Bücher mit dem Tag "1950"
69 Bücher
- Alan Bradley
Flavia de Luce 1 - Mord im Gurkenbeet
(1.407)Aktuelle Rezension von: SasygirlFlavia (11 Jahre alt) entdeckt eines morgens eine Leiche im Gurkenbeet. Sie nimmt die Ermittlungen auf um ihren Vater, der Verdächtigt wird zu entlassen. Dabei gerät sie selbst in Bedrängnis.
Eine Spannende Geschichte über ein neugieriges Chemie begeistertes Mädchen. Flavia hat Seiten an sich, wo man denken könnte sie sei die Schwester von Wednesday Addams. Das Buch fesselt sehr und ist spannend zu lesen. Wirklich empfehlenswert!
- Elena Ferrante
Meine geniale Freundin
(650)Aktuelle Rezension von: CharleaSeit langer Zeit wollte ich bereits "Meine geniale Freundin" von Elena Ferrante lesen, endlich ist es mir gelungen und ich habe es definitiv nicht bereut. Was mir sofort auf den ersten Seiten aufgefallen ist, ist die flüssige Sprache der Autorin, so dass das Lesen einfach Spaß gemacht hat und die Seiten schnell gelesen und nun voller post-its sind.
Lila und Elena werden in der frühesten Schulzeit Freundinnen, ihre Unterschiede ziehen sie magisch an. Das, was beide zu verbinden scheint, ist ihr Intellekt. Doch während Elena weiter die Schulbank drücken darf, beschränkt sich Lilas Leben auf ihre Familie und das Schuhmacherhandwerk.
Die Mädchen wachsen im Rione auf, einem ärmeren Viertel Neapels, in dem nicht nur ein rauer Umgangston herrscht. Es fallen auch schon mal Schüsse und schnell ist ein Messer gezückt bei einem falschen Wort. Als die beiden in die Pubertät kommen, wandeln sich nicht nur ihre Körper in die junger Erwachsener, auch ihre Sichten auf ihre Welt verändern sich, so dass es scheint, dass die beiden sich dadurch von einander entfernen.
Ich habe das Buch in sehr kurzer Zeit weggeschmökert und hätte dem Buch auch gerne die volle Punktzahl gegeben, muss jedoch gestehen, dass mich das Ende ein wenig geärgert hat, welches in meinen Augen allzu abrupt war. Natürlich kann ich verstehen, dass die Autorin den zweiten Teil vor Augen hatte, als sie den ersten beendete - aber für meinen Geschmack war das Buch einfach nicht richtig zu Ende erzählt. Aber das ist auch der einzige Wehmutspunkt - ich freue mich schon jetzt auf den zweiten Teil.
- Bernhard Schlink
Der Vorleser
(5.779)Aktuelle Rezension von: Miriam321123Alles in allem ist Der Vorleser von Bernhard Schlink das schlechteste Buch, welches ich in meinen 30 Jahren gelesen habe.
Angefangen von den schlecht gezeichneten, unrealistischen Charakteren deren Handlungen nicht nachvollziehbar sind zum inhaltlichen.
Große und wichtige Themen auf ein paar Seiten runter zu brechen und Themen, wie sexuellen Missbrauch und NS-Verbrechen, werden meiner Meinung nach relativiert und zum Teil auch einfach Falsch dargestellt.
Für mich las sich das Buch als billige Pornografie mit Nazifantasien ohne wirkliche Story. Öde, unreflektiert und eine Schande, dass dieses Buch eine solche Popularität erreicht hat.
Sprachlich kann man drüber streiten...Mir hat der Schreibstil nicht zugesagt.
- Heike Fröhling
Das Leben ist nur ein Moment
(55)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerMir hat das Buch nicht so gefallen. Ich persönlich habe mich sehr schwer getan mit dem Lesen. Die Sprünge zwischen dem Aktuellen und den Rückblenden. Trotzdem wollte ich schon wissen wie es endet. Eigentlich ist es nicht die Geschichte von Isabell sondern die ihrer Oma Emma. Mich hat es teilweise sehr wütend gemacht was Emma ihrer Familie angetan hat. Eigentlich hört der Roman mit einem Neuanfang auf. Fortsetzung könnte dann sein wie Isabell mit dem Neuanfang klar kommt und trifft ihre Mutter ihren Halbbruder und gibt es vielleicht doch noch eine Chance der Familie......
- Alan Bradley
Flavia de Luce 2 - Mord ist kein Kinderspiel
(665)Aktuelle Rezension von: GrimnirEine sehr gelungene Fortsetzung aus der Reihe um die junge Detektivin Flavia de Luce. Der Fall ist durchaus düster, die Erzählung allerdings gewohnt humorvoll. Die inneren Monologe der Protagonistin ließen mich laut lachen. Wenn man einmal anfängt zu lesen, ist es sehr schwer das Buch wieder aus der Hand zu legen. Die Geschichte macht auf jeden Fall Lust auf mehr.
- Erich Kästner
Fabian
(327)Aktuelle Rezension von: mabo63Karikatur der Zustände Deutschlands, vorwiegend Berlin zur Zeit der Weimarer Republik. Der junge Jakob Fabian streift durch Berlin und ist meist ein ironischer Beobachter des unmoralischen Leben. Dabei schaut er mit Pessimismus der Zukunft entgegen (politische Polarisierung der Kommunisten und Nationalsozialisten) und in dieser Zeit verliert er seinen besten Freund Labude (Suizid aufgrund eines dummen Scherzes).
Seine grosse Liebe zu Cornelia löst er auf da diese sich mit einem reichen Filmdirektor einlässt - der Karierre wegen.
Ursprünglich hiess der Roman "der Gang vor die Hunde" und war eine Warnung vor dem nahenden Abgrund.
[Die große Arbeitslosigkeit, die der wirtschaftlichen folgende seelische Depression, die Sucht sich zu betäuben, die Aktivität bedenkenloser Parteien das waren Sturmzeichen der nahenden Krise. Und auch die unheimliche Stille vor dem Sturm fehlte nicht - die einer epidemischen Lähmung gleichende Trägheit der Herzen. Es trieb manche, sich dem Sturm und der Stille entgegenzustellen. Sie wurden bei Seite geschoben] ..[man lief den Rattenfängern nach, hinein in den Abgrund, in dem wir nun mehr tot als lebendig angekommen sind und uns einzurichten versuchen als sei nichts geschehen. Das vorliegende Buch das Großstädtische Zustände von damals schildert ist kein Poesie - und Fotografie Album sondern eine Satire. Es beschreibt nicht, was war, sondern es übertreibt. Der Moralist pflegt seiner Epoche keinen Spiegel, sondern einen Zerrspiegel vorzuhalten. Die Karikatur, ein legitimes Kunstmittel, ist das Äußerste was er vermag. Wenn auch das nicht hilft dann hilft überhaupt nichts mehr.
Dass überhaupt nichts hilft, ist - damals wie heute - keine Seltenheit.
Eine Seltenheit wäre es allerdings wenn das den Moralisten entmutigte. Sein angestammter Platz ist und bleibt der verlorene Posten. Ihn füllt er, so gut er kann, aus. Sein Wahlspruch heisst immer und heisst auch jetzt: Dennoch!"
Erich Kästner
Leseempfehlung.
- Friedrich Dürrenmatt
Der Richter und sein Henker / Der Verdacht
(1.276)Aktuelle Rezension von: Nicole_SutterEin Klassiker, den es sich zu lesen lohnt. Dürrenmatts Krimis sind wirklich lesenswert und klug und sie waren in dieser Zeit sehr mutig. 2 völlig unterschiedliche Romane.
Mit der Leiche auf dem Beifahrersitz im Auto Richtung Bern. Welch eine Polizeiarbeit, herrlich. Ich las die ersten 10 Kapitel im Nu und ich war gar nicht erstaunt als ich im hinteren Teil las, dass die Geschichte zuerst im Beobachter abgedruckt wurde. Solch eine Art Krimi eignet sich hervorragend in kleinen Abschnitten präsentiert zu werden. Ich denke hier an die Sonntagskrimi im Radio auf SRF "Philip Maloney und seine haarstäubenden Fälle". Als ich noch regelmässig lange Autofahrten immer am Sonntag machte, fand ich das immer herrlich. Nur dass sie nicht politisch angehaucht waren, aber genau die Art Polizeiarbeit darstellten, die wir hier lesen.
Ich finde Dürrenmatt packt sehr viel politisches Geschehen in seinen Roman, auch die Klüngelei, die man den Politikern immer wieder nachsagt, stellt er hervorragend dar. Es ist ein Krimi, der auch für schwache Nerven geeignet ist und besticht durch andere Raffinessen.
Aber jetzt kommt der zweite Roman "Der Verdacht". Allein der erste Satz im Roman „Der Verdacht“ ist wie ein Paukenschlag, der einem den Atem raubt und so geht es den ganzen Verdacht hindurch weiter. Nichts für schwache Nerven. Ein ganz ungemütliches Thema, nämlich die Nazizeit. Es wird nichts verschönert oder ausgespart.
- Alan Bradley
Flavia de Luce 3 - Halunken, Tod und Teufel
(421)Aktuelle Rezension von: GrimnirWieder eine sehr gelungene Geschichte um die junge Detektivin Flavia de Luce. Dieses Mal kommt Flavia mit Kräften in Kontakt, die sie selbst an ihrer geliebten Wissenschaft zweifeln lassen. Wie üblich sehr spannend geschrieben und mit witzigen Charakteren und Dialogen. Aber auch die persönliche Entwicklung der Protagonistin entwickelt sich auf interessante Weise.
- Isaac Asimov
Ich, der Roboter
(65)Aktuelle Rezension von: claudiaZDIes war mein erster Ausflug in die klassische Sci-Fi-Literatur und hat mich sehr positiv überrascht. Das Buch umfasst mehrere Kurzgeschichten, die die einzelne Entwicklungsstufen der Robotertechnik zum Thema haben. Dabei geht es nicht so sehr um die technischen Details, sondern vielmehr um das Verhältnis zu den Menschen, die die Roboter erschaffen haben.
Ausgangspunkt sind allgemeingültige Grundregeln nach denen die Roboter erschaffen werden. In den einzelnen Geschichten werden die Wirksamkeit dieser Grundregeln, dargestellt, vermeintliche Abweichungen analysiert und Gefahren beschrieben, wenn die Grundregeln bewusst manipuliert werden.
- Stephanie Schuster
Die Wunderfrauen - Alles, was das Herz begehrt
(195)Aktuelle Rezension von: Bluelillie874 verschiedene Frauen, wo jede Ihre Last zu tragen hat und doch vieles gemeinsam haben und ein und das selbe Ziel verfolgen, super interessant und man fühlt sich in die 50er Jahre sofort hereinversetzt. Das Buch war auf jedenfall super spannend und voller Überraschungen und bin schon sehr gespannt, wie es im zweiten Band weiter gehen wird.
- Alan Bradley
Flavia de Luce 4 - Vorhang auf für eine Leiche
(329)Aktuelle Rezension von: GrimnirWieder ein tolles Buch von Alan Bradley um die junge Detektivin Flavia de Luce. Wie üblich mit guten Dialogen, einer interessanten Entwicklung der Charaktere, einer spannenden Geschichte und einer guten Portion Chemie. Die Kulisse des Englands der 1950er Jahre sorgt dabei für eine schöne Atmopshäre und ein gutes Lesegefühl.
- Jan Zweyer
Persilschein
(7)Aktuelle Rezension von: PaulTempleDer Abschuss der Goldstein-Trilogie spielt im Jahr 1950 - selbstverständlich wieder in Herne. Die Gesellschaft versucht sich mit der noch jungen Bundesrepublik zu arrangieren und die nationalsozialistische, gewaltvolle Vergangenheit schnellstmöglich zu verdrängen. Leichter gesagt als getan, denn viele Nutznießer der neuen Demokratie waren während des NS-Regimes in - freundlich ausgedrückt - zwielichtige Geschäfte verwickelt, deren Konsequenzen auch noch 1950 spürbar sind. Sogenannte "Persilscheine", verbürgte Aussagen über die vermeintlich harmlose Tätigkeiten in der NS_Zeit, stehen hoch im Kurs. Auch Hauptkommissar Goldstein, der im Nationalsozialismus der SS angehörte und auch zwangsweise mit der Gestapo zusammenarbeiten "durfte", trägt dunkle Geheimnisse in sich. Neue Mordfälle, die auch den damals blühenden Schwarzhandel mit berühren, stellen Goldstein erneut auf eine schwere Probe.
Sprachlich einfach aber gut lesbar geschrieben, interessante historische Atmosphäre mit eingebunden - ein würdiger und lesenswerter Abschluss! - Tom Rob Smith
Agent 6
(163)Aktuelle Rezension von: JessisBuchwelt„Agent 6“ von Tom Rob Smith hat mich leider enttäuscht. Während die Prämisse, Leo Demidow durch die düsteren Zeiten des Kalten Krieges zu begleiten, vielversprechend klingt, konnte die Umsetzung für mich nicht überzeugen. Die Geschichte zieht sich über Jahre und verschiedene Länder hinweg, aber anstatt einer packenden Reise erlebte ich eine Handlung, die oft langatmig und stellenweise chaotisch wirkte.
Die Charaktere, allen voran Leo, sind zwar interessant angelegt, aber ihre Entwicklung bleibt oberflächlich. Besonders der Mittelteil des Buches hat sich für mich wie ein zäher Strudelteig gezogen – man wartet und wartet, dass es spannend wird, doch diese Spannung kommt erst sehr spät. Selbst die emotionalen Momente, die eigentlich dramatisch hätten sein sollen, ließen mich eher kalt, da sie nicht ausreichend vertieft wurden.
Was mich ebenfalls gestört hat, ist die übermäßige Komplexität der verschiedenen Handlungsstränge. Sie haben mich eher verwirrt, anstatt die Geschichte voranzutreiben. Statt eines intensiven Thrillers bekam ich eine teils schwer verständliche und unnötig komplizierte Geschichte, die mich nur mühsam bei der Stange halten konnte.
Das Ende war für mich ein weiterer Schwachpunkt. Es fühlt sich abrupt an, viele Fragen bleiben offen, und der emotionale Höhepunkt, den ich mir nach all den vorhersehbaren Wendungen erhofft hatte, blieb aus. Ich hätte mir mehr Tiefe und Klarheit gewünscht, vor allem in Bezug auf Leos familiäre Beziehungen und die politischen Konsequenzen seines Handelns.
- Philip Roth
Empörung
(136)Aktuelle Rezension von: beccarisWenn man das Buch zu Ende gelesen hat, möchte man gar kein neues mehr anfangen, denn es kann fast nur schlechter ausfallen. Ausserdem sind die Themen in diesem Roman von Philip Roth von solch einer Eindringlichkeit, dass sie einem mehrere Tage intensiv beschäftigen und nicht mehr loslassen.
Es geht um den jungen und äusserst ehrgeizigen, aus einer jüdischen Familie stammenden Marcus Messner, der sich von der übermässigen und fast hysterischen Behütung seines Vaters befreien möchte und darum als Studienplatz ein weit von seiner Heimatstadt Newark entferntes College wählt. Er möchte vor allem eines, nämlich als Klassenbester das Studium absolvieren und investiert so seine ganze Energie ins Lernen. Trotz seines eher zurückhaltenden, höflichen aber durchaus offenen und kommunikativen Charakters, kommen schon nach kurzer Zeit Schwierigkeiten auf ihn zu. Da ist einerseits der aufsässige Zimmerkollege, der ihm keine Minute Ruhe gönnt und alles tut, um sich unbeliebt zu machen. Andererseits reihen sich ein paar an sich harmlose Ereignisse aneinander, die dazu führen, dass der junge Mann zum Schulleiter bestellt wird. Auf perfide Art und Weise muss er sich einem Verhör unterziehen, gegen das er mit Abscheu und Rebellion reagiert. Die Befragung fällt nicht zu seinen Gunsten aus und endet mit einem verhängnisvollen Zwischenfall. Marcus Messner lässt sich jedoch nicht entmutigen. Seine erste grosse Liebe zu der labilen, suizidgefährdeten und männertollen Olivia verteidigt er trotz den vielen Einwänden seiner Mutter und der Studienkollegen und letztlich seiner eigenen Skepsis. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht über den Inhalt preisgeben.
Die Geschichte handelt in der Zeit um 1950, während der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Nordkorea zusammen mit der Volksrepublik China und Südkorea zusammen mit den USA. Viele junge US-amerikanische Soldaten verlieren in grauenvollen Kämpfen in dieser Zeit ihr Leben. Die Angst der Daheimgebliebenen vor einem eventuellen Marschbefehl ist gross, so auch bei Marcus Messner. Vor diesem Hintergrund wirken die falsche Frömmigkeit und die Forderung nach Ordnung und Ehre, sowie die Regeln der Obrigkeiten nach menschlichem Verhalten umso absurder.
Marcus Messner zitiert im Buch die Thesen des Philosophen und Mathematikers Bertrand Russell (1872-1970), der als Aktivist für Frieden und Abrüstung als Leitfigur des Pazifismus gilt. - Gloria Goldreich
Die Tochter des Malers
(66)Aktuelle Rezension von: MarinaHPersönliche Meinung:
Das Buch spricht mich weder vom Cover, weder vom Klappentext besonders an. Ida Chagall ist ein unsympathischer Charakter, der durchs ganze Leben, nie wirklich frei von ihrem Vater wird. Ihr Vater, der berühmte Marc Chagall, hat sie vollkommen in seiner Gewalt und man merkt die Abhängigkeit zwischen den beiden.
Der Schreibstil der Autorin spricht mich gar nicht an, es sind zu viele Füller, zu wenig Handlung.
Ihre Beschreibungen sind zu detailliert, nach nur wenigen Seiten, bekommt man genug davon. Selbst beim mehreren Seiten überspringen, kommt man gut mit der Handlung zurecht da einfach nichts passiert.Fazit:
Ein langweiliges Buch, welches sich nicht zu lesen lohnt. Marc Chagall war ein Tyrann, der seinen Angehörigen das Leben zur Hölle gemacht hat.
- Tschingis Aitmatow
Dshamilja
(285)Aktuelle Rezension von: bookstoriesEs gibt kein anderes Buch, das ich so oft gelesen habe wie "Dshamilja". Auf meinen beiden letzten Ferienreisen, die schon ein paar Jahre zurückliegen, hatte ich es immer bei mir. Nicht nur die angenehme Kürze der Erzählung, vor allem auch die Verträumtheit und Stille dieser "schönsten Liebesgeschichte der Welt", wie Louis Aragon sie in seinem Vorwort nennt, ist Grund dafür, dass ich eine besondere Affinität zu dieser Erzählung entwickelt habe. Übrigens sollte man auch Louis Aragons lobendes Vorwort unbedingt lesen, aber erst nach der Lektüre, wenn man nicht schon zu viel im voraus erfahren möchte. Louis Aragon war ein französischer Dichter und Schriftsteller, der die Geschichte ins Französische übertragen hat.
Die 1958 entstandene Novelle war die Abschlussarbeit des damals dreissigjährigen Tschingis Aitmatov am Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau und wurde erstmals in der Literaturzeitschrift Nowy Mir veröffentlicht. Es gibt zwei Übersetzungen ins Deutsche. Die ursprüngliche und für zahlreiche Auflagen und Neuausgaben des Insel- und Suhrkamp-Verlags verwendete Übertragung stammt von Gisela Drohla, die zweite bekannte Übersetzung besorgte Hartmut Herboth. Ich habe immer nur die Version des Suhrkamp Verlags gelesen. Dieses Mal nehme ich zum Vergleich für gewisse Passagen auch die Übersetzung des Unionsverlags zur Hand und stelle fest, dass mir Gisela Drohlas Übertragung besser gefällt. Irgendwie drückt sie mehr Herzenswärme aus. Es gibt Stimmen, die das anders empfinden und Herboths Übersetzung vorziehen. Das ist eben Geschmacksache.
"Dshamilja" ist eine Erzählung, die tief berührt. Sie wird aus der Perspektive des heranwachsenden Said erzählt, wobei hin und wieder Formulierungen darauf hindeuten, dass der Ich-Erzähler heute bereits erwachsen ist und auf das Geschehene zurückblickt. Irgendwo habe ich auch gelesen, dass es sich um eine wahre Begebenheit handeln soll, die Aitmatov in seinem Debüt aufgenommen hat. Die Geschichte spielt im dritten Jahr des zweiten Weltkrieges, im Nordosten Kirgisiens, in einem Gebiet, das an Kasachstan angrenzt, zwischen der Kirgisenkette und der kasachischen Steppe, am Fluss Kukureu. Während die Dschigiten, so werden die jungen Männer und Elitereiter genannt, an der Front gegen die Deutschen kämpfen, arbeiten die Frauen, älteren Männer und Kinder auf den Feldern, ernten, dreschen und verladen das für die Soldaten lebensnotwendige Korn.
So auch Dshamilja. Um zu verstehen, in welcher Beziehung sie zu Said, dem Erzähler, steht, muss erwähnt sein, dass Saids Vater eine zweite Frau geheiratet hat, deren Mann verstorben ist, denn nach strenger Tradition und Gesetz des Auls (Dorf) darf eine Witwe nicht allein gelassen werden. So kommt der junge Said zu einer zweiten Mutter, deren Söhne an der Front sind, und Dshamilja ist mit einem dieser Söhne verheiratet. Deshalb nennt Said sie "Dshene", Frau des älteren Bruders, und er selbst wird von ihr liebevoll "Kitschine bala" genannt, kleiner Junge, obwohl Said nur wenige Jahre jünger ist als sie. Said ist glühend in Dshamilja verliebt, und sie liebt auch ihn, so seine naive Wunschvorstellung. Als ich das Buch zum ersten Mal las, dachte ich zu Beginn, es handle vom Verliebtsein Saids in Dshamilja, was gewissermassen auch stimmt, denn der Fünfzehnjährige fühlt sich für seine "Dshene" verantwortlich und glaubt, sie vor anderen Männern beschützen zu müssen, will er doch nicht, dass sie belästigt wird. Denn sie ist eine bildhübsche Frau, und mit seinen Gefühlen ihr gegenüber weiss Said noch nicht richtig umzugehen.
Doch dann tritt Danijar in Dshamiljas Leben. Danijar ist aus dem Krieg mit einer Beinverletzung zurückgekehrt und im Aul aufgenommen worden. Allen begegnet er still und verschlossen, niemand kann sein Wesen ergründen, von allen wird er gemieden. Auch Said erinnert sich an Begegnungen mit Danijar, die ihn mit Fragen zurücklassen. Danijar übernachtet oft allein am Flussufer oder zieht sich auf einen Hügel zurück, wo sein versonnener und doch klarer Blick in die Ferne geht und er auf Laute zu lauschen scheint, die niemand sonst hören kann. Dshamilja lernt ihn kennen, als sie für die Arbeiten auf der Kolchose eingesetzt wird. Von nun an beladen Said, Dshamilja und Danijar gemeinsam ihre Pferdegespanne, fahren täglich durch die Steppe und die Schlucht zur fernen Bahnstation, um dort ihre Kornsäcke abzuliefern und spät in der Nacht wieder zur Dreschtenne zurückzukehren, wo sie in der Scheune im Stroh übernachten.
Dshamilja und Danijar beginnen, Gefühle füreinander zu entwickeln. Heimliche, versteckte, denn Danijar ist scheu und zurückhaltend, und Dshamilja verheiratet. Das alles darf nicht sein, und um sich selbst zurückzunehmen, und aus ihrer stets zu Scherzen aufgelegten Frohnatur heraus, hat Dshamilja anfänglich nur Spott für den Aussenseiter übrig, den dieser schweigend hinnimmt. Als ein harmloser Streich ernst und demütigend endet, scheint sie sich vor Scham noch mehr von ihm abgrenzen zu wollen. Doch dann beginnt Danijar eines Nachts auf der Heimfahrt zu singen, und diese Stimme, die voller Sehnsucht und Liebe die Stille der Steppe durchdringt, verändert alles.
Während dieser so liebliche Gesang, von dem sie Nacht für Nacht hingerissen sind, bei Dshamilja die Dämme brechen lässt, scheint Said, dem viel daran liegt, dass die beiden sich verstehen, die Liebe auf einer viel tieferen Ebene zu erfahren. Auf einmal versteht er Danijars Wesen, nimmt ihn als einen zutiefst verliebten Menschen wahr - verliebt in das Leben selbst. Dshamilja hingegen kämpft mit ihrem Gewissen. Schon bald gibt sie Danijar zu verstehen, dass ein Zusammenkommen unmöglich scheint: "Was hast du denn? Oder begreifst du es wirklich nicht? ... Als ob ich die einzige auf der Welt wäre ... Für mich ist es auch nicht leicht." Diese ablehnende Haltung, und ein Brief von Dshamiljas Mann, den ein heimgekehrter Soldat ihr überbringt, löst grösste Enttäuschung in Danijar aus. An jenem Abend kehren alle getrennt von der Bahnstation zur Dreschtenne zurück, und Dshamilja lässt bis spät in die Nacht auf sich warten.
Die kurze Novelle ohne Kapiteleinteilung liest sich nahezu wie der Gesang Danijars, der in dem Buch ein zentrales Element darstellt. Während dies bei Dshamilja starke Gefühle für Danjiar auslöst, begegnet Said, Erzähler der Geschichte, einem Schlüsselerlebnis des Erwachens. Staunend, wie durch die Augen eines Kindes, verzückt und überwältigt von der Schönheit des Lebens, der Natur, und der Liebe der beiden, sieht er nunmehr jedem Tag entgegen. Ob es sich bei diesem Buch wirklich um die schönste Liebesgeschichte der Welt handelt, kann man gewiss hinterfragen, sofern man es vom Standpunkt der Personen bezogenen, subjektiven Liebe aus beurteilt. In meinen Augen wird hier aber nicht nur die Beziehung zwischen Dshamilja und dem tief in das Leben verliebten Danijar wundschön in Szene gesetzt, sondern auch die Erleuchtung Saids.
Said erlebt die Liebe in ihrer bedingungslosen Form, erfährt das Leben selbst, und diese Erfahrung inspiriert ihn zum Malen. Er möchte die beiden Verliebten malen, ihm fehlen sogar die richtigen Farben dazu, wie er am Ende der Geschichte erzählt. Und dass der Erzähler zum Zeitpunkt der Niederschrift der Novelle diese universelle Erfahrung längst verinnerlicht hat, zeigt die Komposition der Geschichte, ihre Sprache, die Art und Weise, wie Dinge wahrgenommen und beschrieben werden. War Said am Anfang noch ein unerfahrener Junge, erfährt er am Ende des Tages die Liebe des Lebens überhaupt, ohne je persönlich geliebt zu haben.
Für mich ist "Dshamilja" in der Tat die schönste Liebesgeschichte der Welt. Ich werde dieses Buch immer wieder zur Hand nehmen, denn immer wieder begegnet man in diesen Zeilen erneut der Schönheit und der Liebe des Lebens selbst.
Review mit Zitaten und Bildern auf https://www.bookstories.ch/gelesenes1/dshamilja
- Bill Bryson
Mein Amerika
(46)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerBill Bryson berichtet witzig-ironisch über seine Kindheit in den USA in den 1950ern, über den damaligen Zukunftsoptimismus, skurile Erfindungen, schrullige Eigenheiten seiner Eltern und Nachbarn und allgemein über Dies und Das, was sehr unterhaltsam ist.
Gelesen wird das Hörbuch von Oliver Rohrbeck (bekannt als "Justus Jonas" von den Drei Fragezeichen, der Eindruck vergeht aber nach einer Weile), was sehr gut gelingt. Man kann sehr gut zuhören, auch in Etappen und für zwischendurch, da es kein durchgängiges Thema gibt, sondern einfach aus dem Nähkästchen geplaudert wird.
Sehr zu empfehlen für eine kurzweilige Unterhaltung, z. B. beim Autofahren oder wenn man am PC sitzt und arbeiten muss (*seufz*). Und nebenher, ohne dass man es merkt, lernt man auch noch etwas dazu über die USA, seine Geschichte und die Denkweise seiner Bewohner.
- Alexander Solschenizyn
Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch
(95)Aktuelle Rezension von: FederfeeWir schreiben das Jahr 1951. Iwan Denissowitsch Schuchow, ca. 40 Jahre alt, eine fiktive Person, zeigt uns exemplarisch an einem Tag das Leben in einem Straflager mit all' seinen Schwierigkeiten: Hunger, Zwangsarbeit, sibirische Kälte, Gewalt und Betrug von oben und untereinander, Verlust der Familie, Krankheit und Tod, Gewalt und Verzweiflung, Korruption und Bestechung.
Was hatte dieser Mann Schlimmes getan? Um es deutlich zu sagen: NICHTS! Er war in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und nach der Rückkehr wurde er – wie so viele - unter dem Vorwurf verhaftet, in landesverräterischer Absicht zum Feind übergelaufen zu sein. Für Stalin und seine Schergen genügte schon der bloße Verdacht, um den berüchtigten Artikel 58 anzuwenden: antisowjetisches Verbrechen. Schuchow unterschrieb unter Zwang. 'Unterschrieb er das nicht, war er ein toter Mann', dann lieber Haft.
Anfangs waren das zehn Jahre, ab 1949 wurde man ohne Unterschied zu 25 Jahren 'verknackt'. Für Kleinigkeiten gab es Verlängerungen. Willkür, Gesetzlosigkeit. Und selbst nach der Freilassung war nicht klar, ob er je wieder in sein Heimatdorf zu seiner Familie zurück durfte, dann man hatte ihm die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt.
Man kann kaum glauben, dass Menschen so ein Leben aushalten können. Solschenizyn schildert das Lagerleben eines einzelnen Tages aus der Sicht Schuchows, seinen Lebenswillen, seine Tricks und Überlegungen, an mehr Essen zu kommen, nicht aufzufallen und in dem ganzen Desaster seine Selbstachtung zu bewahren und Mitmenschlichkeit zu zeigen.
Und genau das ist das Versöhnliche an diesem eigentlich schrecklichen Buch: Schuchow bringt es fertig, nicht nur an sich selbst zu denken, sondern mit der ein oder anderen Geste seinen Mitgefangenen zu helfen oder Trost zu spenden und am Ende des Tages rekapituliert er sogar, für was er alles dankbar sein kann.
Ein sehr lesenswertes Buch, das für mich allerdings immer rätselhafter werden lässt, was mit diesem Land los ist, das so große Dichter und Musiker hervorgebracht hat. Von Dostojewski wissen wir, dass es schon zur Zarenzeit solche Lager gab und auch heute gibt es sie noch, s. meine Rezension zu Oleg Senzows Buch 'Haft':
https://www.lovelybooks.de/autor/Oleg-Senzow/Haft-2929677314-w/rezension/5102995699/
- Sayo Masuda
Die letzte Geisha
(18)Aktuelle Rezension von: PaperboatBestanden meine bisherigen Leseerfahrungen über die Geisha Japans aus Vertreterinnen der gehobenen Geishakreise, in denen Musik, Unterhaltung, Gesang und Tanz in einem hohen Kurs standen, so habe ich mit Sayo Masudas „Die letzte Geisha“ die Kehrseite des Gewerbes in einer unbedeutenden Provinzstadt kennengelernt.
Sayo kommt über verschiedene Ecken in ein Geisha-Haus, wohin sie verkauft wurde. Sie wird einigermaßen in den Unterhaltungskünsten einer Geisha ausgebildet, jedoch wird sehr viel mehr Fokus auf ihre Erotik- und Verführungskünste gelegt als auf intellektuelle und kulturelle Künste, womit sie sich sehr von den Kyoto- und Tokyo-Geishas unterscheidet. Die Ausbildung und Verpflegung wird ihr in Rechnung gestellt, so dass sie jahrelang gebunden ist ein unerwünschtes Schicksal mit abendlichen Engagements, deren Abschluss oft bezahlte intime Episoden bilden, abzubezahlen.
Masuda berichtet über Rivalität und Schikane, die unter den Geisha in ihrem Umfeld herrschen, aber sie findet auch Schwestern unter den Leidensgenossinnen. Mit 19 Jahren hat sie einen Mäzen dermaßen für sich vereinnahmt, dass er sie freikauft – wobei lediglich die Herrschaft wechselt, denn ab sofort ist sie die Mätresse eines Mannes. Diesem läuft sie weg und findet Zuflucht bei ihren ehemaligen Geisha-Schwestern, die es ebenfalls aus dem verhassten Gewerbe geschafft haben. Ihr gelingt es ihr kleines Brüdderchen ausfindig zu machen, dem sie zu einem guten Leben verhelfen möchte wie ihr es selbst verwehrt war.
Im Nachwort wird erwähnt wie in den 1930er Jahren Zeitungsartikel in ganz Japan darüber berichteten, dass ganze Dörfer und Schulklassen in ländlichen Gebieten rar an Mädchen waren. Sehr offensichtlich war es in prekären Verhältnissen lukrativer ein junges Mädchen zu verkaufen statt es durchzufüttern. Ausbeutung und die Rückstellung der eigenen Bedürfnisse macht die Frauen zu seelisch Verwundeten, von denen viele den Freitod starben und wahrscheinlich noch mehr sich nie von den Traumata erholten.
Ihre Autobiografie verfasste Sayo Masuda, die Zeit ihres Lebens nie die japanischen Kanji-Schriftzeichen gelernt hatte sondern lediglich die vereinfachte Silbenschrift (Lernstand eines Grundschülers), auf die Ausschreibung einer Zeitung für eine Kurzgeschichte. Masudas Text wurde begeistert als Fortsetzungsgeschichte veröffentlicht, bevor ein Verlag sich dazu entschloss ihre Biografie als Buch zu verlegen. Die Einkünfte aus dieser Buchveröffentlichung ermöglichten es Masuda ein kleines Restaurant zu eröffnen, das sie betrieb, bis sie im Alter von 83 Jahren verstarb.
Dies ist eine kraftvolle Geschichte der anderen Seite der Medaille. Ich liebe Geschichten über Japan und sauge alles Fiktive wie Nichtfiktive gierig auf. So hat mich Sayo Masudas Geschichte sehr interessiert und nach dem Ende bewegt zurückgelassen. - Marc Levy
Die zwei Leben der Alice Pendelbury
(103)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderAlice will sich verlieben, aber bisher hat sie immer die falschen Männer getroffen. Auf einem Jahrmarkt geht sie zu einer Wahrsagerin und diese prophezeit ihr, dass der Mann ihrer Träume gerade an ihr vorbei gegangen ist und nach sechs wichtigen Begegnungen, wird sie ihn wieder sehen. Alice ist aufgeregt, beglückt, aber sie weiß auch nicht ganz sicher, wie sie mit dieser Situation umgehen soll. Mit ihrem Nachbarn, dem Maler Ethan Daldry, unternimmt sie dann viele Ausflüge und mit ihm begibt sie sich auch nach Istanbul. Hier will Alice ihr eigenes Parfum kreieren und Ethan hat viele Freunde und Bekannten und weiß von einem großartigen Spezialisten, aber die Reise wird Alice noch auf eine ganz andere Art und Weiße in Atem halten. Marc Levy ist der Meister der großen Gefühle und ist für alle Leser von Nicholas Sparks zu empfehlen.
- Andreas Götz
Die im Dunkeln sieht man nicht
(54)Aktuelle Rezension von: walli007Im Jahr 1950 kehrt der Schriftsteller Karl Wieners aus Berlin nach München zurück. Er hat im Krieg alles verloren, insbesondere seine Familie, aber auch seinen Willen zu schreiben. Dennoch nimmt er das Angebot seines alten Kumpels Georg an, für die Zeitschrift, welche dieser neu auflegen will, zu recherchieren. Dass seine Nichte Magda hinter diesem Angebot steht, weiß Karl nicht. Kommissar Ludwig Gruber, mit dem Karl zur Schule gegangen ist, ermittelt in einem Mordfall. Ein Spediteur wurde ermordet und aus seinem Büro wurde ein Bild gestohlen. Hängt dies vielleicht mit dem Verschwinden der Bilder zusammen, deren Spuren sich bei Kriegsende verloren?
Bei diesem zeitgeschichtlichen Kriminalroman um Karl Wieners, seine Nichte und Kommissär Gruber handelt es sich um den ersten Band einer Trilogie. Der zweite Weltkrieg ist noch nicht so lange her und die Menschen haben die Zeit noch nicht überwunden. Es gibt die Ewiggestrigen, die immer noch von einem anderen Staat träumen, aber auch die, bei denen ein Denkprozess eingesetzt hat. Jedoch sind alle vom Krieg geprägt. Karl ist sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war zurückzukommen. In Berlin hat ihn allerdings auch nichts mehr gehalten. Gruber hadert mit dummen und faulen Kollegen und mitunter auch mit seinen eigenen Schwächen.
Die 1950er sind eine interessante Epoche in Deutschland. Ein toller Hintergrund für eine spannende Geschichte, die mit vielen Informationen aufwartet und die Nachkriegszeit ehrlich beschreibt. Leider sind die Beschreibungen des privaten Umgangs insbesondere von Karl und Magda nicht so fesselnd, dieser Teil der Story wirkt etwas aufgesetzt. Auch entsteht ein wenig der Eindruck, es habe sich in diesem Fall alles Schlechte versammelt, was München damals zu bieten hatte. Abgesehen davon ist der Zeitkolorit aber sehr gut eingefangen. Man lernt sehr gut, zu verstehen, dass nur fünf Jahre nach dem Krieg eben noch nicht alles in Ordnung war. Vielen fehlte es an Einsicht über die Verbrechen des Krieges und nur langsam konnte ein wenig Hoffnung einsetzen, dass es vielleicht zu einem Umdenken kommen könnte.
- Joyce Carol Oates
Foxfire
(5)Aktuelle Rezension von: WortmagieJoyce Carol Oates wurde am 16. Juni 1938 geboren. Demnach ist sie am heutigen Tage (März 2022) 83 Jahre alt. Ihr erstes Buch, die Kurzgeschichten-Anthologie „By the North Gate“, erschien 1963. Seitdem veröffentlichte sie insgesamt 58 Romane, zahlreiche Novellen, Kurzgeschichten, Theaterstücke, Gedichte und Aufsätze sowie Essays. Trotz ihres mittlerweile fortgeschrittenen Alters ist sie weiterhin äußerst produktiv und publiziert jedes Jahr mindestens einen Roman.
Diese bemerkenswerte Produktivität wird ihr manchmal negativ ausgelegt, ebenso wie ihre Themenwahl. In der Vergangenheit wurde ihr häufig empfohlen, sich auf „Frauenthemen“ zu beschränken und den „großen Sozialroman“ Autoren wie Norman Mailer zu überlassen. Vor dem Hintergrund dieser Kritik wirkt ihr 22. Buch „Foxfire: Confessions of a Girl Gang“ beinahe wie eine Retourkutsche, denn darin beschäftigt sich Oates mit dem Traum einer feministischen Utopie.
Vor ihrer Wiedergeburt war Maddy ein Niemand. Sie war nicht mehr als ein Mädchen der frühen 50er Jahre in der Kleinstadt Hammond im Bundesstaat New York – wie es auch ihre Blutsschwestern waren. Erst FOXFIRE erweckte sie, entfachte das Feuer in ihnen. Sie entflammten für den Kampf gegen eine ungerechte Welt, in der jungen Frauen niemals Türen offenstanden, in der sie unterschätzt und eingesperrt wurden. FOXFIRE rächte sich. FOXFIRE spuckte dieser Welt der Männer ins Gesicht und tat, was sie verdienten.
Doch das Feuer brannte heißer, als Maddy und ihre Schwestern ertragen konnten. Sie verglühten in den Flammen ihres Zorns. Viele Jahre später blickt Maddy – Madeleine – zurück. Als Chronistin der Mädchengang ist es ihre Aufgabe, in der Asche ihrer Träume Antworten zu finden und zu erklären, was sie selbst kaum versteht: Warum FOXFIRE scheitern musste.
Die Bücher von Joyce Carol Oates sind oft schwer zu interpretieren. Ich kann natürlich nur für mich selbst sprechen, aber ihre gesellschaftskritischen Werke lassen mich häufig etwas ratlos zurück. Diese Geschichten muss ich lange in meinem Unterbewusstsein arbeiten lassen, bis ich Vermutungen über ihre Bedeutungen anstellen kann.
Bei „Foxfire: Confessions of a Girl Gang“ brauchte ich mehrere Monate, um einen Verdacht zu entwickeln, was mir die Schriftstellerin mit diesem Buch sagen möchte. Die Erkenntnis wurde von einer interessanten Beobachtung begleitet: Ich konnte mich nicht auf eine Interpretation festlegen, weil ich zu dicht dran war. Ich musste erst Distanz gewinnen, um zu erkennen, was direkt vor meiner Nase lag. Ich bin fest überzeugt, dieser Effekt ist kein Zufall.
Joyce Carol Oates muss ihn entweder gezielt forciert oder zumindest billigend in Kauf genommen haben, denn anders ist nicht zu erklären, warum sie mich so tief in die Ich-Perspektive ihrer unzuverlässigen Erzählerin Maddy eintauchen ließ, dass ich den Wald vor lauter Bäumen nicht sah.
„Foxfire“ ist eine Erinnerungschronik, die von kurzen Bezügen zur Gegenwart eingerahmt wird. Als erwachsene Frau erinnert sich Madeleine an ihre Zeit als Teenager, als Maddy und als Gründungsmitglied der Mädchengang FOXFIRE. Wie notwendig diese Trennung zwischen Madeleine und Maddy für sie ist, wird schnell offensichtlich. Ihre Schilderungen gleichen einem Bewusstseinsstrom, sie schreibt oft ohne Punkt und Komma, als würde sie mitgerissen.
Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sie schneller und schneller tippt, jede Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit hinter sich lässt und die Ereignisse noch einmal durchlebt. Maddys Erfahrungen üben einen enormen Sog auf sie aus, dem sie sich nur stellen kann, wenn sie sich emotional abspaltet.
Dadurch wirkt „Foxfire“ äußerst authentisch, doch es war nicht immer leicht, ihren Gedanken zu folgen. Dennoch begriff ich instinktiv, wie und warum FOXFIRE entstand. Die Gang begann als Schwesternschaft, die sich Gerechtigkeit für Frauen auf die Fahnen schrieb. Sie war eine Antwort auf vieles und in ihren Reihen fanden die Mitglieder Loyalität, Hingabe, Liebe und Fürsorge. Sie waren füreinander da, als es sonst niemand war, schon gar nicht die Männer in ihren Leben, die sie ausnahmslos als übergriffig erlebten.
Daher ist es kein Wunder, dass Zorn ein entscheidendes Bindemittel in der Dynamik von FOXFIRE war. Ihr Gewaltpotential war früh und deutlich erkennbar; so ist kein Wunder, dass sich die Gang rasant kriminalisierte, denn die Mädchen berauschten sich an ihrem Zorn, dem erstmals ein Ventil geboten wurde.
Weibliche Gewalt ist demnach ein Hauptmotiv in „Foxfire“ – Joyce Carol Oates beschreibt eindrücklich, wie sie entsteht, sich kanalisiert und am Ende eskaliert. Deshalb glaube ich, dass die Autorin mit diesem Roman betonen möchte, dass weibliche Emanzipation und Feminismus unvermeidlich sind. Das ist die Botschaft, mit deren Definition ich mich so schwertat. Wer Wind sät, wird Sturm ernten.
„Foxfire: Confessions of a Girl Gang” ist ein Roman über die Emanzipationserfahrung jugendlicher Frauen in den 1950er Jahren. Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, ob er sich auch als Coming-of-Age – Erzählung qualifiziert, kam jedoch zu dem Schluss, dass diese Kategorie zu schwach ist für das, was Joyce Carol Oates in diesem Buch beschreibt. Die Gewalt, mit der sich die Mädchengang FOXFIRE emanzipierte, ist dafür zu dominant.
„Foxfire“ hat nichts mit der Schilderung eines sanften, unschuldigen Erwachens zu tun. Vielmehr handelt es vom Traum radikaler, rachsüchtiger Gleichberechtigung, der zerplatzt, als die Gang zu weit geht. Am Ende müssen diese jungen Kriegerinnen einsehen, dass Feminismus nicht gegen die Gesellschaft möglich ist, sondern nur mit ihr – und das schließt Männer selbstverständlich ein.
Ich fand die Lektüre hypnotisch und äußerst inspirierend. Es ist ein brutal feministisches Buch, das mich als weibliche Leserin gnadenlos bei meinem Gerechtigkeitssinn packte. Wer glaubt, Frauen könnten nicht mit aller Härte für ihre Rechte kämpfen, irrt gewaltig.
- Ingrid Müller-Münch
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(31)Aktuelle Rezension von: IraWiraDieses Buch hat mir ziemlich zu schaffen gemacht, was zwar für mich ein Problem war, aber in diesem Fall nichts Negatives über das Buch aussagt, eher im Gegenteil.
Es ist ein gut geschriebenes, sehr eindringliches Buch, das mich spontan an Bücher wie den "Club der toten Dichter" oder Donna Tartts Buch "Die geheime Geschichte" erinnerte.
Die in einem Waisenhaus kurz nach dem Zweiten Weltkrieg angesiedelte Geschichte, entwickelte sich langsam, aber spannungsreich. Als Leser ahnt man ganz allmählich, wohin die Reise gehen wird, wobei erst im spannungsgeladenen Finale wirklich deutlich wird, was eigentlich passiert ist.
Nahezu jeder der beteiligten Charaktere hat irgendetwas zu verbergen, so dass man als Leser permanent am Rätseln ist, was die verschiedenen Personen zu verstecken haben.
Der Spannungsbogen wird gekonnt bis zum Schluss gehalten und der Leser verfolgt mit, wie die Jungen langsam aber sicher in eine Spirale der Gewalt hineingezogen werden, aus der es kein Entrinnen gibt. Eine, rückblickend geradezu simple, Rivalität zwischen zwei Häusern des Heims, die lediglich darin resultierte, dass eine Gruppe besser versorgt war als die andere und die verschiedenen, unter den gegebenen Umständen leider normalen, Streitigkeiten der Kinder untereinander, entwickeln sich unter einem neuen Einfluss unaufhaltsam zu etwas Größerem hin. Es treibt die Kinder mitten hinein in eine Katastrophe.
Was mir zu schaffen gemacht hat, so böd es klang, war die zunehmende Gewalt der Kinder untereinander, die sich schon sehr bald nicht mehr auf einem "normalen" Niveau abspielt. Ich muss zugeben, dass Gewalt gegen Kinder eine echte Schwachstelle bei mir ist, vermutlich haben wenige andere damit solche Probleme wie ich.
Von diesem Punkt abgesehen, ist es ein ausgesprochen gut geschriebenes Buch, das ich auf jeden Fall empfehlen kann!