Suter schreibt und ich lese – und bisher wurde ich noch nie enttäuscht. Auch sein aktueller Roman „Melody“ hat mich wieder bestens unterhalten. Suter stellt darin vor allem die Frage nach dem Unterschied zwischen Schein und Sein und ob es diesen überhaupt gibt.
Wie oft in Suters Romanen bewegen wir uns auch in „Melody“ wieder im Mikrokosmos der Schweizer Hochfinanz – in der geheimnisvollen Welt der Superreichen. Im Mittelpunkt steht der 84-jährige Multimillionär Dr. Peter Stotz. Kurz vor seinem Tod stellt er den jungen Juristen Tom ein, der sein Leben für die Nachwelt aufbereiten soll. Dabei soll Tom die Biografie des einst in Politik und Wirtschaft sehr mächtigen Mannes hauptsächlich beschönigen. Stotz hat genau Vorstellungen, wie er nach seinem Tod dargestellt werden möchte. Im Gegenzug bekommt Tom eine Vergütung, die fast schon unmoralisch ist.
Tom, der selbst gerade nach einer Neu-Orientierung sucht, zieht also in die klassizistische Villa Aurora am Zürichberg ein und macht sich an die Arbeit. Doch bald merkt Tom, dass es Stotz eigentlich um etwas anderes geht – er braucht nicht unbedingt jemanden, der seine Unterlagen sortiert, er braucht einen Zuhörer für die Geschichte seiner großen unerfüllten Liebe. Melody verschwand nämlich kurz vor der Hochzeit spurlos. Steckte die Familie der jungen Frau, streng gläubige Einwanderer aus Marokko, hinter dem Verschwinden? Stotz hat sein Leben lang nach seiner großen Liebe gesucht, bislang erfolglos. Tom hört der Geschichte des alten Mannes gebannt zu und wird bald vom Passiven zum Aktiven.
Suter erzählt einnehmend, raffiniert und spannungsgeladen. Die Geschichte liest sich leicht, trotzdem hat Suter viele gesellschaftliche Fragen und Themen zwischen die Zeilen gelegt: es geht um Karriere und Liebe, um Politisches, um Machtverhältnisse, um Wahrheit und Dichtung und den schönen Schein.
Viele Cliffhanger, Geheimnisse und Entdeckungen halten den Leser bei der Stange und lassen ihn mit rätseln: Was ist damals geschehen?
Ein erzählerisch wirklich toller Roman.