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parden

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Cover des Buches Kantika (ISBN: 9783866487109)

Bewertung zu "Kantika" von Elizabeth Graver

Kantika
pardenvor 4 Stunden
Kurzmeinung: Kein wirklicher historischer Roman - eine jüdische Familiengeschichte, die lose im zeitlichen Geschehen verankert ist.
Cover des Buches Nochmal von vorne (ISBN: 9783462002973)

Bewertung zu "Nochmal von vorne" von Dana von Suffrin

Nochmal von vorne
pardenvor 4 Tagen
Kurzmeinung: Sprachlich herausfordernd wird hier das Bild einer dysfunktionalen Familie gezeichnet - generationenübergreifende Traumata, Sprachlosigkeit.
Alte Wunden...

ALTE WUNDEN...

Der Tod ihres Vaters und die Auflösung seiner Wohnung bringt für Rosa vieles in Bewegung, bei dem sie eigentlich froh war, dass es geruht hatte. Denn die Geschichte der Familie Jeruscher ist ein einziges Durcheinander aus Streitereien, versuchten oder gelungenen Fluchten, aus Sehnsüchten und enttäuschten Hoffnungen und dem vergeblichen Wunsch, irgendwo heimisch zu werden. Nun ist alles wieder da: die Erinnerungen an ihre irrwitzige Kindheit in den 90ern, an das Scheitern der Ehe der Eltern und die Verwandtschaft in Israel, aber auch ihre verschwundene ältere Schwester, mit der sie aus gutem Grund gebrochen hatte. (Verlagsbeschreibung)

Dana von Suffrin erzählt in diesem Roman die Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie, und es ist die jüngste Tochter Rosa, die diese Geschichte erzählt. Der Leser / die Leserin folgt dem Gedankenstrom der Frau, der es obliegt, die Wohnung ihres gerade verstorbenen Vaters aufzulösen. Tief taucht die Erzählung ein in die Vergangenheit, in Rosas Erinnerungen, nicht chronologisch sondern assoziativ und damit wild in den Zeiten sowie in den Orten hin und her springend. Dies ist verbunden mit einem herausfordernden Schreibstil mit teilweise ellenlangen Schachtelsätzen, die Wesentliches mit Nebensächlichkeiten zu knäuelartigen, unübersichtlichen Gebilden verzwirbeln, schon ein anstrengendes Leseerlebnis.  


"Sie ist auch eine dieser Personen, die nie fragen würden, wie es einem geht, denn sie wüsste selbst einfach keine Antwort darauf, und sie würde minutenlang nachdenken und schließlich seufzen, dass sie dazu leider nichts sagen könne, denn um zu wissen, wie es einem geht, muss man ihrer Meinung nach nicht nur die individuelle Stimmungslage und den gesundheitlichen Zustand berücksichtigen, sondern auch die eigene und die globale sozioökonomische Situation und weitere Parameter, die mir nicht einfallen wollen, und plötzlich werde ich fast wütend, weil ich denke, dass Nadja mich wieder einmal mit allem alleinlässt, denn während sie immer so tut, als würde alles, womit wir nichts zu tun haben, sie etwas angehen, zum Beispiel irgendwelche destabilisierten politischen Systeme in Südmittelamerika oder der Krieg zwischen Palästinensern und Israelis, den wirklich niemand begreifen kann; aber unser kleiner, grotesker, sicherlich einer Vielzahl psychoanalytischer Studien würdiger Familienkosmos hingegen, der aus nichts weiter als ein paar neurotischen, höchst bedürftigen Individuen bestand, ist für sie schon immer die größte Zumutung gewesen." (S. 14)  


Viel Einsamkeit gab es in der Familie Jeruscher, niemand stand für den anderen ein, niemand hörte dem anderen zu, jede:r hatte eigene Macken. Der Vater Mordechai als Sprössling einer letztlich entwurzelten Familie (vertrieben aus Rumänien, später Ungarn hin nach Israel), dazu mit seinen eigenen traumatisierenden Kriegserfahrungen, über die er nie sprach und mit einem Sonnyboy als Bruder, aus dessen Schatten er nie heraustreten konnte. Er kam nach Deutschland, um dort Geld zu verdienen, doch seine Ausbildung als Chemiker war nicht ausreichend, um die gewünschte Professorenstelle zu erhalten, stattdessen arbeitete er in einem Labor und überprüfte Wasserproben. Stur, depressiv, oftmals sprachlos - das einzige vor sich selbst zugelassene Gefühl war Wut, für alles andere fehlten ihm die Worte. 

Die Mutter, die eigentlich in den Bruder Mordechais in Israel verliebt war als sie dort als junge Frau ein Jahr lang arbeitete, dann aber bei der Wiederbegegnung in Deutschland offenbar mit "dem Spatz in der Hand" vorlieb nahm, Mordechai heiratete und statt ihr Studium zu beenden fortan Mutter und Hausfrau war. Keine Erfüllung für sie, was sie ihren Mann ständig spüren ließ. Die Eltern ließen gegenseitig kein gutes Haar am anderen, gestritten wurde täglich, lediglich mit kurzen Atempausen zum Verschnaufen. 

Die Schwestern Rosa und Nadja teilten sich ein gemeinsames Zimmer, die Jüngere schaute zur Älteren auf, die aber kaum ein Interesse an ihr zeigte. Rosa wirkte als Kind/Jugendliche verträumt, malte in der Schule vor sich hin statt zuzuhören, oftmals Familienmitglieder als Motiv. Die Gedanken kreisten offenbar damals schon oft um ihre Familie, aber es blieb wohl keine andere Art des Audrucks als die Bilder - mit wem sollte sie darüber sprechen? Rosa als die Jüngste konnte immer nur beobachten, hatte keinen großen Einfluss auf das Handeln der anderen Familienmitglieder. Und sie erwähnt, dass sie mittlerweile nicht mehr zu ihrem Therapeuten geht - offenbar gab es viel aufzuarbeiten, was die oftmals larmoyant wirkende Aufzählung der negativen Erinnerungen eindrücklich demonstriert.

Es ist schwierig, den Inhalt zusammenzufassen, denn hier zerfasert zu viel. Und auch die Aussage, die Intention hinter dem Roman wollte sich von mir nicht wirklich greifen lassen. Was sollte hier erzählt werden? Über mögliche Andeutungen geht es hier nie hinaus.

Eine Familiengeschichte in Kontrasten? Der jüdisch-entwurzelte Vater mit dem familiären Hintergrund der Shoa und der Drangsalierungen durch die rumänische Diktatur, sowie mit den eigenen Kriegserfahrungen in Israel im Gepäck - und dagegen die katholisch-bayrische Mutter, deren Eltern offenbar während der Regierungszeit der Nationalsozialisten keine Gegner des Holocaust waren, die durch ihre Ehe mit einem jüdischen Mann womöglich etwas wieder "gutmachen" wollte? Die Darstellung der Auswirkugen von generationenübergriefenden Traumata innerhalb einer Familie? Eine Identitätsfindung von Rosa? Der Konflikt zwischen Rosa und ihrer Schwester Nadja, der letztlich zu etlichen Kontaktabbrüchen führte - und nun ein neuer Versuch? Die literarische Verarbeitung eines toxischen Familiengefüges, geprägt womöglich von eigenen Erfahrungen der Autorin? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. 

Trotz einiger schöner Formulierungen und eindringlicher Schilderungen beklemmender Szenen lässt mich der Roman in erster Linie ratlos und achselzuckend zurück. Vieles bleibt mir zu vage, das Herauslesen zwischen den Zeilen ist mir offenbar nicht gelungen. Schade eigentlich, denn irgendwie mochte ich den Roman auch.

Ein Kandidat für den kommenden Deutschen Buchpreis? Ich bin gespannt...


© Parden

Cover des Buches Drei Magier und eine Margarita (ISBN: 9783989060227)

Bewertung zu "Drei Magier und eine Margarita" von Annette Marie

Drei Magier und eine Margarita
pardenvor 6 Tagen
Kurzmeinung: Der erste Teil der Fantasy-Reihe macht definitiv Lust auf mehr! Unterhaltsam, schräg und spannend, genau die richtige Mischung!
Unterhaltsam, schräg und spannend...

UNTERHALTSAM, SCHRÄG UND SPANNEND...

Gefeuert, pleite, mit einem Bein in der Obdachlosigkeit – ich bin offiziell verzweifelt genug, um auf die Stellenanzeige für einen dubios klingenden Barkeeperjob zu antworten. Die Gäste in diesem Pub sind irgendwie … speziell, und meine Probeschicht geht vom ersten Moment an den Bach runter. Doch statt mich hochkant rauszuschmeißen, bieten sie mir den Job an. Wie sich herausstellt, ist der Pub eine Gilde. Und die drei attraktiven Typen, die ich mit einer Margarita überschüttet habe? Das sind Magier. Offenbar ist eine Barkeeperin, die sich nichts bieten lässt, genau das, was diese Gilde braucht – oder es hat seine Gründe, dass niemand sonst hier arbeiten will. Für jemanden, der Magie bis eben für nicht existent gehalten hat, stecke ich plötzlich ganz schön tief drin... (Verlagsbeschreibung)

Tori ist eine junge Frau, die wieder einmal gefeuert wurde. Temperamentvoll und mit kurzer Zündschnur fällt es der Rothaarigen einfach schwer, sich gegenüber unliebsamen Gästen zurückzuhalten. Nun ist sie einmal mehr auf Jobsuche, das Geld wird knapp, doch niemand will sie mehr als Kellnerin einstellen - ihr Ruf eilt ihr mittlerweile schon voraus. Als ihr ein Flugblatt in die Hand gerät entdeckt sie die Stellenanzeige für einen Job als Barkeeper. Dafür fehlt Tori zwar die Erfahrung, aber sie ist so verzweifelt, dass sie das Gefühl hat, nach jedem Strohhalm greifen zu müssen.

Tatsächlich darf sie wider Erwarten dort eine Probeschicht absolvieren, doch selbst da kann Tori ihr Temperament nicht zügeln. Von den dubiosen Barbesuchern will sie sich einfach nicht alles gefallen lassen - und manche übertreiben es definitiv. Schließlich beschimpft sie nicht nur einzelne Gäste, drei junge Männer überschüttet sie gleich mit einer Margarita. Das dürfte ja wohl das Aus für sie sein? Aber nein, weit gefehlt, genau so jemanden wie Tori scheinen sie zu suchen. Jemanden, der sich seiner Haut zu wehren weiß und bei Bedarf Gäste in ihre Schranken weisen kann. 

Rasch kommt Tori jedoch dahinter, dass mit dem Pub und seinen Besuchern irgendetwas nicht stimmt. Diese benehmen sich nicht nur merkwürdig, sie lassen auch Dinge geschehen, die eigentlich gar nicht möglich sind. Tatsächlich ist der Pub Sitz einer Gilde - einer Gilde von Magiern. Und die haben nicht nur ein paar harmlose Tricks auf Lager. Tori wird nicht von allen willkommen geheißen - schließlich ist sie ein Mensch ohne jegliche magische Kräfte. Aber die drei Magier, mit denen sie gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit als Barkeeper aneinander geraten ist, entpuppen sich dann doch als ganz zugänglich. Und niedlich sind die ja irgendwie auch, findet Tori.


"Ich wusste nicht, dass sie dich auch angegriffen haben", murmelte er. "Wenn sie hinter Aaron her waren, hatten sie eigentlich keinen Grund dazu." "Vielleicht nicht, doch es hat ihnen nicht gefallen, dass ich sie mit meinem Schirm verdroschen habe." 


Dieser erste Band der Reihe um Torie und die Magiergilde ist eine unterhaltsame Einführung in das Worldbuilding und die Charaktere. Vieles wird erst angedeutet und sicherlich in den nächsten Bänden weiter ausgeführt. Doch auch in dem Einstiegsband kommt die Spannung nicht zu kurz. Das Magiertrio Aaron, Kai und Ezra gerät hier gewaltig in Schwierigkeiten, und dabei zeigt sich, dass Tori nicht nur impulsiv ist, sondern auch loyal und mutig. Es knistert ein wenig zwischen Tori und den Magiern, geht aber noch nicht darüber hinaus. Auch da darf man gespannt sein, was sich zukünftig daraus entwickelt. 

Lockerleicht wird hier aus der Ich-Perspektive von Tori berichtet, der es definitiv nicht an Selbstbewusstsein mangelt. Alles in allem unterhaltsam, schräg und spannend - und der erste Teil macht definitiv Lust auf mehr!


© Parden

Cover des Buches Klarkommen (ISBN: B0CRZFWC54)

Bewertung zu "Klarkommen" von Ilona Hartmann

Klarkommen
pardenvor 9 Tagen
Kurzmeinung: Oftmals banal und langweilig - die Orientierungszeit nach dem Abitur ist sicher nicht einfach, aber hier wird nichts Neues verraten...
Orientierungsjahr...

ORIENTIERUNGSJAHR...

“Klarkommen” erzählt die Geschichte von Mounia, Leon und der Erzählerstimme selbst, die nach dem Abitur gemeinsam den Sprung in die Großastadt wagen und schnell feststellen, dass die Bücher, Filme, Serien und Songs gelogen haben: Die Party ist entweder schon vorbei oder hat nie angefangen. Niemand fickt, fast alle haben Angst vor Drogen, und cool sind immer nur die anderen. Gemeinsam und einzeln hadern sie mit der eigenen, peinlichen Verspultheit und der unschaffbar scheinenden Aufgabe, schnell noch aufzublühen, bevor sich die Zivilisation selbst beendet. Die große Frage, die sie alle umtreibt, lautet: Wo ist mein Platz im Leben, und wie finde ich ihn? Und sie brauchen nicht zuletzt einander, um das herauszufinden ... Ilona Hartmanns neues Buch berührt mit feinen Beobachtungen und intensiven Momente, die kraftvoll und wahrhaftig vom Leben in all seinen Tiefen, Höhen und Grautönen erzählen. „Klarkommen“ ist der Gegenentwurf zu allen high action Coming of-age-Romanen, in denen auf einer Seite mehr passiert als in einem Lebensjahr eines normalen Teenagers. (Verlagsbeschreibung)

Die Orientierungszeit nach dem Abitur ist sicher nicht einfach - der Wegzug aus dem Elternhaus, aus der vertrauten Umgebung, von all dem, was man bisher kannte. Die Erwartungen, die mit dem Umzug einhergehen, das neue Leben, endlich selbstbestimmt und erwachsen sein. Dagegen die Realität, die einen rasch genug einholt, Hoffnungsseifenblasen, die schnell zerplatzen. Und dabei das Gefühl, trotzdem irgendwie seinen Platz im Leben finden zu müssen. Klingt banal? Ist banal. Und obwohl hier Situationen geschildert werden, die man so oder so ähnlich womöglich selbst einst durchlebt hat, ertappte ich mich immer wieder bei einem Gefühl: Langeweile.

In meist kurzen Episoden berichtet die Ich-Erzählerin von ihrem Leben nach dem Umzug aus einer Kleinstadt in die Metropole, weg vom Elternhaus hin zum Studium, vom Leben in der WG, in der sich die Menschen plötzlich anders geben als gewohnt, sich Bilder korrigieren. Dabei gibt es immer wieder auch Rückblenden in ihr früheres Leben als Kind und Jugendliche, was verdeutlicht, wie sie zu dem wurde, was sie heute ist. Ein Jahr lang begleitet der Hörer / die Hörerin die junge Frau in ihrem Werdegang - in der Erwartung, stets etwas Besonderes erleben zu müssen, in der Erkenntnis, dass viele Menschen auch schon in jungen Jahren der Gleichgültigkeit verfallen sind, in dem Versuch einer Beziehung, die zum Scheitern verurteilt ist - ganz banale Erlebnisse, von denen hier ohne große Aufregung berichtet wird. 

Jodie Ahlborn liest die ungekürzte Hörbuchausgabe (3 Stunden und 28 Minuten) der Erzählung entsprechend unaufgeregt und nüchtern. Dabei störten mich die häufig wiederkehrenden gendergerechten Bezeichnungen von Personen. Steht so im Text, ist heutzutage kaum mehr wegzudenken, aber gesprochen kann ich das einfach nicht leiden. Schüler:innen, Freund:innen, Besucher:innen - mich triggerten diese Begriffe zusehends.

Ilona Hartmann fängt die Gedanken und Gefühle der gerade erwachsenen Protagonistin sicherlich gut ein - aber all das zeigt weder etwas Besonderes, noch etwas Interessantes oder Neues auf, jedenfalls für mich. Banal und langweilig ist daher mein nüchternes Fazit. Schade...


© Parden

Cover des Buches Bluttat (ISBN: 9783734108969)

Bewertung zu "Bluttat" von Thomas Enger

Bluttat
pardenvor 11 Tagen
Kurzmeinung: Ein sehr persönlicher Fall für Blix - fast wie bei Hiob. Spannend, brutal, unerträglich.
Ausnahmezustand...

AUSNAHMEZUSTAND...

Eine rätselhafte Mordserie beschäftigt die Ermittlerin Sofia Kovic. Sie zieht ihren Partner Alexander Blix ins Vertrauen – und nur ihn, denn sie fürchtet, die Osloer Polizei könnte eine Rolle in diesem blutigen Spiel einnehmen. Wenig später wird Kovic Opfer eines Mordanschlags und grausam hingerichtet. Hat sie mit ihren Nachforschungen in ein Wespennest gestochen? Vier Tage danach stehen Blix und die Kriminalreporterin Emma Ramm im Zentrum der Ermittlung, denn Alexander hat einen Mann erschossen, während Emma der blutigen Tat beiwohnte. Wie konnte es dazu kommen? Wem kann Blix vertrauen? Und hat er womöglich den Falschen getötet? (Verlagsbeschreibung)

Blix' Kollegin Sofia Kovic wurde ermordet - doch weit und breit ist kein Motiv zu erkennen. Klar ist nur, dass sie sich ohne einen offiziellen Auftrag mit alten Fällen befasst hat und dabei womöglich auf eine brisante Spur gestoßen ist. Kovic hatte kurz vor ihrer Ermordung noch versucht, Blix zu erreichen. Doch es kam nicht mehr zu einem Austausch von Informationen. Wenige Tage später wird der Kriminalkommissar selbst beschuldigt, jemanden ermordet zu haben - und die Journalistin Emma Ramm war Zeugin der Tat...

Diese Fakten werden recht schnell präsentiert, und im Folgenden erfährt der Leser durch die polizeiliche Befragung von Blix und Emma sowie durch den wiederholten Einschub von Rückblenden, was geschehen ist. Dies ist eine außergewöhnliche und lebendige Darstellung der Ereignisse und hat mir gut gefallen. Etwa ab der Hälfte des Thrillers springt die Erzählung dann in das aktuelle Geschehen, was für mich ein deutlicher Einschnitt war, fast schon ein Bruch. Aber ab da nimmt das Geschehen auch zunehmend an Fahrt auf!

Dies ist ein sehr persönlicher Fall für Kriminalkommissar Blix, denn nicht nur die Ermordung seiner engen Kollegin Kovic macht ihm zu schaffen. Teilweise fühlte ich mich an den biblischen Hiob erinnert, dem von Gott immer neue Prüfungen in Form von unfassbarem Leid aufgebürdet wird. An einer Stelle wollte ich erst gar nicht mehr weiterlesen, weil ich es nahezu unerträglich fand. Die Frage, wie man selbst an Blix' Stelle in der ein oder anderen Situation gehandelt hätte, drängt sich auch unweigerlich auf. 


"Der eine Artikel behandelte die Warnung des Philosophen Friedrich Nietzsche, wer mit Ungeheuern kämpfe, möge zusehen, dass er dabei nicht selbst zum Ungeheuer wird." 


Wie bereits im vorherigen Band hätte ich mir eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Blix und der Journalistin Emma gewünscht, aber die Umstände schoben dem - nachvollziehbar - lange einen Riegel vor. Und wieder einmal muss ich die ewigen Alleingänge bemängeln, die teilweise der Situation geschuldet unumgänglich waren, manchmal jedoch auch unverantwortlich und unnötig erschienen. 

Ansonsten ist dieser dritte Band der Reihe ein fast atemloser Thriller, spannend, brutal und stellenweise unerträglich. Ich bin jedenfalls sehr gepannt, wie es mit Alexander Blix und Emma Ramm weitergehen wird - die Rückkehr in ein "normales" Leben? Zumindest bei Blix für mich kaum vorstellbar. Mal schauen...


© Parden

Cover des Buches Neue Wirklichkeit (ISBN: 9783948194321)

Bewertung zu "Neue Wirklichkeit" von Nadine Erdmann

Neue Wirklichkeit
pardenvor 12 Tagen
Kurzmeinung: Düsterer Einstieg in die Trilogie - dystopische Fantasy, traumatisierte Charaktere, aber auch interessante Fähigkeiten und Herausforderungen
Düsterer Einstieg in die Trilogie...

DÜSTERER EINSTIEG IN DIE TRILOGIE...

Als eingeschworenes Team arbeiten Riley, Ayden, Jo und Parker unter dem Namen Hunters in Edinburgh als paranormal begabte Geisterjäger. Privat stemmen sie gemeinsam den nicht immer leichten Alltag, stets darauf bedacht, unter dem Radar des Institute for Paranormal Science zu bleiben. Doch dann geschieht eine Katastrophe, die nicht nur das Leben der Hunters völlig aus der Bahn wirft. Während die vier noch versuchen, sich in der neuen Wirklichkeit zurechtzufinden, bahnt sich geheim gehalten vor der Bevölkerung bereits das nächste Grauen an. Ein Grauen, bei dessen Bekämpfung die Fähigkeiten der Hunters sehr hilfreich sind. Ihre Hilfe könnte allerdings äußerst tödlich für sie enden… (Verlagsbeschreibung)

Ich habe bisher alles von Nadine Erdmann gelesen - und das meiste davon mit großer Begeisterung. Daher war ich sehr neugierig auf den ersten Band ihrer neuen Trilogie. Wer die Publikationen der Autorin verfolgt, der weiß, dass sie zuletzt das Ende der langen Serie der Totenbändiger herausgebracht hat - ebenfalls eine Reihe um Geisterjäger. Ein wenig hegte ich daher die Befürchtung, dass es hier deutliche Parallelen und Ähnlichkeiten geben könnte, aber diese Sorge zerschlug sich rasch. 

Die Hunters bestehen aus vier Geisterjägern in den Zwanzigern, die alle unterschiedliche Fähigkeiten aufweisen und sich dabei gut ergänzen. Riley und Ayden sind Geschwister, Jo und Parker ein Paar, alle wohnen und arbeiten zusammen in Edinburgh - und unterstützen zudem Ayden dabei, seinen vierjährigen Sohn Henry großzuziehen. Die Wohnverhältnisse sind beengt, das Geld stets knapp, aber durch Jobs und gelegentliche Geisterjagden kommen sie über die Runden. 

Eine Katastrophe bricht über Schottland herein - und nicht nur dort. Alles Dagewesene steht Kopf, schnelles Handeln ist angesagt. Während die Hunters sich der veränderten Realität stellen und versuchen das Beste aus der Situation zu machen, entpuppt sich nach und nach erst das ganze Ausmaß der Katastrophe. Die Herausforderungen werden nicht kleiner, und die Hutners stehen plötzlich ganz anderen Aufgaben gegenüber. Gefährlich? Aber ja!

Tatsächlich hatte ich etws Mühe, in die Geschichte hineinzufinden. Zum einen lag das an dem deutlich dystopischen Anklang, der wohl nicht von ungefähr Assoziationen zu der aktuellen Situation in der Ukraine weckte bzw. zu dem Despoten, der dafür verantwortlich ist. Das fand ich persönlich schon bedrückend, das kratzt an eigenen Ängsten. Dieser dystopische Anteil überlagerte für mich zudem über weite Strecken den Fantasy-Aspekt, was ich nicht immer gut aushielt. Zum anderen - und das hätte ich davor nicht für möglich gehalten - vermisste ich das Format der eSerials der Totenbändiger. 

Hier bei den Hunters fehlte mir tatsächlich irgendwie das Intensive, Eindringliche der eSerials, die Szenen reihen sich gefühlt einfach aneinander, z.T. mit größeren Zeitsprüngen, vieles wird nur angerissen. Auch die Charaktere sind noch kaum greifbar, allerdings verbergen sie auch Geheimnisse und blocken rasch ab, wenn sie etwas von sich preisgeben sollen. Schnell wird deutlich, dass jeder der Hunters einen traumatischen Hintergrund hat und sie im Grunde nur ihrer Gemeinschaft vertrauen. Dies verstärkte für mich noch das Düstere des dystopischen Hintergrundes.

Auch das Thema Spannung war hier anders. Bei den eSerials gab es immer mal einen besonderen Kampf, der es in sich hatte, dazu wichtige Nebenschauplätze, um die eigentliche Geschichte voranzutreiben - hier dagegen gehen die Kämpfe irgendwie ineinander über und bieten für mein Empfinden wenig richtig Spannendes oder Spektakuläres, abgesehen mal von den durch die Katastrophe veränderten Eigenschaften der Geister. Im Grunde wirkte dieser erste Band auf mich wie eine lang angelegte Einführung in die dystopisch-fremde Welt. 

Zuletzt jedoch wurde ich etwas versöhnt mit meinen Schwierigkeiten, in die Geschichte hineinzufinden. Die Situation für die Hunters verändert sich, es kommen Personen hinzu, und das tut der Erzählung merklich gut. Zudem gibt es gegen Ende ein langes "Heartwarming" - etwas ganz Typisches für die Romane von Nadine Erdmann, und diese z.T. sehr berührenden Szenen habe ich richtig genossen. Das erhöhte meinen persönlichen Wohlfühlparameter sehr deutlich.

Die zahlreichen Andeutungen, der Ausblick auf neue gefährliche Aufträge, die vielen Geheimnisse, die noch nicht gelüftet wurden und die fatale Situation nach der Katastrophe - all das macht definitiv neugierig auf die Fortsetzung. Ein für mich etwas holperiger Einstieg, aber natürlich bleibe ich dabei! 3,5 Sterne, die ich wo nötig gerne aufrunde...


© Parden

Cover des Buches Und Gott sprach: Du musst mir helfen! (ISBN: 9783863462505)

Bewertung zu "Und Gott sprach: Du musst mir helfen!" von Hans Rath

Und Gott sprach: Du musst mir helfen!
pardenvor 14 Tagen
Kurzmeinung: Ein neuer Messias - im Abschlussband der Trilogie mischen viele bekannte Figuren mit, aber es bleibt doch meist recht oberflächlich...
Ein neuer Messias...

EIN NEUER MESSIAS...

Was, wenn Gott persönlich dich bitten würde, die Welt zu retten? Vor dieser Frage steht Jakob Jakobi, der Held aus "Und Gott sprach: Wir müssen reden", als er einen alten Bekannten wiedertrifft: Gott. Der taucht kurz vor Weihnachten in Gestalt des Lebenskünstlers Abel Baumann auf und stellt einmal mehr Jakobs Leben auf den Kopf. Diesmal ernennt er seinen Ex-Therapeuten kurzerhand zum neuen Messias und wirft damit Jakobs Urlaubspläne über den Haufen. Eine bunte Schar Apostel gesellt sich auch bald dazu. Von Veganismus bis Antikapitalismus - jeder Jünger bringt seine eigenen Vorstellungen mit, wie man den Planeten und die Menschheit aus dem Schlamassel ziehen kann. Das richtige Konzept zur Weltrettung lässt sich eben nicht einfach so aus dem Ärmel schütteln. (Verlagsbeschreibung)

Ziemlich unspektakulär taucht hier im Abschlussband der Trilogie Abel Baumann wieder auf, obwohl das aufgrund der vorhergehenden Ereignisse in den ersten beiden Bänden eigentlich gar nicht möglich wäre. Aber ja, schließlich ist er ja Gott, und der ist bekanntermaßen allmächtig. Der Gottesbeweis, den der Psychotherapeut Jakob Jakobi im ersten Band immer gerne präsentiert bekommen hätte - hier ist er nun. 

Abel Baumann wendet sich an Jakob mit einem sehr speziellen Anliegen. Er möchte, dass er der neue Messias wird, denn vielleicht ist die Menschheit ja doch noch zu retten. Jakob wehrt sich zunächst entschieden gegen diesen Auftrag, denn wie soll er ganz alleine Gottes Botschaft verkünden? Und wieso eigentlich ausgerechnet er? Baumann stellt ihm jedoch Apostel zur Seite - schräge Typen, die am Rande der Gesellschaft leben und es mit dem Gesetz nicht immer ganz genau nehmen. Abel Baumann selbst will Jakob bei seiner Aufgabe nicht behilflich sein - er widmet sich lieber den zehn Geboten, um sie in ein modernes Gewand zu kleiden, das die Menschen von heute wieder anspricht.

Ich habe die drei Hörbücher der Trilogie relativ rasch hintereinander gehört - vielleicht war das ein Fehler. Diese Art der Unterhaltung nutzt sich womöglich doch etwas ab, obschon es auch in diesem Band wieder amüsante Einfälle und schräge Dialoge gibt. Zudem stimmte der Abel Baumann in diesem Abschlussband für mein Empfinden nicht sehr gut mit der Person des Abel Baumann im ersten Band überein - der Zweifelnde wurde hier zum Fordernden und Überstülpenden, der wenig Hilfestellung bot. Und Jakob erschien mir mit seiner übergroßen Duldsamkeit manchmal auch wenig authentisch.


"Du sollst den Menschen die frohe Botschaft verkünden." - "Vergiss es Abel. Sie werden mir nicht zuhören." - "Sag ihnen, wenn sie dir blöd kommen, komme ich mit der Apokalypse.‘"


Gut gefallen hat mir dagegen, was letztlich aus den zehn Geboten wurde - würden die Menschen nach der Prämisse leben, gäbe es deutlich weniger Elend in der Welt. Schön war es auch, bereits bekannten Figuren aus der Reihe wiederzubegegnen. Allerdings kam mir Jakobs Ex-Frau hier zu kurz, ihre Dialoge mit Jakob waren sonst immer sehr unterhaltsam. Ansonsten ist auch dieser Band wieder ein Hörvergnügen mit kleinen Denkanstößen - jedoch ohne größeren Tiefgang und Nachhall. Ganz amüsant für zwischendurch - dann aber bitte in der richtigen Reihenfolge!

Johannes Steck liest die ungekürze Hörbuchversion (7 Stunden und 12 Minuten) auch diesmal wieder unaufgeregt und souverän. Leider hat sich hier ein kleiner Fehler eingeschlichen - die Aufnahme wurde an einer Stelle in der falschen Reihenfolge abgespeichert. Dies beschränkte sich glücklicherweise auf eine einzige Szene. Mich nervt so etwas aber trotzdem.

Auch diesmal wieder eine leichte Unterhaltung für zwischendurch, wobei mir außer den überarbeiteten Geboten wohl nur wenig im Gedächtnis haften bleiben wird.


© Parden 

Cover des Buches Das Muschelessen (ISBN: 9783867891806)

Bewertung zu "Das Muschelessen" von Birgit Vanderbeke

Das Muschelessen
pardenvor 16 Tagen
Kurzmeinung: Eindringliche Erzählung in ungewöhnlichem Stil - tiefe Einblicke in ein Familienleben und die Möglichkeit einer Änderung...
Tiefe Einblicke in ein Familienleben...

TIEFE EINBLICKE IN EIN FAMILIENLEBEN...

Angespannt wartet die Familie am gedeckten Tisch auf den Vater. Mutter, Tochter und Sohn sitzen vor einem Berg Muscheln, die allein das Oberhaupt der Familie gerne isst. Um die zähe Wartezeit zu überbrücken, beginnen sie miteinander zu reden. Je mehr sich der Vater verspätet, desto offener wird das Gespräch, desto umbarmherziger der Blick auf den autoritären Patriarchen und desto tiefer der Riss, der die scheinbare Familienidylle schließlich zu zerstören droht. (Verlagsbeschreibung)

Eine klassische Familie: Vater, Mutter, Sohn und Tochter, dem Vater ist es wichtig, dass sie eine "richtige" Familie sind. Was das ist? Nun, das bestimmt der Vater. Selbst einige Jahre im Heim aufgewachsen, will er nun das Idealbild leben. Und das erfordert Strenge und Disziplin. Wenn ihn nur nicht immer alle enttäuschen würden...

Zu Beginn der Erzählung wartet der Rest der Familie auf den Vater, der vermutlich gerade befördert wurde und nun Grund zum Feiern hat. Zu diesem Anlass hat die Mutter einen Topf voll Muscheln gekocht, die der Vater besonders gerne mag. Nun sitzen alle um den Tisch herum, doch der Vater kommt nicht. Ohne ihn mit dem Essen zu beginnen, kommt nicht in Frage - und so kommt man zunächst stockend und später mutiger miteinander ins Gespräch. 

Erzählt aus der Sicht der Tochter entpuppt sich hier nach und nach das Leben mit einem tyrannischen und gewalttätigen Vater, der allen das zur Hölle macht und jeden zu einer festen Rolle verpflichtet, aus der es kein Entkommen gibt. Besonders perfide spielt er alle gegeneinander aus, so dass es auch untereinander keinen Zusammenhalt gibt. An diesem Abend hinterfragen sie erstmals, weshalb das eigentlich so ist - und ob das immer so weitergehen soll?

Der Schreibstil ist anstrengend, die Sätze sind lang und auch sonst gibt es kaum Absätze. Zudem wiederholt das Mädchen ständig bereits Gesagtes. Das wirkt irgendwie abgehetzt, so als müsse sich das Mädchen während des Erzählens immer wieder selbst bestätigen - und ist insofern ein gutes Stilmittel, denn es verdeutlicht die Unterdrückungsmentalität in der Familie, in der sonst nie jemand sagen darf, was er oder sie denkt oder meint. Und jetzt sprudelt eben alles ungefiltert aus ihr heraus.

Eine eindringliche Erzählung in einem ungewöhnlichen Stil, die tiefe Einblicke in ein toxisches Familienleben bietet - und einen kleinen hoffnungsvollen Ausblick bei offenem Ende. Lesenswertes und preisgekröntes Debüt!


© Parden

Cover des Buches Trophäe (ISBN: 9783552073883)

Bewertung zu "Trophäe" von Gaea Schoeters

Trophäe
pardenvor 19 Tagen
Kurzmeinung: Eine moralisch-ethische Grenzwanderung, ein Roman von radikaler Konsequenz, der einen aus der eigenen Komfortzone heraustreibt...
Eine moralisch-ethische Grenzwanderung...

EINE MORALISCH-ETHISCHE GRENZWANDERUNG...

Hunter, steinreich, Amerikaner und begeisterter Jäger, hatte schon fast alles vor dem Lauf. Endlich bietet ihm sein Freund Van Heeren ein Nashorn zum Abschuss an. Hunter reist nach Afrika, doch sein Projekt, die Big Five vollzumachen, wird jäh von Wilderern durchkreuzt. Hunter sinnt auf Rache, als ihn Van Heeren fragt, ob er schon einmal von den Big Six gehört habe. Zunächst ist Hunter geschockt, aber als er die jungen Afrikaner beim flinken Jagen beobachtet… (Verlagsbeschreibung)

Mag ich Jäger? Nö. Kann ich die verdrehte Arugumentation leiden, derzufolge Jagen Arten- und Naturschutz bedeutet? Nö. Weshalb also nun dieser Roman über die Großwildjagd?! Nun, der Klappentext deutet etwas an, das undenkbar scheint - oder vielleicht doch nicht? Meine Neugierde war jedenfalls geweckt.


"Deine westliche Moral ist ein Luxusprodukt, das man sich leisten können muss. Der Rest der Welt muss mit Pragmatismus auskommen." (S. 103)


Uff, und nun sitze ich hier, das Buch zugeklappt, die letzte Zeile gelesen - und der Kopf arbeitet weiter. Definitiv ein Roman, der einen gewaltig aus der eigenen Komfortzone herausschiebt, der fasziniert, zweifeln lässt, anekelt, und definitiv nicht gleichgültig lässt. Gaea Schoters denkt zuende, was postkoloniales Großherrentum für selbstverständlich hält. 

Hunter White (schon der Name ist selbstverständlich Programm) ist ein wohlhabender weißer Amerikaner, der schon mit der Waffe in der Hand geboren wurde. Sein Vater und sein Großvater nahmen ihn von klein auf mit auf die Jagd, und so beherrscht er sein Handwerk. Fasane und Rehe interessieren ihn jedoch schon lange nicht mehr - Großwild muss es sein, Afrika ist sein Jagdgebiet. Die Big Five hat er schon nahezu vollständig erlegt, diesmal geht es auf die Jagd nach dem Spitzmaulnashorn, für das er endlich eine Jagdlizenz erhalten hat. 


"Die Verschmelzung von Todesangst und Dominanz schenkt dem Jäger einen nahezu erotischen Genuss. Ein Höhepunkt, in dem sich jegliche Spannung, die sich vorher aufgebaut hat, in einem einzigen Augenblick entlädt. Die Befriedigung liegt nicht so sehr im Töten, sondern in der Unterwerfung der Beute: in der Bestätigung unserer Vorherrschaft über alles andere Leben." (S. 194)


Der Leser begleitet Hunter auf der Jagd nach dem Nashorn, und was ich nicht für möglich gehalten hätte: ich war fasziniert. Die Naturbeschreibungen, die Schilderungen von Farben, Gerüchen, Geräuschen - überaus bildhaft und eindringlich. Aber auch die Empfindungen bei der Jagd, die Spannung, die Angst, das Jagdfieber - so geschildert, dass man sich nahezu selbst in der Szene befindet. Hunter selbst ist durchaus kein sympathischer Genosse - aber er, der vieles von dem verkörpert, was ich abstoßend finde, war mir eben auch nicht von Grund auf zuwider. Allein schon diese Tatsache fand ich anhaltend verwirrend. Als Wilderer Hunter einen Strich durch die Rechnung machen und das Nashorn vor ihm erlegen, war die Enttäuschung nahezu greifbar - auch für mich.

Van Heeren als sein Jagdleiter und Freund weiß, dass er nun für einen adäquaten Ersatz sorgen muss. Und er macht Hunter einen Vorschlag, auf den dieser zunächst fassungslos reagiert. Die Big Six? Doch dann führt Van Heeren ihn in ein afrikanisches Dorf, zu einem sehr ursprünglich lebenden Stamm, der seine Traditionen noch lebt. Und Hunter beobachtet einen jungen Mann beim Jagen...

Gaea Schoeters geht hier an Grenzen - und darüber hinaus. Dabei lässt sie Argumente so geschickt einfließen, dass man sich sehr bewusst davon distanzieren muss, um nicht automatisch zustimmend zu nicken. Später fällt die Distanzierung leichter, aber auch da ist die Argumentation eine perfide. Die bestehenden Fakten - größtenteils hervorgerufen durch die Zeit der Kolonialisierung sowie der postkolonialen Zeit mit der Ausbeutung durch weiße Großmächte - schaffen an manchen Stellen eine derart desolate Lage, dass unglaubliche Handlungszwänge entstehen. Da kreiselt der moralische Kompass gewaltig. Traurig zu lesen, teilweise nur schwer auszuhalten. Aber die belgische Autorin geht noch weiter...


"Aber in dem Blick des Kudus war nur das Begreifen des nahenden Todes abzulesen gewesen: Das Tier hatte gespürt, wie das Leben aus ihm floss, verstanden, dass flüchten keinen Sinn hat, und sich dem Sterben hingegeben. Was in seinen Augen erlosch, war nur die Gegenwart. Das Hier und Jetzt. Das Ende seines Lebens war ein Übergang von atmen zu nicht atmen. Nicht mehr und nicht weniger..." (S. 198) 


Ein fordernder Roman, eine Erzählung von radikaler Konsequenz. Ein interessanter, lesenswerter, überzeichneter, abstoßender, faszinierender, lehrreicher Roman, der unglaublich viele Themen anreißt, Spiegel vorhält, Fragen aufwirft. Manche Szenen empfand ich als unglaublich atmosphärisch, die Naturschilderungen immer wieder großartig. Insgesamt wirklich harter Tobak, manches fand ich auch wirr und anstrengend zu lesen, es bleibt passagenweise ein deutlicher Interpretationsspielraum - die erzählerische Wucht jedoch zieht sich durch den ganzen Roman. Und: er hinterlässt definitiv einen bleibenden Eindruck. Die Gewalt, Brutalität, Grenzenlosigkeit des Menschen, auch die Gegenpole der Sozialisierung, daneben die wilde Schönheit der Natur mit all ihren Gefahren - unglaublich gut herausgearbeitet. 

Für mich absolut ein 5-Sterne-Buch - etwas, das ich bei der Thematik nie für möglich gehalten hätte!


© Parden 

Cover des Buches Manchmal ist der Teufel auch nur ein Mensch (Jakob Jakobi 2) (ISBN: B015XXL5UM)

Bewertung zu "Manchmal ist der Teufel auch nur ein Mensch (Jakob Jakobi 2)" von Hans Rath

Manchmal ist der Teufel auch nur ein Mensch (Jakob Jakobi 2)
pardenvor 19 Tagen
Kurzmeinung: Hier fehlt irgendwie der Esprit des ersten Bandes - ganz amüsant zu hören, aber doch auch recht wirr und mit weniger Tiefgang.
Der Teufel in Menschengestalt?

DER TEUFEL IN MENSCHENGESTALT?

Psychotherapeut Jakob Jakobi bekommt ungebetenen Besuch von einem Kerl namens Anton Auerbach. Sein Anliegen: Er möchte Jakobs Seele kaufen. Der Grund: Seit Jakobs Begegnung mit Gott ist diese Seele besonders wertvoll. Für wen? Für den Teufel natürlich. Und genau der behauptet Auerbach zu sein. Jakob ist genervt. Warum nur treffen sich ausgerechnet in seiner Praxis die Mächte des Himmels und der Finsternis - oder Leute, die sich dafür halten? Jakob denkt nicht dran, seine Seele zu verkaufen oder den kumpelhaften Toni für voll zu nehmen. Doch der vermeintliche Teufel hat das eine oder andere Ass im Ärmel. Mehr und mehr wird Jakobs Leben zur Hölle. Da wäre es wirklich gut, Gottes Beistand zu bekommen. (Verlagsbeschreibung)

Drei Jahre ist es nun her, dass Psychotherapeut Jakob Jakobi Gott begegnet ist ("Und Gott sprach: Wir müssen reden!") - oder zumindest einem Patienten, der behauptete, Gott zu sein. Bis heute ist sich Jakob nicht sicher, ob Abel Baumann wirklich das war, was er zu sein vorgab - der Gute ist in der Zwischenzeit nämlich leider verstorben. Mit dem schmierigen Zeitgenossen Anton Auerbach tritt jetzt Gottes diabolischer Gegenspieler auf den Plan. Sein Ziel: der Erwerb von Jakobis göttlich berührter Seele. Als sich der versierte Psychotherapeut jedoch weigert, einen entsprechenden Vertrag zu unterzeichnen, sieht sich der Teufel gezwungen, andere Saiten aufzuziehen.

Nachdem ich vom ersten Band der Reihe um Jakob Jakobi recht angetan war, griff ich gleich zum Nachfolger. Jakobi trauert immer noch um Abel Baumann - zu schön, die Vorstellung, seinerzeit Gott begegnet zu sein, aber Abel war zuletzt tatsächlich ein Freund von Jakob. Immer noch hofft der Psychotherapeut auf ein göttliches Zeichen - das sollte doch Abel Baumanns leichteste Übung sein - doch stattdessen sucht ihn jemand auf, der behauptet, der Teufel höchstpersönlich zu sein. Jakobi wittert hier natürlich gleich die nächte Psychose, und die Dialoge, die sich zwischen ihm und Auerbach entwickeln, sind z.T. recht witzig. 

Doch trotz unterhaltsamer Passagen konnte mich dieser Band nicht so recht überzeugen. Zum einen fand ich den Teufel fast so harmlos wie einen zahnlosen Tiger, da wäre sicher mehr drin gewesen. Zum anderen fehlte mir hier irgendwie der Esprit des ersten Bandes - hier war alles um einiges wirrer, und den Tiefgang habe ich auch vermisst. Viele Einfälle wirkten auf mich nicht sonderlich originell, sondern eher verrückt und überzogen. 

Johannes Steck liest die ungekürze Hörbuchversion (7 Stunden und 43 Minuten) auch diesmal wieder unaufgeregt und souverän.

Eine leichte Unterhaltung für zwischendurch, aber leider nichts von bleibendem Eindruck. Dennoch werde ich nun noch zum finalen Band der Trilogie greifen - in der Hoffnung, dass der mich wieder mehr überzeugen kann...


© Parden

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