Bewertung zu "Das Mosaik meines Lebens" von Michaela Wiebusch
Lisa fühlt sich gefangen und unglücklich in ihrem Leben mit Mann und Kindern und all der Verantwortung, die damit einhergeht. Um zu sich selbst zu finden, reist sie nach Griechenland, an einen Ort, den sie schon in Kindertagen geliebt hat. Dort trifft sie auf eine alte Bekannte, die ihr dabei hilft, ihre eigenen Bedürfnisse und Wünsche wieder wahrzunehmen und besser zu verstehen, um ihrem Leben endlich die gewünschte Wendung zu geben.
Der Kern des Buches ist die Beleuchtung der zwölf Archetypen (psychologisches Konzept nach Carl Gustav Jung). Diese Archetypen sind definiert als Urbilder, aus denen sich der Charakter eines Menschen zusammensetzt - Persönlichkeitsanteile also, die jede/r in sich trägt und die bei jedem/jeder unterschiedlich ausgeprägt sein können. Diese Urbilder werden mit verschiedenen, immer wiederkehrenden Emotionen und Verhaltensweisen in Verbindung gebracht. Darum heißen sie beispielsweise die Liebende, die Gefangene, die Wissenschaftlerin, die Kriegerin usw. (hier in der weiblichen Form, da die Protagonistin weiblich ist und die Autorin sich vorrangig an eine weibliche Leserschaft wendet; natürlich sind diese Bilder auch auf andere Geschlechter anwendbar).
Die (eher rudimentären) Informationen zu diesen Archetypen sind nun also in die Geschichte rund um Lisa verpackt, die ihre Urtypen in Form verschiedener Frauen kennenlernt und dabei herausfindet, welchen Anteilen ihrer Persönlichkeit sie bisher zu viel und welchen sie zu wenig Raum gegeben hat und wie sich das auf ihr derzeitiges Leben und ihre Beziehung ausgewirkt hat. Die Erkenntnisse sollen ihr (und den Leser*innen) dabei helfen, zukünftig achtsamer mit sich selbst umzugehen und dadurch mehr mit sich im Einklang zu sein.
Eigentlich eine schöne Idee, in dieser Umsetzung für mich jedoch nicht überzeugend. Denn „Das Mosaik meines Lebens“ ist in meinen Augen leider von eher geringer sprachlicher und literarischer Qualität. Zwischendurch hatte ich den Gedanken, es abzubrechen, weil es mir einfach zur banal war. Natürlich ist mir klar, dass es sich hierbei weder um einen umfangreichen Ratgeber noch um einen anspruchsvollen Roman handelt, sondern um ein Selbstoptimierungsbuch à la „Das Café am Rande der Welt“. Es dient der groben Veranschaulichung und soll die Ansätze des psychologischen Konzeptes rund um die zwölf Archetypen leicht verständlich vermitteln und somit dabei helfen, sich selbst und die eigenen eingefahrenen Verhaltensmuster zu reflektieren. Es ist quasi ein Anschubser in gedruckter Form. Ich verstehe also durchaus, was die Autorin mit dem Buch bezwecken will und für andere Leser*innen mag diese Form der Wissensvermittlung gut funktionieren. Für mich werden die Grundlagen jedoch zu oberflächlich behandelt. Darüber hinaus waren mir die Geschichte und die Figuren, ihre Gedanken und Dialoge zu eindimensional und unbedarft und manchmal sogar schon leicht dümmlich dargestellt. Auch der Schreibstil war mir zu einfach gehalten. Wenn schon keine Tiefe, dann doch zumindest etwas Charme und Witz. Das hätte ich mir jedenfalls gewünscht, damit Lisa sich etwas natürlicher und wie ein echter Mensch anfühlt, mit dem ich sympathisieren kann. Doch Fehlanzeige. Natürlich kann man sich als Leser*in angesprochen fühlen, wenn man die einzelnen Archetypen kennlernt und darin die eigenen Persönlichkeitsanteile erkennt. Aber ein bisschen Raffinesse, ein wenig um die Ecke denken hätte ich mir schon erhofft. Ein wirkliches Erarbeiten und Durchschauen des eigenen Charakters finden hier, meiner Meinung nach, nicht statt. Deshalb bietet das Buch für mich auch keinen echten Erkenntnisgewinn und damit auch keinen Mehrwert, geschweige denn eine Handlungsanleitung, wie ich das (sehr oberflächlich gehaltene) Wissen denn zukünftig anwenden kann. Und darum wird mir dieses Buch auch leider nicht lange im Gedächtnis bleiben. Mit Ausnahme der Erinnerung, dass es Monate gedauert hat, es zu beenden. Die angedeutete Aufdröselung des menschlichen Charakters anhand dieser „Archetypen“ fand ich grundsätzlich interessant, die Geschichte, in die die Informationen zu diesem Thema verpackt sind, hat mir jedoch überhaupt nicht zugesagt.
Fazit: Wer diese Art von Selbsthilfebüchern mag, wird hieran sicher auch Gefallen finden. Zweifellos kann es ein Einstieg sein, um überhaupt zu erkennen, dass es Dinge gibt, mit denen man sich einmal auseinandersetzen könnte, wenn es im Leben und der Beziehung nicht rund läuft. Wer sich weitergehende Informationen und vor allem zumindest ein klein wenig Ausgefeiltheit bei Handlung und Schreibstil wünscht (wenn es sich denn schon um eine Erzählung mit fiktiven Figuren handelt), der könnte, so wie ich, das Buch ernüchtert und unbefriedigt zuschlagen und sollte sich beim nächsten Mal lieber an ein richtiges Sachbuch halten.