An einer Stelle im Buch fragt die Autorin, ob man 10 Wissenschaftlerinnen nennen könnte. Ich kam nach längerem Nachdenken auf 6, bei männlichen Wissenschaftlern wären es mehr gewesen, viel mehr. Bei Künstlerinnen und Künstlern sah das Ergebnis noch viel schlechter aus, bei Schriftstellerinnen viel besser, auch bei denen, die zu ihrer Zeit unter einem männlichen Pseudonym schreiben mussten, weil ihre oft gesellschaftskritischen Romane wohl nicht gelesen worden wären.
Nur woran liegt es, das Frauen nicht so präsent in der Geschichte sind, wie es ihnen eigentlich gebührt?
»Das liegt daran, dass Frauen schon seit der Steinzeit für die Kinderpflege und die Versorgung der Männer, die auf die Jagt gingen und die Sippe beschützen, zuständig waren, sie waren ja nur dafür geeignet.« »Es gab halt nicht soviel bedeutende Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen, Kämpferinnen, Schriftstellerinnen...«
Diese Antwort kommt bei vielen noch wie aus der Pistole geschossen, wenn man sie fragt.
Das ist natürlich absoluter Quatsch, schon in der Steinzeit wurde jeder nach seinen Fähigkeiten eingesetzt, denn nur zusammen konnte die Sippe überleben. Irgendwann allerdings wurde aus »Jeder nach seinen Fähigkeiten« »Männer an die Macht, Frauen an den Herd.«
Und das dauert bis heute an. Leonie Schöler führt uns in ihrem Buch durch die Geschichte, der Menschheit, in der Einleitung schreibt sie das bei archäologischen Grabungen die Bestatteten nach ihren Grabbeigaben zugeordnet wurden.
Waffen = Mann
Schmuck = Frau
Nur wurde genau das mit neuen wissenschaftlichen Methoden widerlegt und es stellte sich heraus das
30–50 % der untersuchten Skelette biologische Frauen waren.
Wir müssen also unser Weltbild von Beginn an revidieren.
Ich könnte euch noch seitenweise über die einzelnen Abschnitte erzählen, mich hat ehrlicherweise am meisten der Abschnitt
»Noch nie gehört. Frauen hinter männlichen Pseudonymen«
interessiert.
Vor längerer Zeit habe ich viele Science-Fiction-Romane gelesen und auch wenn mir die Namen nicht mehr in Erinnerung geblieben sind, hatte ich die feste Meinung »Frauen können das nicht schreiben«. Weil die zwei Bücher, die offensichtlich nicht von Männern geschrieben waren, nicht meinem persönlichen Geschmack entsprachen. Was ich damals nicht wusste, auch viele der Bücher, die ich großartig fand, waren von Frauen, nur stand auf dem Buchdeckel ein männliches oder geschlechtsneutrales Pseudonym. Heute weiß ich, dass Frauen großartiges zu Papier bringen, egal in welchem Genre.
So können Vorurteile entstehen.
Ich habe das Buch von Leonie Schöler innerhalb kürzester Zeit durchgelesen, manches zieht sich ein bisschen, aber zu 98 % hat mich sowohl ihr Schreibstil, der mal humorvoll und mal sehr ernst ist, als natürlich auch der Inhalt begeistert. Sie zeigt auf, wie Frauen systematisch unsichtbar gemacht wurden, schlimmer noch wie sie gedemütigt und verleugnet wurden, von Kollegen und oft auch von ihren eigenen Ehemännern. Dieses Buch lässt mich mit einem neuen Blick auf die Geschichte zurück wie ich sie in der Schule gelernt habe.
Einstein ist der Erfinder der Relativitätstheorie, von der Arbeit seiner 1. Frau Mileva Marić, die wohl einen großen Anteil an seinem Erfolg hatte, ist wenig bekannt.
Ach ja und Jeanne d`Arc war ein Mann. Das behauptete zumindest der deutsche Historiker Walter Rost im Jahr 1983, als ich dieses Kapitel las, wusste ich nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.
Von mir gibt es auf jeden Fall eine klare Leseempfehlung.
thenight
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Harry Schneider der Sicherheitschef in den Universal-Filmstudios, besucht gerade eine Vorstellung des Varietékünstlers und Hellsehers Erik Jan Hanussen, als er überraschend an das Filmset zu Fritz Langs neues Film "Frau im Mond" gerufen wird. Tanya eine Mitarbeiterin des Filmteams wurde tot aufgefunden. Während die Polizei an einen Unfall glaubt, ermittelt Schneider auf eigene Faust.
Die Autorin hat es wieder einmal geschafft, mich mit einem ihrer Krimis in den Bann zu ziehen, dieses Mal hat sie die Handlung in die spannende Zeit zwischen den Weltkriegen angesiedelt. Das Berlin der zwanziger Jahre war geprägt von einer einzigartigen Mischung aus kultureller Blüte, politischer Instabilität und wirtschaftlicher Unsicherheit. Die Stadt war ein Schmelztiegel der Künste, Literatur, Film und Musik. Gleichzeitig herrschte eine Atmosphäre der Aufbruchsstimmung und des gesellschaftlichen Wandels, aber auch der Armut und des sozialen Elends. Die wilden Partys, die freizügige Lebensweise und die politischen Spannungen machten das Berlin der zwanziger Jahre zu einer faszinierenden, aber auch turbulenten Zeit.
Astrid Korten hat die Gabe, diese besondere Stimmung einzufangen und reale Personen und Begebenheiten so in die Handlung einzubinden, dass man als Lesender glauben kann, alles habe sich so zugetragen. Wir treffen auf Fritz Lang, den großartigen Regisseur, auf seine Frau Thea von Harbou, auf deren Roman die Handlung des Films beruht, und auch auf Wernher von Braun, der später die V2 Rakete entwickelte und der als Wegbereiter für die Raumfahrt gilt.
Und das sind lange nicht alle historischen Persönlichkeiten, die in diesem Buch eine Rolle spielen. Die Hauptperson allerdings ist Harry Schneider, der Sicherheitschef, der akribisch ermittelt und nicht aufgibt, bis er die Wahrheit über Tanyas Tod erfährt. Ich mochte Harry sehr, er ist ein außerordentlich sympathischer Mensch, der auf der Suche nach der Wahrheit nie aufgibt und er hat mich mitgenommen auf dieser Suche, ich mag es sehr mitzurätseln und mich von überraschenden Wendungen in Erstaunen versetzen zu lassen.
Ein wichtiger Teil dieses Buches sind die Anmerkungen der Autorin, die uns noch einmal vor Augen führt, wie gefährlich die aktuelle politische Situation in Deutschland ist, das Erstarken einer rechten Partei weist erschreckende Parallelen zu den damaligen Geschehnissen auf und wenn wir das zu lassen steuern wir genauso auf einen Abgrund zu wie unsere Großeltern und Eltern.
Ich kann von mir behaupten, alle Romane der letzten Jahre des Autors zu kennen und so habe ich mich sehr gefreut, dass der »König von Albanien« im Dumont-Verlag neu aufgelegt wurde. Und ich wurde nicht enttäuscht.
Andreas Izquierdo schickt seine Leserinnen und Leser auf eine sehr amüsante Reise in die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts. 1913 wird der Schausteller Otto Witte in eine Irrenanstalt eingewiesen, er wäre der »König von Albanien« gewesen, so behauptet er. Seine Geschichte beginnt , als das Osmanische Reich vor dem Zusammenbruch steht und Albanien sich für unabhängig erklärt und nach einem König sucht und Otto sieht einem möglichen Thronfolger zum Verwechseln ähnlich. Mit seinem Freund Max Hoffmann an der Seite lässt sich Otto für kurze Zeit als König von Albanien feiern, bevor der Schwindel auffliegt.
Schon ab den ersten Zeilen war ich wieder einmal vom Schreibstil des Autors begeistert, er lässt wie kaum ein anderer, Bilder vor meinem geistigen Auge entstehen.
Nun hat sich der Autor den Schausteller Otto Witte nicht gänzlich ausgedacht, Witte lebte tatsächlich und er war nicht nur ein Hochstapler, er war ein Geschichtenerzähler mit der besonderen Gabe, seine Zuhörer in seinen Bann zu ziehen. Andreas Izquierdo hat Fakten und Fiktion auf eine tolle Art miteinander verbunden. Seine Charaktere sind liebevoll und glaubhaft gezeichnet, Izquierdo beschreibt die besonderen Freundschaften, die auch kritische Situationen aushalten.
Wie Witte ist auch Izquierdo ein genialer Geschichtenerzähler, mit dem Unterschied, dass der Autor seine Leser nicht betrügt, sondern unterhalten will und das gelingt ihm auch mit dieser Geschichte, die die Lesenden zurückführt, in eine Zeit, in der vieles möglich war, sogar das ein Schausteller König von Albanien war.
Ich vergebe für diese besondere Geschichte eine absolute und uneingeschränkte Leseempfehlung.
Siegmund Freud, Neurophysiologe, Tiefenpsychologe, Kulturtheoretiker und Religionskritiker und Begründer der Psychoanalyse und Vater von 6 Kindern.
Eines dieser Kinder war Anna, die 1980, nachdem sie eine Todesanzeige erhalten hat, auf ihr Leben als Tochter des berühmten Analytikers zurück.
Gefühle werden im Haus Freud nicht gerade großgeschrieben, zur Schau gestellte Zuneigung nennt Freud Gefühlsduselei. Anna lebt als letztes der 6 Kinder Freuds noch zu Hause, ein Leben, das komplett im Takt des Vaters verläuft.
Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt, aus Annas und aus Siegmund Freuds, der von sich selber schreibt »Ich war ein abwesender Vater« und Anna glaubte lange, dass ihr Vater nur zu Besuch käme und eigentlich in seiner Praxis wohnte.
Anna muss einen langen und sehr schwierigen Weg gehen, bis sie zu sich findet, bis sie sagen kann
»Ich bin Anna«
»Ich bin Anna« ist nicht nur ein Roman über eine außergewöhnliche Familie und ihre bewegte Geschichte, sondern auch eine fesselnde Reise in die Welt der Psychoanalyse und menschlichen Beziehungen. Tom Saller zeigt sich als virtuoser Erzähler, der es versteht, historische Ereignisse mit fiktiven Elementen zu verweben und dabei eine packende Geschichte zu kreieren. Ein Buch, das sowohl unterhält, als auch zum Nachdenken anregt und das ich jedem Leser wärmstens empfehlen kann.
1A, so nennt sich die Hausmeisterin des heruntergekommenen Mietshauses mitten in New York nach der Nummer des Appartements, das ihr mit der Anstellung zur Verfügung gestellt wurde. In ihrer Wohnung findet sie die Aufzeichnungen ihres Vorgängers, in dem die Eigenheiten und Spitznamen der Bewohner geschrieben stehen. Anhand dieser Aufzeichnungen versucht 1A diese besser kennenzulernen.
Die Pandemie steht, während der Erzählungen, nicht im Vordergrund. Allerdings ist sie im Hintergrund immer präsent, die Menschen auf dem Dach klatschen wie tausend andere Beifall, für die, die in systemrelevanten Berufen arbeiten und halten körperlich Abstand zueinander, während sie auf emotionaler Ebene immer mehr zueinander finden.
1A erzählt die Rahmenhandlung dieses außergewöhnlichen Erzählbands, der während des Lockdowns im April 2020 spielt.
Das »Fernsby Arms«, ist während des Lockdowns das Zuhause vieler verschiedener Menschen, die sich Abend für Abend auf dem Dach des Hauses treffen, nach und nach beginnen sie sich Geschichten zu erzählen. Vierzehen Tage begleiten wir die Menschen wie sie sich Geschichten erzählen, mal sind sie fröhlich, mal tieftraurig. Der Erzählband präsentiert ein Kaleidoskop verschiedener Geschichten, die über einen Zeitraum von vierzehn Tagen die Bewohner des »Fernsby Arms« begleiten.
Diese Geschichten, verfasst von 36 unterschiedlichen Autoren, bieten eine breite Palette an Erzählstilen und Themen. Während nicht jede Geschichte gleichermaßen überzeugt, verblüfft das Gesamtwerk durch seine nahtlosen Übergänge und die Gesamtkohärenz, die dem Buch eine einheitliche Struktur verleiht.
Einige der Storys aber haben mich positiv überrascht und das Gesamtwerk ist erstaunlich, hätte ich nicht vorher um die Besonderheit des Buches gewusst, es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass so viele Autoren an dem Werk beteiligt sind. Die Übergänge sind fließend und die Geschichte wirkt wie aus einem Guss. Am meisten allerdings hat mich das Ende überrascht, das dem Ganzen noch etwas Mystisches gibt.
Die Herausgeberin Margaret Atwood und ihr Mitherausgeber Douglas Preston haben bei der Auswahl der Geschichten im Großen und Ganzen ein gutes Händchen bewiesen. Für das Gesamtwerk vergebe ich gute Gewissens eine Leseempfehlung.
Ted Garner, ein geachteter Profiler der Royal Canadian Police, ermittelt in Mordfällen, die ihn von großen Metropolen, durch ungezähmte Wildnis, bis in die Reservate der indigenen Stämme führen. Dabei muss er sich nicht nur mit Kriminellen auseinandersetzen, sondern auch mit seinen eigenen Abgründen.
Der Profiler Ted Garner beschließt, den Polizeidienst zu quittieren und eine eigene psychotherapeutische Praxis zu eröffnen. Auf einem Kongress lernt Dr. Hofstätter kennen, die ihn dazu überredet bei einer indigen Zeremonie teilzunehmen. Diese Erfahrung endet für Garner mit einem Horrorszenario, er wacht neben einer skalpierten Leiche auf, ohne Erinnerung an die vergangene Nacht, mit einem blutigen Messer neben sich. Garner beschließt selbst zu ermitteln, um herauszufinden, was in der Nacht geschehen ist.
Die Autorin Frauke Buchholz erzählt die Geschichte aus verschiedenen Perspektiven, mal aus der Ted Garners, der auf der Suche nach der Wahrheit vor der Polizei flüchtet und da sind der depressive Frank Lombardi und seine Kollegin Nora Jackson, die ihm stets auf den Fersen sind.
Frauke Buchholz bringt ihren Lesern mit ihrem, wie ich finde, gut recherchierten Krimi, das Leben der indigenen Bevölkerung wird authentisch beschrieben, soweit ich das Beurteilen kann. Dazu kommen die detaillierten Beschreibungen der Umgebung und der Lebensumstände der Menschen, die das Lesevergnügen noch weiter steigern und sie schafft es, die Spannung bis zu letzten Seite aufrechtzuerhalten.
Dies ist schon der dritte Krimi rund um den Profiler Ted Garner und meiner Meinung nach sollte man die Vorgängerbände gelesen haben, um ein gutes Bild von Ted zu bekommen, rein um des Lesevergnügens willen. Um dem Fall folgen zu können, ist das nicht zwingend notwendig.
Ich vergebe für "Skalpjagd" eine Leseempfehlung.
Bewertung zu "Das Licht ungewöhnlicher Sterne" von Ryka Aoki
Katrina flieht aus ihrem gewalttätigen Elternhaus, in dem ihre Eltern ihr das Leben zur Hölle machen, seit sie wissen, dass ihr Kind Trans ist. Sie findet Unterschlupf bei einem flüchtigen Bekannten, der sie allerdings nur ausnutzt. In einem Park trifft die begabte Geigerin auf Shizuka Satomi, die Geigenvirtuosin hat ihre Seele an den Teufel verkauft und muss diesem 7 Seelen bringen, um sich selbst zu befreien. Doch Katrina wächst ihr ans Herz und irgendwann muss sie sich entscheiden. Und da ist auch noch Lan Tran, die mit ihrer Familie einen Donut Laden betreibt, der allerdings ist nur Tarnung.
Ich hatte mal wieder Lust auf einen Science-Fiction-Roman und als einer der ersten, der in die engere Wahl kam, war »Das Licht ungewöhnlicher Sterne« von Ryka Aoki.
Und ich habe nicht eine Zeile bereut, Ryka Aoki hat eine wunderbare Geschichte erschaffen, die SF und Fantasy Elemente geschickt miteinander verbindet und das mit einer erstaunlichen Natürlichkeit. Aoki lässt sich viel Zeit ihre Protagonisten vorzustellen, sie bringt sie ganz nah an ihre Leserinnen und Leser heran, sodass wir mit ihnen leiden und ihre Ängste teilen können. Besonders Katrina, wuchs mir unweigerlich an Herz, was die junge Frau durchmachen musste, weil ihr Umfeld und besonders ihre Eltern andere Vorstellungen haben, ist schon erschreckend. Dabei sollten Eltern ihre Kinder doch Wurzeln und Flügel geben, damit sie sich entfalten können.
"Das Licht ungewöhnlicher Sterne" ist eine wunderbar erzählte Geschichte, herzerwärmend und liebevoll, mit Protagonisten die ich sehr vermissen werde.
Lillian Cutting, ist um 1880 in New York, ihrer Zeit weit voraus, zu weit wie ihr Sohn Robert und die feine New Yorker Gesellschaft meinen. Lil führt die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes erfolgreich weiter, während Robert immer kurz vor dem finanziellen Ruin steht. Durch einen hinterhältigen Trick verfrachtet er seine Mutter in die Klinik des Psychiaters Matthew Fairwell, der sie mit perfiden Behandlungsmethoden und Morphium quält.
Über 100 Jahre später fällt einer Nachfahrin Lils, der Wall Street Journalistin Sarah, ein Brief Lils in die Hände, der Lücken in deren Geschichte schließt.
Markus Gasser lässt Sarah diese Geschichte erzählen, und zwar nicht irgendwem, sondern ihrer Hündin Miss Brontë, die nicht nur zuhört, sondern auch antwortet, eine eigene Meinung einwirft oder Sarah auch komplett widerspricht. Sarah führt Selbstgespräche einer besonderen Art, denn natürlich antwortet die Hündin ihr nicht wirklich.
Durch Sarahs eigene Tumorerkrankung erfährt sie am eigenen Leib die Defizite der modernen Medizin, zwar haben sich die Behandlungsmethoden geändert, allerdings nicht die Art und Weise wie die Patienten wahrgenommen werden.
Gassers Schreibstil ist bildhaft, manchmal wirkt seine Wortwahl etwas übertrieben und auf die Dauer für den einen oder anderen vielleicht zu viel des Guten, aber auf diesen wenigen Seiten - das Buch umfasst nur 240 Seiten - hat er mir viel Freude bereitet.
Ich erinnere mich zwar noch gut an die Fahndungsplakate, mit denen nach den Mitgliedern der RAF gefahndet wurde, Christian Klar, Ulrike Meinhof, Andreas Baader und viele andere waren für die Morde an Politikern und Polizeibeamten und für diverse Anschläge verantwortlich.
Viel mehr ist mir allerdings nicht in direkter Erinnerung geblieben. Ich war erstens mehr als unpolitisch und wohl auch noch zu jung, um das Ausmaß des Terrors auch nur annähernd zu begreifen.
Alexander Pfeiffer hat nun um die 3. Generation der RAF einen Kriminalroman geschrieben, der damit beginnt das Bettina Holz, eine frühere Bekannte des Privatdetektivs Widerwillen Sänger, ihn beauftragt, nach ihrem früheren Geliebten Robert "Robby" Zimmermann zu suchen, der als ehemaliger Spitzel für den Verfassungsschutz im Zeugenschutzprogramm untergebracht wurde. Briefe, die Robby an Bettina schickt, führen Sänger nach Hamburg. Und damit zu den Rentnern der 3. Generation, der RAF. Und dann ist da noch der Mord an Vera Angermann, auch sie eine Sympathisantin der Roten Armee Fraktion, für die augenscheinlich die 3. Generation verantwortlich ist, doch die RAF behauptete schon 1993 das Morden hinter sich gelassen zu haben.
Pfeiffer verwebt fiktive Personen mit realen Ereignissen, das hat mich immer wieder dazu gebracht mich etwas näher mit den damaligen Vorkommnissen zu befassen. Es hat Spaß gemacht, trotz des ernsten Hintergrunds, Sänger bei seinen Ermittlungen zu begleiten, seinen Gedankengängen zu folgen. Auch sein Privatleben kam bei all dem nicht zu kurz, schließlich ist er frisch mit der Journalistin Marlene verheiratet, um es mal so auszudrücken. :o)
Und fast habe ich Mitleid mit den RAF-Mitgliedern entwickelt, die ein Leben in Einsamkeit und Isolation führen müssen, immer auf der Flucht und immer auf der Suche nach einer Möglichkeit den Lebensunterhalt zu bestreiten. Was im Falle der RAF-Rentner wohl bedeutet Raubüberfälle zu begehen, denn eine legale Möglichkeit gibt es, für sie ja nicht.
Insgesamt ist "Terrorballade" ein packender Kriminalroman, der nicht nur mit seiner spannenden Handlung, sondern auch mit seinen vielschichtigen Charakteren und cleveren Anspielungen überzeugt. Alexander Pfeiffer beweist einmal mehr sein Talent als Autor und lässt den Leser in eine faszinierende Welt eintauchen, die noch lange nach dem Zuschlagen des Buches in Erinnerung bleibt.
Bewertung zu "Finsterwasser: Lübeck-Kriminal-Thriller" von Stine Nielsen
Zwei Kommissare, zwei Epochen, 1 Stadt.
Lübeck im Jahr 1874, der Mord an seinem Freund und Vorgesetzten stellt Leopold von Curstett vor ein Rätsel, wer hatte ein Motiv den integren Kommissar Henrik Johannson zu töten?
Lübeck heute.
Hauptkommissarin Emilia Hansen ist auf der Suche nach einer verschwundenen Frau, die in den Händen eines skrupellosen Mannes um ihr Leben bangt.
Beide Kriminalfälle sind für sich schon sehr spannend, sie zeigen einen guten Einblick in die Polizeiarbeit früher und heute, den Abhängigkeiten von höhergestellten Personen. Und von Menschen, die skrupellos alles tun, um ihren Willen durchzusetzen.
Es dauert etwas bis sich ein beide Zeitebenen verbind endendes Element herauskristallisiert, ein Spiegel, der sich sowohl in Leopolds Besitz als auch Jahre später in Emilias befindet. Dieser Spiegel verleiht der Story etwas Mystisches und da die Autorin Stine Nielsen in diesem ersten Band noch keines seiner Geheimnisse preisgibt, bleibt es spannend.
Der angenehme Schreibstil der Autorin, die abwechslungsreichen Storys und natürlich das Geheimnis um den Spiegel machen das Buch zu einem absoluten Lesevergnügen.
Über mich
- weiblich
- 31.01.1965
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