Andreas Hopperts Romane zeichnen sich durch drei Besonderheiten aus:
1. Sie sind äußerst unterhaltsam verpackte Lehrstücke in juristischen Fragestellungen. Was den Leser bei einem Autor, der Richter am Sozialgericht ist, nicht überraschen darf.
2. Sie sind in einer sehr knappen, präzisen Sprache verfasst.
3. Der Begriff “Wendung” ist vermutlich von Hoppert erfunden worden: seine Geschichten schlagen vor allem gegen Ende unglaubliche unvermutete Volten, wie ein Feldhase, dem der Hund ans Fell will.
Alle diese Eigenschaften treffen auch auf “Die Mandantin” zu, Hopperts neuen Kriminalroman, der gerade frisch bei Grafit erschienen ist. Der Rechtsanwalt Marc Hagen, sein Bielefelder Dauerprotagonist, bekommt es diesmal mit einer Mandantin zu tun, die dem Leser erst einmal Mitleid abverlangt – denn sie ist vergewaltigt worden. Allein wie Hoppert einen Haftprüfungstermin beschreibt, bei dem über die weitere Verfahrensweise mit dem verdächtigen Täter entschieden wird, ist hochgradig interessant. Die Nüchternheit, mit der Anwalt, Staatsanwalt und Richter über ein so hochemotionales Thema wie eine Vergewaltigung diskutieren und alle möglichen und unmöglichen Argumente auf den Tisch legen, lässt einem mitunter den Mund offenstehen.
Dann schlägt die Geschichte so ein bisschen eine Richtung mit einer Mischung aus “Die Hand an der Wiege” und “Basic Instinct” ein: die Mandantin nistet sich in Hagens Haushalt ein und entfremdet den armen Marc zusehens von seiner eigenen Familie, jedenfalls scheint es einem so. Doch in diesem Buch scheint einem vieles, und am Ende ist es doch ganz anders, als man denkt. Hagen gräbt sich tief in die Vergangenheit dieser Frau, die offensichtlich psychisch krank ist. Und natürlich steht bei einer Frau mit diesem Hintergrund auch die Glaubwürdigkeit der Vergewaltigungsanschuldigung auf der Kippe.
Hopperts Meisterstück ist jedoch, dass er es schafft, in den LETZTEN Satz auf der LETZTEN Seite eines Kriminalromans noch eine Wendung einzubauen. Also nicht nach hinten blättern, das verdirbt den Spaß!
Nach Schwanengesang ist das mein zweiter “Hoppert” und garantiert nicht mein letzter.
DIE MANDANTIN ist ein wendungsreicher Psychothriller mit unterhaltsam verpacktem juristischem Fachwissen und einem mehr als überraschenden Ende. Empfehlenswert.