Bewertung zu "Dr. Siri und seine Toten" von Colin Cotterill
Der Roman hält, was das ungewöhnliche Cover verspricht: Ein ganz und gar unblutiger Krimi mit einer skurrilen Ermittlerfigur der alten Schule und exotischem Setting.
Mit 72 Jahren blickt Dr. Siri Paiboun, der bislang nur mit lebenden Patienten zu tun hatte, der Rente ungeduldig entgegen. Doch die kommunistische Partei von Laos macht ihm einen Strich durch die Rechnung und ernennt ihn völlig überraschend zum einzigen Leichenbeschauer des Landes. Es bleibt dem rüstigen Mediziner keine andere Wahl, als seine neue Aufgabe anzunehmen. Mit Hilfe eines hoffnungslos veralteten Buches auf Französisch eignet er sich etwas Fachwissen an und klärt mit der Unterstützung zweier ebenso unqualifizierter Assistenten von nun an Todesfälle auf.
Über Stress kann sich Dr. Siri nicht beklagen, in der Pathologie geht es angenehm unspektakulär zu. Dies ändert sich schlagartig mit dem Tod von Frau Nitnoy, der Gemahlin eines Parteibonzen. Die Dame stirbt plötzlich bei einem Essen des Frauenverbands, ihr Ehemann gibt nur halbherzig den trauernden Witwer ab. Und schon hat der exzentrische Pathologie seinen ersten Fall, bei dem er sein detektivisches Geschick unter Beweis stellen kann. Sein Interesse am Tod von Frau Nitnoy löst an gewissen Stellen Ärger und Unbehagen aus. O je ... Dr. Siri, pass gut auf dich auf!
Dr. Siri ist unwiderstehlich. Nicht auf die Brad-Pitt-und-sein-Kumpel-George-Nespresso-Clooney-Art. Der Mann ist immerhin 72 Jahre alt und der Altersunterschied ist, bei aller Sympathie, einfach zu groß. Nein, Dr. Siri ist der coole Onkel-oder-aber-auch-Opa-Typ mit Schalk im Nacken und skurrilem Humor, der einen in heiklen Fragen berät, die man den Eltern nie im Leben stellen würde. Als Pathologie agiert er diskret und erinnert an den TV-Gerichtsmediziner Quincy, der im Vergleich zu den Kollegen von heute bemerkenswert unschuldig wirkt.
Dr. Siri ist außerdem ein Rebell mit gesundem Menschenverstand, der sich dem kommunistischen Regime seines Landes passiv widersetzt. Das Regime mit seinen zum Teil schwachsinnigen Auswüchen bekommt im Buch sein Fett weg.
Zu erfahren, unter welchen Bedingungen der Großteil der Laoten leben und arbeiten musste (und immer noch muss), war bedrückend. Aber gerade darin liegt die besondere Qualität dieses Debüts: Cotterill geht mutig auf die sozialen und politischen Bedingungen in kommunistischen Systemen ein, womit er "Dr.Siri und seine Toten" über die typischen Genregrenzen hinwegträgt und auch für geschichtsinteressierte Leser attraktiv macht.
"Dr. Siri und seine Toten" ist dennoch vor allem eines: Ein Softkrimi mit bezaubernden Charakteren und einer durchaus spannenden Handlung. Vorsicht vor Suchtgefahr!