once-upon-a-time
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once-upon-a-times Bücher
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Bewertung zu "Wie hoch die Wasser steigen" von Anja Kampmann
Dieser Roman sprach mich ziemlich direkt an: Ich mochte das Bild auf dem Cover, ich mochte den Titel, und auch der Inhalt, der aus diversen Richtungen versprochen wurde (poetische Sprache, raue Handlung), überzeugte mich. Leider hielt das nicht lange an.
Spätestens nach dem zweiten „Waclaw erinnerte, wie Mátyás [...]“, das mir die Fußnägel aufrollte und mich das Buch zur Seite legen ließ, fiel es mir schwer, weiter zu lesen. Es mag albern und übertrieben klingen, doch von etwas, das für einen Literaturpreis nominiert ist, erwarte ich sprachlich mehr. Eigentlich gilt das für jeden Roman, den ich lese.
Mit anderen Sätzen konnte ich zum Teil einfach nichts anfangen, beispielsweise mit dem Satz, in dem Waclaw darüber nachdenkt, „ob er hierhergehörte, in dieses Budapest, von dem Mátyás ihm erzählt hatte wie von einer schönen hustenden Frau.“ (S. 49)
Wie erzählt man von einer schönen hustenden Frau? Welche Assoziation soll da geweckt werden? Bei mir weckte es nur Irritation.
Es gab durchaus sprachlich schöne Stellen in diesem Roman, Stellen wie
„Zwischen den hellen Streben schien das Dunkel aus vielen Teilen zu bestehen, aber wo Mátyás gewesen war, gab es nur eine einzige pochende Dunkelheit.“ (S. 63)
„Das wir hatte ihn überrascht wie eine Berührung, auf die er nicht vorbereitet war.“ (S. 65)
Insgesamt jedoch habe ich tierisch lange gebraucht, um den Roman zuende zu lesen, weil ich einfach schon beim Gedanken daran, weiter zu lesen, keine Lust mehr hatte. Das konnten auch vereinzelte schöne Sätze leider nicht wettmachen.
Bewertung zu "Ein Winter in Sokcho" von Elisa Shua Dusapin
Einer sucht die Stille, eine möchte der Stille zu entfliehen – in der südkoreanischen Küstenstadt Sokcho, nahe der Grenze zu Nordkorea, treffen sie sich und teilen einen Winter.
Es ist eine trostlose Atmosphäre, die sich in den ruhigen und schonungslos offenen Worten der Protagonistin, aus deren Sicht der Roman erzählt ist, entfaltet. Er erklärt nicht viel, sodass man sich das meiste selbst denken muss, was eines der Dinge ist, die mir besonders gut gefallen haben: Wie ist das Verhältnis der Protagonistin zu ihrer Mutter? Was ist mir ihrem Vater?
Und überhaupt, was ist eigentlich mit der Protagonistin selbst?
Wer eine befriedigende Auflösung und umfassende Antworten auf alle Fragen benötigt, um Spaß an einem Roman zu haben, der sollte die Finger von diesem Roman lassen, den in meinen Augen bekommt man weder das eine noch das andere.
Stattdessen: Eine Protagonistin, die viel zu kämpfen hat und vor dem Spiegel des Fremden, des Ausländers vielleicht einige Erkenntnisse über sich selbst hat.
Und genau das traf mich immer wieder recht persönlich.
„Ein Winter in Sokcho“ ist ein Roman, den ich gern geschrieben hätte, den ich gern hätte schreiben können. Aber so konnte ich ihn lesen und das ist auch viel wert.
Die Geschichte eines Paares oder dem, was von dem Paar nach einigen Jahren noch übrig ist, wird in diesem Roman aus der Sicht des gemeinsamen Sohnes erzählt. Dieser Blickwinkel eröffnet schmerzhaft offene Perspektiven auf die Familienstruktur vor dem Hintergrund der deutsch-deutschen Trennung.
Eigentlich hat dieses Buch alles, worauf ich Bock hatte, und trotzdem konnte es mich nicht so recht packen. Woran könnte das liegen?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Kern meines Problems mit diesem Roman war, ihm zu folgen. Es gab Zeitsprünge, Erinnerungen an das, was irgendwann mal passiert ist, und hin und wieder war ich mich überhaupt nicht sicher, in welcher Zeitebene wir uns gerade befinden.
Außerdem: Die vielen Namen. Möglicherweise kam beides bei mir zusammen, möglicherweise hätte ich mir die Figuren und die Namen und die Orte besser merken können, wenn es mir leichter gefallen wäre, der Handlung des Romans zu folgen, doch das war leider nicht der Fall.
Das ist vor allem deswegen schade, weil die Handlung spannend ist; weil die Figuren welche sind, mit denen man gut leiden kann, weil sie krasse Sachen erleben; weil dieser Roman vor Augen führt, wie schwierig es sein kann, eine Familie zu werden oder zu bleiben.
Deswegen ein für mich eher ungewöhnliches Fazit: Gebt diesem Buch eine Chance, es könnte sich lohnen – auch wenn es das für mich nicht tat.
Bewertung zu "Ein Kleid aus Tinte und Papier" von Claire Gondor
„Die Worte schienen wie für sie gemacht, kamen genau zur richtigen Zeit. Sie kreuzten ihren einsamen Weg und liefen ihr entgegen.“ (S. 75)
Leïla näht ihr Hochzeitskleid aus 56 Briefen ihres Verlobten und erinnert sich dabei an ein ganzes Leben mit all den Hochs und Tiefs, die es ihr geboten hat. Sie, die kein Mensch der großen Worte ist, hält sich an Worten fest als wäre es alles, das ihr bleibt.
Beinahe alles an diesem Buch ist poetisch, manchmal so poetisch, dass es mir etwas zu aufgesetzt vorkam – doch damit berührte Gondor etwas in mir, deswegen gefällt mir dieser Aspekt eigentlich sehr gut. Auch für die Story ist der Begriff „berührend“ vielleicht der am besten geeignete: Ein Kleid aus Liebesbriefen, was eine Idee!
Trotzdem bin ich nicht vollends begeistert, weil mir viele Dinge einfach nicht klar geworden sind. Wie es aussieht, beispielsweise, dieses Brautkleid aus 56 Briefen, die auf Post-its verfasst worden sind. Was Leïla in ihrem Leben so macht. Ob schon während des Romans klar sein soll, wohin die unterschwellig drohende Atmosphäre hinführen wird, oder ob die letzte Seite ein Schlag ins Gesicht sein soll.
Gut gefallen haben mir die Einflechtungen des afghanischen Hintergrunds der Familie der Protagonistin. In diesem Zuge hätte mir allerdings Claire Gondors Verbindung mit einer solchen Familiengeschichte interessiert und wie nah an der Lebensrealität das ist, was wir in diesem Roman lesen können.
Insgesamt ist „Ein Kleid aus Tinte und Papier“ ein schönes Buch, das ich wegen des Einbands auch einfach gern in den Händen gehalten habe. Allerdings lebte es für mich hauptsächlich von der Poesie der Sprache und der Idee eines Kleides aus Büchern an sich, weniger von dem, was es tatsächlich bietet.
Bewertung zu "Welpentraining mit Martin Rütter" von Martin Rütter
Bewertung zu "Hier ist noch alles möglich" von Gianna Molinari
Der Roman „Hier ist noch alles möglich“ macht seinem Namen alle Ehre. Wir begleiten die neue Nachtwächterin einer Fabrik, in der Papperzeugnisse hergestellt wurden, und die nun von Verfall und einem Wolf heimgesucht wird.
Alles, was von der Erzählerin geschildert wird, könnte dabei ebenso gut auch nicht geschehen sein: Gerade im Verlauf des Romans hat sie für mich zunehmend ihre Glaubwürdigkeit verloren, doch genau darin lag für mich in diesem ziemlich originellen Text auch der Reiz.
Fast kindlich wirkt die Erzählerin in ihren Versuchen, Geschehnisse zu verstehen, indem sie mögliche Erklärungen sucht, und dabei die Welt um sich herum zu ordnen, zu sortieren und Grenzen zu ziehen.
Einen besonderen Stellenwert hat dabei die sprachliche Darstellung, die völlig schnörkellos ist und auf häufige Wiederholungen der Kernbegriffe setzt. Die Stimmung, die dadurch erzeugt wird, war mein persönliches Highlight.
Es fällt mir schwer, den Finger darauf zu legen, worum es in diesem Roman ging, und trotzdem konnte ich ihn kaum aus der Hand legen. Empfehlenswert für jeden, der speziellen Romanen gern eine Chance gibt!