Ein Regionalkrimi aus der Lüneburger Heide. Klar, dass ich mich für die Geschichte interessiere. Immerhin ist mein Opa mütterlicherseits früher als Heidesänger durch die Heide gewanderte und mein Cousin hat es lange Zeit auch getan. Die Heide strahlt für mich unglaubliche Ruhe aus. Deshalb war ich auch gleich von dem Cover begeistert. Die Heidelandschaft im Nebel mit einem Baum mittendrin als zentraler Blickfang und einem dahinter liegenden Wald.Ist der Baum ein zentraler Punkt? Ein Symbol? Man kann in vieles etwas reininterpretieren, aber es spielte für mich keine Rolle.
Der Titel des Krimis: Nach der Zeit - konnte ich lange Zeit nicht greifen :-). Aber auch das ist für mich nicht wichtige, passte jedoch zu dem Cover und inzwischen verstehe ich ihn: Nach all der langen Zeit. Doch wieso es passt musst du beim Lesen selber herausfinden.
Es ist nicht mein erster Anna Johannsen Krimi. Ich mag die Krimis, weil sie trotz der Morde so wunderschön mit "normalen" Toten sind. Sie sind nicht zerstückelt, zerhämmert oder was für grausig Tode sich manche Autor:innen sonst so ausdenken. Und das finde ich sehr realistisch. Denn die wenigsten Toten, werden mutiliert. Genau, dass ist es was ich an Krimis mag, der Gedanke, jeder von uns könnte ein:e Täter:in oder Opfer sein und daher kommt mein Gruseln. Am Ende lege ich erleichtert die Geschichte weg und denke. Ach zum Glück ist mir das nicht passiert, egal in welcher Rolle.
Ermittler-Team
Es war meine erster Krimi mit dem Ermittler-Team. Hanna Will vom LKA Niedersachsen und der Kriminalpsychologe Jan de Bruyn unterstützen die Polizei bei ihren Ermittlungen. Mit Jan bin ich schnell warm geworden, da aus seiner Sicht ein großer Teil der Geschichte erzählt wird. Oder anders ausgedrückt, steht er vor einer Scheidung, was ihn stark beschäftigt. Vor allem da seine Exfrau und sein Sohn in London leben. Also nicht gerade mal um die Ecke. Bei Hanna habe ich sehr viel länger gebraucht, um mit ihr warm zu werden. Erst zum Ende hin wurde sie für mich greifbarer. Ein interessanter Aspekt, da ich sonst bei einer Autorin mich viel schneller mit der weiblichen Hauptprotagonistin identifizieren kann, statt mit ihrem männlichen Partner.
Fall
Zwei Morde, die aussehen wie ein Suizid sind er Anfangspunkt für die Bildung einer Soko und den Ermittlungen. Obwohl der Leiter Robert Möller Hanna und Jan beim LKA um Unterstützung anfragt, blockiert er mit der Zeit ihrer Arbeit, zusammen mit dem Staatsanwalt und einem Kollegen. Sie werden sozusagen zu einem Hindernis für die Hauptfiguren. Ich fand das gelungen, weil es schleichend passiert und in meinem Kopf war immer die Frage, wieso.
Es bleiben nicht die einzigen Toten und Schritt für Schritt kommen die beiden dahinter, was es mit den Morden auf sich hat. Für erfahrene Krimifans vielleicht keine Überraschung, doch mein Schwerpunkt ist immer die Frage nach dem Warum. Das fand ich gut ausgearbeitet, wobei ich es doch als ein wenig übertrieben am Ende fand.
Stil und Struktur
Ich finden den Schreibstil von Anna Johannsen angenehm zu lesen. Sie hält mich bei der Stang und ich verfolge jeden Schritt der Ermittlungen mit, so dass ich auch meine eigenen Vermutungen anstellen kann.
Mir hat es gefallen, wie sie Hanna in ihrer Arbeit als Polizistin Authentizität verleiht, indem sie von Fremdverschulden spricht oder ungerne über Mord spricht, da das am Ende das Gericht entscheiden muss. Denn für unser deutsches Rechtssystem ist ein fremdverschuldeter Tod nicht automatisch Mord.
Bei der Arbeit von Jan, als Kriminalpsychologen, fehlt mir manchmal dieses Hintergrundwissen. Doch auch hier hat es mir gefallen, dass er nicht wie bei einem "Wunder" ein komplettes Täterprofil abgibt, sondern sich geradezu scheut, sich zu früh festzulegen. Das hat mich sehr an einen Vortrag von einer Fachexpertin über Blutspuren erinnert, die bei ihrer Arbeit nichts annimmt, was sie nicht überprüft hat.
Fazit:
Ein Regionalkrimi, der hält, was er verspricht. Ein Kriminalfall zum Miträtseln. Ein Ermittler Team mit privaten Problemen, die ihre Arbeit durchaus auch mal beeinflussen und statt Hotel ein Wohnmobile. Danke für die schönen Lesestunden.