England, Mitte des 21. Jahrhunderts – nach zahlreichen Terroranschlägen hat die englische Regierung die Grenzen dicht gemacht und verfolgt Verbrecher erbarmungslos.
Um den besonders unter Jugendliche verbreiteten Terrorismus zu bekämpfen, werden alle unter 16jährigen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, geslatet. Das heißt, sie werden nicht ins Gefängnis gesteckt oder zum Tode verurteilt, sondern „rehabilitiert“, indem ihr Gehirn so manipuliert wird, dass sämtliche Erinnerungen und ihre Persönlichkeit gelöscht werden. Ein so genanntes Levo misst und steuert danach über einen Chip im Gehirn nach der OP sämtliche Emotionen. Wer zu extrem negative Emotionen hat, wird per Steuerimpuls ausgeknockt oder sogar getötet. In monatelangen Krankenhausaufenthalten werden die Jugendlichen nach dem Slating wieder lebensfähig gemacht und danach mit einer neuen Identität in fremden Familien untergebracht. So soll ihnen eine Chance für einen Neustart ins Leben gegeben werden.
Die sechzehnjährige Kyla hat ein solches Slating hinter sich und wohnt bei ihrer neuen Familie. Auch ihre neue Schwester Amy und einige ihrer Schulkameraden sind Slater und helfen Kyla, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden. Schon bald merkt das Mädchen jedoch, dass sie sich von den anderen Slatern unterscheidet. Flashbacks und Albträume geben Kyla immer wieder Hinweise auf ihre Vergangenheit und auch ihre Emotionskontrolle scheint anders als bei ihren Schicksalsgenossen zu funktionieren. Dadurch neugierig gemacht, fängt Kyla an, Nachforschungen über ihre Identität anzustellen und bringt sich und möglicherweise auch andere damit in große Gefahr. Mitschüler und Lehrer verschwinden und Kyla ist überhaupt nicht klar, wem sie trauen kann und wem nicht. Außerdem hat sie die schlimme Vermutung, dass nicht nur Verbrecher zur Strafe geslatet werden, sondern möglicherweise auch Menschen, die der Regierung unbequem sind.
Ist es wirklich klug, dass sie weiterforscht oder wäre es besser, tatsächlich den Neustart zu machen und ihre alte Identität hinter sich zu lassen?
Teri Terrys Auftakt ihrer Zukunftsserie ist so ganz anders als viele Dystopien, die derzeit auf dem Jugendbuchmarkt sind. Die Idee, Verbrechen durch Manipulationen am Gehirn zu verhindern, ist ebenso faszinierend wie schrecklich, da dem möglichen Missbrauch Tür und Tor geöffnet sind. Heiligt da der Zweck wirklich die Mittel?
Wer bei GELÖSCHT auf einen Zukunfts-Thriller hofft, bei dem sich die Action überschlägt und auch möglicherweise mit körperlicher Gewalt nicht gespart wird, könnte eine herbe Enttäuschung erleben. Terrys Zukunftsvision geht eher in Richtung Psychothriller, in dem die Spannung aufgebaut wird durch die Beschreibung der Emotionen und Erlebnisse der Protagonistin Kyla. Die Geschichte wird im Präsens aus Kylas Ich-Perspektive erzählt. Zu Beginn ist die Hauptfigur fast gar nicht greifbar, was aber auch sehr passend ist, da sie durch das Slating eigentlich gar keine Persönlichkeit mehr hat. Erst nach und nach kommen immer mehr ihrer Eigenheiten durch, was bei einem Slater aber gar nicht sein dürfte. Als Leser wird man immer wieder auf eine falsche Fährte geschickt, was der Hintergrund für Kylas Verurteilung zum Slating gewesen sein könnte und welche Menschen in ihrem Umfeld vertrauenswürdig sind. Durch diese permanente Atmosphäre von Angst, Wut, Zweifel, Misstrauen in die Mitmenschen aber auch die eigene Identität, abgewechselt mit kurzen Momenten der Freude und Hoffnung wird eine Art der Spannung geschaffen, die den Leser nicht unbedingt direkt anspringt, sondern mehr durch die Hintertür herein kommt.
Die Charaktere sind nicht sehr ausgeprägt skizziert, was aber einerseits typisch für die Slater ist und andererseits auch möglicherweise die Haltung aller „Normalos“ widerspiegelt: Bloß nicht auffallen, damit man nicht auch ins Visier der Regierung und ihrer Spitzel gerät.
Mir hat GELÖSCHT sehr gut gefallen: die Idee, die hinter dem Plot steckt, ist sehr cool und die Sprache ist leicht und flüssig. Ein Buch, dass man locker wegschmökern kann, aber das auch, wenn der Leser mag, Impulse zum Nachdenken gibt. Ich freue mich sehr auf den Nachfolgeband, insbesondere da die Autorin es sich nicht hat nehmen lassen, GELÖSCHT mit einem fiesen Cliffhanger enden zu lassen. Im Frühjahr 2014 wissen wir dann, wie es mit Kyla weitergeht.