Bewertung zu "Deutschlands sexuelle Tragödie" von Bernd Siggelkow
Die sexuelle Verwahrlosung unserer Kinder
Jana ist 14 Jahre alt und wohnt gemeinsam mit ihrer 15 Jahre älteren Mutter in einer Berliner Plattenbausiedlung. Ob Jana stolz auf ihre Mutter ist? Gar keine Frage! Immerhin hat diese erfahrene Frau den eigenen Angaben zufolge bereits mit mehr als 100 Männern geschlafen. Jana selbst hatte ihr „erstes Mal“ mit zwölf und kann sich heute ein Leben ohne Sex kaum noch vorstellen.
Nicht selten schauen sich Mutter und Tochter abends gemeinsam Pornofilme an um neue Stellungen zu lernen. Vielleicht darf Jana demnächst auch mal ihrer eigenen Mama beim Akt zusehen, denn diese gibt zu, dass sie dieser Gedanke auch „ein wenig scharf macht“. Dem Papa wird es wohl auch egal sein. Er hat seine eigene Tochter bisher noch nie gesehen, geschweige denn väterliches Interesse an dem biologischen Endprodukt der kurzen, durch intimen Spaß geprägten Nacht bekundet.
Länger als zwei oder drei Jahre eine Beziehung mit ein und demselben Mann zu führen kann sich die heute 14 Jährige nicht vorstellen. Aus sexueller Sicht betrachtet ist für Jana nach einem Jahr bekanntermaßen ohnehin die Luft raus. Einen gewissen Kick bringt die körperliche Nähe da sicherlich nicht mehr mit sich.
Janas jetziger Freund ist 40 Jahre alt. Kennengelernt hat sie ihn im Internet. Auch hier hat die Mama keine Einwände, immerhin werden Mutter und Tochter jetzt zum Einkaufen gefahren. Ein eigenes Auto haben die beiden nicht.
Anders als Jana ist Jessie (17) nicht auf die Mama, sondern vielmehr auf sich selbst stolz, wenn sie die Zahl ihrer bisherigen Geschlechtspartner bilanziert. 51 sollen es demnach gewesen sein. Was, wann, wo, mit wem wie gemacht wurde, weiß Jessie nicht aus dem Effeff. Für diesen Fall zieht sie ihr sauber geführtes Tagebuch zurate. Doch das allein ist längst nicht alles was Jessie den Mitarbeitern der Arche (am Ende des Artikels näher beschrieben) zu berichten hat. Hin und wieder erwischt sie ihre eigene Mutter mit einem ihrer (jugendlichen) Exfreunde im Bett. Dass ihr das etwas ausmachen würde, kann Jessie nicht behaupten.
»Mutter und Tochter hatten sogar schon einmal zusammen Sex mit zwei Jungs von 15 und 17 Jahren. Das hatten die beiden einmal in einem Porno gesehen und wollten es nun selbst ausprobieren.«
Diese Zeilen schockieren Sie? Dann darf ich Ihnen an dieser Stelle herzlich dazu gratulieren, dass Sie als Leser/in zu einer mehr und mehr in sich zusammenschrumpfenden Masse der Gesellschaft zählen, die die Schilderungen dieser beiden Schicksale als abnorm einstufen. Denn die traurige Wahrheit ist, dass den Angaben der Autoren zufolge die Zahl jener Menschen, die die Meinung vertritt, dass solche Dinge „normal“ seien und das Verständnis zum Thema Sex in Bezug auf die eigenen Kinder dadurch gefördert wird, exponential steigt.
In vielen solcher Kurzgeschichtenformen erschließen uns Bernd Siggelkow und Wolfgang Büscher die makaberen Schicksale jener Kinder und Jugendlichen, mit denen sie tagtäglich zu tun haben und die dem Anschein nach auch keine Einzelfälle zu sein scheinen.
»Ein sonst eher stilles Mädchen sagte mir, sie haben mit neun das erste Mal Geschlechtsverkehr gehabt. Ihre Mutti sei allerdings nicht sauer gewesen.«
(SMS einer Sozialpädagogin im Auftrag der Arche aus der Einleitung des Buches)
Wenn Kinder durch Frühsexualisierung die Fähigkeit für stabile Beziehungen verlieren sind die ethnischen Folgen für die Zukunft verheerend. Ein Problem, das sich in allen gesellschaftlichen Schichten findet, jedoch in sozialen Brennpunkten deutlich überwiegt. Durch eine teils vollkommene, mediale Verwahrlosung und einer nicht unbekannten Bildungsferne sind es meist Familien mit sozialschwachen Hintergründen, bei denen so manche Sprösslinge statt mit Bambi oder Arielle neuerdings mit harten Pornofilmen aufwachsen. Ob sie in Anwesenheit der Eltern oder allein geschaut werden, macht hierbei keinen Unterschied. Zu stören scheint es dort niemanden. Am wenigsten den Erziehungsberechtigten, der in einigen Fällen selbst nicht einmal „erwachsen“ ist.
»Oft hat Aileen schon von ihren Freunden gehört, ihre Mutter sei eine Rakete im Bett. Viele der Jungs hatten sowohl mit der Tochter als auch mit der Mutter Sex, wenn auch nicht zur gleichen Zeit.«
Schilderungen, die nicht selten Inhalt der Gespräche mit den Autoren und Mitarbeitern der Arche sind. Zunehmend weisen Siggelkow und Büscher auf das visuelle Teilhaben am Sexualleben der Eltern und ihrer meist häufig rotierenden Partner hin. Kinder und Jugendliche, die auf engstem Raum lebend ständig mitbekommen, was in den Räumlichkeiten passiert, sind keine Ausnahme. Hin und wieder dürfen sie zuschauen oder werden selbst von den Eltern beim Masturbieren oder beim viel zu frühen Beischlaf beobachtet, der mit Stolz honoriert wird. Ob das eigene Kind in absehbarer Zeit seinen Schulabschluss schafft, scheint demnach egal. Vielmehr zählt der Zeitpunkt des Eintritts ins Erwachsenenleben, der Tag, an dem die Unschuld verloren geht. Ein trauriges Bild, bei dem jegliche Schamgrenzen aller Beteiligten fallen.
Die Beziehungsunfähigkeit der eigenen Eltern, der häufige und offenkundige Konsum von – oftmals harter – Pornografie und Musiktexten von (Porno) Rap Idolen wie Bushido, Aggro Berlin oder Frauenarzt ebnen den Weg in eine ethnische Katastrophe. Dass einer der Rapper einen Sohn hat, diesem aber verbietet die Musik des Papas zu hören ist dabei nur die Spitze des Eisberges, bei dem sexuelle Straftaten im Sprechgesang gelobpreist werden.
Doch auch die Aufklärung ist bei heutigen Kindern und Jugendlichen vor allem in sozialen Brennpunkten eine andere und vor allem eigene. Ebenso wie die moderne Variation des Flaschendrehens, bei dem minderjährige Geschlechtspartner einander untereinander „erzocken“. Dass die Verhütung dabei gut und gern vorsätzlich „vergessen“ wird ist kein Geheimnis. Ein wirkliches Geheimnis bleiben dabei vielmehr die Quellen moderner, latexferner Verhütungsmethoden, wie das Einschütten eines Löffels warmer Cola in die Vagina unmittelbar nach dem Akt. Ebenso verbreitet scheinen die Kurzsprints um den Häuserblock oder das Schütteln des Mädchens, wobei man es auf den Kopf stellt.
Hoch im Kurs der modernen Freizeitbeschäftigungen sind vor allem sogenannte „Homepartys“, bei denen reichlich Alkohol und Drogen konsumiert werden, um die eigenen Hemmschwellen zu betäuben und ungeschützten Gruppensex (mod. Gangbang) zu haben, der manchmal auch gefilmt und ins Netz gestellt wird. Demnach sind Partys solcher Art nicht selten, wo es sich ein Pärchen angeregt auf dem Sofa gemütlich macht und ein anderes zeitgleich daneben kopuliert. Etwas Außergewöhnliches ist dies für Jugendliche dem Anschein nach schon lange nicht mehr.
»Vor allem durch eine Lied- und Jugendkultur, die junge Frauen zu einer Körperware reduziert, wird eine sexuelle Verwahrlosung bei Jugendlichen gefördert.«
(Christian Pfeiffer | Süddeutsche Zeitung vom 14.05.2007)
Sex füllt für sie die Leere, wird zum Konsumgut und zum Ersatz, wo es an geeigneten Freizeitaktivitäten mangelt. Konkurrenzkämpfe zwischen Müttern und Töchtern um den Geschlechtspartner, fünfzehnjährige Mädchen, die ihre selbst gedrehten Homevideos für 10 Euro an Freunde und Bekannte verkaufen, Vergewaltigungsfälle unter Minderjährigen und Sex als Leistungsmaßstab in einer perspektivlosen Partygesellschaft.
Eindrucksvoll und erschreckend zugleich geben Bernd Siggelkow und Wolfgang Büscher einen tiefen Einblick in ihre Arbeit mit den Jugendlichen, die selbst nicht einmal wissen, wo ihr eigenes Leben einmal hinführen wird. Wo sind die Schuldigen zu suchen und welche Spätfolgen und zukünftigen Auswirkungen wird eine sexuell verwahrloste Generation mit sich bringen, wenn schon jetzt elfjährige Knirpse in den Schritt von wildfremden Menschen greifen und vulgäre Ausdrücke hinausschreien, Kinder von Kindern vergewaltigt werden und Kinder im Beisein ihrer Eltern Geschlechtsverkehr haben? Wie sind diese Kinder zu schützen und wo sind mediale Grenzen zu setzen und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen?
»Wir dürfen uns nicht wundern, dass immer mehr Kinder Opfer von Pädophilen werden, denn auch diese Menschen haben erkannt, wie liebeshungrig unsere Kids geworden sind, und nutzen genau das aus.«
Aber es macht ja so mancher Mama nichts mehr aus, dass die eigene Tochter im zarten Alter von 14 Jahren einen Freund mit nach Hause bringt, der 26 Jahre älter ist. Hauptsache er hat ein Auto und kann die Mama zum Einkaufen fahren…
Glücklicherweise öffnet uns die Arche jetzt ein wenig die Augen und greift dieses brisante Thema der sexuellen Verwahrlosung auf.
Die Arche stellt sich vor
(Text aus dem Buch übernommen)
Das Kinder- und Jugendzentrum „Die Arche“ wurde 1995 in Berlin gegründet. Träger des Zentrums ist das christliche Kinder- und Jugendwerk e.V. Ziel des Vereins ist es, Kinder von der Straße zu holen, sinnvolle Freizeitaktivitäten zu bieten und gegen soziale Not anzugehen sowie Kinder wieder in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu stellen und dies mittlerweile in Hamburg, München, Potsdam, Köln und Berlin.
Zurzeit betreut die Arche allein in ihrem „Haupthaus“ in Berlin-Hellersdorf täglich bis zu 500 Kinder, Jugendliche und Eltern in offenen und festen Freizeitangeboten. Hierzu gehören zum Beispiel Hausaufgabenhilfe, diverse Spiele, einmal im Monat eine Kindergeburtstagsparty, ein Tanzworkshop sowie verschiedenste Sportangebote. Außerdem gibt es regelmäßige Freizeitcamps, die es auch sozial benachteiligten Kindern ermöglichen sollen, einmal in die Ferien zu fahren. Die Kinder kommen ebenfalls in die Arche, um eine warme, vollwertige und vor allem kostenlose Mahlzeit zu sich zu nehmen. Die Aufgaben, die der Verein übernommen hat, kann er nur mit Unterstützung der Bevölkerung bewältigen. Die Arche finanziert sich daher zu fast 100 Prozent aus Spendengeldern. Um die nötige Aufmerksamkeit zu erreichen, macht der Verein auf die Situation der sozial schwachen Kinder in Deutschland aufmerksam, nennt Ursachen und Missstände, sucht Verantwortliche und Partner in der Politik und tritt selbst als „Experte“ auf – aufgrund von Erfahrungen auf diesem Gebiet. Ganz nach dem Leitmotiv „Prävention statt Reaktion“.
2005 erhielt der Leiter und Gründer der Arche, Bernd Siggelkow, den „Verdienstorden des Landes Berlin“ und im Jahr 2008 den Berliner Kulturpreis und das „Bundesverdienstkreuz“. Die Arche selbst wurde durch die „Internationale Liga für Menschenrechte“ mit der „Carl-von-Ossietzky-Medaille“ gewürdigt. Ziel und Vision des Vereins „Die Arche“ ist es, im gesamten Bundesgebiet „Archen“ als feste Institutionen zu „verankern“. Denn die Armut, besonders bei den Kindern in unserer Gesellschaft, nimmt immer weiter zu. Helfen Sie zu helfen und unterstützen Sie die Arche in ihrer Arbeit (Die Arche, Bank für Sozialwirtschaft. Kto.Nr. 30 30 100, BLZ 100 205 00).