Bücher mit dem Tag "68er"
91 Bücher
- Bernhard Schlink
Der Vorleser
(5.750)Aktuelle Rezension von: mariameerhabaDie Wendung kommt aus dem Nichts und hat mich dermaßen überrascht, dass ich fast glaubte, das Buch verwechselt zu haben. Was wie eine Romanze mit einer älteren Frau beginnt, schlägt schnell in eine andere Richtung und ich sah mich mit einem Thema konfrontiert, über das ich gar nicht lesen wollte.
Doch bis zu der Wendung war ich schon fest in der Geschichte und so gefesselt von den beiden Protagonisten, dass ich unmöglich aufhören konnte. Ich wollte unbedingt weiterlesen und je weiter ich gemacht habe, wurde ich immer wieder vom Autor überrascht.
Jede weitere Information hat die Vorgeschichte klarer gemacht, bis ich das gleiche Dilemma wie der Protagonist fühlte: Ich wollte, dass man der Protagonisten hilft und gleichzeitig musste ich ihre Entscheidung akzeptieren. Während die Figur über eine Lösung gedacht hat, sich Fragen stellte, über ein Dilemma sinnierte, habe ich das gleiche beim Lesen auch getan. Ich machte sie zu meinen Problemen und habe mir ausgemalt, wie er sie lösen könne, während ich doch gezwungen war, seinem Pfad zu folgen. Als ich das gemerkt habe, war ich überwältigt von der Geschichte.
Ja, manchmal wird die Geschichte langatmig, manche Kapitel wirkten wie Platzhalter, aber das hat nicht dafür gesorgt, dass ich mich nicht an der Geschichte erfreute.
Das Ende hat mich schockiert. Ich hielt beim Lesen inne, las die Seite erneut und erneut und erneut und konnte es nicht akzeptieren. Das habe ich nicht erwartet.
Gleichzeitig kam es mir doch irgendwie billig vor. Die Geschichte baut darauf aus, dass es weitergeht, baut so viel auf, erzählt so viel, dennoch entscheidet sich der Autor für eine Vollbremsung. Er entschließt sich für den einfachen Weg, der sich schließlich wie ein riesiger Punkt war. Als wollte der Autor nicht mehr weitermachen. Ich fand das schade. Ich finde es immer noch schade und irgendwie hat dieses Ende doch dafür gesorgt, dass meine ganze Begeisterung für das Buch in Grenzen hält.
Da kommt ein riesiger Konflikt, der alles deutlich spannender gemacht hätte, der einen neuen Blickwinkel in das ganze gebracht hätte. Ich hätte mir lieber ein anderes Ende gewünscht. Kein glückliches Ende oder so, sondern eine weitere Hürde für die beiden Figuren, der ich zu folgen bereit gewesen wäre und der auch so viele Fragen beantwortet hätte, die mich bis zu dem Punkt begleitet haben. Das macht der Autor nicht und ich finde, das war ein großer Fehler.
Im Großen und Ganzen hatte ich meine Freude mit dem Buch. Es ist spannend, aufregend und der Anfang besitzt einen jugendlichen Elan, den nur notgeile Jungs haben können, deren sexuelle Wünsche alle erfüllt werden. Hätte ich so eine Gelegenheit gehabt, ich hätte mich auch an diesen Moment gefesselt und meine ganze Freizeit dafür geopfert, um mir auszumalen, wie wir irgendwie in der Zukunft glücklich werden.
- Milan Kundera
Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
(1.154)Aktuelle Rezension von: dunkelbuchZeitlos, mitreißend und mit manchmal fast schmerzvollem Tiefgang hat mich dieses Werk schon beim ersten Mal lesen absolut in seinen Bann gezogen. Es ist eines dieser Bücher, die am besten nie enden sollten, und deren Charaktere sich für immer in dein Herz schleichen.
- Emma Cline
The Girls
(52)Aktuelle Rezension von: anenaDieses Buch erzählt die Geschichte von zwei Mädchen in Kalifornien, Suzanne und Evie, der Erzählerin. Sie treffen sich zufällig Anfang der 70er Jahre und Evie verfällt der Anziehungskraft von Suzanne, die auf einer Ranch in einer Hippie-Kommune lebt. Die Atmosphäre der Geschichte, die vor dem Hintergrund der Manson-Bluttaten spielt, ist dicht und fesselnd, die Sprache der Autorin zauberhaft. Erschreckend, wie junge Menschen in den Sog von Brutalität hineingezogen werden können - und dies ist nur ein Aspekt des großartigen Romans.
- Margarete Stokowski
Untenrum frei
(240)Aktuelle Rezension von: SiriMagBuecherMagarete Stokowski vereint in „untenrum frei“ ihre persönlichen Erfahrungen als Frau und die klassische feministische Literatur in einem nachdenklichen, aber dennoch leichten Buch. Sie schildert ihre Gedanken über die Klassiker des Feminismus (wie bspw. Simone de Beauvoir) und untermalt dies mit persönlichen Anekdoten. Für mich war dies ein super Einstieg in die feministischen Werke. Gerade die Klassiker sind teilweise etwas kompliziert verfasst. Magarete Stokowski aber schafft es, diese einem näher zu bringen, ohne von oben herab zu wirken. Somit ist „untenrum freu“ für mich zur perfekten Einstiegslektüre in die feministische Literatur und damit absolute Pflicht. Übrigens nicht nur für Frauen.
- Stefan Aust
Der Baader-Meinhof-Komplex
(308)Aktuelle Rezension von: hamburgerlesemausWährend meine Mutter beim Post-oder Bankschalter anstand (ATM gab es damals noch nicht), guckte ich mir das große Poster mit all den gesuchten RAF-Gesichtern an. In jeder Bank, Geschäft, Bahnhof oder öffentlichem Amt hing dieses Plakat! Wann immer wir mit unseren Eltern aus Hamburg nach Hause nach HH-Lemsahl fuhren, wurden wir von mindestens einer Polizeikontrolle gestoppt. Am Ende wohnte die RAF nur 5 Km von meinem Elternhaus in Poppenbüttel entfernt.
#derbaadermeinhofkomplex war das erste Buch, das mir alle Zusammenhänge der RAF darstellte.
Es ist schon länger her, dass ich es gelesen habe, aber ich weiß noch, das es sich wie ein Krimi las. 878 Seiten Spannung pur. Allerdings erinnere ich mich auch, dass ich über Baaders seitenlangen, intellektuellen Ergüsse ohne Punkt und Komma im Gerichtssaal hinweggelesen habe.
Danke #stefanaust - Michel Houellebecq
Elementarteilchen
(431)Aktuelle Rezension von: SofiaCuorDiLeoneIch habe dieses Buch vor allem deshalb gelesen, weil es zu den Klassikern und meist diskutierten Werken überhapt gehört - und war leider schnell abgestoßen davon. Dies ist vor allem meinem persönlichen Geschmack "geschuldet", denn ich lese einfach ungern Bücher mit so extrem expliziten Inhalten - mir geben solche Beschreibungen leider nichts außer ein ungutes Gefühl und den Drang, die Passage schnell zu überspringen oder das Buch gar weg zu legen; hier habe ich es zwar bis zum Ende geschafft, jedoch mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Es mag durchaus genug Leser*innen geben, die damit kein Problem haben oder so etwas sogar gerne lesen - für diese könnte Elementarteilchen bestimmt eine fesselnde Lektüre sein, nur gehöre ich eben leider nicht dazu. Inhaltlich hat mir der Text nichts gegeben, leider ein absoluter Reinfall für mich.
- William Shaw
Abbey Road Murder Song
(61)Aktuelle Rezension von: tragalibros1968 - während eine neue Generation gegen alte Regeln rebelliert, wird in einem schäbigen Hinterhof die Leiche einer jungen Frau gefunden. Die beiden Ermittler Breen und Tozer werden dem Fall zugeteilt. Schließlich stoßen sie auf Spuren, die zunächst aufs Musik-Business hinweisen, doch schließlich in ausgewählte Kreise der Gesellschaft führen...
Vielleicht stehe ich mit dieser Meinung etwas allein auf weiter Flur, aber ich bin etwas verwirrt von Titel und Klappentext dieses Buches. Ich bin davon ausgegangen, dass es sich hier um einen Krimi handelt, der tatsächlich irgendwie mit den "Beatles" zu tun hat. Wie sich schnell herausstellte, wird dieses Thema zwar kurz im Buch erwähnt, hat aber im Grunde genommen überhaupt nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun, sodass ich diesbezüglich etwas enttäuscht gewesen bin.
Aber kommen wir zum eigentlichen Geschehen.
Im Mittelpunkt der Handlung steht Ermittler Breen und seine Kollegin Tozer, die zu einem Tatort gerufen werden. Der Startschuss für die Ermittlungen. Leider stellt sich hier sehr schnell heraus, dass der Handlungsaufbau und damit auch der Spannungbogen keinem wirklichen roten Faden folgt, sonder eher planlos zusammengestellt wirkt. Immer mal wieder werden neue Erkenntnisse in die Handlung eingeflochten, bei denen man als Leser aber selten erkennen kann, wie der Protagonist auf diese Spur gekommen ist. Dies zog sich durch den gesamten Krimi und hat mich daher nicht gänzlich überzeugen können.Auch die Tatsache, dass ein zweiter und dritter Mordfall in die Handlung hineinspielen, aber nicht geklärt werden, hat hier etwas planloses. Diese beiden zusätzlichen Fälle, sind fehl am Platz und lenken von der eigentlichen Handlung ab.
Sehr positiv sind mir, im Gegensatz zum Handlungaufbau, die Protagonisten aufgefallen. Sie wirken sehr sympathisch. Besonders Breen, der durch einen Schicksalsschlag sehr aus der Bahn geworfen wurde und erst langsam wieder hin den normalen Alltag zurück findet. Seine Partnerin Tozer ist ebenfalls ein besonderer Charakter, mit eigenen, starken Wünschen und Vorstellungen, die sich als junge Polizistin in ihrem Job beweisen will.Selbst die Nebencharaktere sind fein ausgearbeitet und lassen alles angenehm realistisch und rund wirken.
Auch der Schreibstil und die Erzählweise sind gut und leiten den Leser schnell durch die 474 Seiten. Der Autor kommt hier ohne unnötige Schörkel aus, was dem Buch teilweise einen recht nüchternen Anstrich verleiht, und streut immer mal wieder ein paar spitze Bemerkungen und humorvolle Einwürfe der Handelnden ein, sodass das Lesen zu einer angenehmen Angelegenheit wird.
Meine Bewertung fällt insgesamt aber recht durchschnittlich aus. Ich möchte drei Sterne vergeben.
Dieser Kriminalroman hat Höhen und Tiefen. Kleinere Schwächen im Handlungsaufbau werden zwar größtenteils von den gut dargestellten Hauptpersonen wett gemacht, können aber nicht völlig kaschiert werden.
Das Buch ist gute Unterhaltung, gehört aber in diesem Jahr nicht zu meinen Highlights. - Rüdiger Safranski
Romantik
(49)Aktuelle Rezension von: TaHaRomantik: eine deutsche Affäre
Gekürzte Lesung, Audio-CD
Rüdiger Safranski
5 CDs, 5h 30 Spielzeit
Random House Audio
16,95 Euro
Covertext:
Eine deutsche Obsession mit europäischen Folgen
Rüdiger Safranski beschreibt die Epoche der Romantik und ihre Zeitgenossen: Tieck, Novalis, Fichte, Schelling, Schleiermacher und Dorothea Veit, die für die Entfesselung des Genies stehen, für den Aufbruch und die Lust am Experiment. Und er erzählt die Geschichte des Romantischen, die über Heine, Wagner, Nietzsche und Thomas Mann bis in die Gegenwart führt - die Biographie einer Geisteshaltung.Der Leser:
Safranski liest selbst. Er, der Philosoph und Schriftsteller, hat Massen mit seinen Biografien über Schiller, Heidegger und Nietzsche begeistert. In meinem Schrank stehen einige seiner Bücher, ich finde sie nicht nur informativ, sondern genieße diese unterhaltsam formulierten Ideenspaziergänge. Für mich ist er der Meister der verständlichen Philosophie- Erzählungen. Unterhaltsames Vorlesen hingegen ist jetzt nicht unbedingt seine Stärke. Erwähnt werden muss, dass dieses Hörbuch/ die Lesung ohne jegliche Vertonung auskommt. Der Inhalt muss hinter nichts zurückstehen, auch nicht hinter dem Können eines professionellen Sprechers. Safranski moduliert seine Stimme nicht, wie es ein geübter Sprecher tun würde. Man hört die ein oder andere Lautbildstörung. Zuerst dachte ich, dass dieses Konzept sich erfrischend von den gängigen, professionell vorgetragenen und untermalten Hörbüchern abhebt. 5,5 Stunden zuhören gelingt jedoch in der Tat besser, wenn die Sprecherqualität besser ist.
Meinung:
Mit „Romantik: eine deutsche Affäre“ hat er sich eine ganzen Epoche samt ihrer Theoretiker, Schriftsteller sowie einzelne Werke vorgenommen. Zusätzlich will er die Romantik als Geisteshaltung von Wagner über Heidegger, Nazi-Deutschland bis in die 1968 Jahre hin aufgreifen. Er skizziert Entstehungshintergründe und eröffnet fast schon anekdotische Einblicke. Mit Hingabe nähert er sich Kleist, Heine, Hölderlin und anderen Vertretern dieser Epoche. Sehr ambitioniert!
Wesentliche Merkmale der Epoche werden gekonnt herausgearbeitet: Überschuss an Phantasie und Ästhetik, das Träumerische. Politische, ästhetische, soziale und philosophische Positionen werden skizziert, Entstehungsgeschichte nachgezeichnet. Gelungen arbeitet er heraus, dass eine Gleichsetzung von Romantik und politisch Reaktionärem zu vermeiden ist. Leider bemüht er dennoch immer wieder Gemeinplätze. Schade ist, das Safranski nicht deutlich macht, was mit den romantischen Impulsen seiner Meinung nach anzufangen ist.
Nun ist es eine gekürzte Fassung und das Buch kenne ich noch nicht, dennoch habe ich den Eindruck, ich höre eine sehr gut, aber ziemlich lückenhafte Literaturgeschichte. Irritiert nehme ich war, dass Romantik als nationales Phänomen kommuniziert wird. Es fehlt mir ein bisschen die globale oder zumindest europäische Perspektive.
Fazit:
Wieder einmal fasziniert Safranskis Belesenheit. Es liegt hier nicht sein bestes Werk vor, aber besser als viele andere ist er immer noch.
- Emma Cline
The Girls
(276)Aktuelle Rezension von: EurekaPalmerEine verstörende Geschichte über einen fehlgeleiteten Teenager, der seinen Platz in der Welt sucht und somit leichte Beute für die sektenähnliche Gemeinschaft darstellt, die sich schlicht 'Die Farm' nennt.
Evies Geschichte hat mich sehr berührt. Ihre Erlebnisse und Erfahrungen zu teilen hat mich fasziniert, gefesselt und schockiert.
Eine fehlgeleitete Seele auf dem Weg des Erwachsenwerdens.
Ich habe mich immer gefragt, was einen Menschen dazu bringt, sich einer Sekte anzuschließen und dieser treu ergeben zu sein. ▪The Girls▪ von Emma Cline vermittelt hierzu einen Eindruck, der diese Frage sehr gut beantwortet.
Es ist erschreckend, welch eine Macht ein irrer Sektenführer auf seine Anhänger ausübt, ohne permanent in physischer Reichweite zu stehen.
Die 14jährige Evie Boyd fühlt sich einsam, missverstanden und unsichtbar. Nach der Trennung der Eltern lebt sie bei ihrer Mutter, von der sie sich immer mehr zurückzieht. Sie sehnt sich nach Liebe, Halt und Zugehörigkeit.
Als sie eines Tages auf Suzanne trifft, bewundert sie diese und entwickelt eine ungesunde Obession, die bereits an Verliebtheit grenzt. Suzanne bringt Evie zur Farm und stellt sie dem manipulativen Sektenführer Russell vor. Schnell stellt sich heraus, wie empfänglich Evie für die Aufmerksamkeit und verschrobene Weltanschauung des Narzissten ist.
Hier fand ich interessant, wie schnell Evie der anderen Frau verfallen ist. Die ungepflegte Suzanne, die in den Tag hineinlebt und Russells befehlen folgt, wie ein loyales braves Haustier. Für mich ist Susan eine Vagabundin ohne Perspektive und kein bisschen besonders, während Evie hingegen eine starke außergewöhnliche Persönlichkeit darstellt, die einen bemerkenswerten Charakter besitzt.
Erst als Evie als Erwachsene auf die Zeit zurückblickt, die sie mit der Farm verbracht hat, beginnt sie zu verstehen, wie sehr das Erlebte sie doch beeinflusst und gemartert hat.
Die Geschichte ist eindrucksvoll und detailreich geschrieben. Die Protagonisten lebensecht gezeichnet.
Klare Leseempfehlung.
- Barack Obama
Hoffnung wagen
(19)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerUnd wieder einmal verblüfft uns Barack Obama. Sein zweites Buch erzählt seinen Werdegang in beruflicher Form. Wieder hervoragend geschrieben und mitfühlend. Erfolg und Niederlage liegen nah beieinander, doch lässt er nicht locker. - Helmut Krausser
Eros
(62)Aktuelle Rezension von: AliraDie abenteuerliche Lebensbeichte eines todkranken Millionärs, ohne Erotik und mit dauerndem Wechsel der Perspektive. Spannend wird das Ganze allerdings erst ganz zum Schluss, auf den letzten 20 Seiten.
- Robert Menasse
Die Vertreibung aus der Hölle
(24)Aktuelle Rezension von: Giselle74"Ya basta mi nombre ke es Abravanel." Es reicht, dass mein Name Abravanel ist. Die Abravanels, eine jüdische Familie, die sich bis auf König David zurückführt, gilt als eine der angesehensten und bekanntesten Linien in der jüdischen Geschichte.
Und von einem fiktiven Viktor Abravanel erzählt Robert Menasse in seinem Roman, der mit einer verunglückten Abifeier in den 1970igern beginnt und mit dem Tod des Rabbi Samuel Manasseh ben Israel im Jahre 1657 endet.
Dazwischen verknüpft Menasse gekonnt Vergangenheit und Gegenwart, erzählt von Autodafés, Folter und Flucht, von den kleinen Gemeinheiten und Herabsetzungen im Alltag, davon, was es heißt, zu einem verfolgten und rechtlosen Volk zu gehören, zu dem verfolgten Volk, nicht nur zeitweise, sondern über Jahrhunderte hinweg.
Viktor Abravanel ist ein Scheidungskind, geprägt durch die Zeit im Internat, das Gefühl des Abgeschobenwordenseins. Seine Mutter muss hart arbeiten, um zu überleben, der Vater ist ein weltgewandter Lebemann.
Samuel Manasseh erlebt schon als Kind das Grauen der Judenverfolgung, flieht mit seinen Eltern in die Niederlande, wird dort angesehener Rabbi, Lehrer des Philosophen Baruch Spinoza und heiratet eine Abravanel.
Was nach gänzlich unterschiedlichen Lebensläufen- und konzepten klingt, hat erstaunlich viele Parallelen. Zeitweise braucht man tatsächlich einen Moment, um zu erkennen, in wessen Geschichte man sich gerade befindet. Diese Art des Erzählens, gekoppelt mit einer wunderbar bildreichen Sprache und treffsicheren Formulierungen, hat eine Sogwirkung. Man möchte lesen und lesen, und das Buch keinesfalls beiseite legen müssen. Auch wenn die erzählte Geschichte in weiten Teilen naturgemäß erschreckend ist.
Der Verdacht entsteht früh, der Autor habe seine eigene Familiengeschichte bearbeitet. Manasseh und Menasse, nur eine kleine Lautverschiebung unterscheidet die Namen. Inzwischen habe ich natürlich ein wenig recherchiert und die Bestätigung meiner Vermutung recht schnell gefunden. Für mich macht es den Roman noch eindringlicher. Auf der einen Seite ist es sicherlich ein besonderes Gefühl einer so alten und bildungsbewußten Familie zu entstammen, auf der anderen Seite: wie viel Leid wurde so über Generationen erlebt und überliefert.
Nach diesem grandiosen Auftakt bin ich schon sehr gespannt auf den Roman, mit dem der Autor den Deutschen Buchpreis gewinnen konnte. "Die Hauptstadt" steht schon in meinem Bücherregal und die Erwartung ist hoch. - Winston Groom
Forrest Gump
(127)Aktuelle Rezension von: Rain698Forrest Gump war für mich ein Muss. Der Film ist grandios und da ist es natürlich Pflicht das dazugehörige Buch zu lesen.Und ich wurde nicht enttäuscht.
Forrest Gump war, finde ich, ein Buch, das nicht unbedingt einfach zu lesen ist. Durch die falsche Grammatik und den verschobenen Satzbau (und noch dazu durch Forrests Art die Dinge zu verstehen) ist es oft nicht leicht zu verstehen was er uns erzählen möchte. Die Geschichte an sich ist für mich super. Eine wirklich schöne Geschichte und noch besser erzählt.Forrest ist ein sehr besonderer Junge. Sein Leben verläuft dagegen sehr erfolgreich, auch wenn er oft nicht weiß wieso. Er gelangt an die verschiedensten Orte der Welt und lernt die verrücktesten Leute kennen. Jedoch ist das einzige was er immer wollte und wollen wird bei Jenny zu sein. Jenny ist Forrests Schulfreundin und trotz Höhen und Tiefen sind sie immer füreinander da und verlieren sich doch nie ganz aus den Augen. - Uwe Timm
Heißer Sommer
(34)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer"Heißer Sommer" ist eines der wenigen literarischen Zeugnisse der Studentenrevolte. Heute, dreißig Jahre danach, ist das Buch selbst ein Stück Geschichte, das uneingeholte politische Erwartungen wachhält und die Atmosphäre eines bewegenden historischen Moments mit all seinen Spannungen, Aufbrüchen, beschleunigten Entwicklungen unvergessen macht. FAZIT: Ein sehr wirr geschriebenes und langatmiges Buch. Uwe Timm baut sehr oft Zitate aus damals aktuellen Büchern, Flugschriften oder von Philosophen mit ein, die das lesen erschweren und auch intellektuell einen hohen Wissensgrad erfordern. Von der Studentenrevolte an sich, habe ich mir eigentlich etwas mehr gewünscht und doch wird es durch die Ich-Perspektive des Protagonisten und seine Handlungen dem Leser ganz gut näher gebracht. Man weiß am Ende auch nicht wirklich, wie die Geschichte an sich ausgegangen ist oder wo überhaupt das Problem des Protagonisten liegt, das ihn dann auch das gesamte Buch lang herumtreibt. In der Struktur des Buches hat Uwe Timm seine "Montagetechnik" aufs Höchste präzesiert, was die zusammengestückelte Atmosphäre noch erheblich anhebt. Ich habe mich fast durch das gesamte Buch gequält und war froh, als ich es endlich fertig gelesen hatte. Alles in allem ein Buch, das ich nicht unbedingt empfehlen würde, nur für hart gesottene Timm-Fans. - Philip Roth
Das sterbende Tier
(112)Aktuelle Rezension von: Miringa_83Dies bleibt einfach meine liebste Liebesgeschichte. Ich empfinde immer tiefes Mitleid mit dem guten Kepesh und muss doch immer über ihn lachen. Er ist in vielen Dingen so weise und ehrlich, da wünsche ich mir diese Eigenschaften wären schon vor seiner ersten Ehe etwas ausgeprägter gewesen. Im Grunde tut er mir aber doch nur leid, sorry. Einfach gut! - Richard David Precht
Lenin kam nur bis Lüdenscheid
(52)Aktuelle Rezension von: betapoetRichard David Precht Lenin kam nur bis Lüdenscheid: Meine kleine deutsche Revolution ist ein humorvolle und ernste Rückschau auf die Sozialisation und Erziehung des Philosophs Richard David Precht.
In sorgsam abgestuften Kapiteln wir die enstehende Wertekanon seiner Eltern und deren Einfluß auf die Familie von den frühen Sechzigern bis zum Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger ausgerollt und in vielen persönlichen Erfahrungen geschildert. Dabei hat der neue Wertekanon starke Auswirkungen auf die schulische und Identitätsstiftende Laufbahn. Keine übliche Westsozialisation mit Sweet T.Rex und Deep Purple, sondern Franz Josef Degenhardt und Hannes Wader, amerikanism freies Denken und Natur sowie eine Begeisterung für Sportler aud den sozialisten Staaten spielen dabei eine große Rolle. Precht erstellt ein linkes, Kommunistisches Diorama von den Einflüssen des Viernam Krieges, über die RAF bis zu der Verblassung der Linken im Gründungsfieber und Erschaffung einer 80er Jahre Wohlstandsgesellschaft.
Besonders gut gefallen haben mir die Sozialisation im westdeutschen Schullalltag zwischen Alt Nazis und reaktionären Gedankengut und der Einzug der links orientierten Refendare und Kumpellehrer. Ähnliche Erfahrungen habe ich auch gemacht. Ganz in der Nähe von Solingen. Werte werden in dieser Familie gelebt, egal ob die Mehrheit einen anderen gesellschaftlichen Entwicklungen und Zielen in Anpassung voranschreitet.
Das Anderssein und die Kritik werden zur Kompetenz, die heute immer noch eine enorme Kraft und Brillanz des Autors ausmachen. Dieses Buch hat mich, ebenfalls Kind dieser Jahrgänge, zum Abgleich und Reflexion mit meiner eigenen Biographie sehr stark angeregt. Besonders stark finde ich die letzten Seiten die den den Status Quo einer Gesellschaft aufzeigt(Stand 2005) die immer wieder ihre eigenen Gedankenschöpfungen verfolgt egal ob Zustände bleiben oder eher nicht. Tolles Buch. - Peter Schneider
Rebellion und Wahn
(10)Aktuelle Rezension von: Liebes_BuchWährend ich in der Schule etwas über das 3. Reich gelernt habe, blieben mir die 68er unerklärt. Ich habe diese Autobiographie gelesen, um zu begreifen, warum die Nachkriegsgeneration sich für den Terrorismus begeistern konnte. Peter Schneider war ein Kamerad Rudi Dutschkes, erlebte die aufregende Zeit an der Uni Berlin mit und arbeitete im Springertribunal, das die Springer Medien enteignen wollte. Obwohl ich nachvollziehen kann, dass die Nachkriegsgeneration Probleme mit den Taten der Elterngeneration hatte, bleiben die Aktionen der 68er für mich nahezu unbegreiflich. Auch Peter Schneider, der hautnah dabei war, wirkt auf mich ratlos und verwirrt. Am Ende seines Aktivismus ging er in Therapie. Andere 68er begingen Selbstmord oder wurden Neonazis. Der Grundgedanke, Eltern, Staat oder Schulen in Frage zu stellen, scheint mir nach dem Krieg verständlich. Ich vermute, dass sich daraus auch der Starkult um die Bewegung speist. In den USA protestiert die Bewegung gegen die Diskriminierung der Schwarzen. In Deutschland kristallisiert sich ein Kampf gegen den Kapitalismus heraus, der von der Stasi unterstützt wird. Warum 68er jüdische Gebäude anzünden und gegen Israel kämpfen, bleibt mir schleierhaft. Einerseits wusste die Nachkriegsgeneration, dass ihre Eltern in Verbrechen verstrickt waren, andererseits wollten sie diese nicht aufarbeiten, sondern Neues schaffen. Peter Schneider beschreibt seine Schulzeit, seinen Umzug nach Berlin, seine Liebe zu einer jungen Frau, die später wegen ihrer Taten vor Gericht steht und von dem Hype, den die 68er erfahren. Nicht nur, dass Studenten für Politiker Reden schreiben dürfen, die auch bezahlt werden, wenn sie niemand liest, auch für Zeitungsaufsätze wird genug Geld bezahlt, um davon leben zu können. (Offensichtlich handelte es sich damals nicht um die Generation Praktikum.) Die Designerklamotten klauen seine Freundin und er aus Luxusboutiquen zusammen. Trotzdem veröffentlicht die Bewegung ein schadenfrohes Flugblatt als 300 Konsumenten (Menschen) in einem Kaufhaus verbrennen. Diese Freude am Tod bildet den Auftakt zu folgenden Anschlägen. Peter Schneider beschreibt seine Erlebnisse sehr interessant und glaubwürdig. Trotzdem lässt er den Leser ratlos zurück. Auch hier scheint es sich um ein Stück Geschichte zu handeln, bei dem der Zeitgeist dominierte und die Beteiligten mitriss. Als Erklärung bietet sich nur die Beziehung zur Freundin. Aber kann man eine Partnerin für die eigene politische Gesinnung verantwortlich machen? Jedenfalls waren die 68er Medienstars, fanden grosse Beachtung und auch Unterstützung aus der Bevölkerung (Spendengelder) und fühlten sich bedeutend und damit gerechtfertigt. Für mich war das Buch sehr interessant, obwohl es schwer zu lesen ist. Die damalige Welt war sehr anders und die Motivation bleibt schwer zu begreifen. Diese Generation nahm sich das Recht zu rebellieren und hat nicht viel daraus gemacht. (in Deutschland) Trotzdem wird wohl jeder Leser traurig werden, dass wir heute kaum noch rebellieren. Aber ist es wahr, dass es nur mit Gewalt geht? Den Eindruck hatten die Studenten damals und diese Frage ist wohl noch immer ungelöst. - Hansjörg Schneider
Hunkelers Geheimnis
(6)Aktuelle Rezension von: WinfriedStanzick
Der pensionierte Basler Kommissär Peter Hunkeler liegt im Krankenhaus. Er ist an der Prostata operiert worden, und es hat sich herausgestellt, dass es kein Krebs war. Hunkeler fühlt sich verschont und spürt, wie schon in den früheren Jahren so etwas wie Dankbarkeit für sein Leben, auch wenn seine Erinnerungen mit steigendem Alter immer intensiver werden.
Hansjörg Schneider, der in einem Interview bestätigt hat, das Hunkeler, seine Lebensgeschichte und seine Gedanken sehr mit seiner eigenen Biographie und seinen Gedanken zu tun haben.
Hunkeler liegt also im Krankenhaus und neben ihm im gleichen Zimmer ein alter Bekannter: Stephan Fankhauser, einst wie Hunkeler bei den Achtundsechzigern, ist er durch die Institutionen marschiert und Leiter der Balser Volkssparkasse geworden. Nun ist er schwerkrank. Eines Nachts beobachtet Hunkeler, wie eine Krankenschwester mit einen Rubinring an der Hand, Fankhauser eine Spritze setzt. Der wehrt sich heftig und ist am nächsten Morgen tot. Hunkeler weiß nicht recht, ob er einer Täuschung durch die eigenen Medikamente aufgesessen ist, doch es wird sich später herausstellen, dass er richtig beobachtet hat.
Später, während einer Handlung, in der Schneider wieder in die Schweizer Geschichte zurückgeht und sie parallel setzt zu zeitgenössischen Ereignissen, hier die Finanzkrise.
Und während der er Hunkeler seien eigenen Gedanken denken lässt:
„In seiner Jugend, dachte Hunkeler, waren die Schweizer stolz gewesen auf ihr Land. Man sprach vom freien Schweizer und meinte sich selbst. Man war stolz darauf, dass man den Flüchtlingen Asyl gewährte. Man war auch stolz auf die Banken. Denn in ihnen lag das Geld unschuldig Verfolgter in sicherer Verwahrung. Ein Stück vom Freiheitskämpfer Wilhelm Tell steckte in jedem Eidgenossen und jeder Eidgenossin.“
Doch die Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg hat sich als rassistisch herausgestellt und die einst angesehenen Banken sind in unglaubliche Skandale verwickelt. Und was zunächst aussieht wie eine Sinnestäuschung hat Zusammenhänge bis in die ferne Vergangenheit.
Seit 1993, als der Basler Schriftsteller Hansjörg Schneider seinen ersten Kriminalroman um den Kommissär Peter Hunkeler veröffentlichte, ist er als Krimiautor ein Geheimtipp geworden. Obwohl seine Bücher keine hohen Auflagen erreichen, wie etwa die seiner modern gewordenen schwedischen Kollegen, sind die Romane auf höchstem Niveau, mit viel politischer Analyse, gesellschaftlich-hintergründigem Witz und immer auch angereichert mit einer subtilen Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, besonders denen in Basel und in der Schweiz.
Peter Hunkeler war früher verheiratet, hat aus dieser Ehe auch eine erwachsene Tochter, mit der sein Kontakt aber spärlich ist. Seit vielen Jahren ist er zusammen mit Hedwig, einer engagierten Erzieherin, die es trotz allem Stress versteht, ihr Leben zu genießen und auf diese Weise Peter Hunkeler immer wieder einen guten Ruhepol bietet, auch wenn ihre Streitgespräche ein wahrer Lesegenuss sind. Besonders wenn sie Wochenenden oder andere freie Tage in ihrem Häuschen im Elsass direkt hinter der französisch-schweizerischen Grenze verbringen.
Hunkeler hat eine bewegte Lebensgeschichte hinter sich. In der Studentenbewegung engagiert, hat er sich eine libertär-liberal-linke Position bewahrt, die nie dogmatisch war oder wird. Vielleicht ist er darin das treue Abbild seines genialen Schöpfers. Er kennt in Basel Gott und die Welt und seine sozialen Kontakte machen vor Klassenschranken und sozialen Milieus nicht Halt. Er verkehrt mit Schriftstellern, Künstlern und Theaterleuten, Lebenskünstlern, halbseidenen Figuren an der Grenze zur Unterwelt. Er trifft sie auf der Straße, in Cafes, vor allem aber abends und nachts in den alten Basler Beizen, die vom Aussterben bedroht sind, und denen Hansjörg Schneider in seinen Büchern nebenbei ein Denkmal setzt.
Er liebt Menschen und die Geschichten, die mit ihnen verbunden sind. Und weil er sich so gut in Menschen hinein versetzen kann, löst er alle seine Fälle mit diesem "Gspüri". Auch diesen Fall, er ihm nach seiner Entlassung aus dem Krankhaus keine Ruhe lässt. Und wie schon zu seiner aktiven Zeit meiden ihn die Kollegen, mit denen er wieder zu tun bekommt. Seine Eigenständigkeit und innere Ruhe machen ihnen Angst, erst recht, wo er nun keine Verpflichtungen mehr hat. Und wie schon damals erweist sich der Staatsanwalt Suter als heimlicher Unterstützer.
Das vorliegende Buch Schneiders ist vielleicht der Beste aller neun Hunkelerbände. Seine Altersweisheit und sein unideologischer Blick auch auf seine eigene Vergangenheit lassen ihn erkennen, was trotz allem sein Basel für ihn liebenswert macht, auch als politische Heimat. - Tereza Vanek
Tanz bis ans Ende der Welt
(21)Aktuelle Rezension von: Dreamworx20er Jahre Berlin. Die junge Zhang Penjun, genannt Susan, verlässt ihr wohlhabendes Zuhause in Shanghai, um gegen den Willen ihrer Eltern zu ihrem Verlobten nach Berlin zu reisen. Doch dort erwartet sie eine bittere Enttäuschung, denn der hat sich inzwischen bereits für eine andere Frau entschieden. Die Zufallsbekanntschaft mit Anna verhilft Susan nicht nur zu einer Unterkunft, sondern es entsteht eine enge Freundschaft zwischen den beiden Frauen, und schon bald haben beide auch als Duo mit ihrem Sangestalent Erfolg auf der Bühne. Doch die Nationalsozialisten gewinnen immer mehr an Einfluss, was zusehends das Leben von Susan und Anna beeinträchtigt, sogar unmöglich macht, denn während Susan durch ihre chinesische Abstammung Ablehnung erfährt, bangt Anna um ihre große Liebe, denn er ist Jude…
Tereza Vanek hat mit „Tanz bis ans Ende der Welt“ einen sehr unterhaltsamen historischen Roman vorgelegt, der den Leser zu einer Zeitreise ins vergangene Jahrhundert einlädt, um dort zwei außergewöhnliche Frauen und ihr Schicksal kennenzulernen. Der flüssige, farbenfrohe und fesselnde Erzählstil lässt den Leser schnell in die Geschichte eintauchen. Eingebettet in eine Rahmenhandlung, die in den 60er Jahren von Annas Nichte Klarissa bestritten wird, eröffnet sich dem Leser eine völlig neue Welt des damaligen Berlins. Die Autorin hat gut recherchiert und lässt nicht nur die Weimarer Republik und später die Naziherrschaft lebendig werden, sondern erzählt auch von einer chinesischen Gemeinschaft, die es damals in Berlin gegeben hat. Während Klarissa aufgrund eines alten chinesischen Tagebuchs und eines Fotos von Anna und Susan deren Vergangenheit nach und nach auf die Spur kommt, bekommt der Leser gleichzeitig durch die wechselnden Zeitebenen und Perspektiven einen Einblick in Welt der beiden doch so unterschiedlichen Frauen. Jede von ihnen hat mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Die Chinesin Susan hat völlig falsche Vorstellungen vom Leben in Deutschland und muss schnell lernen, sich ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn sie nicht in der Gosse landen will. Das immer stärker werdende Naziregime macht ihr dann das Leben als fremdländisch aussehende Frau das Leben beinahe unerträglich. Vanek webt ein buntes und doch auch sehr reales Bild der 20er und 60er Jahre, die beide Parallelen aufweisen und die Handlung deshalb auch so spannend gestalten.
Die Charaktere sind facettenreich und lebensnah ausgestaltet und in Szene gesetzt. Ihre glaubwürdigen Ecken und Kanten lassen sie den Leser sehr nahe an sich herankommen und geben ihm so die Möglichkeit mit ihnen zu hoffen, zu bangen und zu fiebern. Wirkt die Chinesin Susan zu Beginn noch sehr naiv, lernt sie schnell die Realität kennen. Aus einem strengen, aber wohlbehütetem Elternhaus stammend, steht sie in Berlin praktisch vor dem Nichts und muss sich alles selbst erarbeiten. Sie ist freundlich und intelligent. Anna ist eine offene und hilfsbereite Frau, die keinerlei Standesdünkel hegt. Klarissa hat ihre eigenen Träume und will diese unbedingt in die Tat umsetzen. Während die weiblichen Protagonisten sich durch Stärke auszeichnen, sind es vor allem die männlichen Charaktere, die das alte Rollenbild wiederspiegeln und die Frauen unter ihrer Knute wissen wollen.
„Tanz bis ans Ende der Welt“ ist eine spannende Geschichte über drei Frauen, die sich auf ihre Weise ihren Platz in der Welt suchen müssen. Eingebettet in den sehr gut recherchierten historischen Kontext der 20er bis 40er und 60er Jahre erlebt der Leser nicht nur eine wunderbar erzählte Handlung, sondern erfährt auch viel Neues der damaligen Zeit. Absolute Leseempfehlung!
- Christa Stuber
Senioren - Fit wie ein Turnschuh: 68er und Blumenkinder im Ruhestand
(12)Aktuelle Rezension von: SonthoDie Autorin lädt ihre Leser zu einer Zeitreise in die letzten 50 Jahre ein.
Die Entwicklungen in Mode, Politik, Kultur, uva. werden beleuchtet und in ihrer Entwicklung anhand von prägnanten Meilensteinen benannt. Diese Fakten verbindet die Autorin mit persönlichen Erlebnissen dazu. Da ich auch zu dieser Generation gehöre, war es auch für mich einer Reise in ein mir wohlbekannte Zeit, verbunden mit ganz unterschiedlichen Emotionen. So ganz Nebenbei wurde Erinnerungen an schon in Vergessenheit geratenes neu belebt. Mir wurde noch einmal klar, dass ich in eine Zeit geboren wurde, die im Aufschwung war. Wir wurden neugierig, wissbegierig und aufmüpfig. Verschiedenes konnte bewegt werden oder in Bewegung geraten. Wenn ich jetzt, auch anhand der Fakten zurückschaue, fällt mir auf, dass wir einiges bewegt haben, von dem der heutige Rentner profitieren darf. Das Buch vermittelt einen Einblick in die "Unruhezeit" der heutigen Rentner.
Überhaupt bietet das Buch in prägnanter, knapper Form die wichtigsten Fakten dieser Zeit. Für Leser, die sich für die Zeit interessieren, bietet das Buch einen Überblick.
- Friedrich Christian Delius
Mein Jahr als Mörder
(16)Aktuelle Rezension von: JorokaDer Roman greift das Schicksal eines Widerstandskämpfers gegen den Nationalsozialismus auf. Georg Groscurth wurde am 8.5.1944 geköpft. Die Handlung setzt im Jahre 1968 an, als ein mitverantwortlicher Richter freigesprochen wurde und ein Student, der mit den Söhnen Groscruths aufgewachsen ist, entscheidet, ein Zeichen gegen diese Ungerechtigkeit zu setzen. Er recherchiert und tritt auch mit der Witwe von Groscurth in engen Kontakt.
Die Handlung verläuft auf mehreren Ebenen. Sie rollt der Fall aus der Widerstandsbewegung auf. Die Gruppe hieß interessanterweise: Europäische Union. Außerdem wird der Konflikt zwischen den beiden deutschen Systemen in der Nachkriegszeit beleuchtet und dass es dabei durchaus auch im Westen zu politisch motivierter Rechtsbeugung kam. Nicht neu ist, dass vor allem im Westen sehr schludrig mit der Entnazifizierung umgegangen wurde. Und dann geht es auch noch um die westdeutsche Studentenbewegung der 1960er Jahr.
Ich habe mich beim Lesen sehr aufgeregt über die Ungerechtigkeit der westdeutschen Justiz bezüglich der Witwe eines ausgewiesenen Widerstandskämpfers. Die Hydra, die immer wieder auftaucht, wühlte mich sehr auf. Doch diese Schilderungen ziehen sich irgendwie auch sehr in die Länge, welches ein stilistischer Kritikpunkt von mir ist. Ansonsten schreibt Delius recht schnörkellos.
Anneliese Groscurth starb im Jahr 1996.
Der Roman wurde 2004 erstmals veröffentlicht und im Februar 2013 neu aufgelegt.
Fazit: Ein wichtiges Buch, eine interessante Geschichtsstunde.
- Frank Jöricke
Mein liebestoller Onkel, mein kleinkrimineller Vetter und der Rest der Baggage
(61)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDie Lebensgeschichte des Frank Jöricke am Beispiel seiner Familie und deren Mitglieder. Der Vater, der das Familienhaus mit Asbest gedämmt hat, was eine mittelschwere Ehekrise auslöst. Der Onkel, der in einem fort seine Frau betrügt, woraufhin diese sich in ihre Gebete flüchtet. Der Vetter, der nach Osteuropa reist um dort ein paar Frauen für die Prostitution zu begeistern, wobei er aber nicht mit den Frauen gerechnet hat. Alles zeitgeschichtlich eingeordnet vom Ende des Krieges bis zum Internetzeitalter.
Von Frank Jöricke hatte ich vor der Lektüre dieses Buchs zugegebenermaßen noch nie etwas gehört. Mittlerweile ist er mir jedoch ein Begriff, er und seine manchmal kuriose, manchmal stinknormale Familie, deren Geschichte er in diesem äußerst humorvollen Buch dem Leser, also in diesem Fall mir, ein Stück näher bringt. Dabei verknüpft er die Familiengeschichte geschickt mit der Geschichte Deutschlands und macht so auf die wechselseitigen Wirkungen von zum Beispiel der 68er Bewegung oder des Internetbooms auf seine Geschichte und die seiner Verwandten aufmerksam.
Der humorvolle Blickwinkel auf selbst tragische Ereignisse macht dem Leser den Erzähler von der ersten Seite an sympathisch und nach einer Weile fühlt man sich in dessen Leben so zuhause, als hätte man nie etwas anderes gekannt. So ziehen die Kapitel vorbei, ohne dass man sich vom Inhalt des Buchs in irgendeiner Weise beschwert fühlt oder von der Fülle der Ereignisse erschlagen wird. Das ideale Buch also für die dunkle Jahreszeit in der draußen alles grau und regnerisch ist, Frank Jöricke in meinem Kopfkino jedoch ein Leuchtfeuer veranstaltet.
Was mir manchmal gefehlt hat, war ein tieferer Einstieg in die Geschehnisse. Das Buch arbeitet eine so umfassende Zeitspanne ab und dann noch für eine ganze Familie, dass vieles nur überflogen wird, selbst Meilensteine sich im Hintergrundrauschen der stetig fortschreitenden Geschichte verlieren. Dabei finden einzelne Szenen im Buch fast überhaupt nicht statt, ist Dialog Mangelware, und das beim humoristischen Talent des Autors, der aus diesen Szenen sicher etwas hätte zaubern können, anstatt nur über sie hinweg zu fliegen, was mich als Leser ein klein wenig enttäuscht hat.
Ein lustiger Familienroman, der einen grauen Novemberabend aufzuhellen weiß, über die Lektüre hinaus aber nur marginal im Gedächtnis bleibt.
- Moritz Netenjakob
Macho Man
(284)Aktuelle Rezension von: abuelitaDaniel, Anfang 30, hat es wirklich nicht leicht. Erzogen von Eltern, die sich für die Nazi-Vergangenheit schämten und Alice Schwarzer als Freundin hatten, ist er schlicht und einfach ein „Weichei“ in den Augen der Frauen und auch seiner Kumpels.
Frisch verlassen fliegt er in die Türkei, um dort seinen Freund Mark – Animateur in einem Club – zu besuchen. Und dann geschieht ein Wunder…das er kaum glauben mag….ausgerechnet Aylin, hinter der alle her sind, verliebt sich in ihn. Die Probleme beginnen zurück in Deutschland in Köln, wo Aylin mit ihrer Großfamilie lebt – und die Daniel nun kennenlernen soll. Wie soll er denn da bestehen, zwischen türkischen Machos und ihren Eigenheiten? Schließlich will er nicht als Waschlappen dastehen….
Ich hatte mal eine Autorin gefragt, welches Ihr lustigstes Lieblings-Buch ist – und sie hat mir eben dieses hier genannt. Keine Frage, der Autor reiht einen Gag an den anderen (ich fand es fast zu viel) und es ist wirklich angenehm zu lesen und witzig. Allerdings wirklich nicht so, dass ich pausenlos lachen musste. Manches käme sicher auch in einer Comedy-Show besser zur Geltung.
Trotzdem hat es mir immerhin so gut gefallen, dass der zweite Teil nun bei mir auf der Wunschliste steht…..
- Bernhard Schlink
Das Wochenende
(145)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderSeit 20 Jahren Haft wurde er nun vom Bundespräsidenten begnadigt. Seine Schwester lädt für das erste Wochenende in Freiheit die alten Freunde und Bekannten ein. Es soll ein Wiedersehen geben, ein zusammen erinnern und einfach das Leben genieren. Aber schon bei seiner Ankunft gibt es Spannungen. Jeder hat sein Päckchen zu tragen und einer aus der Mitte hatte ihn damals verraten und deshalb kam er ins Gefängnis. Schwer lastet die Schuld auf allen und gereizt reagieren sie auf die Entführungsfälle von damals. Jeder hat sich weiter entwickelt und sich in einem neuen Leben zurecht gefunden, aber er war so lange weg. Bernhard Schlink entwirft das Bild eines Wochenendes, eines Neubeginns, der Vergangenheit und der großen Schuld. Ungeheuer dicht, klug und mit einem sehr wichtigen aktuellen Thema versteht er es aufs neue uns Leser zu begeistern.