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lenchen_196

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Cover des Buches Offline (ISBN: 9783944264745)

Bewertung zu "Offline" von Susanne Mathies

Offline
lenchen_196vor 8 Jahren
Kurzmeinung: Spannender und lustiger Krimi mit vielen Überraschungen
Manche mögen’s heiß. Mit Ausnahmen

Manche mögen’s echt heiß. Wenn ein Kriminalroman, dann mit der ersten Leiche gleich im ersten Kapitel! Es gibt jedoch merkwürdige Ausnahmen. Im Krimi von Susanne Mathies erscheint die Leiche erst in der zweiten Hälfte des Buches. Und zwar ganz unerwartet. Man könnte sogar vermuten, dass der Leichnam sofort verschwindet, ehe die Polizei zum Tatort kommt. Aber er bleibt zurück, auch ausnahmsweise, weil es in der Geschichte, die die Autorin so kurzweilig erzählt, so einige spontane Erscheinungen und Verschwindens-Aktionen gibt.

Die Personen der Handlung kommen und gehen. Die sind da und gleich wieder weg, als ob sie niemals existierten. Und plötzlich sind sie wieder da. Ein buntes Karussell! So auch das Schicksal der Hauptperson, Jacques Steiner, das ab einem bestimmten Moment beginnt, wahnsinnige Kreise zu drehen. Jacques begegnet einigen heiklen Umständen seines Lebens und entgeht ihnen unverletzt, ganz unbewusst. Nach langer erfolgreicher Arbeit in einer Logistik-Firma wird er mit sofortiger Wirkung gekündigt. Und gleich danach wird er bei einem großem Zürcher Unternehmen angestellt. Pech gehabt, Glück gehabt. Sein erstes Gespräch mit dem Chef der Firma beginnt damit, dass der Vorgesetzte einen Mitarbeiter blitzschnell feuert. „So schnell war sicher noch nie jemandem gekündigt worden...“ Der einzige Trost für Jacques Steiner: Diesmal war nicht er das Opfer. Umgekehrt: Er bekommt eine wichtige Ausgabe, seine eigene Berufsrolle in den elektronischen Lager-Verfahren flott zu konzipieren. Es wäre nicht schlecht, aber ihm sind keine Einzelheiten der Firmenverfahren bekannt. Ein Kollege verspricht Jacques Hilfe – und verschwindet. Natürlich spurlos. Ein Hauch von einer Spur führt dazu, das Jacques aufs Gleis fällt, beinahe unter die Räder eines Zuges. Er hat keine Zeit fürs Leiden, weil er dringend zu einem extraordinären Meeting mit den Vertretern der gleichhandelnden Firmen fahren muss, wo er seine Firma vertritt, obwohl er von ihrem Profil keine Ahnung hat. Der Einsteiger ist bereit zu einer klaren Niederlage, besteht jedoch dieses Ringen, und zwar ganz geschickt. Sofort muss Jacques dem Vorstand über seinen märchenhaften Sieg berichten, aber keiner hört ihm zu, weil in diesem Moment eine brisante Nachricht kommt, dass die Firma von einem Hacker erpresst wird und praktisch lahm gelegt ist. Immer wieder verändert alles sich mit der kleinsten Bewegung, wie ein Bild im Kaleidoskop.

Das könnte ein Kabarett-Stück sein, aber die erscheinende Leiche, die die kaleidoskopischen Veränderungen krönt, ist seriös. Noch seriöser ist die Tatsache, dass auf der Stelle dieses ermordeten Mannes Jacques Steiner selbst sein sollte. Schluss mit witzigem Burlesque, jetzt läuft er auf der scharfen Messerklinge. Gelingt es ihm, den weiteren Attentaten zu entgehen? Alle Geheimnisse seines wahnsinnig gewordenen Lebens zu lösen? Die Antwort erfährt der Leser in einem unerwarteten Finale.

Cover des Buches Dicker als Blut (ISBN: 9783942291590)

Bewertung zu "Dicker als Blut" von Katja Kleiber

Dicker als Blut
lenchen_196vor 10 Jahren
Ein Duo für die Punkerin und den Polizisten

Eine ältere Dorfsehenswürdigkeit und Jungfrau, die zur scharfsinnigsten Detektivin geworden ist,  ist schon längst bekannt.

Eine ehemalige Soldatin und Pleite gegangene Businesswoman, die als Geheimagentin Glück gehabt hat, ist auch nicht besonders frisch.

Eine junge Punk-Dame (zumindest Ex-Punkerin), die als Privatdetektivin um ihren Platz unter der Sonne kämpft, ist etwas Ungewöhnliches. Diese Figur steht in der Mitte vom neuen Roman von Katja Kleiber „Dicker als Blut“, der nicht dicker als die Lieblingsklassiker von Agatha Christie & Co ist. Der auch so schnell während eines Abends gelesen werden kann und mehr Spaß, als kranke Gefühle bringt. Der gut ausgewogen zwischen Action, Psychologie, Soziologie und Humor ist. Der leicht verstanden wird, obwohl er auf einer Kette von richtig komplizierten Rätseln basiert. Der keine banalen Lebenserfahrungen beschreibt und keine klassische Kriminaltechnik unterrichtet, wie man ohne Formalitäten die Verbrecher sucht, findet, enthüllt und in Knast liefert.

Über die Autorin wissen wir noch nicht viel: Katja Kleiber ist das Pseudonym einer Frankfurterin, die Heavy Metal hört, in schwarzer Kleidung spazieren geht, schnelle Autos liebt und sich für abwegige Dinge interessiert. Ihre Heldin, Ex-Punkerin-Privatdetektivin Sandy, hat sich in die abwegigen Dinge vertieft, verbunden durch zwei ganz verschiedene Morde. Sie sucht nach gemeinsamen Motiven der Morde eines angesehenen Rechtsanwalts in der Frankfurter High Society und eines illegalen Immigranten im Untergrund. Weil sie sich in verschiedenen Lebensschichten gut auskennt, kann sie solche Verbindungen entdecken, die für die Polizei und die Presse unmöglich scheinen. Sie fühlt sich wie ein Fisch im Wasser unter Punks, Spontanbesetzern der Großstadtimmobilien, Immigranten usw. Sie kann ihnen zuhören und sie verstehen. Sie hat keine Vorurteile diesbezüglich. Deswegen wird eben von ihr – und nicht vom netten Polizeikommissar Matuschewski – das Rätsel des Doppelmordes geknackt. Natürlich ist die Lösung unerwartet, sowohl für den Polizeiprofi als auch für die Leser. Und natürlich, wenn es eine junge scharfsinnige Dame und einen alleinstehenden Polizisten gibt, läuft eine romantische Story an – möglicherweise für ein nächstes Buch.

Cover des Buches Drecksspiel (ISBN: 9783548285375)

Bewertung zu "Drecksspiel" von Martin Krist

Drecksspiel
lenchen_196vor 10 Jahren
Puzzle-Spiel in Zeitnot

„Der böse Bube unter den Krimi-Schreibern“ wurde Martin Krist von den Medien genannt. In seinem neuem Roman spielt der böse Bube ein hartes Puzzle-Spiel und der Leser darf gerne mitmachen. Die Handlung vom „Drecksspiel“ ist so auseinander geschnitten und vermischt, dass sie  als ein bunter Haufen von Puzzle-Stückchen scheint. Jedes Stück ist sehr interessant und verspricht, eine großartige Geschichte zu erzählen. Sobald wir in der Lage sind, dieser Geschichte zu folgen, fällt uns ein weiteres Stückchen von Puzzle, ganz anderer Form, ganz anderer Farbe, mit verlockenden Fäden von einer ganz anderen Geschichte. Okay, wir sind bereit, dem neuen Weg zu folgen. Aber aufpassen! Dieser Splitter der Geschichte ist sofort vorbei, an der Reihe ist ein weiteres Stück vom Puzzle, mit neuen Konturen und Farben, mit einem neuen Inhalt. Das heißt ein neues Rennen, das von Bedeutung für eine neue Geschichte ist. Aber wo war denn der Anfang? Und wohin führt das Ganze? Sehr spannend – aber der Sinn entgleitet immer wieder.

Eine Prostituierte wird brutal ermordet. Von wem und warum?

Ein heruntergekommener Polizeikommissar dreht und wendet sich zwischen Drogenmafia und Gesetz, mit einer Hand greift er kleine Kriminelle, mit der anderen wehrt er sich gegen Mafia-Walfische, vor denen er sooo schuldig ist.

Zwei kleine Kriminelle haben ein Luxusauto entführt und damit so viel Scheiß gebaut.

Zwei Geschäftspartner suchen ihr gestohlenes Luxusauto, mit einem großen, im Kofferraum verborgenen Geldversteck, und finden unzählige Arschtritte.

Eine wehrlose Frau mit einem kleinen Kind wird von einem Psyche überwältigt, das Leben von Mutter und ihrer Kleinen hängt auf einem dünnen Faden.

Ein Privatdetektiv sucht ein verschwundenes Mädchen, während seine Frau dem Tod in die Augen sieht.

Und so weiter und so fort.

Alles wechselt, alles rotiert mit schwindelerregender Geschwindigkeit. Irgendwo in der Nähe zum Finale macht das uns unsicher, ob es dem Autoren (und uns als Mittätern) eigentlich gelingt, das ganze Puzzle-Bild zusammenzusetzen? Die Zeit des Lesens läuft aus, das Buch kommt zum Ende – alles bleibt vereinzelt und ungeklärt, hat keinen gemeinsamen Sinn... Und dann zack! Auf den letzten Seiten wird alles klar, alles aufgeklärt, bis zum kleinsten Rätsel gelöst und vereinigt zu einem großen Rätsel, das auch gelöst wird. Und hier entsteht ein Gefühl, dass du gerade erfolgreich durch eine wahnsinnige Achterbahn durchgefahren bist.

Doch ein Meisterwerk der Spannung und des Handlungsaufbaus!

Dass Buch „Drecksspiel“ von Martin Krist würde ich einen der interessantesten Thrillers des Jahres nennen.

Cover des Buches Der Himmel ist ein Fluss (ISBN: 9783862200320)

Bewertung zu "Der Himmel ist ein Fluss" von Anna Kaleri

Der Himmel ist ein Fluss
lenchen_196vor 11 Jahren
Kein Fluss, kein Teich… Nicht Fisch, nicht Fleisch

Ein deutsches Mädchen, das vor dem zweiten Weltkrieg in Polen lebt, träumt nun davon, das Dorf zu verlassen und sich was Besseres zu gönnen. Minna ist zart, liebevoll, romantisch und schwärmerisch. Sie hat aber auch schon einiges in ihrem Leben durchmachen müssen.

Sie verliebt sich in Gwidon, einen Vogelkundler, polnisch, katholisch und verheiratet.

Die Zeit und der Ort für eine solche Beziehung sind allerdings falsch. Die Liebe zwischen einer Deutschen und einem Polen ist zu diesen Zeiten unmöglich, wenn sogar nicht gefährlich, es nähert sich dem tragischen Ende.

Das Thema „Deutsche außerhalb Deutschlands um die Kriegszeit“ interessiert mich sehr und ich habe gehofft, eine spannende Geschichte zu erfahren. Leider sind meine Hoffnungen bei diesem Buch nicht in Erfüllung gegangen. Der Klappentext hörte sich interessant an und hat mich auch viel mehr gefesselt, als die Lektüre selber. Die angepriesene Geschichte aus den dunklen Vorkriegszeiten ist ziemlich undeutlich und karg erzählt, ich habe nicht so genau verstanden, was da passierte. Dieser tragischen Seite der Deutschen in Masuren widmet sich die Autorin nur dürftig. Eher versucht sie uns eine Lovestory zu erzählen, was ihr aus meiner Sicht auch nicht ganz gelingt. Die Handlung ist so gut wie keine vorhanden, der kurze Roman lässt sich nicht fließend lesen. Trotz der Länge (ca. 200 Seiten) habe ich mich an manchen Stellen richtig gelangweilt und musste mich fast zwingen, das Buch bis zum Ende durchlesen. Die Sprache und die Handlung an sich fand ich gar nicht poetisch, sondern eklektisch und verworren. Die Autorin kannte ihre Großmutter nicht mal mit dem Vornamen, sie wagt es trotzdem, ihre kurze Geschichte zu wiedergeben, ihr Leben zu rekonstruieren, macht es aber ziemlich gefühllos, gleichgültig und kalt, ohne rührende Details und Gedanken wie aus ihrem Lebenslauf als auch aus den damaligen Geschehnissen. Die Charaktere sind nur oberflächlich ausgearbeitet, man hat keine lebendigen Personen vor dem Auge. Die politischen Hintergründe kommen auch leider zu kurz und werden nur allgemein erwähnt. So erscheint die Existenz der Großmutter der Autorin wirklich – „als hätte es sie nie gegeben“.

Mir hat es nicht gefallen. Ich fand das Buch weder als Liebesgeschichte noch als Roman aus dem dunklen Kapitel deutscher Geschichte interessant. Nicht spannend, nicht ergreifend und nicht bewegend. Undefinierbar. Nicht Fisch nicht Fleisch.

Cover des Buches Venustransit (ISBN: 9783981394665)

Bewertung zu "Venustransit" von Lucas Edel

Venustransit
lenchen_196vor 12 Jahren
Rezension zu "Venustransit" von Lucas Edel

Keine Gnade bei der Göttin der Liebe

Das Datum des letzten Venustransits in unserem Jahrhundert ist der 5-6. Juni 2012. Aber „Venustransit“ von Lucas Edel ist pures Lesensabenteuer für jeden beliebigen Tag.
Das Meisterwerk der Krimimeisterwerke ist ein hermetischer Krimi. Also, die Mordsachen befinden sich in einem verschlossenen Raum. Wenn der Autor seine Leser nicht betrügt (anders gesagt, wenn der verschlossene Raum wirklich verschlossen ist), wird das Lesen eines solchen Buches zu einem großen Erlebnis. Und zu einem seltenen Erlebnis, weil es besonders schwer ist, einen echt hermetischen Krimi zu konstruieren.
Jetzt nehmen wir an: Wenn die Mordsachen auf einer Raumstation passieren, entsteht die hermetische Krimigeschichte des höchsten Grades. Was ist hermetischer, als eine besiedelte Space-Anlage?!
Die unglaublichen Mordfälle im Weltall muss Gus Hayden, ein Sicherheitsfachmann, klären. Das ist der Handlungsfaden des neuen Buches von Lucas Edel. Die Bühne: Eine wissenschaftliche Station, die über der Oberfläche von Venus schwebt. Das Weltall könnte man als spektakulären Hintergrund betrachten, aber auf was für eine heimliche und schreckliche Weise steuert er die Leute in der Venus-Station. Unter dieser Steuerung wirken sie manchmal paranoid, manchmal hysterisch, manchmal heroisch. Manchmal wie Menschen, manchmal wie Phantome. Einige Umstände sind freilich bekannt: Mal Solaris, mal Crichton’sche Andromeda, mal Le mystère de la chambre jaune, mal The Murders in the Rue Morgue, mal Odyssee im Weltraum, mal vielleicht Baron Münchhausen… Unter diesen Bekanntschaften findet man eine ganz brillante Neuigkeit: Die Konstellation der Himmelskörper als Antrieb der ganzen Handlung, raffinierte Mordfälle und einzigartige Ermittlungsmaßnahmen inklusive.
Dabei handelt es gar nicht um die Astrologie. Der Zusammenhang zwischen den Planeten, Umlaufbahnen und Leuten ist so sachlich dargestellt, wie z. B. zwischen einem Messer und der Hand eines Mörders. Ja, das Codewort aller Geschehnisse ist VENUSTRANSIT, der Durchgang der Venus vor der Sonnenscheibe. Was passiert, wenn Sonne, Venus und Erde exakt in einer Linie stehen? Die Antwort der Astronomen ist eher trocken: Die Formel und die Schemata der Planetenneigungen. Viel interessanter (und gleichzeitig unfassbarer) sind die psychologischen Schemata: Ob eine Gerade zwischen den Planeten gegen die Sonne die krummen Feldlinien zwischen den Leuten harmonisieren kann? Oder macht sie uns letztendlich kaputt? Und wenn diese kaputtgegangenen Seelenfeldlinien zu Morden führen, ob es dann eigentlich möglich ist, eine Lösung des kosmischen Krimirätsels zu finden? Gus Hayden wird beinahe selber zu Tode kommen, ehe die Sachlage vor seinen Augen etwas weniger trüb wird. Kein Sherlock Holmes, kein James Bond hatte bisher diese seltene Planetenkonstellation als Bedingung und Spielrahmen einer Mordserie, sogar als Motiv für die Verbrechensaktivitäten, als Werkzeug des Mordes.
Lucas Edel wurde bekannt dank seinen Kurzerzählungen, die paradoxerweise große Welten enthalten. Hier haben wir einen vollblütigen Roman, trotzdem bleibt die Erzählungsmanier vom Autor knapp, energisch, explosiv. Weil der Handlungsraum so groß ist, passieren unzählige Explosionen – wenn nicht im Weltall, dann bestimmt in den Vorstellungen der Leser. Dazu unglaubliche Vielfältigkeit der brisanten modernen Wissenschaftsmaterialen. Aber im Epizentrum stehen sowieso die Leute mit ihren Arbeiten, Forschungen, Hoffnungen, Verlusten, Stärken, Schwächen. Noch mehr: Mit ihren Todsünden, von Wollust an bis zur Völlerei mit einigen Besonderheiten der Verdauung und präzis angestimmten Mengen des ausgeschiedenen Methans. Vorsicht, hinter jeder dieser Sachen kann sich ein weiterer Leichnam befinden!

Cover des Buches Der Russe ist einer, der Birken liebt (ISBN: 9783446238541)

Bewertung zu "Der Russe ist einer, der Birken liebt" von Olga Grjasnowa

Der Russe ist einer, der Birken liebt
lenchen_196vor 12 Jahren
Rezension zu "Der Russe ist einer, der Birken liebt" von Olga Grjasnowa

*Der Russe ist einer… oder zum Thema Stereotypen*

Mascha, eine junge Frau, lebt in Frankfurt und weiß höchstwahrscheinlich selbst nicht ganz genau, wo ihre Heimat ist und ob es sie überhaupt gibt. Mit den Eltern als 11-jährige aus Aserbaidschan nach Deutschland geflohen, schon als Kind eigene tragische zwischenmenschliche Erfahrungen im Kriegsgebiet gemacht, auch in Deutschland mit den Integrationsproblemen auseinandergesetzt, wächst Mascha zu einer leicht verletzlichen, selbstbewussten und feinfühligen Frau auf. Ihren Charakter würde ich keinesfalls als einfach bezeichnen.
Wenn man die Kurzangaben zu der Autorin Olga Grjasnowa liest, erstellt man intuitiv viele Parallelen zwischen der Hauptfigur des Romans und der Schriftstellerin, weil sie viele Gemeinsamkeiten in ihren Biographien haben. Ob Olga das Buch aufgrund eigener Erfahrungen schreibt oder alles nur ihrer Fantasie entsprungen ist, spielt eigentlich keine Rolle, sobald die Story interessant und spannend erscheint. Jeder Autor hat eigene Geheimnisse. Aber der aufmerksame Leser identifiziert gleich die Protagonistin mit der Autorin und diese Zusammensetzung finde ich nicht immer angemessen, weil manche Episoden im Buch zu künstlich oder hingegen zu brutal wirken, was ich so einer zierlichen jungen Frau nicht zutrauen würde. So ist zum Beispiel die Szene mit dem armen Kaninchen aus meiner Sicht völlig unrealistisch. Oder die schreckliche Geschichte mit der Deutschlehrerin – da hatte ich das Gefühl, es könnte ein echter (Rache-)Traum des Mädchens sein, den es aber nie verwirklichen konnte. Und die Autorin präsentiert es uns Lesern als wahre Tatsache, die ein schüchternes Kind (noch dazu mit einem Migrationshintergrund) sich so ganz normal erlaubt.
Mascha ist eine Jüdin, fühlt sich aber manchmal russisch oder deutsch, sogar arabisch oder aserbaidschanisch und die meiste Zeit gar nationalitätslos. Sie hat viele Freunde, aber keine richtigen. Sie will keinem ihre Seele öffnen. Sie spricht mehrere Sprachen, macht es zu ihrem Beruf, kennt sich in vielen interkulturellen Sachen aus und kann trotzdem immer noch keinen Platz im Leben finden. Nach dem Tod ihres engen Freundes Elias versucht Mascha ihre innerliche Ruhe in einer anderen Welt zu finden. Sie tritt eine Arbeitsstelle in Israel an. Zwar beherrscht sie ausgerechnet die hebräische Sprache nicht, doch kann sie die Situation in den Nahen Osten von innen betrachten und versteht sie sehr gut. Hier kommt sie zum Entschluss, dass es auch nicht ihr Land ist.
Mit dem auffälligen Titel wollte uns die Autorin eigentlich sagen, dass es mehr als genug Stereotypen und Vorurteile gibt, wenn es um die Einsichten anderer Nationen und Mentalitäten geht. Jeder Mensch verdient es, als Mensch betrachtet zu werden und nicht als ein konkreter Vertreter irgendeiner Nation. (Hier muss ich in Klammern sagen, dass Mascha selber von einigen Vorurteilen nicht frei ist und ihre giftigen Bemerkungen manchmal so richtig nach Stereotypen riechen: wenn ein Deutscher, dann gleich mit einer Prise brauner Farbe; wenn sowjetische Vergangenheit, dann mit einer nostalgischen, aber ganz positiven Note.) Mit den Birken hat der Plot natürlich nichts zu tun, außer dass die Wörter von Tschechow als Epigraph zum Roman erwähnt wurden, um den Konzept des Titels zu unterstreichen.
Die Geschichte hat bei mir einen schweren Eindruck hinterlassen. Obwohl der Roman handwerklich sehr gut gemacht ist, der Schreibstil der Autorin recht angenehm und fließend zu lesen ist, vermittelt das Werk eine negative Atmosphäre. Ich fühlte ständig irgendeine innerliche Enttäuschung und sogar Lebensmüdigkeit sowie in Maschas Gedanken als auch in Erwägungen von Olga Grjasnowa. Von den ganzen (meist sehr seltsamen) Maschas Lovestorys ganz zu schweigen. In meinen Augen fallen sie aus der Reihe.
Ich weiß jetzt nicht genau, ob ich die Idee des Buches richtig verstanden habe. Ob Mascha sich endlich gefunden hat? Ob ihre Welt jetzt auch unsere Welt ist? Ob sie noch lebt?

Cover des Buches Das Geheimnis der Flamingofrau (ISBN: B007ECZ06G)

Bewertung zu "Das Geheimnis der Flamingofrau" von Laura Lay

Das Geheimnis der Flamingofrau
lenchen_196vor 12 Jahren
Rezension zu "Das Geheimnis der Flamingofrau" von Laura Lay

*Die Geheimnisse eines Geheimnisses*

Der eine schreibt erotische Erzählungen, der andere stellt Fragen, warum jemand erotische Erzählungen schreibt. Laura Lay hat eine Erzählung über eine erotische Erzählung geschrieben. Einigermaßen ist ihre Geschichte mehr oder weniger die Erforschung des Themas, warum man erotische Geschichten schreibt.
Hier gibt’s alles, was der Titel verspricht, und noch mehr dazu, Also gibt’s erotische Experimente, Flamingos in einem Zoo-Gehege, eine rätselhafte Frau daneben und ein Schriftsteller mit seinem Laptop, der einen Auftrag hat, diese Frau zu beobachten und die Ergebnisse als Inspiration für die Schöpfung einer erotischen Erzählung zu Benutzen. Alles scheint „streng geheim“ zu sein. Die geheime Flamingofrau, die mädchenhaft aussieht, obwohl sie bei näherer Betrachtung unerwartet reif erscheint. Der geheime Fensterladen, der anscheinend gemauert ist, trotzdem dient wahrscheinlich als die geheime Tür zum Jenseits. Die gar nicht so einfachen Aufgaben, die ein Schriftsteller von einer geheimen Auftraggeberin kriegt. Und die Erzählung selbst, die sozusagen Stück für Stück vor unseren Augen entsteht, erhält alle Rätsel ihres Erscheinens und auch nicht wenig eigene Rätsel. So müssen wir beim Lesen darüber nachdenken, ob das Material der frischgebackenen „Erzählung in der Erzählung“ die reine Spiegelung der erotischen Fantasien des Autors ist oder das stückweise beschriebene erotische Experiment von außen (z.B. von der anonymen Auftraggeberin) heikel programmiert wird. Bei der „inneren“ Erzählung handelt es um eine Sexsklavin, mit der man ziemlich verschnörkelt experimentiert. Aber wir fassen den Gedanken, ob der Autor auch zur Rolle vom Sexsklaven gezwungen wird, und zwar von der abwesenden Frau, der er niemals persönlich begegnet ist und die vielleicht gar nicht existiert. Und was ist eigentlich die Rolle der Sexpuppe? Zwangssache oder Wunschsache?
So viel psychoanalytische Fragen aus einem kleinen Sexspiel!
Solche Konstellation der Lust und der analytischen Libido-Fragen bedingt die Schlussbewertung der Erzählung, die Spitzinteressant für einige Leser und enttäuschend für andere sein kann. Für diejenigen, die gleichzeitig sowohl Intellekt als auch Einbildungskraft einschalten können, kann die Geschichte interessant und frisch sein. Für die Liebhaber der puren Erotik kann sie zum Großteil nicht viel erotischer als „Die Leiden des jungen Werthers“ scheinen. Andererseits kann sie für die Schätzer der feinen Prosa oder der harmlosen Liebeserzählungen zu naturalistisch bis brutal (zumindest im Sinne der Psychobrutalität) scheinen. Trotzdem finde ich „Das Geheimnis der Flamingofrau“ empfehlenswert, natürlich mit gewissen „FSK“-Einschränkungen.

Cover des Buches Spionin wider Willen (ISBN: B007TVUOEA)

Bewertung zu "Spionin wider Willen" von Mila Roth

Spionin wider Willen
lenchen_196vor 12 Jahren
Rezension zu "Spionin wider Willen" von Mila Roth

*Null-Null-Was?*

„Always expect the unexpected!“ („Erwarte stets das Unerwartete!“). Das steht als Motto am Anfang des ersten Romanes über die Abenteurer von Janna Berg und Markus Neumann. Gerade anstatt des „Sag niemals Nie!“ Anfang der neuen Spionagereihe von Mila Roth ist im irgendwelchen Sinne als (kl)eine Diskussion mit James-Bond-Reihe geschrieben. Nicht weniger witzig als Bond-Teile (an der Leinwand, niemals in Büchern von Ian Fleming, die zu seriös sind), aber mit einer anderen Ansicht über die Berufung von Spionen.
Also, der Geheimagent Markus Neumann sieht eher wie James Bond aus, einer von dem geschlossenen Club der außergewöhnlichen Gentlemen, die wahrscheinlich schon als Spione geboren wurden. Bei ihnen funktioniert alles perfekt: Die Fäuste, die Waffe, die unwiderstehliche Einwirkung auf die Frauen. Stets hat der Agent 007 eine weibliche Begleitung.
Aber die weibliche Kraft ist bei ihm eher nebensächlich, mehr fürs Bett als für den Kampf. Im Duo Janna Berg – Markus Neumann wirkt Markus selber eher als Begleitung, obwohl er ein starker Profi ist und Janna nur deswegen in die Welt der geheimen Operationen versunken ist, weil ihre Schwester keinen Direktflug aus Dubai zum Flughafen Köln-Bonn bekommen hatte. Wie so? Nämlich so!..
Ihr erstes Stellenangebot in einer Geheimdienstorganisation kriegte Janna auf 400-Euro-Basis. Einen schrecklichen Profi-Killer überwältigte sie mit einem bloßen Haushaltsgerät. Das große Rätsel einer CD-Datei, weswegen die ganze Schar von G-Agenten in kritischen Zustand geriet, löste Janna binnen fünf Minuten dank einem Lokalbesuch mit ihren kleinen Kindern.
Das war ihre persönliche Sondereinsatz-Akademie. Trotzdem entsteht unter uns Lesern die klare Meinung, dass im spontan gebauten Agentenpaar erst Janna zur entscheidenden Seite wird. Und die Frage, ob es bei ihr mit bondähnlichem Markus bis zum Bett geht, bleibt noch offen. Weit offen… Oder – always expect the unexpected?
Der neue Roman ist leicht, mit Spaß und guter Laune geschrieben. Die Handlung ist ungestüm, die Charaktere sind lebendig, die Zeit, die dem Lesen gewidmet ist, macht keinen Aufwand. Das Ende der Geschichte ist schon deshalb happy, weil es neue Treffen mit dem netten Agentenpaar verspricht.

Cover des Buches The Lost God (ISBN: 9783905896336)

Bewertung zu "The Lost God" von Gregor Spörri

The Lost God
lenchen_196vor 12 Jahren
Rezension zu "The Lost God" von Gregor Spörri

*Wer fürchtet sich nicht vor den Aliens?*

Ich habe das Buch bei einer Testleser-Aktion bei Facebook gewonnen.
Das Werk ist derart reichhaltig an Informationen und es gibt so viele parallele Handlungen, dass man erst nicht recht weiß, was und wie alles zusammenhängt.
Der österreichische Fotokünstler und Umweltschützer Maximilan Lindner macht seine Entdeckungen in den Wäldern Indonesiens, was ihm auch fast das Leben kostet.
Der australische Jungastronom Ned Kelly erblickt am Himmel ein neues Objekt, vermutlich einen Satelliten unbekannter Herkunft.
Die "hohen Tiere" wie Barack Obama oder Papst Benedikt XIV sind auch vertreten, allerdings machen sie im Roman nicht viel Lärm.
Besonders interessant fand ich die (angeblich) reale Geschichte aus dem Reisetagebuch des Schweizer Autors Gregor Spörri mit einem mysteriösen Fund in den ägyptischen Pyramiden und ihre Weiterentwicklung. Hier wünschte ich mir übrigens mehr konkrete und sachliche Erklärungen, was leider im Laufe des Lesens nicht passierte.
Die Ereignisse überschlagen sich. Auf den ersten Blick kann man diese verschiedenen Erzählstränge nicht miteinander verbinden. Und das ist auch nicht im Sinne des Autors. Obwohl es alles natürlich in einem (schockierenden) Zusammenhang bleibt, lässt Gregor Spörri die Leser erst ziemlich lange im Dunkeln tappen. Der Autor baut gekonnt die Spannung auf und hält die Leser immer auf Trab. Die ständig wechselnde Erzählperspektive trägt dazu bei.
Die Charaktere sind nicht besonders tief gestrickt, aber das ist auch nicht nötig für diesen Katastrophenthriller, wo im Zentrum des Sujets nicht die Personen, sondern die grausamen Ereignisse stehen. Es liest sich ohnehin schnell und ist fesselnd, man überfliegt die Seiten ohne es zu merken.
Der Autor beschreibt jede Einzelheit so detailliert (manchmal zu detailliert), dass es scheint, er hat das Thema sehr gut recherchiert und überhaupt viel zu viel über das Problem der Invasion der Fremden nachgedacht. Wie es auch sein soll, um die Leser überzeugen zu können.
Wer von uns hat sich in seiner Kindheit nicht vor Aliens gefürchtet? Aber die Vision von Gregor Spörri übersteigt alle möglichen Spekulationen zu diesem Horrorthema. Die Aliens kommen nicht plötzlich von irgendwo an, sie sind schon längst hier. Man hofft insgeheim, dass so was nie passieren würde. Der Schluss ist aber schonungslos.
Die Spannung bleibt bis zur letzten Seite bestehen. Die düstere Story ist grandios beschrieben, sie lässt einen in die Mitte der Geschehnisse einfühlen. Die vielen Dialoge der Protagonisten um die heutigen brennenden Situationen, die man auch als das Schwerpunkt-Programm des Autors bezeichnen könnte, machen einige schwierige politische Diskussionen einfacher und verständlicher.
Der Schreibstil ist flüssig, genauso interessant und leicht zu lesen, obwohl der Autor die vielen vielseitigen Informationen auch preisgibt. Das Glossar und einige Bilder zum Roman fand ich äußerst hilfreich. Es gibt auch eine Webseite zum Buch mit viel mehr interessanten Informationen.

Cover des Buches Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter (ISBN: 9783411071043)

Bewertung zu "Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter" von Boris Pfeiffer

Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter
lenchen_196vor 12 Jahren
Rezension zu "Die Akademie der Abenteuer - Die Knochen der Götter" von Boris Pfeiffer

*Eine Reise durch die Zeit*

"Die Knochen der Götter" ist das erste Buch aus der Serie "Die Akademie der Abenteuer" von Boris Pfeiffer. Es handelt von drei Jugendlichen, die in eine geheime Akademie eingeladen wurden, weil sie die Gabe besitzen, geschichtlichen Ereignissen 'live' beizuwohnen. Diese nennen sich Fluten und werden von Gegenständen der Akademie ausgelöst, um die Geschichte des Gegenstands zu erzählen. So finden sich No, Rufus und Filine – die drei Jugendlichen – unmittelbar nach ihrem Eintreffen in die Akademie umgeben von seltsamen Artefakten, interessanten Persönlichkeiten und weiteren Studierenden. Kurz nachdem sie ihre persönlichen Gegenstände zum Erforschen bekommen, wird auch unmittelbar eine weitere Flut ausgelöst. Gemeinsam machen sie sich auf, das Geheimnis der Flut zu erforschen und ihren Sinn zu erkennen. Natürlich geht das alles nicht ohne Zwischenfälle vonstatten, doch zum Schluss gibt es erwartungsgemäß ein Happy End.
Als ich das Buch in die Hände bekam und die ersten paar Seiten gelesen habe, wollte ich es schon fast weglegen. Das ganze klang mir ein bisschen nach Billig-Fantasy. Ich habe es natürlich trotzdem weitergelesen und bin dann zu dem Schluss gekommen, dass es doch lesenswert war. Die Geschichte war nicht besonders originell und die Charaktere ließen etwas an Tiefe vermissen, allerdings lässt es sich auch damit erklären, dass das Buch nicht ein Werk für sich, sondern Teil eines ganzen ist. Vielleicht werden die verschiedenen Persönlichkeiten erst im weiteren Verlauf der Serie die entsprechenden Wandlungen erleben um somit mehr 'Dimension' erhalten. Was für mich ein Pluspunkt war, war die relativ gut geschilderte Atmosphäre während der Fluten und überhaupt das ganze Aufhängerthema – die Geschichte. In diesem Buch verschlug es die Abenteurer in das antike Ägypten um die Zeit von Echnaton – ein Thema das oftmals für Verschwörungsstoff gesorgt hat und oft romantisch verklärt betrachtet wird. Auch hier bekommt das Buch einen etwas romantischen Touch, was einer Fantasy-Geschichte gut tut und warum viele überhaupt diese Bücher lesen. Ich denke für das entsprechende Publikum – Teenager so im Alter von 12-13 Jahren – ist dieses Buch bestimmt gut zu lesen und würde vielen auch gefallen. Würde ich ein weiteres Buch aus der Serie in die Finger bekommen, würde ich es auch lesen.

Über mich

  • weiblich
  • 24.03.1963

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