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schnaeppchenjaegerin

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Cover des Buches Die Anomalie (ISBN: 9783499006975)

Bewertung zu "Die Anomalie" von Hervé Le Tellier

Die Anomalie
schnaeppchenjaegerinvor 2 Tagen
Kurzmeinung: Originelle Idee, aber eine enttäuschende Umsetzung der Geschichte ohne Logik und Spannung
Originelle Idee, aber eine enttäuschende Umsetzung der Geschichte ohne Logik und Spannung

Ein und dasselbe Flugzeug mit den selben Passagieren und der selben Besatzung landet nach Turbulenzen zweimal in New York - im März 2021 und im Juni 2021. Während die Betroffenen zunächst noch ahnungslos sind, versucht die amerikanische Regierung zusammen mit hinzugezogenen Wissenschaftlern eine Erklärung für das Phänomen zu finden. Ist die Welt nur eine Simulation? Handelt es sich um einen Programmierfehler? Hat Gott seine Hand im Spiel? Und was passiert, wenn die Doppelgänger sich begegnen? Wo ist Platz für den zweiten von ihnen?

Ein interessanter Plot, der jedoch wenig spannend aufgebaut ist. Da schon durch den Klappentext von Anbeginn klar ist, worauf was die Geschichte hinausläuft, ist gerade der Anfang der Geschichte recht zäh. Man erhält Einblicke in die Leben verschiedener Personen in unterschiedlichen Ländern: ein Auftragskiller aus Frankreich, ein Musiker aus Nigeria, ein alternder Architekt und seine Geliebte, ein französischer Schriftsteller und eine junge, amerikanische Schauspielerin. Am Ende steht in allen Episoden das FBI bei ihnen und ihren Familien vor der Tür. Bei den Personen, die scheinbar nichts miteinander verbindet, handelt es sich um die Passagiere des Flugs von Paris nach New York, die es nach der zweiten Landung im Juni doppelt gibt.

Durch die nur kurzen Einblicke in die jeweiligen Leben bleiben die Charaktere unnahbar und austauschbar. Selbst deren Lebensumstände, die durch Verbrechen, Erkrankung oder gar Kindesmissbrauch, Potenzial für bewegende Geschichten geben, werden halbherzig und oberflächlich ausgeführt, was auch der Vielzahl der Personen geschildert ist.
Die Suche nach einer Erklärung ist nicht einmal annähernd spannend wie ein Kriminalroman. Es folgen Diskussionen von Wissenschaftlern, dem FBI, Regierungsvertretern und Vertretern der (Welt-)religionen, in denen verschiedene Theorien ausgeführt werden. Wissenschaftliche, philosophische und religiöse Thesen werden unterbreitet, aber letztlich ist das Resultat mit zwei Landungen und entsprechenden Doppelgängern so unglaublich, dass es schwer ist eine befriedigende, logische Lösung zu finden - und die kann auch der Autor nicht präsentieren.
Interessanter sind die Begegnungen der Doppelgänger, wie unterschiedlich die Reaktionen sind und was die Doubles mit ihren Leben zukünftig anstellen wollen.

"Die Anomalie" klingt vielversprechend und originell, verliert aber durch den Klappentext, der bereits die gesamte Handlung offenbart, schnell ihren Reiz. Die Geschichte ist zudem zu fragmentarisch erzählt und kann weder in der Art der Darstellung noch bei dem Versuch einer Erklärung des Phänomens Spannung erzeugen oder Emotionen wecken. Während man sich mehr oder minder damit abfinden muss, seine eigene Theorie zu bilden, wie es zur Dopplung kommen konnte, wird die Geschichte am Ende einzig durch die Begegnungen der Doppelgänger und wie sie ihr persönliches Debakel lösen, lebendiger und unterhaltsamer.

Cover des Buches Mühlensommer (ISBN: 9783462004786)

Bewertung zu "Mühlensommer" von Martina Bogdahn

Mühlensommer
schnaeppchenjaegerinvor 5 Tagen
Kurzmeinung: Ein Leben auf dem Land - eindrückliche Zeitreise und ein sentimentaler, aber auch sehnsüchtiger (Rück-)blick
Ein Leben auf dem Land - eindrückliche Zeitreise und ein sentimentaler, aber auch sehnsüchtiger (Rück-)blick

Maria ist zu einem verlängerten Wochenende zusammen mit Freunden und ihren beiden Töchtern aufgebrochen, als sie einen Anruf von ihrer Mutter erhält, dass ihr Vater einen Unfall hatte. Ohne zu Zögern fährt Maria nach Blumfeld zum Hof ihrer Eltern, wo sie sich um ihre demente Oma kümmert, die Viecher im Stall versorgt oder beim Brotbacken mitanpackt. Erinnerungen an eine Kindheit auf dem Land kommen in ihr hoch, an fröhliche Streiche mit ihrem Bruder, ein heimeliges Zuhause, aber auch das Mobbing in der Schule als Bauerskind und die Entbehrungen eines Lebens voller Arbeit. Mit dem Unfall des Vaters wird zudem deutlich, dass eine Aussprache und Entscheidung nötig ist, wie es mit dem Hof und der Mühle in Zukunft weitergeht.

Im Wechsel aus Gegenwart und Vergangenheit wird das Leben auf dem Land geschildert.

Maria ist zurück und muss sich notgedrungen Gedanken um ihr Erbe und ihr Zuhause machen, das nur im Einklang mit ihrem Bruder eine Zukunft hat.

Das Buch ist einerseits die Rückkehr einer erwachsenen Frau in ihre Heimat, die sie nach dem Abitur fluchtartig verlassen hat und einerseits das Schwelgen in Erinnerungen aus Kindessicht.

Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Vergangenheit und den Anekdoten und humorvollen Episoden zwischen Schweinestall, Kirchgang, Schulhof und Erntesommern, zwischen Schweineblut, Apfelkuchen, Eierlikör und Edle Tropfen in Nuss. Die Beschreibungen sind bildhaft und lebendig, zeigen das Leben auf dem Land eindrücklich und ungeschönt, mit allen Vor- und Nachteilen. Man erlebt eine Kindheit wie einen Urlaub auf dem Bauernhof, aber auch den arbeitsintensiven Alltag, einen von der Natur vorgegebenen Abläufen, der eine Leidenschaft für die Sache erfordert und kaum Platz für Freizeit und persönliche Entfaltung lässt.

Die Gegenwart nimmt weniger Raum ein und bleibt mit der Sorge um den kranken Vater und die Frage, ob und wie der Mühlenhof rentabel bewirtschaftet werden kann, etwas an der Oberfläche.

Die Mischung aus unbeschwerten, idyllischen und herrlich nostalgischen Elementen einer Kindheit in den 1980er-Jahren und einem Heranwachsen auf dem Land, wo alle selbstverständlich mit Anpacken mussten und nie genug Zeit und Geld für Urlaub, Ausflüge oder Einkaufsbummel war, ist gelungen, stimmt sentimental, aber auch sehnsüchtig.

Es ist eine warmherzige Geschichte mit einem persönlichen (Rück-)blick auf ein Zuhause und das Leben auf einem Bauernhof. Auch wenn manche Episode möglicherweise etwas übersteigert erzählt ist, spürt man doch, dass die Autorin eigene Erlebnisse schildert und ihre Liebe zum Leben auf dem Land.

Vor dem Hintergrund von Bauernprotesten und Diskussionen um Lebensmittelpreise ist der Roman tagespolitisch aktuell, auch wenn das positive Gefühl überwiegt und über die Erschwernisse der Arbeit in der Landwirtschaft nicht lamentiert oder gejammert wird, sondern nüchtern dargelegt wird, wie es ist.

Cover des Buches Heimweh (ISBN: 9783499006500)

Bewertung zu "Heimweh" von Graham Norton

Heimweh
schnaeppchenjaegerinvor 7 Tagen
Kurzmeinung: Dramatisch und spannend - erzählt von einem Zusammenbruch von Familien, von Selbstfindung, von Lügen und Geheimnissen, Schuld und Sühne.
Dramatisch und spannend - erzählt von einem Zusammenbruch von Familien, von Selbstfindung, von Lügen und Geheimnissen, Schuld und Sühne.

Im Sommer 1987 ereignet sich ein Verkehrsunfall, bei dem drei junge Menschen ums Leben kommen. Unter den Opfern ist ein Paar, das am nächsten Tag heiraten wollte und die Brautjungfer. Die Schwester der Brautjungfer überlebt schwer verletzt und fällt ins Koma. Die Kleinstadt steht unter Schock, die Angehörigen trauern und der stigmatisierten Familie des Todesfahrers bleibt nichts anderes übrig, als Connor fort zu schicken, um woanders ein neues Leben anzufangen. Sie können nicht ahnen, dass Connor sich schon bald nicht mehr melden wird.
Seine Schwester Ellen leidet unter den argwöhnischen Blicken der Einwohner Mullinmores und ist umso überraschter, als der Sohn des Arztes, der wie Connor den Unfall unverletzt überlebt hat, mit ihr ausgehen möchte.
Jahre später trifft Ellens Sohn Finbarr in einer Schwulenbar in New York auf seinen unbekannten Onkel Connor. Die Begegnung führt einerseits zu einer Wiedersehensfreude in Mullinmore, andererseits werden dadurch neue Dramen hervorgerufen, als eine unfassbare Wahrheit ans Licht kommt.

Der Roman handelt von 1987 bis 2019 und beginnt mit einem tragischen Unfall, wodurch der Schuldige keinen Platz mehr in der irischen Kleinstadt hat.
Für Connor Hayes ist das Exil jedoch die Chance auf einen Neuanfang und sein Leben abseits seiner katholischen Heimat neu und in Freiheit anzufangen. Sein Leben entwickelt sich rastlos und führt ihn von Liverpool über London nach New York, wo er von seinem Neffen betrunken im Rinnstein aufgelesen wird.
Parallel zu Connors Weg geht das Leben in Mullinmore weiter, wo Ellen Hayes den angehenden Arzt Martin Coulter heiratet, die Ehe sich jedoch nicht glücklich entwickelt.

Die Handlung ist von Zeitsprüngen geprägt und wird aus wechselnden Blickwinkeln erzählt, was zu Beginn aufgrund der Vielzahl der Personen ein wenig unübersichtlich ist. Nach wenigen Kapiteln ist man jedoch mitten im Geschehen und erfolgt gebannt den Ereignissen und den Protagonisten auf ihrer Suche nach Glück.

Traurigen Episoden folgen die Euphorie einer Verliebtheit bis bald Ernüchterung Einzug hält. Connor und Ellen arrangieren sich mit ihren Leben, wie sie meinen es verdient zu haben. Connor bricht jeden Kontakt nach Hause ab und Ellen sieht über die Geheimnisse ihres Mannes hinweg. Das Wiederauffinden von Connor führt zu einer überraschenden Wende und lässt all die vergangenen Ereignisse und Schicksale in einem ganz anderen Licht dastehen.

Das Buch ist dramatisch und spannend, erzählt von einem Zusammenbruch von Familien, von Selbstfindung, von Lügen und Geheimnissen, Schuld und Sühne. Es ist das Porträt einer Kleinstadt mit ihren Vorurteilen und Zwängen und den bewegten und bewegenden persönlichen Lebenswegen, die authentisch geschildert werden.
Trotz der Tragik und Melancholie ist die Geschichte durch die Wende hoffnungsvoll, wenn die Charaktere aus ihrer Passivität ausbrechen, für sich einstehen und ein positiver Trend zu mehr Toleranz in den 2000er-Jahren offenbar wird. Sie endet dann auch sehr versöhnlich ohne Groll in Bezug auf die Vergangenheit und begangenes Unrecht und erlebte Enttäuschungen.

Cover des Buches Das leise Platzen unserer Träume (ISBN: 9783961611720)

Bewertung zu "Das leise Platzen unserer Träume" von Eva Lohmann

Das leise Platzen unserer Träume
schnaeppchenjaegerinvor 10 Tagen
Kurzmeinung: Drei Menschen, ein Leben zwischen Stadt und Land - feinfühlig beschriebenes Beziehungsdrama, das trotz seiner Alltäglichkeit fesselt
Drei Menschen, ein Leben zwischen Stadt und Land - feinfühlig beschriebenes Beziehungsdrama, das trotz seiner Alltäglichkeit fesselt

Jule und David sind vor ein paar Jahren aufs Land gezogen und haben mit der Renovierung eines Bauernhauses einen Traum erfüllt. Jule hatte dafür ihre Eisdiele in der Stadt verkauft und arbeitet nun als Caterer für Veranstaltungen in einem benachbarten Gutshof. In dem Dorf fühlt sie sich noch immer fremd und konnte die Stadt-Jule nie ganz ablegen. Der Traum von Kindern hat sich nue erfüllt und die Ehe mit David ist merkbar abgekühlt. Sie sehen sich zu den Mahlzeiten, gucken noch gemeinsam einen Film und teilen sich ein Bett, jedoch nicht mehr ihre Gedanken und Gefühle.

Was Jule nicht weiß, ist dass David in der Stadt eine Affäre mit Hellen hat. Hellen ist alleinerziehende Mutter von Zwillingen und Instagramerin, die neugierig auf die andere Frau von David ist und heimlich ein Treffen arrangiert.

Der Roman wird abwechselnd aus der Perspektive der beiden Frauen geschildert, während David als verbindendes Element keine eigene Stimme erhält. Jules Sicht aus der dritten Person nimmt dabei mehr Raum ein, ihr Alltag auf dem Land und die Gedanken, die sie sich über ihre Ehe macht, stehen im Fokus. Die Affäre ist jeweils auf wenige Seiten beschränkt und spricht Jule direkt an. Hier spürt man eine unheimliche Faszination, wenn Hellen Jules Leben und insbesondere ihre Ehe analysiert.

Es werden vor allem Alltagsszenen beschrieben. Es gibt nur wenig Dialoge oder dynamische Aktionen. Gerade aufgrund Einblicke in völlig normale Leben wirkt die Geschichte so lebensnah und authentisch. Jules Zögern eine lieblose Ehe zu beenden und stoisch an einem Status quo festzuhalten, der weder glücklich noch unglücklich macht, ist dabei genauso verständlich wie Hellens nüchterne Sicht auf die Ménage-à-trois.

Mit feiner Beobachtungsgabe wird der Unterschied zwischen Affäre und Betrogener und das Leben auf dem Land und in der Stadt skizziert. Die Geschichte handelt dabei von einer Suche nach Glück, von Enttäuschungen und zerstörten Lebensträumen. Die Zustandsbeschreibung einer Ehe, die vor die Wand gefahren wurde, stimmt traurig, hatten die handelnden Personen sich ihre Leben doch ganz anders ausgemalt und keine wirklich außergewöhnlichen Wünsche gehabt. Die Geliebte scheint der Liebe abgeschworen und den Glauben an eine intakte Familie verloren zu haben

"Das leise Platzen unserer Träume" ist der treffende Titel für ein feinfühlig beschriebenes Beziehungsdrama, das trotz seiner Alltäglichkeit fesselt und trotz nur weniger Seiten einen bleibenden Eindruck hinterlässt, auch wenn am Ende irgendwie die Luft in der Geschichte raus ist und ein befriedigender Schlusspunkt oder Ausblick fehlt.

Cover des Buches Die Dämmerung (Art Mayer-Serie 2) (ISBN: 9783864932625)

Bewertung zu "Die Dämmerung (Art Mayer-Serie 2)" von Marc Raabe

Die Dämmerung (Art Mayer-Serie 2)
schnaeppchenjaegerinvor 12 Tagen
Kurzmeinung: Fabelhafte Fortsetzung der Reihe: Spannender Plot und außergewöhnliche, aber glaubwürdige Charaktere
Fabelhafte Fortsetzung der Reihe: Spannender Plot und außergewöhnliche, aber glaubwürdige Charaktere

Im Wald im Berliner Umland wird eine grausam zugerichtete Frauenleiche gefunden. Charlotte Tempel wurde regelrecht hingerichtet, an einen Baum gebunden und mit einem Hirschgeweih auf dem Kopf geschmückt. Die in der Öffentlichkeit beliebte Frau galt als Wohltäterin und sollte für ihr Engagement der Medienpreis Hirsch verliehen werden. Am Tag des Mordes hatte sie Streit mit ihrer erwachsenen Tochter Leo, die als Klimaaktivistin aktiv ist. Bei einer ersten Befragung macht sie sich zudem mit provokanten Antworten verdächtig und hat für den Zeitpunkt der Tat kein nachweisliches Alibi. Art Mayer, der ihr zusammen mit seiner jungen Kollegin Nele Tschaikowski auf den Zahn fühlt, hat seine Zweifel, ob die junge Frau ihre Mutter tatsächlich so sehr gehasst hat, dass sie für einen Mord dieser Art verantwortlich ist. Und dann wird eine weitere Frauenleiche gefunden, die die Polizei zunehmend unter Druck setzt.

"Die Dämmerung" ist nach "Der Morgen" der zweite Band der Thrillerreihe um die beiden BKA-Ermittler Artur Mayer und Nele Tschaikowski. Beide Teile sind unabhängig von einander zu lesen, allerdings ist es zum besseren Verständnis hilfreich, den Vorgängerband zu kennen, denn Art und Nele haben privat ihre Päckchen zu tragen und zudem gibt es diverse personelle Überschneidungen zum ersten Band, die die Krimihandlung und die Hauptfiguren rund machen.

Mit dem Fund der inszenierten Leiche beginnt der Thriller spektakulär und wird durchgehend spannend erzählt. Neben der Handlung in der Gegenwart, die von den schwierigen Ermittlungen geprägt ist, gibt es Aufzeichnungen einer Kassette, die das Martyrium einer schwangeren jungen Frau schildern. Wie dieses Schicksal mit den aktuellen Mordfällen zusammenhängt, ist nur schwer zu erahnen.
Die Geschichte entwickelt eine Sogwirkung, denn beide Erzählstränge sind unfassbar spannend und undurchsichtig. Zudem trägt auch das unkonventionelle Auftreten des Ermittlerduos, die sich für ihren Erkenntnisgewinn nicht immer an Recht und Gesetz halten, zu einem unterhaltsamen Handlungsverlauf bei. Die privaten Belange von Art und Nele machen die beiden Hauptfiguren wunderbar menschlich und ergänzen die Krimihandlung, ohne Überhand zu nehmen. Die Fragen, die sich dabei zu Elternschaft, Verantwortung und frühen Kindheitstraumen ergeben, geben der Handlung noch mehr Tiefe und wecken Emotionen.

"Die Dämmerung" ist ein stimmiger Thriller, indem sich die Handlungsstränge der Vergangenheit und Gegenwart perfekt ergänzen und durch den stetigen Wechsel und die Offenbarung kleinster Puzzleteile die Spannung konsequent hochhalten. Die Charaktere sind glaubwürdig und der Bezug zu aufwühlenden Themen wie Klimawandel und damit verbundener Aktionismus sowie Korruption in der Politik und den Polizeistrukturen fließen wohldosiert ein und machen auch Band 2 wieder zu einem großartigen Leseerlebnis. Gespannt darf man bereits auf den dritten Teil der Reihe warten, der mit "Die Nacht" im Februar 2025 erscheint und hoffen lässt, dass es sich dabei nicht um den letzten Band der Reihe handelt.

Cover des Buches Während ich hier bin (ISBN: 9783426284315)

Bewertung zu "Während ich hier bin" von Emma Steele

Während ich hier bin
schnaeppchenjaegerinvor 14 Tagen
Kurzmeinung: Empathisch geschilderte Geschichte über zweite Chancen und das Leben im Moment
Empathisch geschilderte Geschichte über zweite Chancen und das Leben im Moment - ohne Kitsch und Plattitüden

Vor einem Jahr hat Maggie nach langer Krankheit ein Spenderherz erhalten und muss sich noch immer schonen. Sie wohnt bei ihren Eltern in Edinburgh, die ein wachsames Auge auf die 30-Jährige haben und in ständiger Sorge sind. Nach einem Ausflug zur Feier ihres Jahrestags der Organspende und einem Streit mit ihrer Schwester, die ihr vorwarf, ihr Leben zu verschwenden und nichts daraus zu machen, bricht Maggie zusammen.
Sie erwacht in einer fremden Wohnung, in einem fremden Körper und ist kerngesund. Sie findet keine Erklärung für ihren Zustand, vermisst anfangs ihre Familie, aber findet sich bald mit ihrem neuen Leben ab, dass sie in vollkommener Freiheit leben kann. Sie lernt ihren Nachbarn Adam kennen, in den sie sich verliebt und findet durch ihn bald Freunde. Sie belegt verschiedene Kurse und geht ganz ihren Neigungen nach, bis sie etwas über die Frau herausfindet, deren Leben sie lebt, das das Ende ihres neuen Lebens bedeuten könnte.

"Während ich hier bin" ist ein Roman über eine junge Frau, aufgrund einer schweren Herzerkrankung jede Anstrengung und jedes Abenteuer vermieden hat, um ihr Herz zu schonen und ihrer Familie kein weiteres Leid zuzufügen, nachdem bereits ihre Schwester durch einen Unfall ums Leben gekommen war.
Doch Maggie erhält eine zweite Chance - durch eine Organspende und einen intensiven Einblick in ein anderes Leben.

Die Geschichte ist lebendig und berührend geschildert. Maggie ist eine bodenständige und sympathische Frau, die zuerst an andere denkt. Aus der Ich-Perspektive erzählt, kann man sich sehr gut in sie und ihre Denkweise hineinversetzen. Sie ist ängstlich, von Schuldgefühlen geplagt und hält sich aufgrund ihres Leidenswegs mit allem zurück, was ein erfülltes Leben ausmacht.

Die Wende, die frühzeitig einsetzt und Maggie und die/ den Leser an einen anderen Ort zwei Jahre früher versetzt, bewirkt ein Umdenken in Maggie und lässt sie ihre zweite Chance wahrnehmen. Unabhängig davon ob man an parapsychologische Phänomene glaubt oder den Wandel mit einem intensiven, komatösen Traum erklären mag, ist die Geschichte authentisch, lebendig und einfühlsam geschildert. Es ist schön zu sehen, wie Maggie aufblüht, offen für Neues ist, Dinge ausprobiert, Freunde findet und sich verliebt. Dabei begleitet sie jedoch stets eine Unsicherheit, die absolut nachvollziehbar ist und sie ihr eigenes Leben immer wieder in Frage stellen lässt.

"Während ich hier bin" ist der passende Titel dafür, im Augenblick zu leben, den Moment zu genießen und sich seinen Träumen hinzugeben. Maggie lernt, dass es nicht auf die Länge eines Lebens ankommt, sondern dieses bestmöglich zu nutzen. Auch wenn das vielleicht Plattitüden sind, die im Alltag nicht so leicht umzusetzen und es schon zahlreiche Bücher gibt, die diese Botschaften vermitteln, ist es eine lesenswerte, da so unterhaltsame und empathische Geschichte mit nahbaren Charakteren, die am Ende nicht abgeschmackt wirkt. Durch den flüssigen Schreibstil bin ich nur so durch die Seiten geflogen.

Cover des Buches Mit den Jahren (ISBN: 9783312013111)

Bewertung zu "Mit den Jahren" von Janna Steenfatt

Mit den Jahren
schnaeppchenjaegerinvor 16 Tagen
Kurzmeinung: Lebensnahe Darstellung der Sehnsüchte und Verunsicherungen von Middle Agern
Lebensnahe Darstellung der Sehnsüchte und Verunsicherungen von Middle Agern

Jette ist Anfang 40, wohnt seit kurzem in Leipzig und versucht sich daran, einen Roman zu schreiben. Ihre Brötchen verdient sie mit einem Job in einer Videothek und lernt in einer Kneipe um die Ecke Lukas kennen. Dieser ist Maler, verheiratet und Vater zweier kleiner Kinder. Auch wenn Jette bisher nur Beziehungen mit Frauen hatte, fühlt sie sich zu Lukas hingezogen, der seinerseits nicht abgeneigt ist.
Unabhängig davon fühlt sich Eva in ihrer Ehe mit Lukas nicht mehr wohl. Sie ist erdrückt vom monotonen Alltag als Mutter, den sie überwiegend allein bewältigt, während der Künstler mit Abwesenheit glänzt.
Durch einen Fehler von Lukas verbinden sich die drei Leben auf unerwartete Weise miteinander.

Der Roman wird abwechselnd aus den Perspektiven aller drei Hauptfiguren geschildert. Jette, Lukas und Eva sind im selben Alter, nicht unglücklich, aber auch nicht wirklich unglücklich. Jette ist als Single einsam und Eva und Lukas sind trotz Zweisamkeit und der Rolle als Eltern einsam. Sie hadern mit ihren Leben und fragen sich, ob der Status quo alles sein soll. Sie alle drei vereint eine Sehnsucht und ein Egoismus, sich selbst wichtiger zu nehmen.
Während sich Jette und Lukas in eine lose Affäre treiben lassen, bricht Eva ganz bewusst aus und macht als Mutter den drastischsten Schritt.
Die drei Charaktere erscheinen dabei keinesfalls unsympathisch, man kann sich sehr gut in ihre Situation und das Gefühl einer Midlife-Crisis hineinversetzen.

Der Roman schildert einzelne Momente in deren Leben, gemeinsame Episoden, aber vor allem auch die Gedanken, die sie bewegen und verunsichern. Die Geschichte kommt dabei ohne viele Dialoge aus und ist trotzdem sehr lebendig erzählt.
Gespannt darf man erwarten, für welches Leben sie sich entscheiden werden und wie viel Veränderung nötig sein wird, um mit sich und seiner Umgebung zufriedener zu sein. Das erfordert Mut, denn letztlich ist ein Schnitt auch immer mit einem Risiko verbunden.

Das Buch ist durch die lebensnahe Darstellung des Alltags und der Probleme der Protagonisten sehr authentisch und trifft dabei genau den Nerv für alle Leser in der Lebensmitte. Denn wünscht sich nicht jeder, einfach nur glücklich zu sein?

Cover des Buches Der längste Sommer ihres Lebens (ISBN: 9783453272989)

Bewertung zu "Der längste Sommer ihres Lebens" von Amelie Fried

Der längste Sommer ihres Lebens
schnaeppchenjaegerinvor 19 Tagen
Kurzmeinung: Lebendig geschilderte Geschichte über die drängenden Fragen unserer Zeit, wenn auch für eine Familie etwas zu viel Drama
Lebendig geschilderte Geschichte über die drängenden Fragen unserer Zeit, wenn auch für eine Familie etwas zu viel Drama

Claudia Berner ist Geschäftsführerin und Erbin eines Autohandels in Meutlingen. Als junge Frau hatte sie ihre eigenen Träume aufgegeben, um in den Familienbetrieb einzusteigen, doch nun mit knapp 50 Jahren möchte sie einen neuen Weg gehen und die Verantwortung für die Firma an ihren Mann übergeben. Claudia beabsichtigt, als Bürgermeisterin in der schwäbischen Kleinstadt zu kandidieren und den konservativen Amtsinhaber zu ersetzen.

Als sie den Rückzug aus ihrer beruflichen Laufbahn verkündet, beginnt ihre bisher vernünftige, gerade volljährig gewordene Tochter Anouk, zu rebellieren, die Schule abzubrechen und sich als militante Klimaschützerin öffentlichkeitswirksam zu engagieren.

Schon bald werden Zweifel laut, ob die Mutter einer solchen Tochter die geeignete Kandidatin für die Aufgabe der Bürgermeisterin ist, während dem Autohandel die Aufträge verloren gehen.

Der Roman handelt im Sommer 2022 in der fiktiven, schwäbischen Kleinstadt Meutlingen und ist überwiegend aus der Sicht der sympathisch engagierten, patenten Claudia Berner geschrieben. Daneben gibt es auch Einblicke in die beiden anderen erwachsenen Hauptfiguren, Matriarchin Marianne und den um seine Position ringenden Ehemann Martin.

Die Geschichte ist politisch und gesellschaftlich aktuell und lebendig geschrieben. Es fällt leicht, sich in Claudia hineinzuversetzen, die als Mutter, Ehefrau, Geschäftsfrau, angehende Politikerin und Frau mit persönlichen Zielen und Träumen zwischen allen Stühlen sitzt.

Themen, die uns alle angehen, werden geschickt mit der Geschichte über eine Familie verknüpft, in der alles zusammenzubrechen droht. Neben der Firma steht die Ehe der Berners und der Verlust der Tochter auf dem Spiel, die sich unnachgiebig und selbstzerstörerisch der Organisation "Fünf nach zwölf" verschrieben hat und zu einer Klimakleberin in den Schlagzeilen mutiert ist.

Die Situation in dem heißen Sommer, was das Gefühl um die Klimakatastrophe untermauert, spitzt sich unaufhaltsam zu. Dabei ist sowohl der Konflikt zwischen den Generationen als auch zwischen den unterschiedlichen politischen Ansichten eindringlich dargestellt. Man versteht die Positionen, auch wenn nicht alle Handlungen dafür gutzuheißen sind.

Die festgefahrenen Haltungen und die Sorgen um die Tochter sorgen für Spannung, wie die Geschichte für jeden einzelnen ausgehen wird. Dabei ist auch die Entwicklung der Charaktere interessant, die sich selbst hinterfragen müssen.

"Der längste Sommer ihres Lebens" ist eine unterhaltsame Geschichte über die drängenden Fragen unserer Zeit, eine Geschichte über Zukunftsängste und die Verantwortlichkeit der Generationen und daneben eine Geschichte über den Wunsch nach Selbstentfaltung, den Mut seine Träume zu leben und die Schwierigkeit, ein guter Mensch zu sein.

Das Buch ist reichlich konfliktgeladen, hat dafür aber ein versöhnliches Ende - für die Familie und jeden einzelnen von ihnen, der sich in dem Sommer entscheidend weiterentwickelt hat.

Cover des Buches Wort für Wort zurück ins Leben (ISBN: 9783423218825)

Bewertung zu "Wort für Wort zurück ins Leben" von Beth Miller

Wort für Wort zurück ins Leben
schnaeppchenjaegerinvor 21 Tagen
Kurzmeinung: Sehr gefühlsbetonter Roman mit einer Familiengeschichte, die einzig auf Lügen basiert.
Sehr gefühlsbetonter Roman mit einer Familiengeschichte, die einzig auf Lügen basiert, so dass wenig Verständnis für die Protagonisten aufgebracht werden kann

Pearl Flowers lebt zusammen mit ihrem Mann Denny in einem Cottage im Wald bei Sévérac-le-Chateau in Frankreich. Sie sind zufrieden mit ihrem gleichförmigen Leben zu zweit, als ein Anruf von Pearls älterem Bruder Greg die Routine durchbricht und ihr mitteilt, dass ihr Vater Francis im Sterben liegt. Pearl hat ihren Vater, der die Familie verlassen hatte, um eine andere Frau zu heiraten, seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Dennoch beschließt sie, nach England zu fahren.
Pearl hat nicht mehr die Gelegenheit mit ihrem Vater zu sprechen, erbt neben einem kleinen Geldbetrag jedoch seine Tagebücher, die er seit über 30 Jahren geschrieben hat. Auch wenn ihre Brüder und ihr Mann sich Sorgen um die zerbrechliche Pearl Sorgen machen und Francis neue Familie das Erbe anfechtet, beginnt Pearl die Aufzeichnungen in Kurzschrift zu lesen und kommt zu Gewissheiten - auch über sich selbst.

"Wort für Wort" zurück ins Leben ist eine sanft erzählte Geschichte, in deren Mittelpunkt eine Frau steht, die sich in die Einsamkeit zurückgezogen hat, um sich vor Verletzungen zu schützen. An ihrer Seite ist ein treuer Ehemann, der vereinnahmend überbehütend und bevormundend ist, woran Pearl sich gewöhnt hat.
Nach der Testamentseröffnung setzt sich Pearl über alle Einmischungen hinweg und widmet sich den Tagebüchern ihres Vaters - ein Vermächtnis über sein Leben - das überraschend auch Details über Pearls Leben beinhaltet, was sie gleichzeitig schockiert und berührt.

Ein weiterer Erzählstrang, der im Klappentext nicht erwähnt ist, handelt von Caroline Haskett aus Bristol, einer jungen Frau, die ihrer Mutter auf dem Sterbebett versprechen musste, Pearl zu kontaktieren.
Auch wenn Carrie durch ihre todkranke Mutter und die Trennung vom Vater ihres Kindes das Glück auch nicht gepachtet zu haben scheint, ist diese Perspektive weit weniger schwermütig zu lesen, als die Sicht von Pearl. Carrie ist ein Mensch, der mit beiden Beinen im Leben steht und sich nicht so leicht unterkriegen lässt. Ihr Geplänkel mit ihrer kleinen Tochter Emmie und selbst ihrem Exfreund Ian sind erfrischend und herzlich.

Wie Pearl und Carrie zusammenhängen, erfährt man nach der Hälfte des Romans. Die Offenbarung ist überraschend und nur ein weiteres Puzzlestück, das neugierig macht, die gesamte Geschichte von Pearl zu erfahren.

Der Roman handelt von einer Entfremdung und einer späten Annäherung, von Reue und Vergebung, von Trauer und Einsamkeit, von zweiten Chancen und Selbstbehauptung.
Die Aufzeichnungen in den Tagebüchern von Francis werden nicht im Detail dargestellt und spielen eine geringere Rolle, als erwartet. In den Fokus rücken die Charaktere und ihre verletzten Gefühle, ihr emotionaler Ballast und ihre Täuschungen, Lügen und Geheimnisse, die die langsam erzählte Geschichte allmählich vorantreiben.
Allerdings überwiegt so viel Ungesagtes und Misstrauen untereinander und die Handlungen der Charaktere sind wenig nachvollziehbar, dass die Geschichte holprig wirkt und von zu vielen Dramen und Geheimnissen dominiert ist, dass die Familienkonstellation schon fast toxisch wirkt. In der Vergangenheit wurde viel falsch gemacht und in der Gegenwart ist das Verhalten der Figuren ähnlich (ent)täuschend. Weder der schwache Francis noch das "graue Mäuschen" Pearl sind Identifikationsfiguren, die übrigen Familienmitglieder bleiben Statisten.

Anders als in der Beschreibung des Verlags erfährt man fast nichts über die Vater-Tochter-Beziehung und auch bleiben Wärme und Witz in der Geschichte weitgehend aus. Die Familiengeschichte basiert einzig auf Lügen, was ihr den Charme nimmt. Zudem entwickelt sich die Geschichte nach einem altbekannten Schema, in dem erst jemand sterben muss, bevor ein Stein ins Rollen gebracht wird. Hier sind es direkt drei Annäherungen zwischen den Generationen, wovon mindestens eine zu viel ist.

Cover des Buches Ein falsches Wort (ISBN: 9783103975130)

Bewertung zu "Ein falsches Wort" von Vigdis Hjorth

Ein falsches Wort
schnaeppchenjaegerinvor 23 Tagen
Kurzmeinung: Ein Kindheitstrauma und die Entzweiung einer Familie - aus Sicht des Opfers anstrengend zu lesen
Ein Kindheitstrauma und die Entzweiung einer Familie - aus Sicht des Opfers anstrengend zu lesen

Bergljot hat vor Jahren mit ihrer Familie gebrochen und den Kontakt zu ihren Eltern eingestellt. Mit einer ihrer jüngeren Schwestern steht sie sporadisch in Verbindung, ihre Kinder treffen zu Feiertagen die Großeltern und Tanten.
Das Erbe unter den Kindern sollte in den Augen der Eltern gerecht aufgeteilt werden: die jüngeren Töchter, zu denen eine enge Bindung besteht, erben jeweils eine Ferienhütte, während Bergljot und ihr Bruder Bård dafür ausgezahlt werden. Als Bård jedoch erfährt, dass der Schätzpreis der Hütten zu niedrig angesetzt wurde, bricht ein erbitterter Erbstreit aus, in den Bergljot unfreiwillig hineingezogen wird. Sie wird damit wieder an den Grund ihres Bruches erinnert und dass dieser innerhalb der Familie nicht anerkannt und totgeschwiegen wird. 

Nach Jahren von Alpträumen und Therapie ist Bergljot bereit, ihr Schweigen zu brechen und die Familie mit der ungeschönten Wahrheit zu konfrontieren.  
Auch wenn Bergljots Trauma anfangs nicht direkt benannt wird, wird durch ihr Verhalten und die angsterfüllten Gedanken deutlich, was zwischen ihr und ihrem Vater in der Kindheit vorgefallen ist, was die Mutter ignoriert und was die jüngeren Schwestern nicht miterlebt haben.  

Der Roman ist in kurze Abschnitte unterteilt, in denen zwischen Gegenwart und Vergangenheit willkürlich gewechselt wird. Aus Sicht der traumatisierten Ich-Erzählerin, die fast 50 Jahre nach ihren einschneidenden Erlebnissen und 23 Jahre nach dem Bruch mit ihrer Familie, leidet und auf eine Art von Gerechtigkeit, Entschuldigung oder wenigstens Anerkennung hofft, ist die Geschichte sehr intensiv.
Neben dem Erbstreit, der das fragile Familiengefüge belastet, ist Bergljots Trauma und der Vorwurf an Vater und Mutter zentral. Verzweiflung, Angst und Wut stehen im Raum und nehmen Bergljot die Luft zum Atmen.  


Auch für den Leser ist die Lektüre anstrengend. Nicht, weil Details aus der Kindheit lautwerden, sondern weil die Seelenqual Bergljots, die Ignoranz ihrer Primärfamilie und der eigentlich lächerliche Streit über den Wert zweier Hütten, so einnehmend sind. Eine aktive Handlung gibt es in dem Roman kaum, die Themen drehen sich im Kreis, in Bergljots Gedanken und in der Auseinandersetzung mit Angehörigen und Freunden.  

"Ein falsches Wort" handelt von einem brisanten Thema und der Entzweiung einer Familie. Was kann es Schlimmeres geben, als wenn Kinder nicht einmal in ihrer eigenen Familie sicher sind? Die Schuld kann nur bei den Erwachsenen gesucht werden, das Kind ist immer das Opfer.
Eine Vergebung erscheint aussichtslos, ein Ausweg nur in einem Befreiungsschlag und endgültiger Lossagung möglich.
Durch die zahlreichen - zum Teil wortwörtlichen - Wiederholungen und den willkürlichen Wechsel zwischen Zeiten und Schauplätzen ist das Lesen anstrengend. Als Stilmittel, um Bergljots Trauma nachzuvollziehen, sind die retardierenden und wirren Gedanken nachvollziehbar, als Roman jedoch zäh und ermüdend. Die Geschichte, die sich letztlich auf eine Wut und dem Wunsch nach Anerkennung auf und durch die verbliebenen Familienmitglieder fixiert und retardierend darlegt, wie verfahren und ausweglos die Situation ist, hätte auch auf die Hälfte der Seite heruntergebrochen werden können.

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