Mit diesem wunderbaren Satz endet dieses leichte und zugleich schwere Buch nach 161 Seiten.
Eines vorab, das Buch scheißt auf Erzählkonventioen von Memoiren. Die Botschaft des Buches scheint zugleich die Kernidee der Galerie König zu sein: [...] etwas Spektakuläres auf die Beine zu stellen, etwas das sprachlos macht. Erlebnisse schaffen [...], dass die Betrachter Erfahrungen sammeln, die sie nur so machen können. Es nimmt dem Leser auch die Angst sich in eine Galerie zu verirren mit einer schönen Anekdote:
Herr Schohl, mein Kunstlehrer in Marburg, war der Meinung, dass wir uns mit moderner und zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen sollten, weil die Sehenden dafür genauso Blind seien wie die Blinden.
Es gelingt den beiden Autoren wunderbar Nähe zu schaffen zu einem Menschen, der beinahe blind war, der eine Galerie eröffnete und über die Zeit immer mehr den Pragmatismus seines Vater verkörpert. Das Werk verwebt viele kluge Bücher und noch mehr kluge und schöne Sätze. Daher im folgenden Zitate anderer Autoren, die die beiden Pole von Johann König in dieser Biografie darstellen. Angefangen mit was treibt einen jungen Menschen oder:
Hindernisse und Begrenzungen zum Leben gehören und man sich dazu bringen müsse, ihnen den negativen Beigeschmack zu nehmen.
über:
es sei das große Talent von Jugendlichen, […] spontan neue Dinge auszuprobieren, die Ansprüche, die die Eltern und die Gesellschaft an sie stellen, beiseite zu schieben und über lange Zeiträume mit Unsicherheit und ungelösten Problemen zu leben.
Zu der Erklärung den Mut gehabt zu haben als schwer Sehbehinderter eine Galerie zu eröffnen:
Die Fähigkeit „ins Leere zu springen“ sei bei jungen Menschen zudem auch deshalb so ausgeprägt, weil sie „mit leichtem Gepäck“ reisen.
Und den Gegenpol, was schafft die Kunst in Johann König, auzsgedrückt mit seinen Worten über 360° Presence von Jeppe Hein:
Es handelte sich um eine Kugel, die sich zu bewegen begann, sobald jemand den Raum betrat. Durch die Bewegung wurde dann langsam der Raum zerstört. […] Dass ich die Galerie nach der Ausstellung würde vollständig renovieren müssen, nahm ich in Kauf. Es steckte so viel in dieser Arbeit: Es war ein Kunstwerk, das seine Lebensgrundlage zertrümmert – so wie wir Menschen gerade dabei sind […]
Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen, denn es erzielt die gewünschte Wirkung auf nur 161 Seiten:
✔ Etwas Spektakuläres auf die Beine zu stellen
✔ etwas das sprachlos macht.
✔ Erlebnisse schaffen [...], dass die Betrachter Erfahrungen sammeln,
Und kommt mit einer sehr aktuellen Botschaft daher:
In einer Zeit, die die Schwachen unter uns an den Rand drängt und am liebsten unsichtbar machen würde. Verwundbarkeit ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens, und auch als Gesellschaft können wir nur funktionieren, wenn wir ihr genügen Platz einräumen.