Bölls Irland ist nicht mehr das Irland, das man heute antrifft - Regel Nummer 1, die man bei der Lektüre von Bölls irischem Tagebuch stets im Hinterkopf behalten sollte, um nicht dem Zauber seiner Beschreibungen zu erliegen, die nächste Fähre zu buchen und sich auf die Suche nach all den rauchenden, trinkenden Iren der 50er Jahre zu machen.
Es ist kein typischer Reisebericht, der hier von einem der ganz großen deutschen Literaten vorgelegt wird. Es ist auch kein Roman, keine Sammlung von Kurzgeschichten. Was ist es dann? Geführt von Bölls großartiger, malerischer Sprache erhascht der Leser Augenblicke, Momentaufnahmen aus vergangenen Zeiten. Böll, der ein scharfsinniger Beobachter war, reiht Moment an Moment, ausgeschmückt mit liebevollen Details, spitzen Dialogen und weisen Einsichten. Es gibt keine Meinung, keinen Plot, keine Geschichte, die zu vermitteln wäre, hier spricht lediglich ein Tagebuch, die wohl persönlichste Form von Aufzeichnungen.
Wem dieses Buch zu empfehlen ist? Lesern, die Wert auf Sprache legen, die sich gerne von ihr einlullen und begeistern lassen. Reisenden als Anregung für eigene Tagebuchaufzeichnungen. Menschen wie mir, die das Irland von heute bereisen durften und es mit dem Vergangenen vergleichen wollen. Beobachtern, Liebhabern von winzigen, fragmenthaften Geschichten.
Wer es nicht lesen sollte? Leser, die eine konstruierte Geschichte brauchen, die einen Anfang und ein Ende wollen, die Sinn suchen. Touristen, die nach Highlights für die nächste Reise suchen.