich, doch häufig idealisiert werden.

Gleichzeitig hat das jedoch dafür gesorgt, dass ich emotional nicht so sehr mit den beiden mitgefiebert habe wie bei anderen Geschichten der beiden Autoren. Ich dachte mir selbst häufiger, »Oh Leute, wirklich? Seid ihr sicher, dass das mit euch unbedingt sein muss? Wollt ihr es nicht vielleicht ein bisschen zu sehr?«, wodurch ich mich immer wieder von den beiden distanziert habe.

Auf der anderen Seite werden Musical- und Harry-Potter-Fans mit diesem Buch voll auf ihre Kosten kommen. Arthur liebt das Musical Hamilton mit Haut und Haaren, weshalb es in seinem Leben sehr viel Raum einnimmt. Es werden Songs zitiert, Musical-Darsteller vergöttert und die Bedeutung des Musicals gemeinsam mit Arthur und Ben erörtert. Harry Potter ist dafür hauptsächlich Bens Obsession, die er mit seinem besten Freund Dylan teilt, sodass ein gelegentlicher Film-Marathon in passenden Outfits zu Harrys Geburtstag völlig normal ist.

Die Charakterzeichnung haben beide Autoren ziemlich drauf. Auch wenn wir durch die zwei Sichtweisen verhältnismäßig viele Personen kennenlernen, ist jede einzigartig und charakterstark ausgearbeitet. Man fühlt sich beim Lesen umgeben von vielen, vielen unterschiedlichen Freunden. Das gefällt mir bei beiden Autoren immer sehr.

Fazit

Was ist mit uns ist eine leichte Geschichte über die Frage, ob es Schicksal sein kann, dass sich zwei Personen begegnen und darüber, wie es nach dem »Endlich habe ich dich gefunden!« weitergeht. Sie zeigt, dass es sich lange nicht so reibungslos gestaltet, einen Menschen kennen und lieben zu lernen, wie wir uns das wünschen und wie es uns oft in Filmen oder Büchern verkauft wird. Dieser Realismus sorgte bei mir zwar dafür, dass ich emotional nicht so sehr involviert war wie bei den anderen Geschichten der Autoren, allerdings fand ich es erfrischend, darüber zu lesen, wie ein Kennenlernen im wahren Leben laufen kann. Gleichzeitig ist die Geschichte voll von Musical- (Hamilton) und Harry-Potter-Referenzen, durch die Fans voll auf ihre Kosten kommen. Wer die Geschichten der beiden Autoren liebt, sollte auch ihrem gemeinsamen Projekt eine Chance geben; wer noch nichts von ihnen gelesen hat, kann sich durch die Geschichte einen Eindruck darüber verschaffen, ob die Schreibstile einem zusagen und somit auch ihre anderen Bücher gefallen könnten.

Cover des Buches Was so in mir steckt (ISBN: 9783570165539)

Bewertung zu "Was so in mir steckt" von Barry Jonsberg

Was so in mir steckt
haensbaensvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Eine Geschichte, die sehr viel mehr zu bieten hat, als es auf den ersten Blick scheint. Ein Herzensbuch!
Ein großartiges, witziges, liebenswertes und wichtiges Buch!

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

Was so in mir steckt hat mich wahnsinnig überrascht. Wer nicht gezielt auf der Suche nach queerer Literatur ist, wird bei diesem Buch vorher keinen Hinweis darauf finden, dass Rob trans ist und in einem Mädchenkörper geboren wurde. Rob ist einfach ein Junge, der zwar unsicher ist und mit vielen, für andere selbstverständlichen, Dingen Schwierigkeiten hat, aber sehr begabt, unglaublich witzig und vor allem liebenswert ist und sich zum ersten Mal verliebt hat. Wir lernen ihn kennen, während er beginnt, die Liebe zu erforschen: bei seinen Eltern, seinem Großvater, und sonst auch bei jedem, den er trifft. Während er nebenbei versucht, die zauberhafte Destry auf sich aufmerksam zu machen, wird er der Umwelt zuliebe zum Vegetarier, versucht sich als Sportler, Schriftsteller und Schauspieler und bekommt die Nachwirkungen eines Krieges zu spüren. Bei jedem Schritt, den er geht, wächst er über sich hinaus, um am Ende eine Ahnung davon zu haben, was es heißt sich selbst zu lieben.

Diese Geschichte ist eine der lustigsten und liebenswertesten, die ich seit Langem gelesen habe und hat mich gerade deshalb häufig an mein Lesegefühl bei Love, Simon (aka »Nur drei Worte«) erinnert. Der Protagonist ist supercharmant, naiv-liebenswert, verliert nie seinen Mut und hat dabei einen unschlagbar ironischen Humor. Dieser Humor zieht sich durch die gesamte Geschichte und sorgt für Leichtigkeit vor einem eigentlich ernsten Hintergrund. Ob es um den WWM aka »wildgewordener Wischmop« aka der kleine Hund Trixie geht oder die Superhelden-Lehrerin, die zufällig immer im richtigen Moment auftaucht, wo man sie nicht erwarten würde, mit Robs Beschreibungen werden die Worte zu Bildern, die sich in der Erinnerung festsetzen. Dass man beim Lesen ständig vor sich hinkichert, sorgt dafür, dass man die Lesestimmung nicht so schnell vergisst und fast schon enttäuscht ist, wenn man am Ende angekommen ist.

Dass Rob trans ist, erfährt der Leser erst ganz am Schluss und plötzlich machen alle kleinen Hinweise Sinn. Diese Vorgehensweise sorgt gerade bei nicht betroffenen Menschen dafür, dass sie Rob als Jungen kennenlernen und am Ende gar nicht anders können, als ihn bedingungslos als diesen Jungen zu akzeptieren. Am Ende wird dem Thema auch die nötige Sensibilität und Aufmerksamkeit geschenkt, um dem Leser ein Verständnis dafür zu vermitteln, was es für junge Menschen bedeutet, trans zu sein. Dass nicht unbedingt jeder in der Umgebung sofort eine Akzeptanz dafür entwickelt und es ebenso ein harter Kampf sein kann, von seiner Familie als der Mensch wahrgenommen zu werden, den man selbst in sich sieht. Barry Jonsberg löst das mit viel Fingerspitzengefühl und überrascht den Leser am Ende in doppelter Hinsicht: mit der Offenlegung Robs Geburtsgeschlechts und der Auflösung der Geschichte selbst.

Fazit

Was so in mir steckt ist eine Geschichte, die sehr viel mehr zu bieten hat, als es auf den ersten Blick scheint. Sie ist unglaublich witzig und liebenswert, sodass sie sich mindestens so sehr in mein Herz geschlichen hat wie Love, Simon (aka »Nur drei Worte«), wenn nicht sogar noch mehr. Rob muss man einfach lieben und begleitet ihn nur zu gern bei seinem Versuch, das Ziel seiner ersten Verliebtheit auf sich aufmerksam zu machen, aber viel wichtiger noch, auf dem Weg sich selbst lieben zu lernen. Das Ende überrascht den unwissenden Leser nicht nur mit der Offenbarung von Robs Geburtsgeschlecht, sondern auch mit der Auflösung der kompletten Rahmenhandlung, wodurch das Buch lange nachhallt. Mit viel Fingerspitzengefühl beschreibt Barry Jonsberg, was es für junge Menschen heißt, trans zu sein und lässt dabei auch die Schwierigkeiten nicht außer Acht, die die direkte Umgebung manchmal damit hat. Darüber hinaus ist es mit Abstand eine der witzigsten und liebenswertesten Geschichten, die ich bisher lesen durfte und ich kann es nur jedem ans Herz legen, egal ob queer-Leser oder nicht!

Cover des Buches Kintsugi (ISBN: 9783103974591)

Bewertung zu "Kintsugi" von Miku Sophie Kühmel

Kintsugi
haensbaensvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Wer Geschichten mit komplexen Persönlichkeiten und dem Fokus auf vielschichtigen Beziehungen aller Art mag – unbedingt lesen!
Beeindruckendes Debüt mit selbstverständlich queeren Protagonisten

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

Kintsugi heißt die Kunst, zerbrochenes Porzellan mit Gold wieder zusammenzufügen, was es nur umso kostbarer macht. Es gibt kaum Handlung in dieser Geschichte, und das ist etwas, das ich immer wieder sehr genieße. Die gemeinsamen Mahlzeiten, die Kühmel wie ein Bühnenstück zwischen den Episoden aus Sicht der Charaktere beschreibt, sind mitunter die handlungsreichsten Abschnitte, die die Gedanken des nächsten Kapitels einläuten. Und ich war davon unglaublich schnell gefangen. Es ist faszinierend, wie sehr sich die vier Kapitel in ihrem Ton unterscheiden und damit unfehlbar einem der vier Charaktere zuordenbar sind. Sie alle haben ihre ganz eigene Stimme. Ihre eigene Wahrheit. Ihre eigenen Geheimnisse, die alle an diesem Wochenende aus ihnen herausbrechen.

Max, Universitätsprofessor für Archäologie und Reik, Künstler nach überraschendem Durchbruch, könnten kaum unterschiedlicher sein und halten sich doch nur gegenseitig am Leben. Reik ist chaotisch, kinderlieb, emotional instabil und charismatisch. Max ist ordnungsliebend, zurückhaltend, perfektionistisch und bodenständig. Tonio ist Vollblutvater und gleichzeitig Reiks Jugendliebe, doch schon immer Teil seines Lebens gewesen. Und Pega – Pega verbindet alle miteinander, denn sie haben sie alle gemeinsam großgezogen. Ich bin überwältigt von der Beobachtungsgabe der jungen Autorin und ihrer Fähigkeit, die feinsten Nuancen der Beziehungen der Charaktere untereinander durch verschiedene Sichtweisen langsam und sorgfältig vor dem Leser auszubreiten, bis er gegen Ende glaubt, ein vollständiges Bild vor sich zu haben. Und doch scheint da noch so viel mehr zu sein, was ein Mensch alleine vermutlich nicht imstande ist zu erfassen.

Unweigerlich beginnt alles in sich zusammenzubrechen. Was macht einen Menschen aus? Und was braucht er, um sich zu verwirklichen und glücklich zu sein? Was wird aus unerwiderter Liebe? Und was ist, wenn man zeitweise einen anderen Weg einschlagen muss? Der Schein nach außen wird als das entlarvt, was er ist – ein Schein. Vermeintliche Vorzeigebeispiele einer Beziehung, wie sie sein soll, aus dem Bilderbuch, sind nach innen eben doch komplexer als das, was der Bekanntenkreis sieht. Nichts ist gut und nichts ist schlecht. Zentrale Konfliktherde, die immer wieder aufgedeckt werden und danach sorgfältig in einer Kiste verstaut, bis sie das nächste Mal hervorbrechen. Kintsugi erzählt gerade so viel, wie es soll und lässt genug Spielraum, um die Lücken vervollständigen zu wollen. Und über allem steht der Wunsch nach Vervollständigung und Wiederherstellung, etwas Kaputtes durch Gold wieder ganz zu machen.

Fazit

Kintsugi hat mich überwältigt. Sprachlich, intellektuell, emotional. Nicht nur die besondere Erzählweise, sondern auch das feine Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen ließen mich immer wieder darüber staunen, wie jung die Autorin ist. Es hätte mich nicht gewundert, wenn die Geschichte aus der Feder eines gesetzten und gefeierten Autors stammte. Sie ist ruhig und handelt allein von einem Wochenende und vier Personen, die viel miteinander verbindet. Sexualität wird kaum thematisiert und erfrischend unspektakulär beschrieben. Als ich die erste Seite aufschlug, wusste ich noch nicht, dass ich es mit einer solchen Perle der Literatur zu tun habe. Wer Geschichten mit komplexen Persönlichkeiten und dem Fokus auf vielschichtigen Beziehungen aller Art mag – unbedingt lesen!

Cover des Buches West, West Texas (ISBN: 9783956401954)

Bewertung zu "West, West Texas" von Tillie Walden

West, West Texas
haensbaensvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Eine spannende und ergreifende Geschichte mit einer Prise Queerness und Feminismus, die ich allen empfehle, die etwas Besonderes suchen.
Queer-feministischer Fantasy-Roadtrip

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

Graphic Novels lesen sich viel schneller als geschriebene Bücher, weil unsere Augen ein Bild und die Emotionen, die davon ausgehen, viel schneller erfassen können. Trotzdem dachte ich immer, Bilder könnten nie das Ausmaß an Emotionen erreichen, das durch die richtigen Worte ausgelöst werden kann. Was habe ich mich getäuscht.

Die Farbgestaltung in Lila, Blau und Orange und die ausdrucksstarke Charakterzeichnung haben es geschafft, dass ich beinahe meine Haltestelle verpasst hätte, als ich morgens im Zug auf dem Weg zur Arbeit mit dem Lesen begonnen habe. Beide Frauen tragen ein ziemlich großes Päckchen mit sich herum, das nach und nach an die Oberfläche dringt. Sie haben teilweise mit Angstzuständen und Panikattacken zu kämpfen, sobald sie merken, dass sie vor ihren Problemen nicht einfach so weglaufen können.

West, West Texas schlägt im Gegensatz zu ihrer autobiografischen Geschichte eine Fantasy-Richtung ein, auch wenn das, was den Frauen auf ihrem Weg begegnet, nichts anderes ist als die Verkörperung ihrer Ängste, vor denen sie davon laufen. Es geht um Verlust und Missbrauch, um Angst, nicht bei sich selbst sein zu können. Dass beide Protagonistinnen lesbisch sind, spielt zwar besonders für die jüngere Bea eine Rolle, jedoch ist ihre Sexualität alles andere als das zentrale Thema dieser Geschichte. Ebenso wird mit Geschlechterrollen gespielt – im einen Moment wird Bea für einen Jungen gehalten, im anderen liebt sie es, Kleider und Röcke zu tragen.

Während Bea sich Lou irgendwann offenbart und damit den ersten Schritt geht, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, bleibt für mich Lous Wendung leider etwas undurchsichtig.

Fazit

West, West Texas hat wieder einmal bewiesen, wie gewaltig und emotional Bilder auf uns wirken können. Im Vergleich zu ihrer Autobiographie Pirouetten geht ihre neue Graphic Novel sehr in die Fantasy-Richtung um den Ängsten der Protagonistinnen Ausdruck zu verleihen. Straßen, die verschwinden, neue, die auftauchen, ein plötzlicher Schneesturm und mysteriöse Männer, die sie verfolgen – auf dem Weg, sich selbst zu finden auf einem Roadtrip der besonderen Art. Es geht um Identität, Verlust, Missbrauch und Sexualität, eingewebt in eine düster-melancholische Farbgebung, die es leicht macht, in die Geschichte hineinzufinden. Eine spannende und ergreifende Geschichte mit einer Prise Queerness und Feminismus, die ich allen empfehle, die etwas Besonderes suchen.

Cover des Buches Alles okay (ISBN: 9783446264359)

Bewertung zu "Alles okay" von Nina LaCour

Alles okay
haensbaensvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Alles okay ist schwermütig schön und eines der berührendsten Bücher, die ich seit Langem gelesen habe.
Bewegend, berührend, selbstverständlich queer

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

Bei manchen Büchern ist es Liebe auf den ersten Blick, bei manchen trügt der Schein der äußeren Hülle, doch bei manchen festigt sich diese Liebe nur von Seite zu Seite. Alles okay hat mich verzaubert, obwohl es alles andere als eine schöne Geschichte ist. Es geht um Verlust, um Schuld, darum, was eine Familie ausmacht und wie viel man über sie weiß, oder ob letztendlich jede Person so viele Geheimnisse in sich trägt, dass sie immer eine andere sein wird als die, die man glaubt zu kennen.

Marin ist bei ihrem Großvater im sonnigen Kalifornien aufgewachsen, nachdem ihre junge Mutter beim Surfen ums Leben kam. Ihren Vater kannte sie nie. Marins Großvater lässt ihr viele Freiheiten, Grenzen kennt sie kaum, und sie findet irgendwann ihre Seelengefährtin in ihrer besten Freundin Mabel. Sie kommen sich näher und bald geht ihre Verbindung weit über eine Freundschaft hinaus. Marin wächst in Mabels Familie hinein und kann sich irgendwann ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Bis zu dem Punkt, als ihr Großvater stirbt, sie sich die Schuld dafür gibt und einfach verschwindet.

Die Geschichte handelt nicht nur von Familie und Verlust, sondern auch von großer Einsamkeit. Von dieser Einsamkeit, die sich einschleicht und jeden irgendwann mal gefangen nimmt, denn so sehr wir die Menschen um uns herum lieben – nie können sie die letzte Hürde durchbrechen und uns vollkommene Geborgenheit schenken. Nie können wir einen Menschen in all seinen Facetten und Gedanken vollständig kennen. Marin erfährt Dinge über ihren Großvater, die ihr gesamtes Bild über ihn und sich und ihre kleine Familie ins Wanken bringen.

Diese Geschichte hat mich tief im Inneren berührt, ich war ganz nah an Marin dran. Man spürt ihre Verzweiflung, ihren Versuch, alles zu verdrängen, doch irgendwann auch ihren Versuch, sich endlich zu offenbaren und Hilfe anzunehmen. Die Entwicklung, die Marin durchlebt, ist wahnsinnig gefühlvoll und realitätsnah beschrieben. Das Buch gibt Hoffnung, dass egal was passiert, alles irgendwann wieder okay sein kann. Dass man irgendwann wieder bei sich selbst ankommt.

Sexualität spielt in der Geschichte nur eine kleine Rolle und ist einfach selbstverständlich. Marin und Mabel sind eine Weile lang ein Paar, vermutlich genau bis zu dem Zeitpunkt, als Marin wegläuft. Die beiden Freundinnen kommen sich in Rückblenden näher, was zu Beginn verwirrend ist, aber schnell zur wunderbarsten Sache wird, die hätte passieren können. Doch auch über diese Liebe hinaus, als Mabel längst mit einem Jungen zusammen ist, verbindet die beiden eine tiefe Zusammengehörigkeit, die durch Marins Verschwinden nicht aufgehoben wird. Es zeigt, dass Vertrauen und Verbundenheit tiefer sitzen als romantische Liebe und sie die Zeit überdauern.

Fazit

Alles okay ist schwermütig schön und eines der berührendsten Bücher, die ich seit Langem gelesen habe. Man spürt Marins Einsamkeit in jeder Zeile und ist ganz nah dabei, wenn sie nach und nach aus ihrer Kälte auftaut und neuen Mut für ihr Leben zulässt. Denn Familie geht über Blutsverwandschaft hinaus und da sind noch mehr Menschen, die alles stehen und liegen lassen, um Marin Halt zu geben. Es geht um Freundschaft und Verbundenheit, die über eine vergangene Liebesbeziehung hinausgehen und um Vertrauen – darum, wieder Nähe zuzulassen, damit alles wieder okay wird. Wahnsinnig poetisch, nah und authentisch, ohne einen großen Wirbel um Sexualität zu machen.

Cover des Buches Fünf Lieben lang (ISBN: 9783423281959)

Bewertung zu "Fünf Lieben lang" von André Aciman

Fünf Lieben lang
haensbaensvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Fünf Lieben lang liest sich wie fünf verschiedene Bücher, fünf verschiedene Leben eines Mannes, der in jeder Liebe ein anderer ist.
Fünf Lieben, fünf Leben, und doch ganz Aciman

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

Fünf Lieben lang liest sich völlig anders, teilweise sogar gegensätzlich zu Call me by your Name, wobei die Sprache unverkennbar aus derselben Feder stammt. Während wir es bei Zweiterem mit einer einzigen verzehrenden Liebe zu tun haben, die so kein zweites Mal im Leben zu finden ist, gibt uns André Aciman in seinem neuen Roman Einblick in fünf völlig unterschiedliche Formen der Liebe, die Paul in seinem Leben erfährt.

Fünf Variationen der Liebe, die jede für sich besonders ist: Unschuldige Liebe, die kaum als solche wahrgenommen wird und noch weit entfernt davon ist, vollständig begriffen, geschweige denn ausgelebt zu werden. Zufällige Liebe, die aus dem Moment heraus entsteht und sich fast unbemerkt einschleicht, doch nie die nötige Tiefe erreicht, um zu bleiben. Obsessive Liebe, die aus der Ferne keimt, ins Unermessliche wächst, fast ins Unangenehme kippt, vom dem man sich als Leser lieber distanziert und die wiederum droht zu verpuffen, sobald sie in greifbare Nähe rückt. Hoffnungslose Liebe, von Aciman Sternenliebe genannt, die fortwährend ist, immer wiederkehrend und doch nicht als tatsächliche Möglichkeit Bestand hat. Und am Ende sind es zwei Lieben, die aufkommen: Potenzielle Liebe, die für gescheitert erklärt wird, bevor sie überhaupt begonnen hat und von derjenigen Liebe überschattet wird, die bleibt, die dich immer wieder in die Arme schließt, dich auffängt und dir sagt: Ich bin dein Zuhause.

Das Buch Beginnt mit einem erwachsenen Paul, der auf die italienische Urlaubsinsel seiner Kindheit fährt, um die Überreste ihres bis auf die Mauern niedergebrannten Ferienhauses zu begutachten. Ein bisschen vielleicht auch um zu sehen, ob seine Kindheitsliebe noch dort ist. Am Ende des Buchs ist Paul in die Jahre gekommen, noch nicht alt, aber gereift, und ein anderer Mensch. Tatsächlich unterscheidet sich die Note der Sprache von Liebe zu Liebe so sehr, dass man nicht nur das Gefühl hat, in völlig unterschiedlichen Lebensphasen Pauls zu stecken, sondern als würde man fünf verschiedene Bücher lesen. Und doch ist und bleibt es Paul, der sich mit jedem Schritt weiterentwickelt und seinen Weg durchs Leben und die Liebe geht.

Ich fand diese Erzählart sehr erfrischend; es ist etwas Neues, das ich so noch nicht kannte. Das meiste steckt in Pauls Geschichte zwischen den Zeilen. Warum eine neue Liebe beginnt, warum eine alte Liebe endet, das erfahren wir fast nie direkt. Zwischen den fünf Geschichten liegen teils große Zeitsprünge, deren Lücken wir selbst füllen müssen mit Andeutungen, die gefallen sind, noch fallen werden und eigenen Gedanken, die die Entwicklung nachvollziehbar werden lassen. Der rote Faden der Geschichte besteht weitgehend aus der Liebe selbst, wodurch kein deutlicher Spannungsbogen entsteht, sondern sich ungleichmäßige Wellen durch die Zeit ziehen. Auf mich macht das Buch einen etwas anspruchsvolleren Eindruck als Call me by your Name, weshalb ich Fünf Lieben lang nicht wie erhofft allen empfehlen kann, die auch ersteres Werk des Autors lieben. Es ist vor allem etwas für diejenigen, die gerne abtauchen in eine ganze L(i)ebensgeschichte, die keinem höheren Ziel folgt, sich jedes Mal neu mitreißen lassen möchten und dabei Wert legen auf eine volle, intensive, wortgewaltige, manchmal gewollt irreführende und vereinnahmende Sprache.

Sexualität fließt in sein Schreiben derart selbstverständlich mit ein, dass mir zu keiner Zeit direkt bewusst war, ein queeres Buch zu lesen. Sexualität wird nie benannt, aber nicht aus Scham, sondern weil es nicht notwendig ist. Sie wird von vorneherein für möglich erklärt und ohne Umschweife akzeptiert. Da Paul Beziehungen sowohl mit Männern als auch Frauen hat, würde ich am ehesten auf Bisexualität tippen – allerdings bleibt eine genaue Definition im Buch offen.

Fazit

Fünf Lieben lang liest sich wie fünf verschiedene Bücher, ja fast wie fünf verschiedene Leben eines Mannes, der in jeder Liebe ein anderer zu sein scheint. Was wir von Aciman wiederfinden ist seine intensive und wortgewaltige Sprache, durch die er die größtmögliche Nähe zum Protagonisten Paul erzeugt. Die erste Geschichte erinnerte mich noch sehr an das Gefühl von »Call me by your Name«, wobei uns der Autor mit dem weiteren Verlauf zeigt, dass er mehr kann und es im Leben nicht nur die einzig wahre Liebe geben, sondern sie in vielen Nuancen auftreten kann: von der unschuldigen Kindheitsliebe über Gelegenheitsliebe, Obsession, hoffnungslose und verpasste Liebe hin zum sicheren Hafen. Sexualität ist dabei so selbstverständlich Teil der Geschichte, dass Pauls Liebe zu Frauen und Männern in keinster Weise als ungewöhnlich auffällt. Wer »Call me by your Name« wegen seiner alles verzehrenden Liebe mochte, könnte mit Fünf Lieben lang seine Schwierigkeiten haben; wer sich allerdings besonders in Acimans außergewöhnlich bildhaften und intensiven Schreibstil verliebt hat, für den ist sein neues Werk genau das Richtige.

Cover des Buches Ein Happy End ist erst der Anfang (ISBN: 9783551583994)

Bewertung zu "Ein Happy End ist erst der Anfang" von Becky Albertalli

Ein Happy End ist erst der Anfang
haensbaensvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Eine liebenswerte, humorvolle, jedoch ein wenig unrealistische Liebesgeschichte zum Thema Body Positivity und Queerness
Liebenswert, humorvoll, jedoch ein wenig unrealistisch

Vollständige Rezension: queerbuch.wordpress.com

An Ein Happy End ist erst der Anfang hatte ich gemischte Erwartungen. Mit Love, Simon bzw. »Nur drei Worte« hat Becky Albertalli ein beinahe vollkommenes, süßes Jugendbuch über die erste Liebe, Familie, Freunde und die großen drei Worte des Coming Outs vorgelegt. Meinen Lieblingscharakter Simon hat sie damit schon in der ersten Geschichte versorgt, und so blieb für die Fortsetzung seine eigensinnige, beste Freundin Leah. Leah hatte schon im ersten Buch einen schwierigen Charakter, der nicht immer ganz leicht nachzuvollziehen war. Das setzt sich so im zweiten Buch fort und wir tauchen tiefer ab in Leahs Beweggründe, wobei sie selbst ihre Gedanken vor sich versteckt. Leah denkt impulsiv und weicht fast allem aus, was sie irgendwie aus der Fassung bringen könnte. Leah mag es einfach. Sie zeichnet, um zu verarbeiten und verliert sich im Beat, während sie am Schlagzeug sitzt.

Schon in Dumplin' von Julie Murphy gab es eine der wenigen Protagonistinnen in Büchern, die nicht dünn sind. Nicht einmal mollig, sondern richtig dick und vor allem: gerne dick. Dick UND schön. Sie schämen sich nicht, nicht in die kleinste Kleidergröße zu passen oder einen BH wirklich zu brauchen. Sie sind, wie sie sind, und das ist gut so. Auch Jennifer Nivens Stell dir vor, dass ich dich liebe stellt ein dickes Mädchen in den Fokus; und nicht nur irgendeines, sondern Amerikas dicksten Teenager, der einmal mit einem Kran aus dem Schlafzimmer geholt werden musste. Libby, die zum Beginn der Handlung zwar auf ein mehr oder weniger gesundes Gewicht abgenommen hat, aber eben immer noch dick ist. Auch Leah ist selbstverständlich dick, wird dadurch aber in keinster Weise zum Opfer. Sie ist schön und begehrenswert, denn sie hat nicht nur eine/n Verehrer/in, und ihr Gewicht spielt dabei keine Rolle. Bitte mehr davon, denn Jugendlichen früh ein Gefühl von Body Positivity zu vermitteln, halte ich für sehr wichtig!

Das Thema Coming Out knüpft an den ersten Teil an. Leah fühlt sich wohl mit ihrer Bisexualität, ihre Mutter weiß Bescheid, weil es irgendwie immer klar war, aber Simon und ihren Freunden gegenüber bringt sie es irgendwie nicht über die Lippen. Weil es dann eine viel zu große Sache wäre. Obwohl Simon Leah ja wohl am besten verstehen würde. Trotzdem spricht Leah nicht über ihre Gefühle. Nicht über die fehlenden einem bestimmten Jungen gegenüber und nicht über die seit ganz schön langer Zeit vorhandenen, aber verdrängten, einem Mädchen gegenüber. Das nebenbei ganz sicher hetero ist. Oder vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon?

Ein ganz dicker Pluspunkt geht an das Wohlgefühl, das man beim Lesen erlebt und an den Humor. Becky Albertalli hat es einfach drauf, mit wenigen Worten einen Situationskomik-Höhepunkt nach dem anderen zu erzeugen. Ich habe an den unmöglichsten Orten beim Lesen vor mich hingekichert und dabei verwirrte Blicke auf mich gezogen. Leah ist einfach verdammt witzig! Und ich habe es geliebt, Simon aus Leahs Sicht zu erleben. Ich wünsche mir auch einen Simon in meinem Leben; ich glaube, jeder braucht einen. Auf der anderen Seite schafft es die Autorin auch mit diesen wenigen Worten die Aufbruchstimmung in Richtung College, aber auch die kribbeligen Gefühle des Verliebtseins zu transportieren.

Leider ist diese Geschichte allerdings nicht ganz so vollkommen, wie ich die um Simon und Blue empfunden habe. Es dauert eine ganze Weile, bis man beginnt zu verstehen, worum es in dem Buch überhaupt geht bzw. worauf die Geschichte hinausläuft. Ist es eine Liebesgeschichte? Eine über’s Coming Out? Oder einfach nur Coming Off Age und der Aufbruch ins »Erwachsenenleben«? Ich weiß es immer noch nicht so genau. Außerdem war es nicht immer leicht, der vor allem davonlaufenden Protagonistin gegenüber Verständnis zu empfinden. Die Entwicklung der Liebesgeschichte war für mich auch hier nicht sehr realistisch, wobei es wahrscheinlich vielen Jugendlichen in ähnlichen Situationen hilft, an ein Happy End zu glauben. Nichtsdestotrotz habe ich Ein Happy End ist erst der Anfang wirklich gern gelesen und wurde nur so mitgerissen.

Fazit:

Leahs Geschichte nach dem Ende von »Love, Simon« weiterzuverfolgen, habe ich sehr genossen. Die Story ist leicht und wirft trotzdem Fragen auf, mit denen sich Jugendliche irgendwann konfrontiert sehen: Wie geht es nach der Schule weiter? Es geht um Abschied, doch vor allem erstmla darum, das Leben im Jetzt zu genießen. Etwas zu wagen und dafür belohnt zu werden. Nicht vom Wahrscheinlichen auszugehen, sondern vom Möglichen. Ein Happy End ist erst der Anfang hat mich so oft kichern lassen, wie noch keines zuvor, denn Becky Albertalli schafft es, die unscheinbarsten Situationen mit einer gehörigen Portion Situationskomik zu überschwemmen. Auch wenn mir immer noch nicht klar ist, was die Autorin uns mit Leahs Geschichte sagen wollte und für mich Leahs Charakter nicht immer ganz einfach nachzuvollziehen war, kann ich die Geschichte allen nur ans Herz legen, die schon von Simons Geschichte verzaubert waren.

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