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kingofmusic

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Cover des Buches Buddenbrooks (ISBN: 9783596904006)

Bewertung zu "Buddenbrooks" von Thomas Mann

Buddenbrooks
kingofmusicvor 9 Stunden
Kurzmeinung: Eins der Bücher für die Insel 🏝️. Sagenhaftes Meisterwerk!
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Cover des Buches Die November-Schwestern (ISBN: 9783351039769)

Bewertung zu "Die November-Schwestern" von Josephine W. Johnson

Die November-Schwestern
kingofmusicvor 7 Tagen
Kurzmeinung: Poetisch-lyrische Entschleunigung mit dramatischem Ende, über dem aber ein Licht der Hoffnung flackert! Was für eine Entdeckung!
Poetisch-lyrische Entschleunigung

„November ist für mich das Norwegen des Jahres.“ (Emily Dickinson)

Allgemein kommt der November ja nicht gut weg, aber allein durch das einleitende Zitat sollte man ins Nachdenken kommen – ganz unrecht hat Frau Dickinson nicht ha ha ha.

Und auch die Ich-Erzählerin Marget in Josephine W. Johnson´s Roman „Die November-Schwestern“, für den die Autorin 1935 den renommierten Pulitzer-Preis gewann und der 2023 dank des Aufbau-Verlags und der überragenden Übersetzung von Bettina Abarbanell endlich auch in Deutschland erschienen ist, kann dem November etwas „abgewinnen“:

„Jetzt im November sehe ich unsere Jahre im Ganzen. Dieser Herbst ist zugleich wie ein Ende und ein Anfang für unser Leben […]“ (S. 7)

Sie blickt zurück – auf ein Jahr im Kreislauf der Natur und auf private Tragödien, die die Geschichte und Geschicke der Familie Haldmarne lenken und nachhaltig beeinflussen. Dabei spielt eins ins andere – ohne die vorherrschende Dürre wäre Grant wahrscheinlich nie in das Leben der Haldmarne´s getreten und hätte die Schwestern Marget, Merle und Kerrin nicht in so ein (Gefühls-)Chaos stürzen können.

Die Geschichte könnte also vorhersehbar sein (Mann verdreht Frau(en) den Kopf), ist sie aber nicht. Stattdessen ist es der Autorin hervorragend gelungen, mit eindrucksvollen Natur- und Stimmungsbeschreibungen von Anfang an eine poetisch-bedrohliche Spannung zu erzeugen, die es in der (meiner Meinung nach) heutigen Literatur nicht bzw. nur sehr selten und punktuell gibt und die leider in der Masse der Veröffentlichungen untergeht. Aber das ist ein anderes Thema…

Jetzt, wo ich die Lektüre von „Die November-Schwestern“ Revue passieren lasse, komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass der Roman zu den besten poetisch-lyrischen Entschleunigungen gehört, die ich je gelesen habe – trotz der Schwere des Schicksals, trotz der „Heimtücken“ von Mutter Natur und der großen „Konkurrenz“ ähnlich gelagerter Geschichten. Aber Sätzen wie den folgenden kann ich einfach nicht (mehr) abschwören:

„Einmal ging mir plötzlich auf, ohne Grund, aber mit einer Gewissheit, die nichts erschüttern oder ändern konnte, dass weder Mutter noch Grant zu irgendjemandem aufschauten, irgendwen beneideten. Das war nicht etwa Hochmut oder das Gefühl, anders zu sein. Überhaupt nicht. Sondern eine Art Glaube an die Würde des menschlichen Geistes. Ich stammle nur bei dem Versuch, es zu erklären. Es ist nichts, was sich in kleinen Buchstaben einfangen und kleinen Kindern vorlesen lässt.“ (S. 138)
„Wenn ich laut geschrien und gekreischt hätte, dass ich es nicht ertragen könne, hätten sie geglaubt, ich wäre verrückt geworden; dabei ist es das Schweigen, das wirklich verrückt ist, das Stummbleiben, Stillhalten, Weitermachen, als wäre alles wie immer.“ (S. 205)
„Es gab keine Berührung von ihm, an die ich mich hätte erinnern können – nur seine Worte; und Worte sind etwas Kaltes, Grabähnliches, möglich, dass sie länger halten als selbst die stärkste und leidenschaftlichste Berührung, aber sie sind steinern.“ (S. 207)

Ich könnte jetzt hier das ganze Buch zitieren…Nein, Spaß. Kauft es euch lieber oder lasst es euch schenken und lasst euch be- bzw. verzaubern von dieser poetischen Sprachgewalt.

Glasklare Leseempfehlung und 10 von 5*.

©kingofmusic

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Cover des Buches Lucy Gayheart (ISBN: 9783717525677)

Bewertung zu "Lucy Gayheart" von Willa Cather

Lucy Gayheart
kingofmusicvor 19 Tagen
Kurzmeinung: Schlichtweg überragend. Selten so empathische Charakter erlebt. Highlight des 2. Lesehalbjahres 2023.
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Cover des Buches Der Kartograf des Vergessens (ISBN: 9783293006119)

Bewertung zu "Der Kartograf des Vergessens" von Mia Couto

Der Kartograf des Vergessens
kingofmusicvor 21 Tagen
Kurzmeinung: Schwere Kost, die dem Leser einiges abverlangt, aber mit ihrer Mischung aus Geschichtsvermittlung, Poesie und Witz zu begeistern weiß!
Auf der Suche nach (der) Wahrheit

„Poeten sind Propheten. Mein Mann ist ein vergesslicher Prophet. Erst hat er die Zeit vergessen. Dann hat die Zukunft ihn vergessen.“ Virgínia Santiago (S. 245)

Mia Couto – ein Name, der mir bisher nichts sagte. Nun, das wird sich nach dem Roman „Der Kartograf des Vergessens“ (erschienen im Unionsverlag in der Übersetzung von Karin von Schweder-Schreiner) wohl ändern (müssen), hat er mich doch nachhaltig beeindruckt.

Dabei gehört auch „Der Kartograf des Vergessens“ zu den Romanen in diesem Jahr, zu denen ich erst sehr spät Zugang gefunden habe, da die Geschichte weit komplexer ist, als es zunächst den Anschein hat.

Der Ich-Erzähler Diogo Santiago kehrt in den Ort seiner Jugend zurück – in den mosambikanischen Ort Beira (dort wuchs auch Mia Couto auf). In der Vorbemerkung des Romans heißt es

„Dies ist die Geschichte eines arglosen portugiesischen Dichters und Journalisten, der Beweise für ein Massaker erhält, das die portugiesischen Truppen 1973 in Mosambik verübt haben. Dieser gute arglose Mann war mein Vater. […] In manchen weißen Vierteln verfielen die Menschen dem Wahnsinn. Damals wurde mir klar, dass Krankheit mitunter das einzige Heilmittel ist. Manche mussten vergessen können, was geschah, um Zukunft zu ermöglichen. Für andere war das, was geschah, schon die Zukunft. Diese fiktive Erzählung ist durch reale Personen und Ereignisse inspiriert. […]“ (S. 7)

Das genannte Massaker hat Einzug in den Roman gehalten und gehört inhaltlich zu den nachhaltigsten Szenen des gesamten Romans – an der ein oder anderen Stelle musste ich ob der geschilderten Grausamkeiten die Lektüre kurz unterbrechen. Auch an anderer (inhaltlicher) Stelle konnte ich das Buch nicht am Stück lesen, brauchte immer wieder eine Pause. Das lag jetzt nicht nur an der Geschichte selbst, sondern auch an dem allgemeinen Stil von Mia Couto, dem auch eine schriftstellerische Nähe zum sogenannten „magischen Realismus“ nachgesagt wird. Nun, das kann ich nach Ende der Lektüre insoweit bestätigen, als dass sich märchenhaft-mystisches mit knallharter Realität fließend die Klinke in die Hand gibt und man als Leser:in genau aufpassen muss, wo und wie die Grenzen verlaufen. (Literarische) Vorlieben für Gabriel Maria Marquez und ähnliche Autoren können also nicht schaden, wenn man sich auf Mia Couto einlässt bzw. einlassen will.

Neben der Aufarbeitung des erwähnten Massakers lernen die Leser:innen auch viel über die mosambikanische Kultur; das gelingt Couto hervorragend durch die „Einarbeitung“ von einheimischen Charakteren in die Handlung, die jeweils verschiedene Eigenschaften und Traditionen versinnbildlichen.

Darüber hinaus gibt es Ausflüge in die Kolonialgeschichte Mosambiks, die durch (fiktive) Protokolle, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen etc. dargestellt werden und im Wechsel mit den Gegenwartsabschnitten stehen. Letztlich erhält die geneigte Leserschaft viel Inhalt für gut angelegtes Geld.

Wer also einen gut 300-seitigen Roman mit Anspruch lesen will, der trotz aller Ernsthaftigkeit aber auch humoriges zu bieten hat, dem empfehle ich eindringlich die Lektüre dieses Romans, der von mir 5 verdiente Sterne bekommt!

©kingofmusic

Kommentare: 3
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Cover des Buches Sinkende Sterne (ISBN: 9783462050806)

Bewertung zu "Sinkende Sterne" von Thomas Hettche

Sinkende Sterne
kingofmusicvor 23 Tagen
Kurzmeinung: Es bleiben einige Fragezeichen, aber eins weiß ich: schreiben kann er, der Herr Hettche.
Viele (ungelöste) Fragezeichen ansprechend verpackt

Manchmal sollte man einfach seiner (ersten) Intuition folgen und eine Pause machen. So war ich fest gewillt, mich nicht zur Leserunde von Thomas Hettche´s neuen Roman „Sinkende Sterne“ (erschienen bei Kiepenheuer & Witsch) anzumelden. Nun, diese Rezension zeugt von meiner Inkonsequenz *g*.

Herr Hettche macht es seinen Leser:innen aber auch von vornherein nicht gerade leicht „Nein“ zu sagen – weiß er doch sowohl sprachlich als auch bildlich sein „Publikum“ von Beginn an zu erreichen und abtauchen zu lassen in die ganz eigene Welt des Ich-Erzählers Thomas Hettche. Dabei konnte ich nicht unterscheiden, ob der Roman-Thomas von dem Real-Thomas „abweicht“ oder ob Hettche hier wirklich „seine“ schwierige Vater-/Sohn-Geschichte aufarbeitet und sie mit dystopischen und phantastischen Elementen zu einem in weiten Teilen berührenden Text verbindet. Letztlich spielt es auch keine Rolle.

Der Ich-Erzähler Thomas fährt in das Dorf seiner Jugend, um nach dem Tod des Vaters das Haus zu verkaufen. Malerisch gelegen im schweizerischen Kanton Wallis oberhalb des Rhonetals, dass durch einen katastrophalen Bergsturz nun unter der Wasseroberfläche eines Sees liegt. Doch wie es oft im Leben spielt: meistens kommt es anders als man denkt. Denn Thomas will bleiben – warum auch nicht, hat er doch gerade seinen Job als Dozent an der Uni Berlin verloren. Dass er bleiben will, sorgt nicht überall für Wohlwollen…

Soweit die Ausgangslage. Hier entspinnt sich nun mit fortschreitender Lektüre eine Geschichte, bei der sich „Wirklichkeit“ und Phantasie die Klinke fließend die Hand geben. So kommt es zu außergewöhnlichen Szenen, die mich als Leser ziemlich ratlos zurück gelassen haben; manche Kommentare und Interpretationen meiner Leserundenpartner:innen konnten zwar den ein oder anderen „Knoten“ auflösen und doch hatte ich selten so viele Fragezeichen nach dem Ende eines Buches wie hier. So wird mir wohl nichts Anderes übrigbleiben als dem Roman, hinter dem sich (wahrscheinlich) so viel verbirgt, dass man ganze Aufsätze darüber schreiben könnte, irgendwann eine zweite Chance zu geben, um dann hoffentlich (nicht nur) die von Thomas Hettche teils fantastischen Sprachbilder wertschätzen zu können, sondern evtl. auch die Metaebene des Romans erreiche. Denn eins habe ich trotz Fragezeichen und Knoten im Kopf herausfiltern können: schreiben kann er, der Herr Hettche.

Und so komme ich denn auch auf 4* und gebe all jenen eine Leseempfehlung, die mehr als Oberflächlichkeit und 08/15-Literatur lieben und zu schätzen wissen.

©kingofmusic

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Cover des Buches Die Legende vom heiligen Trinker (ISBN: 9783328110743)

Bewertung zu "Die Legende vom heiligen Trinker" von Joseph Roth

Die Legende vom heiligen Trinker
kingofmusicvor einem Monat
Kurzmeinung: Die Erzählung verliert nicht an Strahlkraft.
Leckeres Gebräu aus Buchstaben

Als ich den neuesten Band der bunten Penguin Edition aus dem Penguin Verlag, „Die Legende vom heiligen Trinker“ von Joseph Roth, auspackte musste ich trotz des etwas helleren Grüntons irgendwie sofort an „Die grüne Fee“ (oder auch Absinth genannt) denken. Nun, zu dem Zeitpunkt als Joseph Roth diese Erzählung schrieb (1939), war Absinth in den meisten europäischen Staaten verboten. Und trotzdem war der giftgrüne Drink in Kunst- und Literaturkreisen äußerst beliebt:

„Ein Glas Absinth ist so poetisch wie alles in der Welt. Was ist der Unterschied zwischen einem Glas Absinth und einem Sonnenuntergang?“ (Oscar Wilde)

Zurück zum „heiligen Trinker“. Hier erzählt Joseph Roth die Geschichte von Andreas Kartak, der unter einer der zahlreichen Brücken in Paris schläft und eines Tages von einem unbekannten Mann 200 Francs in die Hand gedrückt bekommt. Er ist fest gewillt, die 200 Francs zurückzuzahlen. Wird es ihm gelingen?

Zumindest häufen sich von jetzt an die Wunder in Andreas´ Leben und doch nimmt die Geschichte ihren (fast) zwangsläufig tragischen Lauf. Wie dem informativen Nachwort von Wilhelm von Sternburg (Roth-Biograf) entnommen werden kann, beruht (zumindest) der Teil mit den 200 Francs auf Tatsachen, denn Joseph Roth hat einen prominenten Freund und Unterstützer – hier soll es sich um Stephan Zweig handeln. Ob dem wirklich so ist – wir wissen es nicht. Letztlich spielt es auch keine Rolle, wer der zahlungskräftige Freund war; was hier zählt ist Freundschaft – egal in welcher Situation.

Ich kann und möchte hier gar nicht noch viele Worte verlieren, außer: wer die Romane von Joseph Roth mag und eine kleine trotz aller Schwermut auch hoffnungsvolle (hoffnungsvoll im Sinne von „Wunder gibt es immer wieder – man muss nur fest genug daran glauben, dann kommen sie unerwartet und doch passend.“) Erzählung, die auch nach mehrmaliger Lektüre nichts von ihrer Strahlkraft verliert, lesen will, sollte sich die „Legende vom heiligen Trinker“ nicht entgehen lassen.

Von mir gibt´s 5 beschwipste Rezensionssterne und eine glasklare Leseempfehlung!

©kingofmusic

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Cover des Buches Absturz (ISBN: 9783945370438)

Bewertung zu "Absturz" von Tom Kristensen

Absturz
kingofmusicvor einem Monat
Kurzmeinung: Unfassbares Meisterwerk, für das man jedoch einen langen Atem braucht.
Ein im Endeffekt sagenhafter Absturz

Wie soll man eine Hymne auf ein Buch schreiben, dass einen beim Lesen alles abverlangt hat? Von auf- und abschwellender Langeweile über „Langsam sehe ich klarer.“-Gedanken bis zur totalen Faszination war bei der Lektüre von „Absturz“ von Tom Kristensen (erschienen 2023 im Guggolz Verlag, aus dem Dänischen übersetzt von Ulrich Sonnenberg und abgerundet mit einem beeindruckenden und ausführlichen Nachwort von Sebastian Guggolz) alles vorhanden. Okay, der ein oder die andere wird sich jetzt denken „Wo ist das Problem? Ist doch völlig normal.“ Ja – schon, aber nicht in der Intensität.

Wir begleiten den Literaturkritiker Ole Jastrau, der in den 1920er Jahren mit Frau und Sohn in Kopenhagen wohnt und beim „Dagbladet“ arbeitet, bei seinem (langsamen) Absturz in die Alkoholsucht, die im Lauf der über 600 Seiten (natürlich) einige Verluste nach sich zieht – teils verständlich, teils kopfschüttelnd akzeptierend.

Bei seinen Streifzügen durch die Kopenhagener Kneipenszene sind die Leser:innen immer ganz nah dran an Ole, seinem Handeln, seinen (Selbst-)Zweifeln, seinen vergeblichen Bemühungen, von der Sucht wegzukommen – wobei: viele seiner Bemühungen sind auch eher halbherzig und durch den anhaltenden Alkoholkonsum merkt Jastrau auch nicht (wirklich), dass er einige Gönner und Freunde hat, die ihm helfen wollen, aber durch Ole´s Sturheit auch letztlich nicht können…

Was das Ganze so unglaublich authentisch macht, ist die Tatsache, dass Tom Kristensen diesen Roman „an seinem eigenen Leben entlang schrieb“ wie es im Klappentext heißt. So lässt der Autor seinen „alter Ego“ Ole Jastrau durch Kopenhagen irren, taumeln, trinken und verzweifeln. Die ständigen Wiederholungen von Szenen eines Besäufnisses haben auf mich zunächst den Eindruck von „Wie oft noch? Ich weiß es doch jetzt.“ gemacht. Ja, aber lebt eine Sucht nicht von der Wiederholung? Wenn man sich das vor Augen führt, gewinnt der Roman auf einmal an Fahrt und die Leser:innen fühlen sich ein bisschen wie auf einem langen Spaziergang durch die Stadt.

Halt – gibt es da nicht was von (nein, die Werbung erspare ich euch *g*)…? Natürlich, nicht umsonst erinnert „Absturz“ an „Ulysses“ von James Joyce, dessen Werk auch hier zur Sprache kommt. Und so kommt es auch nicht von ungefähr, dass der vorliegende Roman in einem Atemzug mit den Monumentalepen von James Joyce, Marcel Proust oder Alfred Döblin genannt wird. Völlig zu Recht, wie ich nach Ende der Lektüre festgestellt habe.

Doch bis zu dieser Aussage braucht man als Leser:in einen verdammt langen Atem, der aber jede Mühe wert ist. Schließlich kann man sich für die Lektüre mit einem leckeren Wein etc. belohnen *g*.

Zu guter Letzt sei noch einmal auf das fantastische Cover, die umfangreichen Anmerkungen sowie das informative und kurzweilige Nachwort des Herausgebers Sebastian Guggolz hingewiesen, die das Gesamtpaket zusätzlich aufwerten.

Glasklare Leseempfehlung und mindestens das doppelte an Sternen wert als die 5, die ich aus meiner Rezensionsflasche tröpfeln lasse.

©kingofmusic

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Cover des Buches Der Schlafwagendiener (ISBN: 9783803133571)

Bewertung zu "Der Schlafwagendiener" von Suzette Mayr

Der Schlafwagendiener
kingofmusicvor 2 Monaten
Kurzmeinung: Eine Ode an die (vergessenen) Schlafwagendiener dieser Welt.
Bahnromantik? Nicht ganz

Bahn fahren ist schön. Oder? In gewisser Weise ja *g*. Aber das Bahn fahren auch anstrengend sein kann, beweist Suzette Mayr mit ihrem 6. Roman „Der Schlafwagendiener“, der von Anne Emmert aus dem Englischen übersetzt wurde, 2023 im Wagenbach-Verlag erschien und zudem bereits 2022 in Kanada mit dem renommiertesten kanadischen Literaturpreis, dem Giller Prize, ausgezeichnet wurde.

Denn natürlich ist die Geschichte um den Schwarzen Baxter, der eigentlich Zahnarzt werden und sich mit dem Job als Schlafwagendiener das Studium finanzieren will, keine romantisierende Ode an die (vergessenen) Schlafwagendiener dieser Welt. Vielmehr prangert die Autorin mit der auf Tatsachen beruhenden Geschichte die rassistischen und (im Falle von Baxter) auch homophoben Zustände in Kanada 1929 an.

Suzette Mayr schwingt aber nicht die übergroße Moralkeule, sondern verpackt ihre Kritik in zum Teil wunderbar poetisch, manchmal etwas schräge Sprachbilder ohne dabei „kitschig“ zu werden.

„Der Tag beginnt. Die neugeborene Sonne bricht durch die Bäume und sticht Baxter geradewegs in die brennenden roten Augen. Er ist ein Schlafwagendiener. Ein schläfriger Wagendiener. Schläfriger Diener im Wagen. Wagen schläfrig. Diener. Schlaf.“ (S. 168)

Als Leser:in hat man Baxter von Anfang an ins Herz geschlossen, bewundert die stoische Ruhe, mit der er die Erniedrigungen der weißen Wohlstandsgesellschaft über sich ergehen lässt, lacht und lächelt über Baxters Typisierungen der Passagiere anhand des Gebisses und wird immer tiefer in die Welt der Halluzinationen gezogen.

Richtig gelesen: die Geschichte hat eine zweite, nicht minder faszinierende Ebene. Während der Fahrt von Montreal nach Vancouver wird der völlig übermüdete Baxter immer wieder von Halluzinationen heimgesucht, die sich aber genial zwischen die Absurditäten der Passagiere „einfügen“, so dass man als Leser:in aufpassen muss, nicht zwischen Realität und Halluzination stecken und äh, auf der Strecke zu bleiben.

Ob Baxter es schafft, sein Studium zu finanzieren? Das wird hier natürlich nicht verraten *g*.

Alles in Allem ist „Der Schlafwagendiener“ ein überaus lesenswerter Roman, der mit einem tollen Cover (ich musste beim Blick darauf sofort an „Singing in the rain“ von Gene Kelly denken *g*) ebenso punktet wie mit der Geschichte an sich und dem ich deshalb 4 swingende Sterne verpasse.

©kingofmusic

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Cover des Buches Karnstedt verschwindet (ISBN: 9783865328571)

Bewertung zu "Karnstedt verschwindet" von Alexander Häusser

Karnstedt verschwindet
kingofmusicvor 2 Monaten
Kurzmeinung: Inhaltsschwer, aber nicht überfrachtet. Berührend. Tragisch. Großartig.
Einmal Freunde, immer Freunde?

„Karnstedt und Simon waren Gefangene oder Soldaten im Kampf gegen die Welt oder […] Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel.“ (S. 161)

Simon und Karnstedt – zwei ungleiche Freunde, die eins verbindet: sie werden in der Schule gemobbt. Karnstedt wegen seiner Haarlosigkeit aufgrund eines Gendefekts, Simon wegen seines Kleinwachstums. Außenseiter verbinden sich üblicherweise. Doch hält die Freundschaft ein Leben lang?

Nun, (nicht nur) dieser Frage geht Autor Alexander Häusser in seinem jetzt neu aufgelegten und beim Bielefelder Pendragon-Verlag erschienenen Roman „Karnstedt verschwindet“ (Erstveröffentlichung: 2007, jetzt überarbeitet und erweitert) nach und packt auf 220 Seiten so viel Themen, wo andere Autor:innen je Thema ein Buch über 400 Seiten schreiben. Aber länger ist nicht immer besser. Das stelle ich in letzter Zeit immer wieder fest…Egal, zurück zu Karnstedt.

Selbiger ist verschwunden und jetzt steht Simon vor dem „Trümmerhaufen“ des Karnstedt´schen Nachlasses in Dänemark. Während er die Papiere ordnet, erinnert er sich…

…und nimmt die Leser:innen mit auf eine Reise in die Hintergründe einer besonderen Freundschaft, eines Geheimnisses seit Jugendtagen und in die Gefühlswelten von (pubertierenden) Jungs, die auf der Suche nach sich selbst manchmal auch jemand anderes finden und diesen Jemand am liebsten auf ewig an sich binden würden – manchmal auch zu einem hohen Preis.

Alexander Häusser vermeidet es durch seine grandiose empathievolle Figurenzeichnung geschickt, dass man als Leser:in nur Mitleid mit Karnstedt und Simon oder nur „Hass“ für den Obermobber Tummer empfindet. Nein, jeder Charakter darf Stärken und Schwächen und somit komplett andere Seiten zeigen als die, die für ihn von Vornherein „festgelegt“ sind. Das ist großes Autorenkunst(hand)werk!

Ein Roman, der nachwirkt und wie schon „Noch alle Zeit“ (ebenfalls von Alexander Häusser) einen Dauerplatz in meiner Bibliothek bekommt!

5* und absolute Leseempfehlung!

©kingofmusic

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Cover des Buches Verlogen (ISBN: 9783462002966)

Bewertung zu "Verlogen" von Eva Björg Ægisdóttir

Verlogen
kingofmusicvor 3 Monaten
Kurzmeinung: Lügen haben kurze oder auch lange Beine. Spannender 2. Teil.
Alles Lüge oder was?

„Ich weiß genau, dass die Menschen auf der Straße keine Richter brauchen – sie urteilen selbst. Und ihr Urteil ist so viel unerbittlicher als das der Justiz.“ (S. 329)

Mit „Verlogen“ legt die isländische Autorin Eva Björg Ægisdottir den zweiten Teil ihrer „Mörderisches Island“-Krimireihe vor (erschienen wie auch schon Band 1 bei Kiepenheuer&Witsch in der Übersetzung von Freyja Melsted).

Diesmal begleiten die Leser:innen Ermittlerin Elma und ihren Kollegen Sævar von der Polizei Akranes auf der Suche nach dem Mörder der zunächst als vermisst gemeldeten und dann durch vermeintlichen Suizid ums Leben gekommenen Maríanna. Als ihre Leiche gefunden und untersucht wird, stellt sich schnell heraus, dass es kein Suizid war…Die Suche nach dem Mörder beginnt und zeigt dabei deutlich Schwachstellen in der Polizeiarbeit; dies wird immer wieder durch (Selbst-)Zweifel der Ermittler deutlich. Aber auch Polizist:innen sind eben nur Menschen, die sich von Fehlern nicht freisprechen können.

Während sich das Netz aus Lügen, Widersprüchen betreffend Maríanna und ihrer inzwischen bei Pflegeeltern lebenden Tochter Hekla immer weiter um die Leser:innen zusammenzieht, sorgt ein zweiter Handlungsstrang aus Sicht einer Ich-Erzählerin immer wieder für Kopfschütteln, Entsetzen, „Schütteln wollen“ zunächst für „Ach, ist ja klar, aus wessen Sicht das geschrieben ist“-Gefühle beim Leser. Aber die Autorin führt ihre Leser:innen scheinbar gerne aufs Glatteis, denn wie schon in „Verschwiegen“ gibt es im letzten Drittel des Buches diesbezüglich eine faustdicke Überraschung, die jedoch (natürlich) dafür sorgt, dass sich alle Fragezeichen in Luft auflösen und man als Leser:in entspannt und mit einem Kopfnicken den Epilog „genießen“ kann.

Neben der Krimihandlung nehmen die Leser:innen auch wieder an Elmas Privatleben teil, deren Gründe für die Rückkehr von Reykjavik nach Akranes weiter vertieft werden. Das Ende lässt den Schluss zu, dass sie ihr „privates“ Glück peu a peu zurückgewinnt – es soll ihr von Herzen gegönnt sein!

Alles in Allem hat mich auch der zweite Teil dieser Krimireihe vollends überzeugt – ich mag die gemächliche Gangart, den Blick hinter die Kulissen der Polizeiarbeit, Lokalkolorit etc. mehr als blutrünstige Thriller. Im Zusammenhang mit dem Lokalkolorit möchte ich noch auf die (Klapp-)Karte von Island hinweisen, die es den Leser:innen erlaubt, an die Orte des Geschehens zu „reisen“. Das nenne ich Service!

Und so ziehe ich 5 eiskalte und klare Sterne aus meinem Rezensionsbeutel und spreche eine absolute Leseempfehlung aus!

©kingofmusic

Kommentare: 1
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