Bewertung zu "Die Memoiren einer Überlebenden" von Doris Lessing
Während „1984“ zeigt, wie eine Zivilisation untergeht, indem sie in einer Überwachungsgesellschaft erstarrt, beschreibt Doris Lessing in den „Memoiren einer Überlebenden“ anhand der Straße einer Großstadt wie eine Gesellschaft im Chaos versinkt. Nichts funktioniert mehr. Rechtssystem, Verkehr, Energieversorgung, Lebensmittelversorgung, Geldwirtschaft sind zusammengebrochen. Aus dem Chaos heraus entwickeln sich jedoch Keimzellen einer neuen Gesellschaft. Eine besondere Rolle beim „Neuanfang“ schreibt die Autorin dabei Jugendlichen und Kindern zu, die ohne Familienbindung auf der Straße leben und ohne die Moralvorstellungen der alten Welt aufwachsen. Aus Kinder- und Jugendbanden werden „ideologieballastfreie“ Stämme, die irgendwann in neue Gegenden aufbrechen. Am Ende erscheint aber auch ein Marsch in die Ferne sinnlos, weil auch dort nichts zu erwarten ist. Die Überlebende (eine ältere Frau), eine bei ihr wohnende Jugendliche und deren Geliebter bleiben in der Straße zurück. Sie sind umgeben von einer Kinderbande, die vor Kannibalismus nicht halt macht. Ein Funken Hoffnung bleibt jedoch. Das Buch ist dramatisch aufgebaut und lässt sich flüssig lesen. Es ist im Übrigen gar nicht so dick.