Als die Protagonistin endlich mit dem Protagonisten agiert, sind über 100 Seiten vergangen, aber da wurde das Buch endlich lebendig und es fühlte sich so an, als würde mich die Autorin für meine ganze Geduld (und das war verdammt viel hoch vier) belohnen. Endlich machte das Lesen Spaß, endlich wurde es interessant, die Figuren lebendig und eine Handlung war da, die ich förmlich gespürt habe. Aber dann schwenkt die Autorin wieder um, die Handlung verschwindet und wird mit Gedanken ersetzt, mit so vielen Gedankengängen, dass das Buch schließlich alles verliert.
Ja, die Idee ist toll. Eine Stumme, die sich mit einem Mann zusammentut, der langsam erblindet. Was für eine krasse Idee! Und dann ist die Stumme von der Sprache dermaßen begeistert, dass sie sich Altgriechisch antut! Das fand ich auch interessant. Doch es gibt keine sichtbare Handlung. Sobald sich etwas in der Geschichte bewegt, bewegt sich die Autorin davon so weit wie nur möglich weg. Sie füllt die Sätze mit Gedanken, mit Erinnerungen, mit Träumen und alles ist ein Wirrwarr, dass man als Leser entweder zusammenreimen muss oder es lässt. Ich habe es gelassen.
Es gibt wunderschöne Sätze, die so stark sind, die ergreifend sind, aber ohne eine funktionierende Handlung können sich solche Sätze nicht entfalten.
Es passiert kaum etwas in der Geschichte und sobald ich das Buch durchhatte, fühlte es sich so an, als hätte ich nichts gelesen. Der Klappentext besitzt mehr Handlung als das gesamte Buch.
Ich bin enttäuscht, das will ich loswerden. Als ich damals »Die Vegetarierin« gelesen habe, habe ich mich für einen Han Kang-Fan erklärt und mir vorgenommen, jedes ihrer Bücher zu lesen. Doch alles nach diesem einen Buch hat mich gelangweilt. Die Autorin experimentiert und ich bin das Versuchsobjekt, der einen Schein hingeblättert hat, um grandios enttäuscht zu werden. In Zukunft werde ich mich von ihren Büchern fernhalten.