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oblomov

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Cover des Buches Blinder Galerist (ISBN: 9783549076422)

Bewertung zu "Blinder Galerist" von Johann König

Blinder Galerist
oblomovvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Eine Biografie für zwischendurch, die einem unterschiedliche Einblicke gewährt: in den Kunstmarkt, das Leben mit einer Behinderung
Aber es ist, wie es ist

Mit diesem wunderbaren Satz endet dieses leichte und zugleich schwere Buch nach 161 Seiten.

Eines vorab, das Buch scheißt auf Erzählkonventioen von Memoiren. Die Botschaft des Buches scheint zugleich die Kernidee der Galerie König zu sein: [...] etwas Spektakuläres auf die Beine zu stellen, etwas das sprachlos macht. Erlebnisse schaffen [...], dass die Betrachter Erfahrungen sammeln, die sie nur so machen können. Es nimmt dem Leser auch die Angst sich in eine Galerie zu verirren mit einer schönen Anekdote: 

Herr Schohl, mein Kunstlehrer in Marburg, war der Meinung, dass wir uns mit moderner und zeitgenössischer Kunst auseinandersetzen sollten, weil die Sehenden dafür genauso Blind seien wie die Blinden.


Es gelingt den beiden Autoren wunderbar Nähe zu schaffen zu einem Menschen, der beinahe blind war, der eine Galerie eröffnete und über die Zeit immer mehr den Pragmatismus seines Vater verkörpert. Das Werk verwebt viele kluge Bücher und noch mehr kluge und schöne Sätze. Daher im folgenden Zitate anderer Autoren, die die beiden Pole von Johann König in dieser Biografie darstellen. Angefangen mit was treibt einen jungen Menschen oder:

Hindernisse und Begrenzungen zum Leben gehören und man sich dazu bringen müsse, ihnen den negativen Beigeschmack zu nehmen. 

über:

es sei das große Talent von Jugendlichen, […] spontan neue Dinge auszuprobieren, die Ansprüche, die die Eltern und die Gesellschaft an sie stellen, beiseite zu schieben und über lange Zeiträume mit Unsicherheit und ungelösten Problemen zu leben. 

Zu der Erklärung den Mut gehabt zu haben als schwer Sehbehinderter eine Galerie zu eröffnen:

Die Fähigkeit „ins Leere zu springen“ sei bei jungen Menschen zudem auch deshalb so ausgeprägt, weil sie „mit leichtem Gepäck“ reisen. 

Und den Gegenpol, was schafft die Kunst in Johann König, auzsgedrückt mit seinen Worten über 360° Presence von Jeppe Hein:

Es handelte sich um eine Kugel, die sich zu bewegen begann, sobald jemand den Raum betrat. Durch die Bewegung wurde dann langsam der Raum zerstört. […] Dass ich die Galerie nach der Ausstellung würde vollständig renovieren müssen, nahm ich in Kauf. Es steckte so viel in dieser Arbeit: Es war ein Kunstwerk, das seine Lebensgrundlage zertrümmert – so wie wir Menschen gerade dabei sind […]

Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen, denn es erzielt die gewünschte Wirkung auf nur 161 Seiten:

✔ Etwas Spektakuläres auf die Beine zu stellen
✔ etwas das sprachlos macht.
✔ Erlebnisse schaffen [...], dass die Betrachter Erfahrungen sammeln,

Und kommt mit einer sehr aktuellen Botschaft daher:

In einer Zeit, die die Schwachen unter uns an den Rand drängt und am liebsten unsichtbar machen würde. Verwundbarkeit ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens, und auch als Gesellschaft können wir nur funktionieren, wenn wir ihr genügen Platz einräumen.


Cover des Buches Die Gleichung des Lebens (ISBN: 9783462049688)

Bewertung zu "Die Gleichung des Lebens" von Norman Ohler

Die Gleichung des Lebens
oblomovvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Eine Krimi im Gewand eines Historienromans
Jeder kennt die Kanäle, aber unter welchen Umständen sie erbaut wurden das beschreibt Norman Ohler

Norman Ohler nimmt seine Leser in seinem Roman mit in den Sommer 1747, in dem Friedrich einen neuen Kanal baute, Preußen modernisierte und ein Mord geschah. Daher Roman trifft es nur halb , ein historischer Krimi wäre treffender. Schauplatz ist das Oderbruch, in dem der Mathematiker Leonhard Euler eine Intrige aufzulösen versucht.

Ein gutes Buch, das in der aktuellen Zeit und politischen Lage, mit der Angst vor Flüchtlingen und vor dem Fremden eine gute Debatte wiederspiegelt. Die weisen Worte des Königs, die platte die Angst seiner Untertanen, sowie den intriganten Nutznießern seiner Entscheidungen werden in Dialoge gegossen, die aktueller nicht sein könnten.

„Ein Staat, der Ausländer den Eingeborenen vorzieht“ begann Schmettau vorsichtig, aber klar in der Wortwahl, da er wußte, dass Friedrich die deutliche Aussprache schätzte, „erweckt den Neid seiner Untertanen und verschließt sich ihre Herzen. Welcher Vater nährt fremde Kinder und läßt die eigenen darben? […]“

Die Sprache ist blumig und die Landschaften werden umfangreich, aber nicht ausufernd beschrieben. Die Charaktere sind historische Figuren, die eingangs, wie in einem klassischen Bühnenstück aufgezählt werden. Euler ist der Protargonist, der sympatisch schrullig dargestellt und mit allerlei Bezug zu seinen mathematischen Arbeiten versehen, einen Mordfall auflöst.

Aber es bleibt ein seichter Roman, der mich durch die, bereits erwähnte Aufzählung der Figuren auf den ersten Seiten an ein Reclam Heft erinnerte und die hier und da nett eingeflochtene Begrifflichkeiten auch in so manche Geschichtsstunde zurückversetzten.

„Wir locken diese Menschen in unser Land.“ Friedrich nahm das Tuch entgegen. […] „Wir geben ihnen gratis Holz und ein Stück Land, dazu Werkzeuge, um es zu bebauen – und Tiere. Und weisst du, weshalb wir so sind? Sie werden es uns durch ihre ehrliche Arbeit noch tausendfach vergüten. Ja, ich will das Preußen ein Land der Verheißung wird. Anders, ohne diese Fremden, die zu uns wollen, können wir morgen die Nase nicht vornehaben. […] Gereade hier in Preußen, einem, wie Voltaire sagt, abstrakten Staat, der nicht auf einem Volksgedanken basiert wie beispielsweise Frankreich. Wie beispielsweise Frankreich: Wir müssen uns das Volk erst erschaffen.

Als Fazit finde ich, dass obwohl der Titel fehlleitet, der Roman eigentlich ein Krimi ist, es sich um ein außerordentlich gut recherchiertes Buch handelt. Es hat auch an die 10 Jahre gedauert, bis es fertiggestellt war. Am Ende konnte ich es kaum noch aus der Hand lesen, das es mich, durch die dichte Atmosphäre und sympathischen Charaktere stark in seinen Bann gezogen hat.

Cover des Buches Wieso Heimat, ich wohne zur Miete (ISBN: 9783709972380)

Bewertung zu "Wieso Heimat, ich wohne zur Miete" von Selim Özdogan

Wieso Heimat, ich wohne zur Miete
oblomovvor 8 Jahren
Kurzmeinung: Die Zeit mit dir war sehr schön, ich möchte nicht, dass sie schon zu Ende ist. Seicht und Unterhaltsam
Cover des Buches Der Yark (ISBN: 9783942787369)

Bewertung zu "Der Yark" von Bertrand Santini

Der Yark
oblomovvor 9 Jahren
Cover des Buches Selbstporträt mit Flusspferd (ISBN: 9783446247611)

Bewertung zu "Selbstporträt mit Flusspferd" von Arno Geiger

Selbstporträt mit Flusspferd
oblomovvor 9 Jahren
Cover des Buches Krähen (ISBN: 9783882210484)

Bewertung zu "Krähen" von Cord Riechelmann

Krähen
oblomovvor 9 Jahren
Kurzmeinung: "Ich mag Krähen, ich mag wie sie gehen, fliegen und sich anschreien, ich höre auch ihr Krächzen gern." Aus dem Klappentext...
Naturkunden No1


Krähen ist ein liebevoll gestaltetes Büchlein aus der Reihe Naturkunden. Erschienen bei Matthes & Seitz Berlin. 


Darin beschreibt Cord Riechelmann auf seine persönliche Art die Natur der Corvidae. Das reich bebilderte Buch besteht aus zwei Teilen, im ersten Teil wird das Wesen der Vögel und dessen Wirkung auf den Menschen mit einem Einfühlungsvermögen für die Tiere beschrieben, wie es Dian Fossey mit ihren Gorillas im Nebel gemacht hat. Es ist eine Art Erzählung die mit einer Leichtigkeit durch Fachwissen streift, wie Lorenz' Methode der Anverwandlung, oder aus der Historie abgeleitete die symbolische Bedeutung der Krähe mit einer Vielschichtigkeit versieht, wie ich es nicht für möglich gehalten habe. Und das auf nur 158 Seiten. So taucht selbst Wagners Götterdämmerung in dem Büchlein auf und man erfährt, dass in der germanischen Mythologie zwei Raben namens Hugin und Munin, der eine stand für den Gedanken, der andere für das Gedächtnis, einst Götterboten waren. Im zweiten Teil werden einige Arten der Krähen porträtiert.

Der Autor verwebt all die Fakten durch seine Erinnerungen und vermittelt dem Leser das Gefühl, eigentlich hört man gerade eine Geschichte vom Großvater. Diese Attitüde der Präsenz an Wissen und zu keinem Zeitpunkt Oberlehrerhaftes haben Cord Riechelmann ein wundervolles Buch schreiben lassen gespickt mit unterhaltsamen Illustrationen von Falk Nordmann.
Riechelmanns anekdotisches Portrait war mir ein angenehmer und lehrreicher Begleiter.

Cover des Buches Der Klang der Blicke (ISBN: 9783709970003)

Bewertung zu "Der Klang der Blicke" von Selim Özdogan

Der Klang der Blicke
oblomovvor 10 Jahren
Cover des Buches Luftpost (ISBN: 9783940691200)

Bewertung zu "Luftpost" von Marie T. Martin

Luftpost
oblomovvor 10 Jahren
Luftpost

"Marie T. Martins Texte zeugen von einem höchst eigenwilligen, phantasievollen, poetischen und stellenweises sehr humorvollen Zugriff auf die Wirklichkeit und bestechen durch Formenreichtum sowie große Sensibilität und Sicherheit im Umgang mit der Sprache. All dies macht Marie T. Matrin zu einer vielversprechenden Stimmer der jungen deutschen Literatur." 

Begründung zum Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium


Luftpost ist das erzählerische Debüt von Marie T. Martin. Sie fängt in ihren 15 Geschichten die Welt ein, die man leicht übersieht, wenn man laut ist. Mit ihren fragile Charakteren ist man gezwungen leise zu sein und genau hinzuhören.

 

Man kann keine Geschichten überblicken, in der man nur ein Figur ist, man tut etwas, das man für richtig hält, auch wenn man gerne Sekunden lang nichts tun würde, atmet man doch, schlägt das Herz und pumpt Blut, rauscht es in den Ohren, dieses Meer, rasen die Gedanken, der Affengeist von Ast zu Ast, es ist der Raum zwischen den Naben, der die Speichen trägt, es ist die Stille zwischen den Worten, aus der sie wachsen, es sind die vergangenen Tage, aus denen diese hier entstehen, es sind die übereinander gelegten Schichten von Farbe, die diesen ganz bestimmten Farbton erzeugen, und selten gelingt es doch, dass für den Bruchteil einer Sekunde nichts gedacht wird, und darin wächst der Raum bis in die fremdesten Galaxien.

S.24

 

Die Geschichten sind melancholisch geschrieben. Ähneln Erinnerungen,

Es gibt zu viele davon, eigene und die der anderen, ein paar von seinen Erinnerungen kenne ich, dass manche Leute einfach verschwinden und einem ihre Erinnerungen dalassen.

S.54

 

Ihre Geschichten dringen ein, Wort um Wort. Der Vergleich zum Zwiebelprinzip wird öfter herangezogen

… ich glaube, es gibt den Kern nicht, nach dem wir suchen, es gibt nur ein Farbe vielleicht, die immer auftaucht, Schicht um Schicht ist alles übereinandergelegt in uns wie eine Lasur, es gibt keinen wahren Grund, denn alle Schichten leuchten zusammen, es gibt nur viele Stimme und keine eigene. Ein Gewirr aus Stimmen, und sie widersprechen sich oft, die eine reißt das ein, was die andere aufgebaut hat.

S.18

Die von ihr gebrauchten Vergleiche, sind nicht immer logisch, aber die Nachwirkung zeugen von der Macht ihrer Sprachlichkeit.

Wie mein Hibiskus Blüten hervorbringt, die sich dann wieder zusammenrollen und mit einem leisen Tippen auf die Tischplatte fallen, so blühen Gesichter und vergehen wieder. Es gibt Leute, die das sofort bemerken. […] man sieht Leute die man kennt, nicht mehr genau an. Ich habe ein neues Gesicht, denke ich, ich will es ihm zeigen, ich denke, er hat auch eines und verheimlicht es mir.

S.54

 

Fazit:

Ich erzähle dir eine Geschichte, damit du nicht denkst, du müsstest Scherben wieder zusammenkleben.

S.57

Unbedingt Lesen!


Cover des Buches The Arrival (ISBN: 9780340969939)

Bewertung zu "The Arrival" von Shaun Tan

The Arrival
oblomovvor 11 Jahren
Cover des Buches Am Ende anfangen (ISBN: 9783943182057)

Bewertung zu "Am Ende anfangen" von Bettina Hesse

Am Ende anfangen
oblomovvor 11 Jahren
Am Ende anfangen, mit der Poetologie


Klappentext:
Er bestand aus Nächten, aus Malen ab Mitternacht, sich Ausbreiten in der Enge der zwei Zimmer, die er mit seiner Mutter bewohnte. Überall lagen Farben herum, Skizzenblöcke, Spachtel, ein Kapernglas voll Lapislazuli, die Geschichte der Malerei und halb leergegessene Teller mit Pasta.

Am Ende anfangen

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Der eigentlichen Erzählung, 
eine Liebesgeschichte […] zwischen Befreiung und Obsession. […] eine Art Selbstermächtigung in lustvoller Unterwerfung. S.80

Als reife Frau verklärt sie [die Protagonistin] das Gewesene, sieht es als Großherzigkeit an und trauert dem nach, was in der Jugend Spass machte, weil alles möglich schien. Keinem von beiden ist klar, woran ihr Spiel zerbricht, vielleicht einfach nur an den fehlenden Regeln seiner jugendlichen Mitspieler. S. 78

Die Sprache ist unglaublich ausdrucksstark:
Die Wände bewegen sich, rücken heran. Sie fühlt sich bedrängt, die Unruhe, gedehnt von Schmerz, vom Vermissen, von der Lust. Schiffsladungen voll Begehren liegen an ihren Flanken und warten. Wer gibt das Kommando zum Löschen? Der Abend liegt schwer auf ihr, sie nimmt es zur Kenntnis, gelangweilt wie eine Hure. S.54

Und dem zweiten Teil, der Poetologie

In diesem wird dem Leser die Idee, Entstehung und Konstruktion von „Am Ende anfangen“ erzählt. Das geschieht teilweise literaturwissenschaftlich, kunstwissenschaftlich, und mit unterhaltsamen Ausflügen bis hinein in die Philosophie. 
Marlene Streeruwitz sieht es als tragische Grundkonstellation des Lebens an, dass auf das Leben der Tod folgt. „Wieviel einfacher wäre es, könnte man wissen und dann lernen. Erst zahlen und dann genießen. Sich erst voneinander trennen und dann zusammen leben.“
S. 78 
Es werden einige Fragen aufgeworfen, die nicht beantwortet werden, aber auch nicht beantwortet werden müssen, da die eigentliche Erzählung in sich schlüssig ist. Die aufgeworfenen Fragen unterstellen der Erzählung jedoch sehr viel Tiefgang.
Jede Poetologie ist Lüge, es sei denn, sie wäre vor dem Text geschrieben. S.59

Fazit:
B Hesse läßt den Leser in die Geschichte eintauchen, Zeit und Raum verlieren. Wer kurze Sätze a la J.Herman mag wird sich in dieser Erzählung wohlfühlen. Der fehlende Tiefgang der Erzählung wird durch die Poetologie aufgehoben und aus der leichten Strandlektüre wird eine Lektion in Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft mit netten Anekedoten und viel Ironie.

Über mich

  • 10.03.2010

Lieblingsgenres

Historische Romane, Jugendbücher, Kinderbücher, Literatur, Unterhaltung

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