Als Simon, Lola und Garance erfahren, dass ihr Bruder Vincent nicht zur Hochzeit ihrer Cousine kommen würde, beschließen sie, zu türmen und ihn zu besuchen, um noch einmal einen Tag zu viert zu verbringen und die Zeit ihrer Kindheit nochmal Revue passieren zu lassen.
In Leihwirtschaft von meiner Mutter in die Hand gedrückt bekommen - weil es sich so leicht und locker lesen lässt. Ein bisschen sentimental, aber schön. Da konnte ich nicht nein sagen. Auch, weil Gavalda einen nicht unerheblichen Teil meines Bücherregals ausmacht. Warum also nicht?
Eine gute Entscheidung. Nicht nur, dass das Buch in Pocket Format herrlich leicht herumzutragen ist (sogar in der kleinen Handtasche!), sondern weil es ein Werk ist, dessen Handlung quasi das Leben schreibt. Meiner Meinung nach etwas, das unheimlich viel wert ist. Das Identifikationspotenzial eben.
Im Zentrum stehen die vier Geschwister Garance, Lola, Simon und Vincent, alle vier mit einer besonderen Affinität zu Kultur, Literatur, Musik - allem was für sie das Leben ausmacht. Dagegen stehen Personen wie Simons Frau Carine, die peinlich genau und akribisch analysiert oder die Hochzeitsgesellschaft. Während die Geschwister lebendig und emotional wirken, sind es die anderen, die einen eher kühlen und distanzierten Eindruck hinterlassen. Freiheit vs. Statik. Es ist wenig verwunderlich, dass die Geschwister aus dieser Umgebung ausbrechen, um sich für einen Tag ihre eigene heile Welt zu erschaffe. Zu leben. Sich zu erinnern. Gemeinsam zu sein. Bevor sie in ihr jeweiliges Leben zurückkehren müssen.
Die Botschaft dieses kleinen Büchleins ist klar: jeder Mensch verändert sich. Jede zwischenmenschliche Beziehung verändert sich. Man wird erwachsen, lebt sein Leben, entwickelt sich. Das macht auch vor Geschwistern nicht Halt. Was mich hier besonders beeindruckt hat, ist, dass diese Gedanken besonders Garance beschäftigten. Während der gesamten Geschichte machte sie am ehesten den Eindruck, "noch Kind zu sein". In den Tag hineinzuleben. Erst in diesem Moment wird klar, dass das mehr Farce zu sein scheint. Etwas in ihr möchte diese Entwicklung nicht, auch wenn sie weiß, dass sie nichts dagegen tun kann. Dass auch sie erwachsen werden muss. Ein Zwiespalt. Und für mich die wohl interessanteste Persönlichkeit in dem Buch. Was nicht zuletzt vermutlich daran liegt, dass das alles mehr oder minder aus ihrer Perspektive spielt.
Die Sprache, die Gavalda dabei verwendet, ist blumig, leicht verständlich und voller Witz. Das Buch liest sich so ohne weiteres mit einem Schmunzeln im Gesicht herunter, wobei ich gestehe, dass ich das Lesen mehr als einmal unterbrechen musste, um meinem Freund eine Stelle vorzulesen, die mich körstlich amüsiert hat. Ihr Stil ist herrlich ironisch und ehrlich zugleich - ein roter Faden, der sich durch das Buch zu ziehen scheint.
Persönlich als spannend empfand ich die vielen Referenzen zur Literatur, zu Film und Musik, die die Autorin in das Werk einfließen lässt. Da sind zahlreiche Titel, Textfragmente und kurze Handlungssequenzen, die die Liebe der vieren zu kulturellen Erzeugnissen belegen. Nicht weniger faszinierend, als dass vieles davon mir überhaupt nicht geläufig war. Zumindest zwei Dinge werden darin deutlich: zum einen wie breit gefasst das Feld und damit das Interesse gestreut ist und zum anderen welchen Stellenwert es in ihrem Leben einnimmt. Zugleich zu sehen, wie intensiv die Autorin selbst vermutlich damit verwurzelt ist... Beeindruckend!
Eine schöne Ergänzung sind im Übringen die Seiten am Ende des Buches, in welchen Gavalda selbst noch ein paar Worte an die Leser richtet, um von der Entstehung des Büchleins zu berichten. Zu lesen, dass die Unnachgiebigkeit ihrer Leser ihr das Versprechen abgerungen hat, diese kleine Geschichte der Öffentlichkeit zugägnlich zu machen, erfüllt mich mit Dankbarkeit, denn ich bin der Meinung: das hat sie mehr als verdient!
Gavalda ist es gelungen, eine Geschichte zu kreieren, die Leichtigkeit und Wehmut miteinander verbindet. Das ganze Buch scheint von einer Gegensätzlichkeit zu leben, die sich in den Charakteren, der Handlung und dem Schreibstil wiederspiegelt. Eine Empfehlung an alle Menschen, die gerne Geschichten lesen, die auf vielseitige und liebenswürdige Art und Weise vom Leben erzählen.