Wohnungsnot, horrende Mietpreise, Luxus-Sanierungen, Investment-Gesellschaften, die aus den Mietern den letzten Cent rauspressen wollen.
Städte wie Berlin oder Stuttgart, die ohne jede Not Wohnungen, die in ihrem Eigentum waren, an Investment-Gesellschaften wie Vonovia, Deutsche Wohnen oder Patrizia verhökerten.
Zitat aus dem letzten Kapitel, in dem Wolfgang Schorlau die Entstehung des 'Kreuzberg-Blues' erläutert. Genau gesagt auf Seite 412: "Ich staune immer noch, wie innerhalb weniger Jahre in Deutschland nahezu aus dem Nichts riesige, zum Teil Dax-notierte Immobilienkonzerne aufstiegen, die plötzlich zehntausende Wohnungen besaßen. Ihre Geschichte erinnert mich an Russland. Auch hier entstanden über Nacht Oligarchien, die plötzlich das frühere Staatseigentum besaßen. Der Vergleich ist nicht abwegig. Die heutigen Immobilienkonzerne, sein es Vonovia, Deutsche Wohnen oder Patrizia, konnten nur entstehen, weil ihnen öffentliches Eigentum - man muss es so sagen - nahezu geschenkt wurde. Der Berliner Senat verscherbelte 65 700 Wohnungen und Gewerbeeinheiten für 401 Millionen Euro. Das sind 6.130 Euro - nicht pro Quadratmeter, wie man vermuten könnte, sondern pro Wohnung."
Auch die Stadt Stuttgart hat sich ähnliches geleistet. Hier wurden 21.500 Wohnungen an Patrizia verhökert. Zwar zu einem nominellen Preis von 65.000 Euro pro Wohnung. Angesichts der marktüblichen Preise für Eigentumswohnungen im Raum Stuttgart ein 'absolutes Schnäppsche...'
Es verschlägt einem dann schon den Atem...
Diese Thematik nimmt Wolfgang Schorlau in seinem zehnten Dengler auf. Wer sich ein wenig mit dem aktuellen Geschehen in der Bundesrepublik und der Wirtschaftswelt auskennt, erkannt manches sofort. BlackRock, die weltweit wohl grösste Investoren-Gesellschaft benennt der Autor in seinem Dengler 'Blackhill'. Wer mit dem Satz "In ein paar Wochen wird der schneidige Kolonialoffizier für den Vorsitz der konservativen Partei kandidieren..." gemeint ist, erkennts wahrscheinlich jeder. Es ist der 'Mittelstandsangehörige' mit zwei Privatflugzeugen, der von 2016 bis 2020 Aufsichtsratsvorsitzender und Lobbyist für BlackRock in Deutschland war. Derjenige, der das deutsche Rentensystem liebend gerne abschaffen und auf Aktienerwerb umstellen würde. Wer mit halbwegs gesundem Verstand durch die Landschaft geht, erkennt den Zweck dieser Wunschvorstellung mühelos.
Solche versteckte, aber leicht zu erkennenden Analogien findet man immer wieder. Dazu ist das Buch meines Erachtens bestens recherchiert. Sogar die Ortsangabe einer öffentlichen Toilette in der Schleiermacher Strasse in Berlin, vor beziehungsweise in der zwei Unterweltgestalten, die für eine 'Entmietungs-Agentur' tätig sind, ermordet werden, ist korrekt.
An einer Stelle holpert der Krimi etwas: wie Olga in einen Keller eindringt.
Die letzten Seiten, in denen es um Corona, Querdenker, Rechtsradikale, Anthroposophieverfechter, Globoli-Schlucker, Esoteriker und ähnliches geht, wirkt zwar recht aufgesetzt und hat mit der eigentlichen Grundlage des Krimis wenig zu tun. Lesenswert sind diese Seiten dennoch auf jeden Fall.
Wolfgang Schorlau weiss, wie er aktuell brennende gesellschaftspolitische Themen in seinen Dengler-Krimis unterhaltsam und zugleich höchst informativ verpackt. Sei es Massentierhaltung und damit zusammenhängende Leiharbeit, Privatisierung der Wasserwirtschaft, das immer noch nicht restlos aufgeklärte Bombenattentat am Eingang des Münchner Oktoberfests 1980, die Vorgänge mit der Aufarbeitung der rechtsradikal zu verortenden NSU-Attentate.
Jeder Dengler ist einfach lesenswert! So auch dieser.