„Die Feder eines Greifs“ weckt hohe Erwartungen, ist dieses Buch doch die Fortsetzung des 19 Jahre zuvor erschienenen Titels „Drachenreiter“. Der erste Band war ein Meisterwerk im Bereich der phantastischen Erzählungen für Kinder und ist als Buch und Hörbuch sehr zu empfehlen. Ist „Die Feder eines Greifs“ ihm ebenbürtig? Ich sage ja und nein. Warum?
Auch dieser Band überzeugt mit einer sehr bildhaften, schönen Sprache, wie wir es von der Autorin Cornelia Funke gewohnt sind. Der inzwischen 14 jährige Ben und sein Adoptivvater Barnabas Wiesengrund fliegen nach Indonesien, weil sie die Feder eines Greifs benötigen, damit die letzten Pegasusfohlen gerettet werden können. Diese sind für ihre Aggressivität bekannt und die Mission erscheint von vornherein gewagt. Im indonesischen Dschungel finden sie eine Gemeinschaft aus verschiedenen Tierarten vor, deren gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse von Unterdrückung, Rebellion und Machtkämpfen geprägt sind und damit den Auftrag der Tierschützer zusätzlich erschweren. Die Zeit läuft, ihnen bleiben nur noch wenige Tage und nicht alle Bewohner Indonesiens sind ihnen wohlgesonnen.
Jedem Kapitel ist ein Zitat einer bekannten Persönlichkeit vorangestellt, deren Gehalt Kinder ab 10 Jahren sicherlich nicht erfassen können. Die Handlung nimmt erst allmählich an Fahrt auf und wird ungefähr ab der Mitte des Buches spannend und temporeicher. In Kombination mit der beachtlichen Seitenzahl werden sich daher ausschließlich Leseratten an der Lektüre erfreuen. Allen anderen rate ich zum Hörbuch.
Das Ansinnen des Buches wird mit den ersten Sätzen deutlich:
"Ich habe diese Geschichte nicht für die geschrieben, die die Welt regieren wollen. Nicht für die, die ständig beweisen müssen, dass sie stärker, schneller, besser als alle anderen sind. Oder für die, die den Menschen für die Krone der Schöpfung halten.
Diese Geschichte ist für all die, die den Mut haben, zu beschützen statt zu beherrschen, zu behüten statt zu plündern und zu erhalten statt zu zerstören." (Cornelia Funke)
Die Relevanz der Thematik zeigt ein Blick in die täglichen Nachrichtensendungen und ich halte es für unbedingt notwendig, dass namhafte Persönlichkeiten, zu denen auch einige KinderbuchautorInnen gehören, für einen humaneren Umgang mit Tier, Mensch und Natur öffentlich eintreten. Dennoch bin ich bei diesem Buch ambivalent, da mir die Botschaft allzu offensichtlich entgegen tritt. Dürfen und sollen Kinderbücher meinungsbildend wirken? Ist es lediglich unbequem, wenn ein phantastisches Kinderbuch so deutlich an realistische aktuelle Probleme erinnert?
All die genannten Aspekte tragen dazu bei, dass mir der 1. Band besser gefallen hat, auch wenn der 2. ebenfalls sehr empfehlenswert ist.