Bücher mit dem Tag "68"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "68" gekennzeichnet haben.

8 Bücher

  1. Cover des Buches Heißer Sommer (ISBN: 9783462047714)
    Uwe Timm

    Heißer Sommer

     (34)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    "Heißer Sommer" ist eines der wenigen literarischen Zeugnisse der Studentenrevolte. Heute, dreißig Jahre danach, ist das Buch selbst ein Stück Geschichte, das uneingeholte politische Erwartungen wachhält und die Atmosphäre eines bewegenden historischen Moments mit all seinen Spannungen, Aufbrüchen, beschleunigten Entwicklungen unvergessen macht. FAZIT: Ein sehr wirr geschriebenes und langatmiges Buch. Uwe Timm baut sehr oft Zitate aus damals aktuellen Büchern, Flugschriften oder von Philosophen mit ein, die das lesen erschweren und auch intellektuell einen hohen Wissensgrad erfordern. Von der Studentenrevolte an sich, habe ich mir eigentlich etwas mehr gewünscht und doch wird es durch die Ich-Perspektive des Protagonisten und seine Handlungen dem Leser ganz gut näher gebracht. Man weiß am Ende auch nicht wirklich, wie die Geschichte an sich ausgegangen ist oder wo überhaupt das Problem des Protagonisten liegt, das ihn dann auch das gesamte Buch lang herumtreibt. In der Struktur des Buches hat Uwe Timm seine "Montagetechnik" aufs Höchste präzesiert, was die zusammengestückelte Atmosphäre noch erheblich anhebt. Ich habe mich fast durch das gesamte Buch gequält und war froh, als ich es endlich fertig gelesen hatte. Alles in allem ein Buch, das ich nicht unbedingt empfehlen würde, nur für hart gesottene Timm-Fans.
  2. Cover des Buches Rebellion und Wahn (ISBN: 9783462306552)
    Peter Schneider

    Rebellion und Wahn

     (10)
    Aktuelle Rezension von: Liebes_Buch
    Während ich in der Schule etwas über das 3. Reich gelernt habe, blieben mir die 68er unerklärt. Ich habe diese Autobiographie gelesen, um zu begreifen, warum die Nachkriegsgeneration sich für den Terrorismus begeistern konnte. Peter Schneider war ein Kamerad Rudi Dutschkes, erlebte die aufregende Zeit an der Uni Berlin mit und arbeitete im Springertribunal, das die Springer Medien enteignen wollte. Obwohl ich nachvollziehen kann, dass die Nachkriegsgeneration Probleme mit den Taten der Elterngeneration hatte, bleiben die Aktionen der 68er für mich nahezu unbegreiflich. Auch Peter Schneider, der hautnah dabei war, wirkt auf mich ratlos und verwirrt. Am Ende seines Aktivismus ging er in Therapie. Andere 68er begingen Selbstmord oder wurden Neonazis. Der Grundgedanke, Eltern, Staat oder Schulen in Frage zu stellen, scheint mir nach dem Krieg verständlich. Ich vermute, dass sich daraus auch der Starkult um die Bewegung speist. In den USA protestiert die Bewegung gegen die Diskriminierung der Schwarzen. In Deutschland kristallisiert sich ein Kampf gegen den Kapitalismus heraus, der von der Stasi unterstützt wird. Warum 68er jüdische Gebäude anzünden und gegen Israel kämpfen, bleibt mir schleierhaft. Einerseits wusste die Nachkriegsgeneration, dass ihre Eltern in Verbrechen verstrickt waren, andererseits wollten sie diese nicht aufarbeiten, sondern Neues schaffen. Peter Schneider beschreibt seine Schulzeit, seinen Umzug nach Berlin, seine Liebe zu einer jungen Frau, die später wegen ihrer Taten vor Gericht steht und von dem Hype, den die 68er erfahren. Nicht nur, dass Studenten für Politiker Reden schreiben dürfen, die auch bezahlt werden, wenn sie niemand liest, auch für Zeitungsaufsätze wird genug Geld bezahlt, um davon leben zu können. (Offensichtlich handelte es sich damals nicht um die Generation Praktikum.) Die Designerklamotten klauen seine Freundin und er aus Luxusboutiquen zusammen.  Trotzdem veröffentlicht die Bewegung ein schadenfrohes Flugblatt als 300 Konsumenten (Menschen) in einem Kaufhaus verbrennen. Diese Freude am Tod bildet den Auftakt zu folgenden Anschlägen. Peter Schneider beschreibt seine Erlebnisse sehr interessant und glaubwürdig. Trotzdem lässt er den Leser ratlos zurück. Auch hier scheint es sich um ein Stück Geschichte zu handeln, bei dem der Zeitgeist dominierte und die Beteiligten mitriss. Als Erklärung bietet sich nur die Beziehung zur Freundin. Aber kann man eine Partnerin für die eigene politische Gesinnung verantwortlich machen? Jedenfalls waren die 68er Medienstars, fanden grosse Beachtung und auch Unterstützung aus der Bevölkerung (Spendengelder) und fühlten sich bedeutend und damit gerechtfertigt. Für mich war das Buch sehr interessant, obwohl es schwer zu lesen ist. Die damalige Welt war sehr anders und die Motivation bleibt schwer zu begreifen. Diese Generation nahm sich das Recht zu rebellieren und hat nicht viel daraus gemacht. (in Deutschland) Trotzdem wird wohl jeder Leser traurig werden, dass wir heute kaum noch rebellieren. Aber ist es wahr, dass es nur mit Gewalt geht? Den Eindruck hatten die Studenten damals und diese Frage ist wohl noch immer ungelöst.
  3. Cover des Buches Rot (ISBN: 9783462308808)
    Uwe Timm

    Rot

     (63)
    Aktuelle Rezension von: MrFlimpson
    Es ist die Geschichte eines Alt - Achtundsechziger, der sich jetzt als Beerdigungredner verdingt. Er hat eine viel zu junge Freundin, die Ihm Geschichten aus der Achtundsechziger Zeit entlockt. (inkl. Besuche früherer Mitstreiter). Eben einer dieser Mitstreiter ,der von alternative Stadtführungen in Berlin gelebt hat, hat testamentarisch verfügt, das er die Beerdigungsrede gegen ein gutes Honorar halten solle. Entlang diesem Auftrag, entwickelt sich die Geschichte, die den Zeitgeist gut mitfühlen und atmen läßt.
  4. Cover des Buches Ulrike Meinhof (ISBN: 9783548372495)
    Jutta Ditfurth

    Ulrike Meinhof

     (12)
    Aktuelle Rezension von: Gulan
    „Es kann kein Zweifel bestehen: Ulrike Meinhof hat dieser Gesellschaft den Krieg erklärt, sie weiß, was sie tut und getan hat, aber wer könnte ihr sagen, was sie jetzt tun sollte? Soll sie sich wirklich stellen, mit der Aussicht, als die klassische rote Hexe in den Siedetopf den Demagogie zu geraten? […] Es ist inzwischen ein Krieg von 6 gegen 60 000 000. Ein sinnloser Krieg […] auch im Sinne des publizierten Konzeptes. […] Ulrike Meinhof muss damit rechnen, sich einer totalen Gnadenlosigkeit ausgeliefert zu sehen.“ (S.322)

    So formulierte es Heinrich Böll am 10.01.1972 auf dem Höhepunkt der Fahndungswelle nach der „Baader-Meinhof-Gruppe“ im Spiegel unter der Überschrift „Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?“ und bringt damit die Ambivalenz zum Ausdruck, die viele Linke Ulrike Meinhof am Ende entgegenbrachten. Die Radikalität und Gewalt der RAF wurden weitgehend abgelehnt, Baader und Ensslin als Gewalttäter verunglimpft, doch Ulrike Meinhof blieb aufgrund ihrer früheren politischen und journalistischen Verdienste ein Idol vieler Linken und ist damit eine der umstrittensten Persönlichkeiten der bundesdeutschen Nachkriegszeit. Biografin Jutta Ditfurth versucht, den Weg, der Ulrike Meinhof schließlich in die RAF brachte, nachzuzeichnen.

    1934 wurde sie in Oldenburg geboren, in einer Familie evangelischer Christen, die dem Nationalsozialismus nahestehen. Schon während des Studiums engagiert sie sich, zunächst religiös motiviert, in der Friedensbewegung und später in der Anti-Atomtod-Bewegung. Sie tritt früh dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund bei, später auch der (illegalen) KPD. 1959 beginnt sie als Journalistin bei der Zeitschrift „konkret“. Die Zeitschrift wird unter anderem durch ihre Leitartikel zu einem führenden linken Medium. In der Zeit der westdeutschen Studentenbewegung und in Reaktion auf den Tod Benno Ohnesorgs und das Attentat auf Rudi Dutschke radikalisiert sie sich zunehmend.

    Es formiert sich die Rote Armee Fraktion. Trotz einer durchaus nennenswerten Zahl an Sympathisanten lehnt aber vor allem die gemäßigte Linke diese Eskalation ab (Max Horkheimer: „So dumm kann keiner sein, um nicht zu spüren, dass sie genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich wollen.“, S.319) Meinhof wird Chefideologin der Gruppe, verfasst die politischen Schriften der RAF. Sie nimmt an mehreren Banküberfällen und fünf Bombenanschlägen mit insgesamt vier Toten teil. Am 15.06.1972 wird sie von der Polizei verhaftet. Es folgt die umstrittene Isolationshaft in der JVA Köln-Ossenheim. 1974 beginnt schließlich der Stammheim-Prozess. Noch vor dessen Ende wird sie am 09.05.1975 tot in ihrer Zelle aufgefunden. Ihr Selbstmord wurde von zahlreichen Linken angezweifelt.

    Jutta Ditfurth verfolgt den Lebensweg von Ulrike Meinhof streng chronologisch. Nur den Beginn des Buches markiert der Wendepunkt im Leben von Meinhof: Die Befreiung Andreas Baaders am 14.05.1970 aus der Haft. In der Folgezeit waren auch durch den extremen Fahndungsdruck alle Brücken zurück abgebrochen. In diesem Zusammenhang fällt folgender berühmter Satz von Ulrike Meinhof:

    „[...]wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.“ (S.287)

    Ditfurth beschäftigt sich ausführlich auch mit Kindheit, Jugend und Studienzeit von Ulrike Meinhof und zeichnet dabei ein interessantes gesellschaftliches und politisches Bild der westdeutschen Nachkriegszeit. Die zunehmende Politisierung und später auch Radikalisierung von Meinhof wird durch Zeitzeugen und Meinhofs eigene Texte herausgearbeitet. Leider wird die Einbettung in den gesellschaftlichen Gesamtbezug im Laufe des Werkes etwas schwächer. Außerdem bedauerlich finde ich, dass Ditfurth am Ende auf einen reflektierenden Rückblick und Nachbetrachtung verzichtet. Zudem muss man natürlich konstatieren, dass Jutta Ditfurth selbst dem sehr linken Spektrum zuzuordnen ist und dies den Grundton des Buches bestimmt. Man hat durchgehend den Eindruck, dass Aktionen der Staatsmacht negativer dargestellt werden als die der Linksextremen und Terroristen.

    Nichtsdestotrotz ist diese Biografie auf jeden Fall lesenswert und gibt einen intensiven Eindruck einer interessanten Persönlichkeit.

  5. Cover des Buches Acid, Mao und I Ging (ISBN: 9783981223705)
    Michael Geißler

    Acid, Mao und I Ging

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Clarisse
    Michael Geißler erzählt über die Zeit der 68er aber ganz anders, als andere.. Man erfährt etwas von der ersten LSD Küche in Berlin, über eine Gefängnisinsel in Griechenland...und vieles, vieles mehr... Eine Art Autobiographie, mit großem Augenzwinkern geschrieben, man muss selbst entscheiden, was man für wahr hält und was nicht. Empfehlenswert!
  6. Cover des Buches Die Reise (ISBN: 9783610084820)
    Bernward Vesper

    Die Reise

     (7)
    Noch keine Rezension vorhanden
  7. Cover des Buches Lebenslauf (ISBN: 9783462044560)
    Alice Schwarzer

    Lebenslauf

     (29)
    Aktuelle Rezension von: black_snapper

    Das Buch liest sich sehr flüssig und angenehm. Frau Schwarzer  kann ohne Zweifel schreiben! Zum einen beschreibt sie tatsächlich ihren Lebenslauf von Anfang bis Ende. Zum anderen berichtet sie aber auch über die Reaktionen anderer Leute, vor allem Journalistenkollegen. Es ist schockierend, wie sie in einem Land, das behauptet, es gäbe hier eine Pressefreiheit, immerwieder übelst verbal angegriffen wird. Wo bleibt die neutrale Berichterstattung? Berichte werden zensiert, wenn sie zu sehr pro-Schwarzer sind. Oder gar nicht erst geschrieben. Hallo? Wo leben wir denn? Und immerwieder dieser Vorwurf, sie sei eine lesbische hässliche Männerhasserin. Dabei ist sie einfach nur modern. Sie hat in Paris gelebt, hatte jahrzehntelang einen (männlichen) Lebenspartner, trug schicke Kleider, hat ihr eigenes Geld im Wunschberuf verdient und hat nie die Klappe gehalten. Wie ihre Analysen aller möglichen Dinge das Buch durchziehen ohne langweilig zu wirken, das imponiert mir. Sie ist eine Analystin, eine Kämpferin. Wir haben ihr viel zu verdanken, Männer wie Frauen. Man muß nicht in allem ihrer Meinung sein, aber man sollte sie respektieren.

  8. Cover des Buches Das demokratische Zeitalter: Eine politische Ideengeschichte Europas im 20. Jahrhundert (ISBN: 9783518732472)
    Jan-Werner Müller

    Das demokratische Zeitalter: Eine politische Ideengeschichte Europas im 20. Jahrhundert

     (1)
    Aktuelle Rezension von: hproentgen

    Jan-Werner Müller will die politischen Ideen und ihr Zusammenspiel mit den politischen Bewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts untersuchen. Keine reine Ideengeschichte also, sondern:

     

    »Um ein solches Verständnis zu gewinnen, dürfen wir uns nicht mit den vorliegenden Darstellungen der Entwicklung bedeutender politischer Philosophen des europäischen 20. Jahrhunderts begnügen. Wir sollten uns vielmehr auf das konzentrieren, was sich zwischen dem mehr oder weniger akademischen politschen Denken auf der einen Seite und der Schaffung (und Zerstörung) politischer Institutionen auf der anderen Seite abspielt. Mit einem Wort: Wir müssen jene politischen Theorien erfassen, die politisch folgenreich waren.«

     

    So beginnt er konsequenterweise mit dem klassischen Liberalismus der Epoche vor dem ersten Weltkrieg. Ein ungebrochener Fortschrittsglaube, der Staat in den Händen verantwortungsvoller Parlamentarier, die freilich nur von einem Teil der Gesellschaft gewählt wurden. Denn der Plebs würde, gäbe man ihm die Macht, die Gesellschaft zerstören. Das galt auch für die Frauen, denen die Fähigkeit zum Wählen, geschweige denn gar zum Regieren, rundweg abgesprochen wurde. Monarchien begründeten sich aus Gott und Aristokratie.

     

    Diese Vorstellungen zerstörte der erste Weltkrieg. Den alten Eliten und dem Liberalismus der Vorkriegszeit war es nicht gelungen, den Krieg zu verhindern, geschweige denn, dass die Probleme der Gesellschaften zu lösen.

     

    Auf diesem Hintergrund entstanden verschiedene politische Bewegungen samt Theorien, die den klassischen Liberalismus der Vorkriegszeit ersetzen wollten. Mussolinis Faschisten, die Nazis, die Kommunisten, klerikale Regime wie die von Franco und Salazar, Nationalstaaten, die ein einheitliches Volk mit einheitlichem Willen schaffen wollten. Sie alle benötigten Ideen, die sie legitimieren würden, aber auch die Ausgestaltung ihrer Politik prägten. Allen gemeinsam war, dass sie sich auf das Volk beriefen, dass sie, auch wenn sie nicht demokratisch waren, sich einen demokratischen Anschein geben wollten.

     

    Zugleich waren die Staaten im Krieg immer mächtiger geworden. Dass das deutsche Reich Lenin als Vorbild für seinen Sozialismus diente, lag auch daran, dass sich dieses Reich während des Krieges zu einer riesigen Maschine, einer Bürokratie entwickelte, die eine Macht beanspruchte, die vor dem Krieg kein Staat innehatte. Das galt auch für die anderen Staaten im Krieg.

     

    Müller untersucht die verschiedenen Ideen und Theorien, die zwischen den Weltkriegen aufkamen und die, die nach dem Krieg erst prägend für Westeuropa, später auch für Osteuropa wurden. Sein Buch liest sich gut, wenn er sich am Anfang bei Max Weber auch sehr in Details verliert, die vielleicht Wissenschaftler interessieren mögen, für Otto Normalleser aber weit hergeholt erscheinen. Doch das gibt sich bald, denn der Autor versteht es, in den folgenden Kapiteln verständlich und stringent seine Thesen zu entwickeln.

     

    Und deren zentrale ist: Es ist kein Zufall, dass sich nach dem ersten Weltkrieg alle möglichen Ideologien Boden gewannen. Aber das zwanzigste Jahrhundert ist nicht das Jahrhundert der blutigen Ideologien, wie es oft dargestellt wird. Es ist auch ein Jahrhundert der Demokratien. Wie sie sich entwickelten, welche Strukturen und Ideen dafür prägend waren, kann das Buch spannend darstellen. Etwa die Bedeutung von Verfassungsgerichten, die nicht gewählt werden, aber einen ganz zentralen Baustein heutiger europäischer Staaten bilden.

     

    Für die Nachkriegszeit legt er den Schwerpunkt auf die Christdemokraten. Das ist sicher richtig, denn Adenauer, de Gaspari, Schuhmann waren Christdemokraten. Und die Christdemokraten hatten ideengeschichtlich den weitesten Weg zurückzulegen. Der klassische Katholizismus, auch der politische, stand schließlich bis zum Ende des zweiten Weltkriegs der Demokratie sehr distanziert gegenüber. Es ist der Verdienst der christdemokratischen Parteien, dass das heute ganz anders ist und Müller schildert auch, welche Theoretiker und welche Ideen diesen Weg ebneten.

     

    Interessant ist sein Kapitel über das, was als „68er“ berühmt wurde. Sehr richtig weist er darauf hin, dass die Hochzeit dieser Bewegung nicht 1968 stattfand, sondern in den Siebziger Jahren. Aber er tut sich schwer, eine prägende Theorie für diese Bewegung zu finden. Im Kapitel „Theorie? Nein danke!“ versucht er über Agnoli und Marcuse eine Theorie des Jugendprotestes zu finden, gibt dann aber zu, dass „Autonomie“ wohl der Kernbegriff dieser Bewegung war (und die Revolutionierung des Alltagslebens), sich aber eine einheitliche Theorie nicht finden lässt. Was natürlich einen ganz neuen Blick darstellt. Immerhin gab es wenige Bewegungen, die so verzweifelt versucht haben, eine politische Theorie für sich zu schaffen – und damit immer wieder aufs neue scheiterten.

     

    Was in Müllers Buch völlig fehlt, ist die Sozialdemokratie. Stalinismus und Faschismus, Christdemokratie und klassichen Liberalismus schildert er. Doch die Sozialdemokratie lässt er fast völlig weg. Warum? Dass es die Christdemokraten waren, die nach dem Krieg zunächst die Macht innehatten, kann kein Grund sein, schließlich wurden diese durch die Konkurrenz mit Sozialdemokraten geprägt; viele politische Ideen der C-Parteien sind mehr oder minder gelungene Kopien sozialdemokratischer Ideen. Die „soziale Marktwirtschaft“ wäre ohne konkurrierende Sozialdemokraten (und kommunistischen Block) nie entstanden.

     

    Doch sieht man von diesem blinden Fleck ab, ist das Buch ein ebenso lesenwertes wie lehrreiches Werk und ein Beispiel dafür, wie lebendig Wissenschaft sein kann – und wie unterhaltsam.

     

    Leseprobe


     Das demokratische Zeitalter, Politisches Sachbuch, Jan-Werner Müller, Suhrkamp, 2013

    ISBN-13: 978-3-518-58585-6, gebunden, 509 Seiten, Euro 39,95 (Ebook: Euro 34,99)

     

     

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