Dieses Buch durfte ich im Rahmen einer Leserunde lesen. Vielen Dank an dieser Stelle an den Verlag!
Nivedita ist vom Skandal um die Whiteness ihrer Professorin absolut erschüttert. Niemand hat der jungen Frau bisher ihre Identität erklären können und #SaraswatiGate führt dazu, dass Nivedita alles über den Kopf hinaus wächst. Was ist Identität? Ist man bspw. indisch, weil die Eltern in Indien geboren sind, man selbst aber nicht? Ist man indisch, wenn man in dieses Land ausgewandert ist und dort 20 Jahre lebt? Oder was macht "Indischsein" aus? Die Grenzen scheinen zu verschwimmen, es gibt kein wahr oder falsch, Saraswati scheint durch ihre "Transformation" (wenn man das so nennen kann) alle bereits fließenden Grenzen noch weiter zu verschleiern und bezeichnet sich selbst als Transrace - analog zu Transgender. Doch kann es sowas überhaupt geben? Die Internetgemeinde, deren Diskurs im Laufe des Buches immer wieder verfolgt wird, ist sich uneinig, und die hitzig diskutierenden Charaktere ebenfalls.
Über Klappentext und Plot muss ich eigentlich keine weiteren Worte mehr verlieren, da ich das Gefühl habe, dass jeder und sein Hund dieses Buch bereits gelesen haben - und das natürlich aus gutem Grund! Mithu Sanyal legt hier einen anspruchsvollen, diskussionsreichen Roman zum Thema Gender und race vor, bei dem ich mit meiner pandemiebedingten Konzentrationsspanne leider nicht immer hinterher kam. Dennoch wurde mir eines innerhalb weniger Seiten klar: Ich weiß nichts über diese Themen, rein gar nichts. Themen, die unglaublich viele Menschen betreffen und die an mir als weißer, priveligierter Frau scheinbar sang- und klanglos vorbeigezogen sind - da kam "Identitti" gerade zur rechten Zeit.
Jedoch verfiel "Identitti" für meine Verhältnisse zu wenig in die Kategorie "Roman" und mehr in die Sparte "Talkrunde", denn viel Handlung gibt es nicht, sondern größtenteils hitzige Diskussionen, bei denen mit Begriffen um sich geworfen wurde, die ich mangels eines Glossars während der Lektüre googeln musste - der Tod für jeden Menschen, der ohnehin mit der Konzentration darum würfeln muss, noch zehn weitere Seiten zu lesen. Mithu Sanyals erster Roman braucht also auf jeden Fall die ungeteilte Aufmerksamkeit der Leser*innen.
Leider habe ich mich irgendwann ein wenig durch die Seiten gequält, weil ich den Debatten nicht mehr folgen konnte, habe aber auf jeden Fall viel gelernt und muss auf jeden Fall in das ein oder andere Werk reinschauen, das die Autorin am Ende in einer großen Literaturliste empfiehlt.