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splitterherz

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Rebellische Frauen - Women in Battle (ISBN: 9783945543658)

Bewertung zu "Rebellische Frauen - Women in Battle" von Marta Breen

Rebellische Frauen - Women in Battle
splitterherzvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Sollte jeder gelesen haben!
Ein pointierter Streifzug durch die Historie des Feminismus'

Hier werden engagiert, leichtfüßig und pointiert die Geschichten all der furchtlosen Frauen erzählt, die seit über 150 Jahren und bis heute leidenschaftlich für die Rechte der Frauen auf der ganzen Welt kämpfen: Für das Recht, zu wählen. Für das Recht über den eigenen Körper zu bestimmen. Für das Recht, zu leben wie, und zu lieben, wen man will. Und für wirtschaftliche Unabhängigkeit, für Bildung und Beruf. Marta Breen, in Ihrer Heimat Norwegen einer der profiliertesten Feministinnen und Jenny Jordahl, preisgekrönte Illustratorin geben mit befreiendem Humor und erfrischenden Illustrationen einen neuen Blick auf Frauen wie Rosa Luxemburg, Emmeline Pankhurst, Sojourner Truth, Margaret Sanger und Malala Yousafzai, u.v.m. (Klappentext)

Ein pointierter Streifzug durch die Historie des Feminismus‘

Viel ist in 150 Jahren in Sachen Feminismus geschehen – viel, aber noch lange nicht genug. „Rebellische Frauen – Women in Battle“ gibt einen guten, witzigen und erfrischend kurzweiligen Ein- und Überblick in wichtige Ereignisse der Situation von Frauen und beleuchtet dabei neben Themen wie dem Wahl- und Selbstbestimmungsrecht auch Rassismus, Sklaverei und Unterdrückung. Dabei ist die liebevoll illustrierte Graphic Novel trotz ernster Themen leichtfüßig und ironisch – und das ein oder andere Lachen bleibt dem Leser dabei eindeutig im Halse stecken. Denn so witzig und pointiert die Novel auch aufgemacht und erzählt ist, die Thematik bleibt erschreckend aktuell und ist in manchen Zusammenhängen gar nicht so weit weg von der Gegenwart. „Rebellische Frauen“ geht wichtige Stationen im Kampf für die Gleichberechtigung anhand von relevanten Frauen in Geschichte & Gegenwart ab und beleuchtet insgesamt drei Hauptthemen: das Wahlrecht, das Recht über den eigenen Körper und das Selbstbestimmungsrecht. So werden viele Bereiche abgedeckt und anhand von kurzen Beispielen erklärt und beschrieben.

Die Zeichnungen sind simpel und schwarz/weiß gehalten, werden aber stets von einem unterschiedlich eingefärbten Hintergrund geprägt. Beim Stil wird dabei viel auf Situationskomik gesetzt und die ernsten Themen ironisch durchbrochen und karikiert, was einem einmal mehr vor Augen führt, wie unfassbar hirnrissig Frauen teilweise behandelt und auf Körperlichkeiten reduziert werden. Noch dazu passt er zu dem Umgang mit der Thematik, sodass der feine Humor sich auch in den Illustrationen wiederfindet – ein allumfassendes Konzept also. Durch die farblichen Hinterlegungen und den teils niedlichen Zeichenstil sind die Illustrationen in jedem Fall sehr ansprechend und optisch schön anzusehen. Inhaltlich bewegt sich die Graphic Novel um bekannte Frauen aus der Geschichte und Gegenwart wie beispielsweise Rosa Luxemburg und Malala Yousafzai, allerdings werden auch Frauen beleuchtet, die bisher nicht unbedingt namentlich bekannt oder deren Schicksale gänzlich unbekannt waren. So werden bekannte Tatsachen noch einmal pointiert zusammengefasst und neue Informationen ansprechend verpackt.

Komplexes Thema kurz & knackig aufbereitet

Es ist wirklich erstaunlich, wie eindrücklich und pointiert man ein so komplexes Thema auf so wenigen Seiten und Bildern behandeln kann. Sicherlich kann eine solche Graphic Novel nicht alle relevanten Komplexitäten des Bereichs aufgreifen, allerdings ist der Überblick, der hier gegeben wird, doch ganz ansehnlich und lässt in jedem Fall den Wunsch zurück, sich noch weiter zu informieren und sich noch mehr einzulesen. Besonders gelungen ist dabei auch die Tatsache, dass das Buch neben spezifischen Themen zur Frau auch Stellung zu Rassismus und Sklaverei bezieht sowie die Situation von Frauen in anderen Ländern aufgreift – damit wird deutlich gemacht, dass der Feminismus weltweit eine unheimlich relevante Problematik ist, die in der westlichen Welt vergleichsweise noch gering ausfällt. Zudem wird herausgestellt, dass zur gänzlichen Gleichheit sehr viel mehr gehört, als lediglich Gesetze, auch wenn die in jedem Fall ein guter Anfang sind.

„Rebellische Frauen – Women in Battle“ ist eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich einen schnellen und unterhaltsamen Überblick über das Thema Feminismus verschaffen wollen. Pointiert und witzig ist die Graphic Novel ein Streifzug durch die Geschichte der Frau und fasst den Kampf um Freiheit, Gleichheit und Schwesterlichkeit in 150 Jahren kurz und knackig, mit feinem Humor und Ironie zusammen, ohne dabei zu komisch zu wirken. Eine besondere Graphic Novel, die jeder gelesen haben sollte.

Cover des Buches Unerschrocken 1 (ISBN: 9783956401299)

Bewertung zu "Unerschrocken 1" von Pénélope Bagieu

Unerschrocken 1
splitterherzvor 6 Jahren
Unerschrocken, inspirierend, humorvoll und vielfältig!

Josephine Baker brachte tanzend den Jazz und Charleston nach Europa und engagierte sich für die Rechte von Schwarzen. Tove Jansson, Schöpferin der Mumins, lebte offen die Liebe zu ihrer Lebenspartnerin. Und die libanesische Bürgerrechtlerin Leymah Gbowee setzt sich in gewaltfreiem Kampf für die Sicherheit von Frauen ein. Unerschrocken schreiten diese eigensinnigen Frauen durchs Leben. Vorreiterinnen, Querdenkerinnen und jede eine Heldin auf ihre ganz eigene Art. Ob Schamanin oder Entdeckerin, Leuchtturmwärterin oder gefeierte Leinwandhexe – diese Frauen haben ihre Bestimmung gefunden.

15 AUßERGEWÖHNLICHE FRAUEN UND IHRE FASZINIERENDEN GESCHICHTEN

Der Bereich der Frauengeschichte/forschung ist noch erschreckend jung verglichen mit den unzähligen Frauen, die in der Vergangenheit die Gesellschaft, ihr Umfeld und/oder bestimmte Koventionen revolutionierten oder veränderten. Die wenigsten dieser Frauen sind einer breiten Masse derart bekannt wie es vergleichsweise viele ihrer männlichen Kollegen sind - im Gegenteil: viele beeindruckende Frauen der Geschichte werden sogar schlichtweg ignoriert oder zumindest nicht beachtet. In der Literaturszene zeichnet sich da aktuell ein kleiner, aber merklicher Wandel ab, der außergewöhnliche Frauen der Geschichte und ihre Taten in der Vordergrund rückt. Eines dieser Werke ist die Graphic Novel "Unerschrocken", die, aus dem französischen von Heike Drescher und Claudia Sandberg übersetzt, im Reprodukt Verlag erschienen ist. Auf eine federleichte und doch eindringliche Art und Weise stellt dieses wundervolle Buch fünfzehn unterschiedliche und faszinierende Frauen vor und erzählt ihre vielseitige Geschichten.

VOLLER VIELFALT & DIVERSITÄT

Besonders schön ist dabei die Tatsache, dass es sich bei den fünfzehn Frauenportraits um sehr unterschiedliche Personen mit verschiedenen ethnischen, sexuellen und kulturellen Hintergründen handelt. "Unerschrocken" ist bestimmt von der Vielfalt und Diversität der unterschiedlichen Frauen und zeichnet in jeder der fünfzehn kleinen Kurzgeschichten ein charakterstarkes und individuelles Bild. Trotz einiger schlimmer Schicksale oder prekärer Situationen legt "Unerschrocken" einen (jeweils angemessenen) Humor an den Tag und ist in dieser eigenwilligen und wunderschönen Art gezeichnet und erzählt, die erfrischend und gleichzeitig beeindruckend wirkt. Natürlich gibt es Kurzgeschichten, die man lieber mag oder welche, die einen nicht gänzlich überzeugen und über manche moralische Dinge kann man sicherlich streiten (beispielsweise wenn es um Tiere geht), doch insgesamt bekommt der Leser einen Einblick in fünfzehn ausgewogene und spannende Frauenleben, die Lust auf den zweiten Band machen, der bereits für das nächste Programm geplant ist.

Pénélope Bagieu hat sich hier einige interessante Frauen ausgesucht, von denen mir viele gar nicht bekannt waren. Umso schöner, dass ich sie mit "Unerschrocken" entdecken konnte. Tatsächlich ging mein Interesse so weit, dass ich für jede einzelne Figur noch einmal im Internet recherchiert habe, um mir echte Fotos (wenn es sie denn gab) anzusehen oder weitere Details herauszusuchen. In den fünfzehn Kurzportraits kann selbstverständlich nicht auf jedes Detail eingegangen werden, doch für einen Einblick und um mein Interesse zu wecken, reicht es allemal und schafft damit genau das, was es sollte: die Frauen der Geschichte sichtbar zu machen. Ob das nun eine Dame mit Bart oder eine mordrünstige Kaiserin ist, eine Bürgerrechtlerin oder die Erschafferin der Mumins - in "Unerschrocken" bekommen sie alle eine Stimme und haben sich für immer in mein Gedächtnis (oder sogar in mein Herz) geschlichen.

"Unerschrocken" ist eine absolute Leseempfehlung für alle, die sich für die Geschichte der Frauen interessieren - und für alle anderen, einfach, weil das Buch wundervoll ist und viel gelesen werden sollte! Der zweite Band erscheint bereist im Mai 2018 und steht schon jetzt ganz weit oben auf meiner Wunschliste.

Cover des Buches Der Weihnachtosaurus (ISBN: 9783570164990)

Bewertung zu "Der Weihnachtosaurus" von Tom Fletcher

Der Weihnachtosaurus
splitterherzvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Zuckersüße Weihnachtsgeschichte, die nicht nur mächtig magisch, sondern auch absolut herzerwärmend ist!
Cover des Buches Good Night Stories for Rebel Girls (ISBN: 9783446256903)

Bewertung zu "Good Night Stories for Rebel Girls" von Elena Favilli

Good Night Stories for Rebel Girls
splitterherzvor 6 Jahren
Ein absolutes Herzensbuch

Dieses Buch ist das Ergebnis seiner eigenen Botschaft - das mag wirr klingen, aber es ist so: Elena Favilli und Francesca Cavallo haben dieses Buch in einer Crowdfunding Aktion veröffentlicht und damit bewiesen, dass man alles erreichen kann, wenn man nur genug Leidenschaft und Herzblut hineinsteckt und dass es dabei nicht darauf ankommt, welches Geschlecht man hat. "Good Night Stories for Rebel Girls" ist das Kontrastprogramm zu weiblichen Figuren in Kinderbüchern, die als stumme Prinzessinnen auf ihren Traumprinzen warten oder sich passiv retten lassen - denn in den Good Night Stories verändern die wunderbaren Frauen, um die es geht, die Welt. Diese wunderschöne Sammlung von 100 außergewöhnlichen Frauen der Weltgeschichte ist Hommage, Mutmacher, Geschichtsstunde und Hoffnungsbringer zugleich. Mit der wundervollen Aussage, dem unbeschreiblich schönen Illustrationen und den kurzen Geschichten zu den jeweiligen Frauen ist "Good Night Stories for Rebel Girls" ein absolutes Must-Have und definitiv nicht nur für Kinder!

Auslöser für dieses wundervolle Projekt war übrigens dieser Selbstversuch, in welchem Mutter und Tochter das Bücherregal systematisch aussortieren und Bücher rauswerfen, in denen keine weiblichen Figuren vorkommen, weibliche Figuren, die keine Träume haben, nicht sprechen oder Prinzessinnen sind. Das Ergebnis ist ein beinahe leeres Regal.

DIE VIELFALT & DIE LIEBE ZUM DETAIL WERDEN GROß GESCHRIEBEN

Besonders schön empfinde ich die wunderbare Vielfalt in diesem liebevoll gestalteten Buch: so viele Kulturen, Hautfarben, Berufe und Träume sind in den kurzen Geschichten verpackt, die jeweils eine Seite einnehmen (auf der anderen befindet sich dann je eine Illustration der dargestellten Frau), dass sich ein hohes Identifikationspotenzial bietet. Von der Autorin (wie beispielsweise Jane Austen oder die Bronte-Schwestern), über die Mathematikerin bis hin zu Spotlerinnen, Politkerinnen oder Aktivistinnen - viele bekannte, aber auch einige (für mich) eher unbekanntere Gesichter sind in den Good Night Stories vertreten und jede Geschichte ist auf ihre Art beeindruckend. Sehr süß: am Ende ist sogar eine Doppelseite für die eigene Geschichte frei - eine wunderschöne Idee sich selbst in einer Reihe mit so vielen beeindruckenden und wundervollen Frauen zu sehen.

DAVON SOLLTE ES MEHR GEBEN - UND DAS WIRD ES: BAND 2 IST IN PLANUNG!

Ebenfalls eine schöne Sache ist die Vielfalt der Illustratoren, da so jede Zeichnung, jedes Gesicht einen individuellen Charakter bekommt und das Buch auch in dieser Hinsicht niemals langweilig wird. Es gibt auf jeder Seite etwas zu entdecken, zu erforschen und zu erkunden und jede Geschichte endet mit einem ganz besonderem, leichten Gefühl in der Brust. "Good Night Stories for Rebel Girls" ist ein mutiges Projekt, ein wunderschönes Buch, von dessen Art es viel mehr geben sollte. Umso mehr freut es mich dementsprechend, dass (zumindest im Englischen) ein zweiter Teil in Planung ist, der die Reihe der besonderen Frauen weiter fortsetzen und ergänzen soll, denn sind wir doch mal ehrlich: es gibt kein Buch, das alle wundervollen Frauen dieser Erde zusammenfassen könnte; der Versuch jedoch entpuppt sich als absolutes Herzensbuch, in das ich immer wieder gerne hineinlese und das ich jedem ans Herz legen möchte, der genug von Passivität und Prinzessinnen hat.

Cover des Buches Wir Strebermigranten (ISBN: 9783446256835)

Bewertung zu "Wir Strebermigranten" von Emilia Smechowski

Wir Strebermigranten
splitterherzvor 6 Jahren
MUTIG, EHRLICH, SCHONUNGSLOS

Emilia war noch Emilka, als ihre Eltern mit ihr losfuhren – raus aus dem grauen Polen, nach Westberlin! Das war 1988. Nur ein Jahr später hatte sie einen neuen Namen, ein neues Land, eine neue Sprache: Sie war jetzt Deutsche, alles Polnische war unerwünscht. Wenn die neuen Kollegen der Eltern zum Essen kamen, gab es nicht etwa Piroggen, sondern Mozzarella und Tomate. Und als Emilia ein Deutschdiktat mit zwei Fehlern nach Hause brachte, war ihre Mutter entsetzt: Was war schiefgelaufen? Ergreifend erzählt Emilia Smechowski die persönliche Geschichte einer kollektiven Erfahrung: eine Geschichte von Scham und verbissenem Aufstiegswillen, von Befreiung und Selbstbehauptung.

MUTIG, EHRLICH, SCHONUNGSLOS 
Ich habe keinen polnischen Migrationshintergrund. Keinen jedenfalls, der mich in eine Identitätskrise stürzen würde. Die polnischen Wurzeln in meiner Familie (übrigens mütterlicher- UND väterlicherseits) liegen so viele Generationen zurück, dass ich zu Polen keine direkte Verbindung habe - mal abgesehen davon, dass mein Freund polnisch stämmig ist und in den 90er Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam. Meine Motivation "Wir Strebermigranten" von Emilia Smechowski zu lesen, liegt daher unter anderem darin und  außerdem in der Tatsache begründet, dass mein Heimatbegriff durch viele Umzüge (auch über die Landesgrenze hinaus, tatsächlich sogar in den Osten, jedoch nach Tschechien) etwas weiter und unkoventioneller gefasst ist und meine Identität definitiv geprägt hat. Migration und Integration sind schon seit Langem aktuelle und relevante Begriffe, die unser Gesellschaftsbild prägen und immer wieder zu Diskussionen führen. Und noch viel wichtiger: sie gehen uns alle etwas an. Sie sind allgegenwärtig und müssen hörbar gemacht werden, damit Verständnis entstehen kann. "Wir Strebermigranten" ist ein solches Buch, das die Stimme einer Generation mit Migrationshintergrund und die Schwierigkeiten mit diesem hörbar, sichtbar und verständlich macht.

"Wir Strebermigranten" ist eine Lebensgeschichte, eine Migrationsgeschichte, ein Familienroman , eine Autobiographie und ein kritischer Blick auf eine Situation zugleich. Emilia Smechowski erzählt ihre eigene Lebens- und Migrationsgeschichte und zieht dabei nicht nur Verbindungen zu der aktuellen Flüchtlingssituation, sondern hat noch dazu einen ungeschönten, ehrlichen und kritischen Blick auf sich selbst, ihre Familie, Polen, Deutschland und alles dazwischen. Mit ihrer nachdenklichen und reflektierenden Erzählstimme und einer bildhaften Sprache nimmt sie den Leser mit auf eine generationsübergreifende Reise von Polen nach Deutschland und wieder zurück. Sie beleuchtet dabei nicht nur ihre eigene Kindheit und die Problematik der Scham, sondern auch die Geschichte ihrer Eltern, sodass ein plastisches Bild einer Familie entsteht. Thema ist vor allen Dingen die Unsichtbarkeit der Polen, die zwar als zweitgrößte Migrationsgruppe in Deutschland lebt, jedoch im Vergleich als integriert und unauffällig gilt. Das diese Tatsache nicht unbedingt ein Grund zur Freude und vielmehr eine Konsequenz der Scham und des Verlustes der eigenen Identität ist, wird in "Wir Strebermigranten" von verschiedenen Seiten beleuchtet und kommentiert. 
WAS IST EIGENTLICH EINE GELUNGENE UND GUTE INTEGRATION?
Auch wenn meine Verbindung zu dem Land mit der weiß-roten Flagge nicht konkret ist und mein Wissen über Polen sich (bisher!) auf Bigos, Piroggen (yummy!) und einige Wortfetzen beschränkt, konnte "Wir Strebermigranten" mich fesseln, aufwühlen und mir eine Thematik vor Augen halten, die mir so gar nicht unbedingt bewusst war. Die Frage, was eine gute und für alle Seiten gelungene Integration denn nun eigentlich ausmacht, steht dabei stets im Mittelpunkt - die Antwort ist in jedem Fall nicht das Verstummen und Verstecken einer Herkunft, wie es viele polnische Migranten aus verschiedenen Gründen augenscheinlich getan haben. Emilia Smechowski schafft es, nicht nur ihre eigene Geschichte auf eine kritische und ehrliche Weise zu erzählen, sondern schlägt zudem eine Brücke, indem sie den Leser dazu bringt, den eigenen Gedankenschatz und den Umgang mit Integration und Migration zu überdenken und den Blick auch auf das eigene Land noch weiter zu schärfen. Dabei zeigt sie sich als starke und mutige Frau, die ihren eigenen Weg geht und langsam zurück zu ihren Wurzeln und ihrer Identität zu finden versucht. "Wir Strebermigranten" ist ein Buch, das viel mehr Menschen lesen sollten - ganz gleich aus welchen (Hinter-)Gründen -, denn es öffnet den Blick und die Welt.

Cover des Buches Leben auf Spaßflamme (ISBN: 9783954610914)

Bewertung zu "Leben auf Spaßflamme" von Insa Kohler

Leben auf Spaßflamme
splitterherzvor 7 Jahren
Das Leben mit einem Augenzwinkern


Diese 35 Geschichten sind ein literarisches Bällebad. Wir tauchen ab in Geschichten über WG-Castings mit Barfußläufern, nehmen teil an Online-Dates und prokrastinieren um die Wette. Es geht um rasierte Barbiepuppen und Wurst, um nackte Theateraufführungen, Perfomance-Kunst, Körper-Optimierung und das Verstecken-Spielen mit dem Ernst des Lebens.


Warum heißt eine Zeitschrift "Freundin", die dir sagt, dass du abnehmen musst, um auf der nächsten Seite Yogurette-Werbung abzudrucken? Wie hat eigentlich ein Student zu sein und was ist das eigentlich mit Berlin und den Hipstern? Wenn Du Dir solche Fragen schon einmal gestellt hast, dann könnte "Leben auf Spaßflamme" genau das richtige für Dich sein. Mit viel Ironie, einer großen Portion Augenzwinkern und viel Humor gibt Insa Kohler 35 kurze Geschichten über ihr Leben und all das, was sie darin beschäftigt zum Besten. Dabei geht es nicht nur um das Studieren, das Leben in  einer WG oder das Prokrastinieren, sondern auch um viele andere Themen, die sicherlich einige schon einmal so oder zumindest ähnlich erlebt haben. Es sind kleine lustige und gut geschriebene Geschichten aus dem Leben, in denen man sich immer wieder selbst finden kann.


Insa Kohlers Stil ist dabei durchweg farbenfroh, (selbst)ironisch und hier und da ein bisschen provokant, sodass man manchmal über kleine eigene Marotten ins Grübeln kommt (besonders die Geschichte "Welcher Dinosaurier bist du?", in der es um das absolut sinnlose Prokrastinieren durch Facebooktests geht, fand ich da extrem treffend). Die Texte sind auf eine so liebenswert-schrullige und charmante Art sehr direkt geschrieben, dass auch kritischere Fragen/Themen/Texte zwar immer treffend sind, aber nie unter die Gürtellinie gehen. Außerdem ist das Buch definitiv auch eine kleine Hommage an Berlin und das Leben dort - jedenfalls spürt man das Flair der Hauptstadt in jeder Zeile. "Leben auf Spaßflamme" ist eines dieser kleinen Büchlein, die man immer mal wieder aufschlagen kann, um eine der Geschichten zu lesen. Da sie komplett unabhängig voneinander lesbar sind (auch wenn hier und da Elemente aufgegriffen werden), werde ich das auch garantiert öfter mal machen. Unbedingt lesen!

Cover des Buches Young Elites (Band 1) - Die Gemeinschaft der Dolche (ISBN: 9783785583531)

Bewertung zu "Young Elites (Band 1) - Die Gemeinschaft der Dolche" von Marie Lu

Young Elites (Band 1) - Die Gemeinschaft der Dolche
splitterherzvor 7 Jahren
Eine grandiose Idee mit schwacher Umsetzung


Seit Adelina, Tochter eines reichen Kaufmannes, das Blutfieber überlebt hat, ist sie für immer gezeichnet. Nicht genug, dass ihr wunderschönes, schwarzes Haar sich silbern verfärbt hat, auch ihr rechtes Auge und ihren sozialen Status hat sie verloren. Doch die Krankheit hat sie nicht nur verunstaltet, sondern ihr auch besondere Kräfte verliehen. Kräfte, die die Dunkelheit in Adelina wecken und mächtiger sind, als sie es sich vorstellen kann. Und sie ist nicht die einzige, die über solche Kräfte verfügt - als sie von der Gemeinschaft der Dolche aufgenommen wird, die vom König verfolgt wird, glaubt Adelina endlich einen Platz gefunden zu haben, zu dem sie gehört. Ihr Anführer, der verstoßene Prinz und wahrer Thronerbe, kämpft um sein Geburtsrecht, doch dazu benötigt er Adelinas Hilfe...


Eigentlich hätte alles so gut werden können: ein italienisch angehauchtes High Fantasy Setting, eine Anti-Heldin, eine durchweg düstere Atmosphäre und eine Rebellion mit magischen Kräften gegen den König. In diesem Fällen hapert es jedoch an der Umsetzung, denn obwohl die Grundidee genial ist und Protagonistin Adelina die richtigen Voraussetzungen für eine außergewöhnliche (Anti)Heldin mit sich bringt, konnte mich der Auftakt zu "Young Elites" nicht hundertprozentig packen. Die mäßig ausgearbeiteten Charaktere bekommen zu wenig Zeit, um sich wirklich zu entfalten, sodass es schwer fällt, sich mit ihnen zu identifizieren und der spannende Weltentwurf, der viel Potenzial gehabt hätte, bleibt blass und wird kaum erforscht. Aus meinen anfänglich hohen Erwartungen wurde schnell Enttäuschung, auch wenn das Ende Hoffnung auf den zweiten Band verheißt.


Doch eine Verheißung und eine gute Idee reichen einfach nicht für den Auftakt einer Reihe, da können einige wenige Details noch so faszinierend sein. Protagonistin Adelina beispielsweise ist bereits optisch außergewöhnlich: mit ihren silbernen Haaren und dem fehlenden rechten Auge bedient sie nicht das Jugendbuchklischee. Hinzu kommt die Düsternis, von der sie bestimmt wird und ihre teils beinahe schon boshafte Art - ein mutiger Versuch, den Marie Lu hier wagt, doch für mich hat er leider nicht funktioniert. Adelina ist durch ihren permanenten Zwiespalt zwischen Licht und Dunkel zu unstetig, als das man wirklich mit ihr mithalten könnte. Zudem fällt es sehr schwer auf Grund der Kombination aus naiver Unwissenheit und boshafter Düsternis Sympathie zu ihr aufzubauen. Doch auch die anderen Figuren, die allesamt Potenzial gehabt hätten, bleiben schlichtweg zu blass - man schafft es einfach nicht, eine Bindung zu ihnen aufzubauen, sodass etwaige Verluste keinen Unterschied machen.


Ähnlich zweidimensional bleibt der Plot, der zwar immer wieder versucht, spannende Situationen heraufzubeschwören, aber es wirkt eben genauso: wie die Beschwörung von Spannung - zu konstruiert, zu gewollt. Da das Buch abwechselnd aus verschiedenen Perspektiven beschrieben ist, wird der Plot zwar von verschiedenen Ebenen beleuchtet, dennoch ändert das nichts daran, dass der Spannungsbogen relativ mau bleibt. Die Magie, die eine große Rolle spielt, war mir zu wenig erklärt, als müsse man einfach hinnehmen, dass es eben so ist, wie es ist, obwohl die Ursache der Krankheit doch eine spannende Thematik gewesen wäre, die man weiter hätte ausbauen können. Stattdessen war die Krankheit, das Blutfieber, nun einmal da - Mittel zum Zweck eben.


Meine größte Enttäuschung jedoch ist das Setting. Von einem Roman, der im Genre High Fantasy,angesiedelt werden kann, erwarte ich schlichtweg mehr als exotisch klingende Städtenamen , drei Monde (was hätte man daraus machen können...) oder fliegende Rochenwesen (eigentlich eine super Idee), die kaum wirklich beschrieben werden. Die Welt bleibt blass, die vielen Orte und Inseln auf der Karte am Anfang des Buches werden überhaupt nicht genutzt und nur am Ende kurz angeschnitten. Was eine Sogwirkung hätte haben können, wurde schlichtweg beinahe ausgelassen - sehr schade. Einziger Pluspunkt: die düstere Atmosphäre, die sich durch das komplette Buch zieht.


Wer eine spannende High Fantasy Geschichte mit Sogwirkung erwartet, die magische Elemente und einen faszinierenden Weltentwurf beinhaltet, wird von dem Auftakt von "Young Elites" eventuell enttäuscht sein. Die außergewöhnlichen und guten Ideen wurden mäßig umgesetzt und Protagonistin Adelina, die (im Jugendbuchbereich) eine ganz neue Art von Charakter hätte werden können, bleibt zu blass. Für mich leider eine Enttäuschung!

Cover des Buches Zeitreise mit Hamster (ISBN: 9783649625148)

Bewertung zu "Zeitreise mit Hamster" von Ross Welford

Zeitreise mit Hamster
splitterherzvor 7 Jahren
10 Dinge, die ich über "Zeitreise mit Hamster" weiß


Als Al Chaudhury an seinem zwölften Geburtstag einen Brief von seinem verstorbenen Vater erhält, ändert sich alles. Al's Vater hat einen Weg gefunden in der Zeit zu reisen und gibt Al die Möglichkeit, seinen Tod ungeschehen zu machen. Dafür muss er lediglich in das Jahr 1984 zurückreisen, und einen schicksalhaften Gokartunfall verhindern. Was sich einfach anhört, entpuppt sich als viel schwieriger als gedacht, doch immerhin ist Hamster Alan Shearer immer mit dabei...


Da Protagonist Albert (Al) Chaudhury unheimlich gerne in 10-Punkte-Listen zusammenfasst, was er über diverse Dinge oder zu bestimmten Personen weiß, werde ich es ihm einfach mal gleich tun und meine Rezension als 10-Punkte-Liste verfassen...


10 Dinge, die über "Zeitreise mit Hamster" weiß:


1. Dieses Buch ist nicht nur ein Kinderbuch. Eigentlich ist es fast eher kein Kinderbuch. Zumindest fand ich es dann und wann doch ganz schön hart und musste zeitweise wirklich schlucken - und das meine ich im positivsten Sinne, denn "Zeitreise mit Hamster" geht einem nah. Die Geschichte um Al frisst sich wie ein kleiner Hamster unter die Haut und dort bleibt sie. Es ist eine kleine, aber auch sehr große, niedliche und feine Geschichte, an der definitiv auch große Leser ihre Freude haben werden.


2. Details, Details, Details - das hat die Geschichte für mich ausgemacht. Die liebevollen Details, die charmante Art, mit der die Geschichte geschrieben ist und die Figuren, die sie zum Leben erwecken. Viele Kleinigkeiten werden geschickt in das Geschehen eingewebt und machen die Worte und Sätze plastisch und greifbar, sodass man zeitweise das Gefühl hat, tatsächlich dabei zu sein und mit Al in der Zeit zu reisen.


3. Al. Al ist kein normaler Zwölfjähriger. Er ist sehr, sehr clever, sehr mutig und einfach extrem herzig. Seine leicht naive und unverbrauchte Art zu denken, machen ihn einfach wunderbar sympathisch und kleine (oder auch große) Fehler verzeiht man ihm fast schon zu gerne. Alles steht man mit ihm gemeinsam durch; man leidet, freut sich, wird überrascht und rätselt, überlegt, fragt und versteht. Dabei nimmt Al den Leser an die Hand und führt ihn durch die Geschichte, was umso schöner ist.


4. Zeitreisen - und das in einer alten Gartenwanne mit einem Laptop! Klingt schrullig? Ist es auch. Aber irgendwie schafft Ross Welford es, dass es eigentlich ziemlich sinnig und absolut natürlich wirkt. Die diversen logischen Probleme, die es bei Zeitreisen gibt, werden immer wieder angesprochen, jedoch nicht gelöst (wie auch?) - dafür wird alles soweit es geht, sinnig erklärt, sodass man nie das Gefühl hat, nicht mehr mitzukommen. Und das kann bei Zeitreiseromanen ja tatsächlich schnell passieren. 


5. Die Geschichte um Al ist witzig, nimmt sich selbst nicht allzu ernst und ist auf eine schrullige Art und Weise charmant. Das führt dazu, dass auch schlimmere oder traurige Szenen schnell überwunden werden können und die immer neuen Probleme und Situationen, in die Al gerät, beinahe lustig wirken - wenn sie nicht so katastrophal chaotisch wären. Das liegt an Al selbst und seiner zwar etwas naiven, aber doch sehr lösungsorientierten Art. Zwar erlaubt er es sich auch zu weinen oder zu leiden, doch letztlich versucht er immer, den besten Weg zu finden, um die Situation zu lösen - und meistens schafft er das auch ganz gut.


6. Der kulturelle Aspekt! Da Al halb Engländer, halb Inder ist, spielt auch die indische Kultur eine Rolle und wird dezent und liebevoll in die Geschichte eingebunden. Besonders prägnant ist dabei Grandpa Byron, der einer meiner liebsten Figuren im Buch darstellt, und einfach eine ganz tolle Art hat: er liebt Quizshows (weil er alle Fragen beantworten kann), in seinen Gedächtnispalästen speichert er alle seine Erinnerungen und er fährt Moped (wie süß ist das bitte?). Noch dazu gibt es indisches Essen und leckeren indischen Chai - auch diese Details geben der Geschichte mehr Authentizität und verleihen ihr so Leben.


7. Die Art, wie Wissen vermittelt wird. Nämlich ganz nebenbei und lockerleicht zwischendurch. Ob das nun Fragen zur Zeit, zum Universum oder gar zur Moralität sind, alles wird beantwortet. Und das ohne erhobenen Zeigefinger und ohne dabei zäh zu werden. Auch an dieser Stelle hebt sich die Geschichte als Kinderbuch ein wenig ab und geht auf viele Fragen mit physikalischen Themen ein und erklärt auch kompliziertere Sachverhalte spielend einfach.


8. Das Ende des Buches. Ich muss sagen, dass ich erst skeptisch war, als sich die Geschichte in diese bestimmte Richtung entwickelt hat, doch letztlich hat es genauso extrem gut gepasst und auch die kleinsten Fragen zu bestimmten Figuren wurden charmant nebenbei beantwortet. Es gab zwar kleinere Dinge, die mich ein wenig gestört haben oder mir zumindest gefehlt haben, doch insgesamt ist man am Ende einfach durchweg zufrieden.


9. Eine Zeitreise ohne Hamster ist möglich, aber sinnlos! Treuer Begleiter von Al's Zeitreisen ist nämlich Hamster Alan Shearer und der ist wirklich zuckersüß! Auch wenn er meistens nur frisst oder in irgendwelchen Schubladen oder Jackentaschen verstaut wird, bekommt er am Ende noch eine ziemlich wichtige Rolle. Und außerdem, hallo, es ist ein Hamster - und noch wie war einer cooler als Alan Shearer, da bin ich ganz sicher!


10. ... dass ihr dieses zauberhafte Buch unbedingt lesen solltet, wenn ihr eine leichte und schöne, witzige, schrullige und liebevolle Geschichte sucht, die euch durch die Zeit reisen lässt und gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen bringt!

Cover des Buches Der Kuss der Lüge (ISBN: 9783846600368)

Bewertung zu "Der Kuss der Lüge" von Mary E. Pearson

Der Kuss der Lüge
splitterherzvor 7 Jahren
Solide High Fantasy, die Lust auf mehr macht


Als Lia, die älteste Tochter des Königshauses Morrighan mit einem Prinzen verheiratet werden soll, den sie zuvor noch nie gesehen hat, beschließt die Prinzessin kurzerhand ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Zusammen mit ihrer engsten Zofe Pauline flieht sie und beginnt, getarnt als Schankmädchen und weit von zu Hause entfernt, ein neues Leben. Dort lernt sie zwei Männer kennen, die sie vom ersten Augenblick an faszinieren. Was sie jedoch nicht weiß: der eine, wurde ausgesandt, um sie zu töten und der andere ist ausgerechnet der Prinz, den sie hätte heiraten sollen...


Eine Prinzessin, die vor ihrer Hochzeit mit einem unbekannten Prinzen flieht, ein Meuchelmörder, der ausgesandt wurde, um die Prinzessin zu töten und der unbekannte Prinz, den die Prinzessin hätte heiraten sollen - eine interessante Konstellation, die Mary E. Pearson da schafft, auch wenn der bittere Nachgeschmack einer hintergründigen, sich zumindest andeutenden Dreiecksgeschichte auf der Zunge bleibt und der Geschichte ein wenig die Originalität raubt. Da der Leser durch die verschiedenen Perspektiven bis zu einem gewissen Punkt nicht weiß, wer der Prinz und wer der Meuchelmörder ist, kommt ein spannendes Rätselraten hinzu, das dem Buch ein bisschen Pfeffer gibt. Hinzu kommt eine toughe Protagonistin, die nicht auf den Mund gefallen ist, Rückgrat beweist und für sich selbst einsteht, interessante (vor allen Dingen weibliche) Nebenfiguren und eine faszinierende Welt, die noch mehr Erklärungen und Beschreibungen bedarf. Doch funktioniert dieses Konstrukt? Ich würde sagen: Jein.


Ein Buch hat es immer ein bisschen schwieriger, wenn man es von vorne herein um jeden Preis lieben möchte und vermutlich hat auch "Der Kuss der Lüge" unter diesem Fluch ein wenig gelitten. Die Geschichte um Prinzessin Lia beginnt stark, mit einem tollen Erzählstil, der nicht einer gewissen Poesie entbehrt, und einer Protagonistin, die mir von Anhieb sympathisch ist. Auch die Flucht Lias und ihre Anfänge in dem neuen Ort lesen sich noch sehr gut bis schließlich die beiden Männer, Kaden und Rafe, dazu kommen. Und da beginnt die Geschichte für mich zu schwächeln und stellenweise konstruiert zu wirken. Der Kniff, dass man von vorne herein nicht weiß, wer von den beiden der Prinz und wer der Mörder ist, ist clever inszeniert und sicherlich gut umgesetzt, doch irgendwie wirken die beiden männlichen Figuren dadurch auch etwas blass und distanziert. Zu keinem von beiden konnte ich eine wirklich Bindung aufbauen, auch wenn Pearson merklich versucht, besonders Rafe für den Leser (und auch für Lia) sympathisch zu machen. Man muss ihr tatsächlich zu Gute halten, dass es nicht um die Frage geht, wen Lia denn nun lieben soll und dass die Liebesgeschichte - zumindest in diesem Teil - relativ geradlinig verläuft.


Der Mittelteil ist dementsprechend sehr auf Lias Beziehung zu den beiden männlichen Protagonisten (vor allen Dingen zu einem von beiden) fokussiert und plätschert ein wenig vor sich hin. Erst danach nimmt die Geschichte wieder Fahrt auf und bringt dem Leser die faszinierende Welt näher. Und trotzdem: irgendetwas fehlt mir. Lia scheint zu präsent, zu dominant und überschattet die anderen Figuren charakterlich bei Weitem, sodass ich oft das Gefühl hatte, man hätte die Liebesgeschichte einfach weglassen können und das Buch wäre womöglich um einiges reizvoller gewesen. Da noch drei Bände folgen, wäre genug Platz um die Beziehungen weiter auszubauen, die, wie ich vermute, in den Folgebänden noch um einiges komplizierter werden. Und trotzdem ist "Der Kuss der Lüge" ein spannender Auftakt, der sich schnell und unterhaltsam liest und eindeutig neugierig macht, gerade der letzte Teil des Buches hat mir gut gefallen. Auch wenn mich "Der Kuss der Lüge" letztlich nicht umgehauen hat, bin ich gespannt, wie es weitergeht und kann die Geschichte jedem empfehlen, der eine starke Protagonistin und eine faszinierende Fantasywelt mag.

Cover des Buches Echo Boy (ISBN: 9783423717120)

Bewertung zu "Echo Boy" von Matt Haig

Echo Boy
splitterherzvor 7 Jahren
Essenzielle Menschheitsfragen & technologisierte Zukunftsvision


Die fünfzehnjährige Audrey lebt in einer Welt in der Zukunft, in der alles technologisiert ist. Menschenähnliche Roboter, die Echos, wurden kreiert, um der Menschheit den Alltag zu erleichtern, voll automatisierte Autos erreichen ihr Ziel innerhalb weniger Sekunden und die virtuelle Welt ist relevanter als je zuvor. Als Audreys Eltern von einem Echo ermordet werden und Audrey es gerade so schafft, zu entkommen, muss sie bei ihrem Onkel Alex Castle leben, dem eine der führenden Tech-Firmen der Welt gehört. Dort lernt sie Daniel kennen, einem merkwürdigen Echo, in dem viel mehr zu stecken scheint, als lediglich ein Informationschip. Daniel scheint Gefühle zu haben, doch das ist völlig unmöglich - und immer wieder versucht er, an Audrey heranzukommen, denn sie schwebt immer noch in Gefahr...


Künstliche Intelligenz ist ein Thema, das in einer Zeit, in der gefühlt jede Woche technische Innovationen vorgestellt werden, aktueller nicht sein könnte. Mit der Frage, was geschehen würde, wenn eine solche künstliche Intelligenz ein Bewusstsein und Emotionen entwickelt, beschäftigt sich Matt Haig in "Echo Boy" - zugegeben: diese Frage ist sehr, sehr alt. Älter, als man es sich vielleicht denken könnte und viele Filme, Serien, Bücher und philosophische Texte haben sich dieser Frage bereits gewidmet. Matt Haig jedoch schafft es, etwas ganz eigenes daraus zu machen und verwebt die essenzielle Frage nach der Menschlichkeit und dem, was uns zu einem Menschen macht mit einer technologisierten Zukunftsvision voller Roboter, kreativer Ideen und Erfindungen. Dabei heraus kommt eine spannende, bedrückende und gleichzeitig sehr schöne Geschichte, die vielleicht keinen "Kawumm-Effekt" hat, dafür aber eine ganz besondere Atmosphäre und viele grundlegende Gedanken der Menschheit mit Matt Haigs eigenwilligen Schreibstil verbindet. 


Im Mittelpunkt steht dabei die fünfzehnjährige Audrey, deren Eltern von einem Echo getötet wurden. Echos sind im Grunde die Menschen 2.0 - menschenähnliche Roboter, die stärker, schlauer und besser als Menschen sind, denen aber die menschliche Gefühlswelt abgeht. Sie werden in "Echo Boy" für jedweden Zweck benutzt und gehorchen den Menschen (eigentlich) ausnahmslos. Audrey, die nun zu ihrem reichen Onkel ziehen muss, versucht nun mit ihrer Trauer und ihrer tiefsitzenden Angst vor den Echos zu leben - in einem Haus voller Echos wohlbemerkt. Einer dieser Echos ist Daniel, der sich von den anderen Echos zu unterscheiden scheint. Audrey als Protagonistin hat mir gut gefallen, auch wenn sie hier und da etwas blass wirkt. Ist sie anfangs noch sehr in sich zurückgezogen, versucht sie nach und nach herauszufinden, was wirklich mit ihren Eltern geschehen ist und entwickelt sich merklich weiter. Sie ist gleichzeitig clever und tough, manchmal aber auch ein bisschen naiv, was in ihrem Alter allerdings absolut verzeihbar ist. Interessanter ist in diesem Fall jedoch tatsächlich Daniel, aus dessen Sicht ebenfalls einige Kapitel geschrieben sind, und der langsam herausfindet, wer er ist.


Konfliktpotenzial bietet hierbei natürlich die Gesellschaft selbst, schließlich sind Echos im Grunde bessere Sklaven und definitiv keine Subjekte, die Rechte hätten - oder sogar das Recht auf Gefühle. Hinzu kommt die Aufklärung rund um den defekten Echo, der Audreys Eltern getötet hat - hier gibt es viele spannende und beklemmende Momente, die man sich lieber nicht allzu deutlich vorstellen möchte. Mir hat die Geschichte rund um Audrey und Daniel jedenfalls sehr gut gefallen, auch wenn ich gegen Ende das Gefühl hatte, dass der Autor zu wenig Seiten hatte, denn die Lösung der Geschichte scheint mir doch sehr dünn zu sein. Entweder folgt hier ein zweiter Band oder Matt Haig wollte die Geschichte sehr offen enden lassen. Da die Geschichte nicht sehr action-, dafür aber umso gedankenreicher ist und sich so im Laufe des Buches sehr viel Zeit nimmt, wirkt das abrupte Ende einfach nicht richtig und passt nicht zum Rest. Dennoch hat mir "Echo Boy" insgesamt viel Spaß bereitet - zu einem zweiten Band würde ich definitiv nicht Nein sagen.

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Sommerkind. Büchersüchtig. Teetante. Optimistin. Quasselstrippe.

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