Bücher mit dem Tag "buch der 1000 bücher"
270 Bücher
- George Orwell
1984
(4.208)Aktuelle Rezension von: SeitenwindIrgendwie seltsam, dass man ein Buch so gerne lesen kann und will, obwohl es "immer schlimmer wird". Aus meiner Sicht ist garnicht so sehr die Story das Fesselnde, sondern der Sprachstil. So etwas habe ich noch nie erlebt. Sogar monotone, repetitive Aussagen und Ausrufe haben ihren Reiz nach dem 40. Mal Lesen, weil sie perfekt erörtert und geordnet sind. Das dystopische Mindset ist zeitlos und meiner Ansicht nach erkenntnisreich aufgedröselt und zwischen den Zeilen erklärt. Das Buch werde ich in Originalsprache in ein paar Jahren nochmal lesen.
- Jostein Gaarder
Sofies Welt
(4.481)Aktuelle Rezension von: DrachenblumeDie (fast) 15-jähirge Sophie bekommt eines Tages Post von einem geheimnisvollen Philosophielehrer. Im Folgenden erhält sie von ihm Philosophieunterricht und ist sofort Feuer und Flamme. Als sie Alberto Knox später persönlich kennenlernt, setzen sie ihre Lektionen in persönlichen Gesprächen fort.
Sofies Welt gibt eine gute Zusammenfassung der Geschichte der (westlichen) Philosophie von den griechischen Naturphilosophen bis in die Gegenwart. Aufgrund des großen Umfangs des behandelten Stoffes kann naturgemäß nicht besonders in die Tiefe gegangen werden, sodass manche Passagen möglicherweise etwas schwer verständlich sind, wenn man sich noch nicht näher mit der Materie befasst hat. Sofie selbst ist hier auch keine große Hilfe, wenn sie altkluge Kommetare abgibt, wie "Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis, du brauchst dies oder jenes nicht zu wiederholen". Tja, der Leser hat vielleicht kein so gutes Gedächtnis und ist ganz froh, wenn Alberto schon behandelte Themen zum besseren Verständnis noch einmal wiederholt.
Allerdings zweifle ich etwas daran, dass die Thematik für die eigentliche Zielgruppe (nämlich Jugendliche) besonders spannend ist. Auch, dass Sofie (und später auch Hilde) sofort so begeistert von ihrem Philosophiekurs ist und sich mit fast nichts anderem mehr beschäftigt, kommt mir etwas übertrieben vor. Als ich 15 war hätte ich einen Philosophiekurs wahrscheinlich einfach nur doof und langweilig gefunden.
Ohne zu spoilern kann ich nur sagen, dass ich die Handlung um den Major einfach nur überzogen und teilweise lächerlich fand. Sie lenkt nur von der eigentlich gelungenen Behandlung der einzelnen Philosophen ab und zieht das Buch unnötig in die Länge.
Alles in allem wurden die historischen und philosophischen Fakten gut und verständlich bearbeitet, allerdings ist die Rahmenhandlung weniger gelungen und wertet den Gesamteindruck doch deutlich ab. Das Buch ist gut geeignet für Personen, die sich für Philosophie interessieren und sich vorher schon ein bisschen damit beschäftigt haben.
- Walter Moers
Die 13 ½ Leben des Käpt'n Blaubär
(2.236)Aktuelle Rezension von: wordworldMit "Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär" schrieb Walter Moers 1999 seinen allerersten Roman und hat damit nicht nur einen modernen Klassiker geschaffen, sondern auch den Grundstein für sein Fanatsy-Kosmos Zamonien gelegt, das er in den darauffolgenden Jahren mit etlichen Romanen ausgebaut hat. Von diesen Romanen haben ich bereits einige - zum Beispiel "Die Insel der Tausend Leuchttürme", "Ensel und Krete" oder "Prinzessin Insomnia und der albtraumfarbene Nachtmahr" - mit großem Vergnügen gelesen, mit den Abenteuers der Kultfigur Käpt´n Blaubär bin ich nun aber ganz offiziell ein großer Moers-Fan geworden. Denn dieses Meisterwerk der Fantasyliteratur bescherte mir 700 Seiten pure Lesefreude und ein klares Jahreshighlight 2024!
"Ein Blaubär hat 27 Leben. Dreizehneinhalb werde ich in diesem Buch preisgeben…"
Mit diesem ersten Satz eines vorangestellten Briefs beginnt die unglaubliche Geschichte des Käpt´n Blaubär, der als fiktive Figur vor allem durch die Fernsehsendung "Die Sendung mit der Maus" bekannt wurde. Wie der betagte Seebär seinen gelben Freund Hein Blöd trifft, sein Haus auf den Klippen baut und den Titel "Käpt´n" erlangt, wird auf den 700 Seiten zwar nicht erzählt, dafür erfahren wir aber in 13½ Abschnitten von den haarsträubenden Abenteuern, die der Buntbär in seinen ersten 13½ Leben erlebt hat. Beginnend mit seiner Geburt begleiten wir ihn beim Aufwachsen bei Zwergpiraten, Gefühlsausbrüchen auf der Klabauterinsel, Sprachunterricht mit Klatschwellen, Schlemmereien auf der Feinschmeckerinsel, weiten Streifzügen als Navigator eines Rettungssauriers, bei seiner Ausbildung auf der Nachtakademie in den Finsterbergen sowie bei Reisen durch den großen Wald, in ein Dimensionsloch, durch die süße Wüste, in die Tornadostadt, quer durch einen abgelegten Bollog-Kopf bis nach Atlantis und schließlich auf die Moloch - das größte Schiff der Welt.
“Das Leben ist zu kostbar, um es dem Schicksal zu überlassen. (Deus X. Machina)"
Ihr seht schon: Es erwartet uns LeserInnen Seemannsgarn vom Feinsten. Walter Moers trumpft hier mit einer Idee nach der anderen auf, die man sich niemals hätte selbst ausdenken können, sodass ich nach den 13½ Kapiteln mit Fug und Recht behaupten kann: So ein kurzweiliges, intelligentes und originelles Buch habe ich noch NIE gelesen! Jede Episode in Blaubärs Leben ist so spannend, unterhaltsam und vor allem so anders als das vorherige, dass man sich wünscht, der Autor hätte jedem Leben einen eigenen Roman gewidmet. So kommt trotz der episodischen Erzählstruktur und des großen Seitenumfangs nie das Gefühl von Länge im Roman auf - im Gegenteil, ich hätte am liebsten auch noch von den 13½ übrigen Leben gelesen!
"Das Leben ist kurz, behauptet man. Ansichtssache, sage ich. Die einen sind kurz, die anderen sind lang, und manche sind mittel.”
Darüberhinaus ist die Handlungsdichte immens hoch. Wir stolpern mit Blaubär von einem Abenteuer in das nächste und bekommen kaum Zeit Luft zu holen. Obwohl die Geschichte aufgrund der verspielten Fantasie auf den ersten Blick wie ein Kinderbuch erscheint, ist mit durchaus ernster Spannung und ständiger Lebensgefahr zu rechnen. Außerdem sind die einzelnen Episoden wunderbar miteinander verknüpft und steigern sich im Laufe der Geschichte durch immer neue Wendungen und Überraschungen immer weiter. Der Roman wirkt zu keinem Zeitpunkt überladen, sondern bleibt durch seine rasante Handlung und den stetigen Wechsel der Schauplätze stets fesselnd. So schafft es der Autor, sich ganz in seinem geschaffenen Universum zu vertiefen und eine reichhaltige Welt aufzubauen, dabei aber trotzdem einen straffen Spannungsbogen über die 700 Seiten hinweg aufrechtzuerhalten. Kurzum: ich habe das Buch praktisch inhaliert!
“Es gibt Augenblicke im Leben, in denen man überzeugt ist, dass sich das gesamte Universum in irgendeinem schummrigen Hinterzimmer getroffen und beschlossen hat, sich gegen einen zu verschwören. Dieser Augenblick war so einer."
Neben der abwechslungsreichen und originellen Handlung sorgt auch Moers Schreibstil für die Sogwirkung des Romans. Denn der Autor brilliert nicht nur mit seinen fantasievollen Ideen, sondern auch mit einem außergewöhnlichen Sprachwitz. Mit kreativen Wortneuschöpfungen, kniffligen Anagrammen, ironischen Anspielungen und einem enormen Feingefühl für Sprache, Tempo und humoristische Pointen, entlockt er selbst dem zynischsten Leser das ein oder andere Lächeln. Ergänzt wird diese Mischung durch humorvolle Intertextualität wie beispielsweise die fortlaufend eingesetzten Auszüge aus dem "Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung" von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller. Diese erklären uns und dem jugendlichen Bär wichtige Begriffe und Naturgegebenheiten Zamonien - oft allerdings mit sehr schlechtem Timing. So lockert der Autor die Handlung immer wieder auf und führt uns gleichzeitig tiefer in seinen Fantasy-Kosmos ein: Zamonien.
"Ich lief hin und her, raufte mein Haar und tat schließlich das in dieser Situation einzig Vernünftige: Ich verlor den Verstand."
Da man auf den 700 Seiten nicht nur zig verschiedene magische Spezies trifft, wichtige Schlüsselfiguren der zamonischen Wissenschaft, Kultur Politik kennenlernt, sondern auch beinahe alle Ecken des Kontinents bereist, ist "Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär" der bester Einstieg in das Zamonien-Universum. So erfahren wir alles über Dimensionslöcher, festgeklebte Fanta-Morganas, Lügengladiatorduelle, Tornadohaltestellen, viereckige Sandstürme, den Geruch nach Gennf, Olfaktillen und Intelligenzbazillen, was man als erfahrener Zamonien-Tourist wissend muss. Zwar können die Zamonien-Romane (bis auf die Buchheim-Trilogie) auch alle unabhängig voneinander gelesen werden - mit diesem Epos bekommt man allerdings der beste Überblick über die magische Welt.
"In Zamonien gab es die unterschiedlichsten Landschaftsformen, neben Wüstenplateaus sah ich Eisgipfel, Sumpfwälder, riesige Kornfelder, Steinwüsten und Mischwald. Im äußersten Westen lag ein Gebirge, dessen Gipfel wesentlich höher waren als die der anderen, es wurde das Finstergebirge genannt. Auffällig war auch eine Wüste inmitten des Kontinents, die größte, die ich jemals gesehen hatte. Am meisten aber interessierte mich die Hauptstadt von Zamonien. Das war Atlantis, damals die größte Stadt der Welt"
Auch die Figuren, die diese Welt bevölkern sind allesamt grandios. Angefangen mit der Hauptfigur und Ich-Erzähler Blaubär, dem wir beim Erwachsenwerden zusehen dürfen. Er ist mir über die 700 Seiten mit seiner Abenteuerlust, seiner Selbstironie und Weltoffenheit sehr ans Herz gewachsen. Es macht großen Spaß, während seiner Abenteuer das ein oder andere überraschende Talent zu entdecken, sich mit ihm tödlichen Gefahren zu stellen, die ewige Liebe zu finden und auf Rettungen in allerletzter Sekunde zu hoffen. Toll sind allerdings auch die etlichen verrückten Nebenfiguren, die er auf seinem Weg trifft. Seien es abergläubische Zwergpiraten, gehässige Stollentrollen, unangenehme Nattifftoffen, kurzsichtige Rettungssaurier, quasselnde Tratschwellen, durch die Wüste ziehende Gimpeln, eine vibrierende Finsterbergmade, eine haarige Berghutze, einen Gallertprinz aus einer anderen Dimension, einen Professor mit sieben Gehirnen, denkender Sand, hungrige Kakertratten, verhungernde Waldspinnenhexen, blutrünstige Wolpertinger und der Wahnsinn höchstpersönlich - alle hinterlassen einen bleibenden Eindruck. Dabei treten manche Figuren nur kurz auf, andere ziehen sich als roter Faden durch die Geschichte und bekommen sogar eigene Romane vermacht. So zum Beispiel der Wolpertinger Rumo oder der Schriftsteller Hildegunst von Mythenmetz, auf deren Geschichten ich mich in anderen Zamonien-Romanen freue! Apropos andere Zamonien-Romane ... ich werde im Anschluss natürlich noch alle anderen Bücher des Autors lesen, auch wenn ich kaum glaube, dass sie mit "Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär" mithalten können werden. Aber vielleicht spricht da auch der Bookhangover aus mir - ich lasse mich gerne positiv überraschen.
“Da ist auch noch ein anderer Geruch in der Luft, der Geruch von Feuern, die in der Ferne brennen, mit einem Hauch Zimt darin - so riecht das Abenteuer!"
Diesmal als letztes zum Ende meiner Rezension einige Worte zur Gestaltung. Das Cover meiner Taschenbuchausgabe des Goldmann Verlags (es gibt mittlerweile mindestens so viele verschiedene Blaubär-Ausgaben wie Zamonien-Romane) zeigt den jungen Blaubär, der den Kopf zwischen ebenfalls blauen Barten des Tyrannowalfisch Rex hindurchsteckt (das kann man zumindest kombinieren, wenn man bei Blaubärs drittem Leben angelangt ist). Mit dem schlichten, aber dennoch aussagekräftigen Covermotiv, dem großflächig gemusterten Hintergrund und dem großen gelben Titel dient die Machart des Covers von "Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär" als Vorlage für alle späteren Zamonien-Cover, die somit in Kombination toll aussehen. Vorgelegt und immense Maßstäbe gesetzt hat das Buch auch mit seinen zahlreichen schwarz-weiß Illustrationen im Buch. Egal ob die detailgetreue Karte Zamoniens und der weiteren Umgebung oder die zahllose Darstellungen unterschiedlicher Größe von kleinen Verzierungen bis seitenfüllenden Motiven - die künstlerische Ausgestaltung hilft dabei, der Geschichte zu folgen und auch schwer Vorstellbares zum Leben zu erwecken!
Fazit
700 Seiten pure Lesefreude! "Die 13½ Leben des Käpt'n Blaubär" strotzt nur so von Originalität, Sprachwitz, Spannung und Fantasie, sodass ich mir ganz sicher bin: So ein kurzweiliges, intelligentes und originelles Buch habe ich noch NIE gelesen!
- Patrick Süskind
Das Parfum
(10.209)Aktuelle Rezension von: bibliophilaraViele Schullektüren werden von den Schülern von vorneherein als langweilig abgestempelt und nur wenige Male ändert sich das schnelle Urteil. Doch in meinem ersten Oberstufenjahr musste ich meine Mitschüler durchaus beneiden. Vier von fünf Deutschkurse haben „Das Parfum“ von Patrick Süskind aus dem Jahr 1985 gelesen, leider saß ich damals in Kurs Nummer fünf. Nun aber habe ich das Versäumte nachgeholt. Dieses Werk ist nicht einem einzigen Genre zuzuschreiben, es kann als Entwicklungs-, Bildungs-, Künstler- oder als Kriminalroman verstanden werden, wobei ich es primär als eine Mischung aus Entwicklungs- und Künstlerroman gesehen habe. Außerdem lässt es sich der postmodernen Literatur zuordnen. „Das Parfum“ hielt sich fast neun Jahre lang auf der Spiegel-Bestsellerliste und gehört zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Romanen des 20. Jahrhunderts.
Paris, Rue aux Fers am 17. Juli 1738: Jean-Baptiste Grenouille wird als Sohn einer Verkäuferin an einem Fischstand geboren. Da diese kein Interesse an einem Kind hat, lässt sie es in den Fischabfällen liegen, so wie sie es bereits bei vier vorherigen Neugeborenen getan hat. Dieses Mal jedoch schreit das Baby, der Tötungsversuch wird entdeckt und Jean-Baptistes Mutter geköpft. Von da an wandert er von Amme zu Amme, dann zum Pater und weiter zu einer Ziehmutter. Doch niemand will ihn lange bei sich haben, denn seine eigentümliche Art, die seinem phänomenalen Geruchssinn entspringt, macht den Menschen Angst. Von einer Gerberei gelangt er dann in eine Parfümerie, in der er sein Lebensziel erreichen will: Der größte Parfümeur aller Zeiten zu werden. Und dafür geht er im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen.
Der Entwicklungsroman spaltet sich in vier Teile auf, die die Lehrjahre, Wanderjahre, Meisterjahre und den Epilog gliedern, wobei der Epilog lediglich aus dem letzten von 51 Kapiteln besteht. Bei knapp 300 Seiten sind die Kapitel also recht kurz gehalten, dafür sind sie so präzise gesetzt, dass sie nie die Bedeutung einer Schnittstelle verfehlen.
Jean-Baptiste Grenouille wird von seiner Geburt bis zu seinem Tod erzählerisch begleitet, trotzdem liegt hier ein auktorialer und kein personaler Erzähler vor, denn er beschreibt auch die Gedanken der Nebencharaktere oder deren Werdegänge in Grenouilles Abwesenheit. Die Geschichte wird im Präteritum erzählt. Der Erzähler beschreibt detailliert und teilweise ironisch sowohl andere Charaktere, als auch die Handlungsorte, ohne sich dabei je in Banalitäten zu verstricken. Eine kleine Besonderheit gibt es in Kapitel 10, das hauptsächlich in Dramenform verfasst wurde, welches inhaltlich wiederum stark an eine Komödie erinnert und somit eine im Roman ganz einmalig Form des Humors zeigt.
Dem Protagonisten wird die meiste deskriptive Aufmerksamkeit geschenkt, schließlich ist dies seine Geschichte. Er besitzt eine Gabe, die in der modernisierten Gesellschaft nur noch eine geringe Rolle spielt: Er kann überdurchschnittlich gut riechen. Da die Nase somit auch sein bestes Sinnesorgan ist, orientiert er sich in erster Linie olfaktorisch und nicht optisch, wie es normalerweise die meisten Menschen tun und sorgt dabei für Aufsehen. Seit seiner Kindheit kann er sogar Dinge riechen, die andere noch nicht einmal sehen können, sei es weil sie versteckt oder schlicht zu weit weg sind. Da er jedoch stark introvertiert und ein Einzelgänger ist, ist vielen gar nicht bewusst, was genau an ihm anders ist. Sie sind sich nur sicher, dass sie sich lieber von ihm fern halten und verkennen sein Genie. Grenouille spricht wenig und verwechselt gegenstandslose Begriffe, da er sie mit keinem Geruch verknüpfen kann. Als Beispiele werden „Recht, Gewissen, Gott, Freude, Verantwortung, Demut [und] Dankbarkeit“ aufgezählt, was auch der Grund dafür ist, dass er von seinen Mitmenschen für einen Idioten gehalten wird. Vielmehr ist er jedoch ein Autist mit einer Inselbegabung, die erst in der Parfümerie erkannt wird. Dafür hat er kein Verständnis von Moral. Wenn er einen unbekannten Duft gewittert hat, muss er ihn erforschen und verinnerlichen. Als er beginnt gute von schlechten Gerüchen zu trennen, hat er seinen liebsten Geruch bereits entdeckt: unschuldige Mädchen. Um ihren Duft zu konservieren tötet er sie, ohne Böswilligkeit, sondern weil er keine Empathie und kein Verständnis, nicht einmal eine Ahnung davon hat, dass sein Handeln falsch sein könnte. In gewisser Weise besitzt er damit also auch psychopathische und manische Wesenszüge. Das wird unter anderem auch darin deutlich, dass er weiß seine Mitmenschen zu manipulieren und sich untertänig gibt, um in Ruhe seine Ziele verfolgen zu können. Er ist gleichermaßen Wunderkind wie Scheusal, einfach wie komplex und wird vom Leser mit ausgeglichener Faszination und Ablehnung verfolgt. Man kann bei ihm zu keinem einschlägigen Urteil kommen.
Es ist leicht nachvollziehbar, warum „Das Parfum“ zu einer Schullektüre wurde: Es strotzt nur so vor Bildgewalt, Rhetorik und Interpretationsmöglichkeiten, beispielsweise Grenouilles Existenzkrise oder die Tatsache, dass er selbst überhaupt keinen Eigengeruch besitzt. Dies fällt als Erstes seiner Amme Jeanne auf, die deswegen der Überzeugung ist, dass er vom Teufel besessen ist. Später entpuppt er sich wirklich als Mörder, was die Amme aller Wahrscheinlichkeit nach in ihrer Meinung bestärkt hätte. Mit ihrer Aussage hat sie bereits im zweiten Kapitel eine präzise Andeutung seines Lebensweges gemacht. Er selbst bemerkt diese fehlende Eigenschaft erst in seinen Wanderjahren, ist aber anfangs erst der Meinung, dass jeder Mensch seinen Eigengeruch grundsätzlich nicht riechen könne. Später revidiert er dies, indem er versucht ein möglichst menschenähnliches Parfum zu kreieren. Ein weiterer Aspekt könnte die Möglichkeit sein, dass ein Eigengeruch ihm nur die Sinne vernebelt hätte und er so nie zum Genie geworden wäre oder dass seine Manie gerade deswegen entstanden ist, er sich sozusagen nach dem gesehnt hat, was er nicht besitzt. Wenn man letzteren Gedanken weiterspinnt, lässt sich die Geruchslosigkeit auch als Symbol für eine fehlende Eigenschaft wie Empathie, Liebe oder schlicht eine eigene menschliche Persönlichkeit sehen. Hinzu kommt, dass er als Geruchsloser von seinen Mitmenschen häufig nicht bemerkt oder beachtet wird, während er diese schon aus weiter Distanz erschnüffelt. So kann er vollkommen unerkannt und ungesehen töten, was ihn zu einem grandiosen Mörder macht.
Auch sein starker Überlebenswille zeigt einerseits sein eher animalisches Wesen, aber auch seinen extremen Ehrgeiz. So ist er als einziges von fünf Kindern eine Lebendgeburt, denn die anderen Kinder haben die Syphilis der Mutter nicht überstanden. Außerdem überlebt er „die Masern, die Ruhr, die Windpocken, die Cholera, einen [S]turz“, einen Mordversuch seitens der Heimkinder, sowie später Anthrax, Pocken und entgeht knapp dem Erfrierungstod. Seine Verbissenheit war also buchstäblich nicht tot zu kriegen, er würde erst Ruhe geben, wenn sein Traum verwirklicht ist.Außerdem wird für ihn wiederholt das Symbol der Zecke verwendet: Einem blutsaugenden, parasitären, krankheitsübertragendem und manchmal sogar todbringendem Milbentier. Tatsächlich scheint er diese Eigenschaften sogar zu besitzen, denn fast immer, wenn sich sein Lebensweg von engeren Kontaktpersonen trennt, wie beispielsweise im ersten Kapitel seine Mutter, finden diese schnell den Tod oder werden bis zu diesem vom Unglück verfolgt.
Das absolute Leitmotiv ist natürlich der Geruch. Es vergeht kaum eine Seite, auf der nicht der Geruch von Personen, Orten oder Gegenständen beschrieben oder über die Zusammensetzung eines Parfüms sinniert wird. Dabei wird immer wieder mit der Diskrepanz von Duft und Gestank gespielt. Grenouille selber wird „am allerstinkendsten Ort des gesamten Königreichs“ geboren, also metaphorisch betrachtet als Ärmster unter der Elenden und avanciert zum besten Parfümeur der Welt. Er wird also, untermalt von seiner Geruchslosigkeit, vom belanglosem Findelkind zum unerreichtem Genie.
Süskind hat übrigens wahnsinnig gute Recherchearbeit geleistet, sowohl historisch, topografisch und kulturell, als auch in den Arbeitsprozessen in der Gerberei, aber in erster Linie in der Parfümerie. Jeder Produktionsschritt, jedes damals verwendete Aroma und jede weitere Feinheit scheint bis ins Detail untersucht worden zu sein. Das Ende hat mir persönlich sehr gut gefallen, auch wenn es bei vielen auf Unverständnis gestoßen ist. Wie ich schon zu Beginn erwähnt hatte, endet der Künstlerroman mit Grenouilles Tod, dabei geht es allerdings vielmehr um die Todesart, als um das Sterben an sich. Ich bin ich der Meinung, dass diese eher bildlich als wörtlich verstanden werden sollte, damit „Das Parfum“ seine Wirkung komplett entfalten kann.
Da ist es endlich! „Das Parfum“ ist mein erstes literariaches Highlight im Jahr 2017. Ich bin wirklich froh diesen Entwicklungsroman gelesen zu haben, denn er hinterlässt, wie jedes exzellente Buch, Spuren. Wenn ich es gerade nicht gelesen habe, hat es mich gedanklich verfolgt. Im Alltag habe ich deutlich häufiger meine Nase eingesetzt, Bestandteile meiner Parfums recherchiert und bemerkt, wie häufig ich Gerüche fast ausgeblendet habe, anstatt ihren Ursprung zu finden. Aber auch die zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten, von denen ich hier lediglich einen Teil aufgeführt habe, beschäftigen mich immer noch. „Das Parfum“ ist wie ein riesiges Puzzle, das ich in meinem Kopf in seine Fragmente gespalten habe. Ich freue mich regelrecht zum allerersten Mal in diesem Jahr alle fünf Federn vergeben zu können.
- Oscar Wilde
Biblioteca Obscura: Das Bildnis des Dorian Gray
(2.001)Aktuelle Rezension von: SelectionBooks„Das Bildnis des Dorian Gray“ von Oscar Wilde zählt zu meinen liebsten Klassikern. Daher habe ich mich unglaublich über die Biblioteca Obscura Schmuckausgabe gefreut, die aufwendig von Marcin Minor illustriert wurde.
„Er versuchte, die scharlachroten Fäden des Lebens aufzusammeln und sie zu einem Muster zu weben; seinen Weg durch das blutrote Labyrinth der Leidenschaft zu finden, durch das er irrte.“ Zitat aus „Biblioteca Obscura - Das Bildnis des Dorian Gray“, Seite 130 - 131.
Ich liebe die Gestaltung dieser Schmuckausgabe sehr. Schon von außen ist das Buch dank der Goldfolienveredelung auf dem Cover ein absoluter Eyecatcher. Der schwarze Farbschnitt rundet das perfekte Gewand der Schmuckausgabe ab. Die Schwarz-Weiß Illustrationen von Marcin Minor sind ein absolutes Highlight. Die schaurig schönen Zeichnungen präsentieren sich mit unglaublich vielen kleinen Details und lassen den Leser perfekt in eine dunkle Welt voller Versuchung und Verderbnis eintauchen.
Dorian Gray ist ein außergewöhnlich gut aussehender junger Mann, an dem die Unschuld der Jugend haftet. Das ändert sich schlagartig, als er auf Lord Henry Wotton trifft. Dieser war schon immer fasziniert von den Möglichkeiten der Manipulation des menschlichen Geistes und beeinflusst Dorian mit seinen moralisch verwerflichen Denkansätzen. Dabei ahnt er nicht, dass Basil Hallward ein Porträt geschaffen hat, das anstelle von Dorian altert. Dorian erfreut sich an ewiger Jugend, während sein Porträt alle Laster auf sich nimmt. Ohne Konsequenzen befürchten zu müssen, verfällt Dorian schon bald einem völlig zügellosen Lebensstil und entzieht sich dem Einfluss seines einstigen Freundes. Dorians Körper mag ewig jung bleiben, doch seine Seele wird von Tag zu Tag dunkler und verderbter.
„Schließlich wäre es nie dazu gekommen, wenn ich dich nicht kennengelernt hätte. Du fülltest mich mit einem unbändigen Verlangen, alles über das Leben zu wissen. Noch Tage, nachdem ich dir begegnet war, schien etwas in meinen Adern zu pochen.“ Zitat aus „Biblioteca Obscura - Das Bildnis des Dorian Gray“, Seite 71.
Es ist lange her, dass ich „Das Bildnis des Dorian Gray“ zuletzt gelesen habe. Die Geschichte hat mich auch so viele Jahre später wieder auf Anhieb fasziniert. Mich hat besonders in den Bann gezogen, wie aktuell die aufgegriffenen Themen auch heute noch sind. Es liegt wohl einfach in der Natur der Menschen, ewige Jugend anzustreben und Schönheitsidealen zu verfallen. Doch nicht nur Eitelkeit, sondern auch Egoismus, Gier, Verlangen und Laster sind ein Thema. Alles vor der Kulisse einer elitären Gesellschaft, die nach außen hin Perfektion und Tugend heuchelt. Besonders interessant fand ich, dass ich heute eine ganz andere Sicht auf die Geschichte habe als vor über einem Jahrzehnt. Viele Szenen des Buches haben mich nachdenklich zurückgelassen. Bis auf die ausschweifenden Passagen über die Reichtümer berühmter Menschen hat mich dieses Buch wieder sehr fasziniert.
„»Weil einen Menschen zu beeinflussen bedeutet, ihm seine eigene Seele zu geben. Er denkt nicht mehr seine natürlichen Gedanken oder wird nicht mehr von seinen natürlichen Leidenschaften entflammt.« Zitat aus „Biblioteca Obscura - Das Bildnis des Dorian Gray“, Seite 32.
FAZIT: Die Schmuckausgabe von Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“ ist ein wunderschönes Meisterwerk, das sich in einem magischen Gewand präsentiert und mit umwerfenden Illustrationen von Marcin Minor beeindruckt. Dieses wundervolle Schmuckstück ist das perfekte Geschenk für alle Liebhaber von klassischer Literatur. Ich freue mich unglaublich über diese umwerfende Sonderausgabe, die nun mein Regal schmückt.
- Anne Frank
Gesamtausgabe
(2.736)Aktuelle Rezension von: 0_storytime_0Eine tieftraurige, aber auch faszinierende Biografie einer jungen und einzigartigen Schriftstellerin. Man muss sich beim Lesen immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es keine Fiktion ist, sondern leider Realität. Deswegen ist dieses Buch definitv ein Werk, welches alle lesen sollten!
- Michael Ende
Die unendliche Geschichte
(7.027)Aktuelle Rezension von: Stephanie_RuhBastian gerät auf der Flucht vor seinen Klassenkameraden in Herrn Koreanders Antiquariat und entdeckt dort "Die unendliche Geschichte", lässt sie mitgehen und versteckt sich auf dem Dachboden seiner Schule, um zu lesen. Das ist der Beginn eines unglaublichen Abenteuers, das sich Bastian niemals hätte vorstellen können.
Meine Rezension bezieht sich auf eine andere Ausgabe: Ein magisches Cover in scharz-weiß-gold, das Auryn mit den Schlangen und dessen rückseitiger Inschrift "Tu was du willst" zeigt. Wunderschön und macht neugierig auf das Buch.
Michael Ende schreibt so einladend und einfühlsam, dass es einem geht wie Bastian und man in der Geschichte versinkt. Das ganze Buch ist gespickt mit vielen Weisheiten, weshalb man dieses Buch durchaus mehrmals lesen kann. Es gibt so viele Highlights im Buch, es würde zu lange dauern, alle aufzuzählen. Aber alleine das fiktive Buch "Die unendliche Geschichte" in der fiktionalen Geschichte ist ein weiterer Höhepunkt. Jeder sollte dieses Buch gelesen haben und es auf sich wirken lassen. Ein wahrer Klassiker des Lesens. - Leo Tolstoi
Krieg und Frieden (Leo Tolstoi)
(506)Aktuelle Rezension von: sdickeWir befinden uns in der Zeit der Koalitionskriege. In der russischen Oberschicht lebt man weit entfernt vom Krieg und genießt das Leben, muss aber auch Leibeigene als Soldaten stellen. Dieser Roman handelt von dem Leben mehrere Familien, deren Geschicke sich im Laufe der Handlung miteinander verbinden.
Beispielsweise kommt Pierre, der illegitime Sohn seines Vaters aus dem Ausland nach Sankt Petersburg, wo er an eine Gruppe junger Vergnügungssüchtiger gerät. Er wird aus der Stadt verwiesen und lebt fortan in Moskau, wo sein Vater stirbt und er fortan mit einer schweren Bürde zu kämpfen hat.
Wir erleben das Leben der Familie Rostow, aus der die Tochter Natasacha heraussticht. Anfangs ist sie dreizehn Jahre alt. Wir erleben wie sie erwachsen wird und schließlich aus ihrem verträumten Leben herausgerissen wird, in dem sie zuweilen durch das Haus geht und jedem Dienstboten, an dem sie vorbeikommt, einen bedeutungslosen Auftrag gibt.
Wir erleben die Familie Bolkonski mit dem alten, exzentrischen Fürsten, der tief religiösen Tochter und und Sohn, der als Offizier in den Krieg zieht.
Und wir leben noch viele andere, interessante Figuren.
In diesem Roman wechseln sich anregende Unterhaltungen in Salons, Bälle, Schlachten und menschliche Tragödien ab.
Die Anaconda-Ausgabe enthält kein Figurenverzeichnis. Deshalb habe ich mir beim Lesen selber Chrakterbögen erstellt.
Mein Fazit lautet: Krieg und Frieden ist eine spannende Lektüre, die allerdings eine gewisse Aufmerksamkeit braucht, ob der vielen Handlungsstränge und vielen Figuren.
- Noah Gordon
Der Medicus
(2.238)Aktuelle Rezension von: bibliophilaraIn Bücherschränken findet man ja meistens Bücher, die irgendjemand offensichtlich nicht wegwerfen wollte, andere Menschen aber auch nicht haben wollen, weshalb sich in ihnen meist nur uralte und uninteressante Bücher sammeln. Manchmal hat man aber auch Glück und ergattert gut erhaltene Klassiker oder ältere Bestseller. Das erste Buch, das ich einen Monat nach meinem Umzug im Bücherschrank um die Ecke gefunden hatte, war „Der Medicus“ von Noah Gordon. Es erschien 1987 auf Deutsch, meine Ausgabe ist laut handschriftlichem Eintrag von „Weihnachten 1987“, und verkaufte sich insgesamt mehr als 6 Millionen mal. Außerdem gehört es zu den zehn beliebtesten Büchern bei deutschen Lesern und wurde 2013 mit Tom Payne und Ben Kingsley in den Hauptrollen verfilmt. „Der Medicus“ ist der erste historische Roman einer Trilogie, aber weil die Geschichte in sich abgeschlossen ist und ich das Buch aus dem Bücherschrank habe, lese ich vorerst nur diesen Band.
Der neunjährige Robert Jeremy Cole, kurz Rob, wächst im Jahr 1021 mit seinen Eltern und vier jüngeren Geschwistern in London auf. Nach dem Tod seiner Eltern wird er von seinen Geschwistern getrennt und Lehrling bei einem reisenden Bader. Dort entdeckt er den Heilberuf als seine Erfüllung und setzt sich das Ziel der beste Heiler der Welt zu werden. Um dieses Ziel aber zu erreichen, muss er über sich hinaus wachsen und eine lange gefährliche Reise antreten. Dabei hilft ihm seine Begabung den nahenden Tod von Mitmenschen bei Berührung spüren zu können.
„Es waren Robs letzte, ruhige Augenblicke seliger Unwissenheit, doch in seiner Einfalt empfand er es als unbillig, dass er mit seinen Brüdern und seiner Schwester zu Hause bleiben musste.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels, das nach Zitaten aus verschiedenen Glaubensschriften folgt. Den Anfang als Ende wirken zu lassen und die epische Vorausdeutung, machen sofort Lust auf mehr, verraten aber auch den auktorialen Erzähler im Präteritum. In erster Linie ist „Der Medicus“ ein historischer Roman, kann aber auch gleichermaßen als Entwicklungsroman betrachtet werden, weil der Protagonist von Kindheit an bis ins gehobene Alter begleitet wird. Bei annähernd 650 Seiten ist das Buch in sieben Teile aufgespalten, von denen der erste und der vierte die längsten, sowie der fünfte und der siebte die kürzesten sind. Alle Teile und Kapitel tragen Titel.
Auch wenn der auktoriale Erzähler nicht nur ihm folgt, ist Rob klar der Protagonist der Geschichte. Anfangs ist er neun Jahre alt, das älteste Kind der Familie und muss schon früh die Verantwortung für seine jüngeren Geschwister übernehmen. Typisch für einen Entwicklungsroman verfolgt man Rob beim Heranwachsen und Reifen. Er lernt sowohl, wie es ist auf sich allein gestellt zu sein, als auch andere Charaktere kennen, von denen er lernen und profitieren kann. Sein Ehrgeiz und seine Zielstrebigkeit, aber auch sein Mut und seine schnelle Auffassungsgabe machen ihn zu einem interessanten Charakter, der trotzdem menschlich wirkt, Fehler macht und sich gerne amüsiert. Die Fähigkeit, die ihn wirklich einzigartig macht, ist seine „Gabe“ den nahenden Tod seiner Mitmenschen bei Körperkontakt spüren zu können. Diese Gabe kann auf verschiedene Arten interpretiert werden. Sie kann einerseits als eine stark ausgeprägte Intuition verstanden werden, die mit einem angeborenen Talent für Krankenbeobachtung einhergeht, andererseits aber auch als eine übernatürliche Begabung. Ob diese Begabung mit einem zusätzlichen Sinn, Magie oder als Geschenk Gottes zu erklären ist, wird nie gänzlich offenbart.
Jedenfalls ist die Religion eins der Leitmotive dieses Romans. Rob wächst als Katholik auf, allerdings ohne enormen Bezug zur Kirche zu haben. In England lernt er auch Juden kennen, begegnet ihnen aber eher mit Skepsis und Befremdung, wie es im Frühmittelalter so üblich war. Erst als er erfährt, dass Christen an der Fakultät in Isfahan nicht angenommen werden, kommt Rob gezielt in Kontakt mit Juden und Muslimen und kann seine Vorurteile teilweise überwinden und sogar Freundschaften aufbauen. Jedoch spürt er auch eine göttliche Verbundenheit, die er nicht ablegen kann. Er begreift außerdem, dass die anderen Religionen teilweise fortschrittlicher und sozialer sind als die katholische Kirche, die damals kurz vor den Kreuzzügen stand und den Weg für moderne Medizin erschwerte, während sie im muslimisch geprägten Orient deutlich weiter entwickelt war.
Dass im europäischen Mittelalter die Medizin so wenig erforscht war, lag hauptsächlich an der katholischen Kirche, die Obduktionen zu Forschungszwecken nicht zuließ und Leichenschändung bestrafte. Außerdem verfolgten sie erfolgreiche Heiler wegen Hexerei und sahen Krankheiten als Strafe Gottes an, um deren Linderung sich nur Kirchenmitglieder kümmern sollten. Die Medizin des Mittelalters basierte auf einer Lehre, die ihren Ursprung im antiken Griechenland fand. Die sogenannte Humoralpathologie, bekannter als Säftelehre wurde von Hippokrates begründet und bis ins Spätmittelalter gelehrt. Darin ging es prinzipiell darum, die vier Körpersäfte in den Farben Rot, Gelb, Schwarz und Weiß im Gleichgewicht zu halten. Deswegen wurden auch Aderlasse durchgeführt, die den Patienten oft mehr schadeten als halfen. Aber auch fehlende Narkosen oder mangelhafte Hygiene sorgten für mehr Leid als Linderung. Erst als die Klostermedizin fortgeschrittener war, verbesserte sich die Situation mit West- und Mitteleuropa wieder.
Die dreckige und räudige Atmosphäre des düsteren Mittelalters wird primär sprachlich gut wiedergegeben. Vor vulgären Ausdrücken wie „Ficken“, „Bumsen“, „Titten“ oder „Hurensohn“ sollte man lieber nicht die Nase rümpfen. Genauso kommen auch Sexszenen vor, die mal mehr, mal weniger detailliert und meist eher unästhetisch daherkommen. Rob selbst ist ebenfalls der Prostitution zugeneigt, was ihn nicht unbedingt sympathisch macht.
„Der Medicus“ trifft in einem Abschnitt im vierten Teil unerwartet wieder den Nerv der Zeit, weil dort in einer Stadt eine Epidemie ausbricht, gegen die Rob und seine Gefährten kämpfen. Der Fokus liegt hier vor allem darauf, dass die Menschen in dieser Krisensituation ihr zweites Gesicht zeigen. Ärzte oder Studenten flüchteten, Kranke werden bestohlen, tote Frauen vergewaltigt. Jeder ist sich selbst der Nächste. Auch wenn das in der aktuellen Corona-Krise glücklicherweise nicht so schlimm ist, gibt es dennoch Leute, deren schlechte Seite nun zum Vorschein tritt. Leute hamstern, stehlen oder verhalten sich auf andere Art unsolidarisch. Aber auch Ängste und der Seuchenverlauf werden hier thematisiert. Doch es gibt eine Zeit danach und trotz Schmerz und Verlusten eines Tages auch wieder Hoffnung.
Um vergleichen zu können, habe ich unmittelbar nach dem Buch den Film gesehen. Insgesamt ist der Film sehenswert. Er bietet tolle Kostüme, eine ausgezeichnete Besetzung und gibt die Atmosphäre gut wieder. Allerdings weicht er inhaltlich recht stark vom Buch ab. Beispielsweise verstirbt Robs Mutter nach einer schwierigen Entbindung im Wochenbett, im Film dagegen an der sogenannten Seitenkrankheit. Im Buch sorgt anfangs noch der Vater für seine fünf Kinder. Im Film sind Rob und seine zwei Geschwister nach dem Tod der Mutter sofort Waisen. Im Buch gibt es Rebecca, die junge Frau aus Spanien, die Rob zufällig auf der Reise nach Persien begleitet, bis sie sich in einem Sandsturm verlieren, überhaupt nicht. Im Film kommt Mary Cullen dafür nicht vor, eine junge Frau aus Schottland, die Rob in der Karawane kennen und lieben lernt. Dies sind nur Beispiele für die zahlreichen Abweichungen, die mir letztendlich einfach zu viele waren, um vom Film wirklich begeistert zu sein.
Das Ende hat meine Erwartungen erfüllt, kann aber nicht für Überraschungen sorgen. Abschließend folgt eine „Erklärung fremdsprachiger Ausdrücke“, welche im Roman kursiv gedruckt sind und die persische und hebräische Begriffe erläutert.
Obwohl „Der Medicus“ ein recht dicker Schinken ist, stecken seine Seiten voller Leben. Noah Gordon gelingt der Spagat aus Entwicklungsroman, bei dem die Jahre schnell vorüberziehen, und bildhaften Alltagssituationen. Trotz der historischen und kulturellen Unterschiede wird deutlich, dass sich das Wesen der Menschen nicht geändert hat. Die medizinischen und religiösen Recherchen sind spürbar lange und pedantisch erfolgt. Film und Buch weichen stark voneinander ab, wobei ich persönlich den historischen Roman etwas besser fand. Die Literatur ist allerdings allgemein mein präferiertes Medium. Einziges, aber nicht unwesentliches Manko ist die Antipathie, die ich Rob gegenüber stellenweise empfunden habe. So bezeichnet er Mary beispielsweise als „nur eine Frau“ und wundert sich, dass sie ihn im Schachspiel schlagen kann. Dieser unverhohlene Sexismus mag im Mittelalter zwar normal gewesen sein, ändert aber nichts an Robs mangelhafter Liebenswürdigkeit. Deswegen gebe ich „Der Medicus“ aus dem Jahr 1987 vier von fünf Federn. Meine Ausgabe wandert wieder zurück in den Bücherschrank, damit jemand anderes diese bemerkenswerte Geschichte lesen kann.
- Umberto Eco
Der Name der Rose
(1.616)Aktuelle Rezension von: TWDFanSTInhalt
Italien im 14. Jahrhundert: In einem Kloster kommt es zu mysteriösen Todesfällen. Drei Mönche sind bereits tot. Der scharfsinnige Franziskaner-Mönch William von Baskerville soll herausfinden, was hinter den Klostermauern vor sich geht...
Bewertung
Dies ist einer der wenigen Romane, bei dem ich ganz klar sagen muss, dass mir der Film besser gefallen hat. Bevor ich mich noch einmal dem Buch widme, werde ich mir wohl eher den Film anschauen - das kostet weniger Zeit. "Der Name der Rose" war mir in Buchform einfach zu langatmig und auch die Art, wie das Buch geschrieben ist, konnte mich nicht begeistern. Deshalb nur 2 Sterne.
- Margaret Atwood
Der Report der Magd
(816)Aktuelle Rezension von: xxholidayxxMargaret Atwoods „Der Report der Magd“ entführt uns in eine beklemmende dystopische Welt, in der Frauen auf ihre Rolle als Gebärmaschinen reduziert werden und ein totalitärer Staat jegliche Freiheit unterdrückt. Atwood, geboren 1939 in Ottawa, Kanada, ist eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen unserer Zeit und bekannt für ihre tiefgründigen Auseinandersetzungen mit feministischen und gesellschaftlichen Themen. Ihr Werk „Der Report der Magd“ hat sich seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1985 zu einem modernen Klassiker entwickelt und wurde durch die gleichnamige Fernsehserie einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
Inhaltsangabe
In „Der Report der Magd“ schildert Atwood die düstere Zukunftsvision der Republik Gilead, die nach einer atomaren Katastrophe aus den USA hervorgegangen ist. In diesem totalitären Staat sind Frauen jeglicher Rechte beraubt und werden in strenge soziale Klassen eingeteilt. Fruchtbare Frauen, wie die Protagonistin Desfred, werden zur Fortpflanzung rekrutiert und gezwungen, Kinder für die unfruchtbaren Ehefrauen der Elite zu gebären. Desfred, die sich noch an ihr früheres Leben mit Freiheit und Familie erinnert, lebt nun in ständiger Überwachung und Unterdrückung, doch tief in ihr bleibt die Hoffnung auf ein Entkommen und eine bessere Zukunft bestehen.
Meine Meinung
Als Leserin, die zuerst die TV-Serie gesehen hat, hat „Der Report der Magd“ für mich einen Teil seines Überraschungseffekts eingebüßt. Die düstere und realistische Darstellung der Welt von Gilead ist ohne Zweifel beeindruckend und erschreckend zugleich. Die Geschichte zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie schnell eine Gesellschaft in totalitäre Strukturen abrutschen kann, und hinterlässt hat mich nachdenklich gestimmt: Wie zerbrechlich sind unserer eigenen Freiheiten? Doch obwohl die Thematik wichtig und erschütternd ist, hat sich das Buch für mich einige Längen gehabt und soich entsprechend gezogen.
Sprachlich ist Atwoods Werk präzise und durchdacht, aber auch sehr trocken, was wohl der Form eines „Reports“ geschuldet ist. Diese distanzierte Erzählweise hat es mir jedoch schwer gemacht, eine tiefere emotionale Verbindung zu der Protagonistin June aka Desfred aufzubauen. Besonders im Vergleich zur Serie, die einige Ereignisse und Emotionen intensiver darstellt, wirkte der Roman manchmal weniger fesselnd.
Interessant fand ich die Unterschiede in der Erzählgeschwindigkeit zwischen Buch und Serie: Manche Szenen, die in der Serie ausgiebig behandelt werden, kommen im Buch schnell zur Sprache, während andere Passagen eher in die Länge gezogen wirken. Ohne das Vorwissen aus der Serie hätte ich mir vermutlich schwergetan, mir die Welt von Gilead in ihrer vollen Grausamkeit vorzustellen.
Ein weiterer Aspekt, der mir beim Lesen auffiel, war die starke Fokussierung auf Desfreds Perspektive. Obwohl dies der Geschichte eine gewisse Intensität verleiht, hätte ich es spannender gefunden, auch andere Figuren und deren Blickwinkel kennenzulernen. Dies hätte dem Roman zusätzliche Tiefe gegeben und die Vielschichtigkeit der unterdrückten Gesellschaft Gileads noch deutlicher hervorgehoben. Dennoch hat mich der Charakter von Desfred, oder June, wie sie vor Gilead hieß, fasziniert – ihre stille Rebellion und der innere Widerstand gegen das Unrecht machen sie zu einer starken, wenn auch manchmal schwer zugänglichen Protagonistin.
Fazit
„Der Report der Magd“ ist ein wichtiges und kraftvolles Buch, das die Leser zu Recht zum Nachdenken über Macht, Freiheit und Unterdrückung anregt. Trotz der beeindruckenden Thematik und der tiefgründigen gesellschaftlichen Fragen, die Atwood aufwirft, konnte mich das Buch aufgrund seiner trockenen Erzählweise und der teilweise schleppenden Handlung nicht vollständig überzeugen. Daher vergebe ich 3 von 5 Sternen. Es bleibt jedoch ein Werk, das gelesen werden sollte – besonders für diejenigen, die sich mit feministischen und dystopischen Themen auseinandersetzen möchten.
- Antoine de Saint-Exupéry
Der kleine Prinz
(7.987)Aktuelle Rezension von: SternenstaubfeeEin Pilot muss in der Sahara notlanden. Er trifft auf einen kleinen Jungen, der scheinbar von einem anderen Planeten kommt. Der Junge - der kleine Prinz - erzählt dem Piloten von seinem Heimatplaneten und seiner Reise.
Ein Klassiker. Die Geschichte an sich ist eigentlich nur Nebenschauplatz. Vielmehr berührt dieser kleine Junge, der so kindlich und rein zu sein scheint, neugierig auf alles, voller Freude und voller Traurigkeit.
Ich glaube, man kann viel hineininterpretieren, und das ist vielleicht das Besondere an diesem Buch, an dieser Geschichte.
27.11.2024
- Paulo Coelho
Der Alchimist
(2.110)Aktuelle Rezension von: Mina_KharkhachInhalt
In Paulo Coelhos weltberühmtem Roman "Der Alchimist" begibt sich der andalusische Hirte Santiago auf eine abenteuerliche Reise, angetrieben von einem wiederkehrenden Traum. Dieser Traum verspricht ihm einen Schatz, der am Fuße der Pyramiden Ägyptens verborgen liegt. Auf seiner Reise begegnet er verschiedenen Menschen, lernt von ihnen und beginnt, die Geheimnisse der Welt und des Lebens zu verstehen. Dabei geht es nicht nur um den äußeren Schatz, sondern auch um die Suche nach dem inneren Reichtum, der in jedem von uns schlummert. Santiagos Abenteuer führt ihn durch die Wüste, über orientalische Märkte und letztlich zu tiefen Einsichten über das Schicksal, die Liebe und den eigenen Lebensweg.Meine Meinung
"Der Alchimist" ist mehr als nur eine Abenteuergeschichte – es ist ein philosophischer Roman, der zum Nachdenken anregt und uns dazu auffordert, unseren eigenen Träumen zu folgen. Coelhos Erzählstil ist klar, fast poetisch, und voller Weisheiten, die das Buch zu einem wahren Schatz für den Leser machen. Die Charaktere sind dabei zwar eher archetypisch als tief komplex, aber sie verkörpern universelle Themen wie Hoffnung, Zweifel und Selbstfindung. Besonders beeindruckend ist, wie der Autor es schafft, große Themen wie das Schicksal, die Bedeutung des Lebens und die Wichtigkeit, auf sein Herz zu hören, auf eine zugängliche und inspirierende Weise zu vermitteln. Jeder Leser kann sich in Santiagos Suche wiederfinden und etwas für sich selbst mitnehmen.Fazit
Paulo Coelhos "Der Alchimist" ist ein Buch, das man mehr als einmal lesen kann und immer wieder neue Einsichten daraus gewinnt. Es inspiriert dazu, den eigenen Weg zu gehen und an die Kraft der eigenen Träume zu glauben. Ein zeitloser Klassiker, der in keiner Bibliothek fehlen sollte. Ich vergebe 5 von 5 Sternen für dieses fesselnde und weise Buch. - Michail Bulgakow
Meister und Margarita
(439)Aktuelle Rezension von: MEvaEigentlich sollte dies mein Lieblingsbuch sein; das Thema ist schaurig-schön, es beinhaltet einen sprechenden Kater und die zeitlose Geschichte des Gut und Böse.
Ist es aber nicht. Grund ist die völlig unnötige umständliche Formulierung. Bei Kritikern als poetisch beschrieben bleibe ich einfach verdattert zurück - was darin gipfelt, dass ich nach jeden Kapitel den Inhalt googeln muss. Dieses Buch bedarf vieler Erklärungen - in der vorliegenden Ausgabe nehmen diese allein 100 Seiten ein - aber ein Personenregister hätte meiner Meinung nach auch hinzugefügt werden können. Am Ende heißt es wer sich durchbeißt wird belohnt: Diese Erfahrung blieb bei mir leider aus.
- F. Scott Fitzgerald
Der große Gatsby
(1.183)Aktuelle Rezension von: bibliophilaraDas Motto der Lesechallenge im November lautete: „Zeitsprünge – Lies einen Klassiker deiner Wahl“. Das hat sich bei mir günstig getroffen, denn ich lese ohnehin mindestens einmal im Jahr einen Klassiker, für dieses Jahr fehlte mir aber noch einer. Ganz weit oben auf meinem SuB lag „Der große Gatsby“ von Francis Scott Fitzgerald, was zu den wichtigsten Werken der US-amerikanischen Literaturgeschichte zählt. Der Roman gilt heutzutage als Fitzgeralds Meisterwerk, der sich mit Themen wie Dekadenz, Ausschweifungen, Widerstand gegen Veränderungen und soziale Umbrüche befasst. Dabei waren die Kritiken anfangs verhalten und in den ersten Monaten nach der Publikation wurden nur etwa 20.000 Exemplare verkauft. Als Fitzgerald 1940 starb, war er davon überzeugt, dass seine Werke in Vergessenheit geraten würden. In Wahrheit gehört dieses Buch aber dem Time-Magazin zufolge zu den besten 100 englischsprachigen Romanen. 2013 wurde der Klassiker mit Oscarpreisträger Leonardo DiCaprio und Tobey Maguire in den Hauptrollen verfilmt.
Der 30-jährige Nick Carraway lebt im Sommer 1922 in der fiktiven Stadt West Egg auf der Insel Long Island nördlich von New York City. Obwohl es die goldenen 1920er-Jahre sind, läuft seine Tätigkeit als Wertpapierhändler an der Börse eher schleppend, und so bezieht er ein altes und bescheidenes Haus. Im palastartigen Nachbarhaus wohnt der mysteriöse Millionär Jay Gatsby, der jeden Samstag Abend eine extravagante Party feiert. Niemand weiß, wo Gatsby oder sein Vermögen herkommen, weshalb schnell Gerüchte über ihn kursieren. Nick beobachtet diese luxuriösen Feiern von seinem Fenster aus, bis er überraschenderweise eine schriftliche Einladung von Gatsby erhält. Als Nick der Einladung folgt und am Samstag Abend auf Gatsbys Party ist, bittet der Gastgeber ihn auf Umwegen, Nicks Cousine Daisy Buchanan zu sich einzuladen, denn wie sich herausstellt, ist Gatsby seit Jahren heimlich in sie verliebt. Doch Daisy ist inzwischen verheiratet und hat eine Tochter.
„Als ich noch jünger und verwundbarer war, gab mein Vater mir einen Rat, der mir seither nicht aus dem Kopf geht.“, ist der erste Satz des ersten Kapitels. Der Rat seines Vaters war: „denk daran, dass unter all den Menschen auf dieser Welt niemand solche Vorzüge genossen hat wie du.“ Im ersten Moment könnte man denken, dass der Ich-Erzähler, der im Präteritum erzählt, jener große Gatsby ist, der auch Titelgeber ist. Tatsächlich ist es Nick Carraway, Gatsbys Nachbar, der der durchgängige Erzähler ist. Anfangs war es auch etwas schwierig, den roten Faden des Plots zu finden, da Nick in den ersten zwei Kapiteln Gatsby nicht einmal begegnet, sondern nur von ihm hört. Das Buch ist mit über 200 Seiten und nur neun Kapiteln eher kurz. Dieser Klassiker bietet sich also perfekt an, um ihn in einer Woche durchzulesen.
Fitzgeralds Schreibstil ist elegant, poetisch und reich an Symbolik. Obwohl sich Nick von Anfang an bemüht, ein glaubwürdiger Erzähler zu sein, schweift er doch immer wieder in Tagträume und Fantastereien ab, sodass Realität und Imagination oft ineinander verschwimmen. Dies wird bereits im ersten Kapitel deutlich, als Nick seine Cousine Daisy zuhause besucht und dabei detailliert die wehenden Vorhänge beschreibt, die die Szene in eine anmutige, kunstvolle Traumwelt verwandeln. Obwohl das Buch fast 100 Jahre alt ist, ist die Sprache meist simpel und zugänglich. Spannung und Tempo sind dabei eher subtil und bauen sich allmählich auf, bis sie am Ende in einem dramatischen Höhepunkt gipfeln. Die Atmosphäre ist facettenreich und schwankt von oberflächlicher Extravaganz auf den ausschweifenden Partys bis hin zu einer tiefen Melancholie, die von einer schweren inneren Leere geprägt ist. Insgesamt findet man hier also einen lyrischen Stil, der in seiner Einfachheit aber doch eine leichte Zugänglichkeit bietet.
Eigentliche Hauptfigur ist Jay Gatsby, der geheimnisvolle Millionär. Er trägt oft maßgeschneiderte Anzüge aus edlen Stoffen, die seinen Reichtum betonen. Er wird als athletisch beschrieben und soll laut eigener Aussage mal Major in der Armee gewesen sein. Außerdem habe er eine einnehmende, fast magische Präsenz, die ihn mysteriös erscheinen lässt. Gatsby ist eine komplexe Figur, die von einem fast kindlichen Idealismus geprägt ist. Sehr früh wird klar, dass Gatsby seit Jahren hoffnungslos in Daisy verliebt ist, obwohl sie inzwischen verheiratet ist. Seine Liebe zu ihr ist seine größte Antriebskraft und sie zu erobern das Ziel, auf das er tagtäglich hingearbeitet hat. Dabei wirkt seine Hingabe geradezu naiv und unreflektiert, scheint er sich viel eher in das verliebt zu haben, was Daisy repräsentiert, nämlich Reichtum und Charme. Dabei hat Gatsby aber auch düstere Seiten, denn es macht ihm scheinbar nichts aus, eine Ehe zu korrumpieren. Das Vermögen, mit dem er Daisy beeindrucken möchte, scheint er mit illegalen Geschäften erwirtschaftet zu haben. Damit stellt er seine persönlichen Wünsche über die Moral. Grundsätzlich ist Gatsby eine interessante Figur, die viel Raum für literarische Interpretationen eröffnet.
Gatsby ist ebenfalls die Personifikation des amerikanischen Traums, der durch ihn auch infrage gestellt wird. Er ist ein Neureicher, der in New York allein aufgrund seines Vermögens beliebt ist. Seine Mitmenschen sonnen sich in dieser Dekadenz, strömen scharenweise ohne Einladung auf seine Partys, wobei sie keinerlei Interesse an ihm als Menschen zeigen. Sie sind freundlich zu ihm, ohne seine Freunde zu sein. Mit seinem Reichtum besitzt er das, was den amerikanischen Traum ausmacht, dennoch ist er ein unglücklicher und trauriger Mensch. Innerlich ist Gatsby ein einsamer Mensch, der zu naiv ist, um zu begreifen, dass man sich zwar vieles mit Geld erkaufen kann, das Wichtigste auf der Welt aber unbezahlbar bleibt: Liebe. Gatsbys Einsamkeit hinterfragt somit den amerikanischen Traum und weist auf, dass finanzieller Wohlstand nicht mit persönlichem Glück gleichzusetzen ist. Oder wie die Beatles besingen: „I don’t care too much for money, money can’t buy me love“. Auch Nicks Aussage, man könne die Vergangenheit nicht wiederholen, scheint Gatsby zutiefst zu irritieren und geradezu in eine Sinnkrise zu führen.
Weitere Motive, die in dem Roman eine große Rolle spielen sind dekadente Ausschweifungen, die sich vor allem auf Gatsbys Partys beobachten lassen sowie der Widerstand gegen Veränderungen, was besonders durch die Figur Daisy verdeutlicht wird. Dabei sind die Handlungen der Figuren nicht immer nachvollziehbar. Sie wirken geradezu unsympathisch, bspw. wenn Nick seiner Cousine verheimlicht, dass ihr Ehemann sie betrügt. Oder Daisy, die sich dumm und einfältig verhält, weshalb ich Gatsbys Faszination für sie nie nachvollziehen konnte. Wenn sie darüber spricht, dass sie hofft, ihre Tochter Pammy möge zu einem hübschen Dummkopf heranwachsen, meint sie damit auch sich selbst und ihre Überlebensstrategie in ihrer unglücklichen Ehe. So sieht sie über die extrem rassistischen Aussagen ihres Mannes Tom einfach hinweg, als würde sie dies nichts angehen. Keine der im Buch vorkommenden Figuren sind demnach liebenswürdig, da ihre Funktion vielmehr darin besteht, Fehlverhalten aufzuweisen, um Gesellschaftskritik auszuüben. Neben Rassismus werden auch Sexismus, Prohibition oder Antisemitismus kritisiert, wobei man da etwas zwischen den Zeilen lesen muss. Wenn z.B. vom Liftboy oder von den Butlern in den Herrenhäusern die Rede ist, lässt sich davon ausgehen, dass es sich dabei um Schwarze handelt, auch wenn es nicht explizit gesagt wird. Der Umgang der weißen Mehrheitsgesellschaft mit diesen Menschen verdeutlicht noch einmal, dass der amerikanische Traum nur von einer privilegierten Menschengruppe erfüllt werden kann, nämlich von weißen Männern.
Abschließend möchte ich noch einmal auf die Unterschiede zwischen Film und Buch eingehen und mich der Frage widmen, ob es eine gute Buchverfilmung ist. Im Gegensatz zum Buch rahmt der Film Nicks Erzählung in eine psychiatrische Behandlung ein, bei der der Therapeut Nick dazu animiert, die Geschichte über Gatsby zu verschriftlichen. Da der Film eine Länge von 142 Minuten bei über 200 Seiten Vorlage hat, ist die Verfilmung relativ buchgetreu und enthält regelmäßig Zitate, die wörtlich aus dem Buch entnommen wurde. Zudem gibt es nur sehr wenig Raffungen, da sich genügend Zeit gelassen wird, um die Geschichte zu erzählen. Der zentrale Plot um Gatsbys Liebe zu Daisy bleibt klar im Fokus. Auch die schauspielerische Leistung ist insgesamt sehr gut. Besonders Leonardo DiCaprio als Gatsby und Elizabeth Debicki als Jordan Baker leisten wirklich großartige Arbeit. Auch Gatbys Palast, für den das mittlerweile abgerissene Herrenhaus Beacon Towers an der Nordküste von Long Island Fitzgerald als Inspiration diente, ist perfekt getroffen. Kritisch sehe ich dagegen die opulenten, teilweise übertriebenen Visualisierungen. Als bspw. die Gäste in Oldtimern zu Gatsbys Party fahren, haben diese einen unrealistisch rasanten Fahrstil, bei dem sogar jemand mit dem Oberkörper halb nach hinten aus dem Auto hängt, als würde ihn die Beschleunigung fast rausschleudern. Oder als Gatsby mit seinem Auto durch die Straßen New Yorks brettert und dabei jede Verkehrsregel missachtet, zeigt er dem Polizisten seine Visitenkarte bei voller Fahrt, was geradezu albern wirkt. Auch die Musik ist völlig unauthentisch. Wenn auf Gatsbys Party A little Party never killed nobody läuft und die Bässe im Hintergrund von Dialogen ballern, fragt man sich doch zwangsläufig, wo Gatsby im Jahr 1922 fette Subwoofer herhaben soll. Die Kritik an dekadenten Lebensstilen geht hier ebenfalls verloren. Vielmehr hat man den Eindruck, Hollywood würde sich mit seinem luxuriösen Prunk mal wieder selbst feiern. Entsprechend kontrovers wurde der Film von Kritikern aufgenommen. Bei Rotten Tomatoes hat er eine ernüchternde Bewertung von 48%. Ich persönlich finde ihn unter Vorbehalten sehenswert, besonders für diejenigen, die Wert auf eine gute Buchadaption legen.
Das Ende ist einerseits tragisch, andererseits aber unvermeidbar, um die Moral zu verkörpern, die vermittelt werden soll. Da ich den Film gesehen habe, als ich das Buch noch nicht ganz durchgelesen hatte, war ich vom Ende entsprechend wenig überrascht. Es ist ein sehr passendes Ende, geradezu eine logische Konsequenz und aus dieser Perspektive heraus sehr klug gewählt. Trotz seiner Tragik ist der Abschluss also rund und bietet keine Grundlage für negative Kritik. Auch wenn mir das Buch sehr gut gefallen hat, wird es sicherlich das einzige sein, das ich von Fitzgerald lesen werde.
Insgesamt ist „Der große Gatsby“ ein Literaturklassiker, der auch heute noch sehr lesenswert ist. Der poetische Schreibstil mit seiner vielschichtigen Symbolik macht die Geschichte literarisch wertvoll und bietet viel Gesellschaftskritik, die auch heute noch Aktualität besitzt. Der Roman aus dem Jahr 1925 fängt die Dekadenz sowie gleichzeitig die Oberflächlichkeit und Ziellosigkeit der 1920er-Jahre meisterhaft ein, während er den amerikanischen Traum hinterfragt und die Bedeutung von Reichtum und Liebe für persönliches Glück auslotet. Der Einstieg mag etwas schwer fallen, insbesondere, wenn man den Plot vorher nicht kennt. Die Figuren dienen eher der Erfüllung kritischer Moralvorstellungen als der Identifikation. Trotz kleinerer Schwächen würde ich die Lektüre jedem empfehlen, der einen leicht zugänglichen Klassiker lesen möchte, ohne ein zu umfangreiches Buch mit gehobener Sprache vor sich zu haben. Deswegen erhält Francis Scott Fitzgeralds Werk von mir vier von fünf Federn.
- James Joyce
Ulysses
(190)Aktuelle Rezension von: AQuaAchtung, bei den meisten Rezensionen hier handelt es sich um Beurteilungen des Originalwerks von James Joyce.
Das hier abgebildete Buch ist aber eine sehr freie Bearbeitung des Stoffes in Form einer graphic novel von Nicolas Mahler. Bloom heißt hier Wurmb, Ort der Handlung ist nicht Dublin sondern Wien. Mir fällt es schwer, mich auf das neue Setting und die minimalistischen Zeichnungen einzulassen.
- Aldous Huxley
Schöne neue Welt
(1.191)Aktuelle Rezension von: Sandra8811Warum habe ich mich für das Buch entschieden?
Wie bereits 1984 stand auch Schöne neue Welt seit meiner Schulzeit auf meiner Wunschliste. Seit einiger Zeit liegt es jetzt auf dem SUB rum und nun habe ich mich endlich ran gewagt.Cover:
Das Cover wäre mir nicht ins Auge gehüpft, allerdings wenn man es mal entdeckt hat, ist es ganz passend. Der sehr steril und langweilig wirkende Treppenaufgang rauf in den blauen Himmel und am unteren Treppenabsatz eher Dunkelheit und Schatten.Inhalt:
Der Gesellschaft ist es gelungen, ein Leben ohne Krankheit, Krieg, Armut und Alter zu schaffen. Niemand soll mehr unglücklich sein und die Stabilität steht an oberster Stelle. Dazu wurde der Lebensweg von jedem Menschen geplant und bereits Föten und Babies darauf genormt. Um sich vor kritischen Gedanken zu schützen, gibt es die Droge Soma. Ein Außenstehender erkennt allerdings, dass diese schöne neue Welt wohl nicht die ist, die sie zu sein scheint.Handlung und Thematik:
Das Buch gilt als der absolute Dystopie-Klassiker. Das besondere Setting: Stabilität, Ungleichheit, Drogen und Konsum stehen an vorderster Stelle. Es gibt ein Kastensystem (Alpha bis Epsilon), dem jeder Mensch zugeordnet wird. Zuerst wird alles in seiner Positivität dargestellt, anschließend dann kritisch beleuchtet.Charaktere:
Wir begleiten Sigmund, der als Alpha Plus nicht der Norm entspricht, da Alphas nicht in der Art genormt werden, wie z.B. ein Delta. Er genießt Einsamkeit und gönnt sich auch Hobbies die nicht seiner Kaste entsprechen. Er macht zusammen mit Lenina, einer Beta, in einem Reservat in Neu-Mexiko Urlaub, nachdem sie hartnäckig war mitzukommen. Lenina genießt ihren Kastenstand, auch wenn sie stellenweise kritische Gedanken hat. Der aus dem Reservat stammende „Wilde“ Michel ist der dritte im Bunde, den wir begleiten. Er kommt mit seiner Mutter Filine in die „schöne neue Welt“, die er bislang noch nicht kannte.Schreibstil:
Der Autor bringt die Ungleichheit, die Drogen und auch generell den Konsum kritisch und gut rüber, aber vor allem zu Beginn fühlte sich das Buch ziellos an. Es dauerte lang, bis ich wusste, wohin der Weg gehen soll. Bis zu diesem Punkt plätscherte die Handlung eher und es ging hauptsächlich um den Setting-Aufbau und die Vorstellung der neuen Welt. Es war jetzt nicht direkt langweilig, aber mitgerissen hat es mich nicht auch sonderlich. Das Setting an sich und der generelle Aufbau des Buches passten aber. Die Charaktere wurden auch mit der notwendigen Tiefe ausgestattet. Dennoch hatte ich mehr von diesem Klassiker erwartet. Zum Ende hin fühlte es sich unvollständig an.Persönliche Gesamtbewertung:
Hatte mehr erwartet. Die Handlung zog mich am Anfang nicht mit und zum Schluss fehlte mir etwas. - Milan Kundera
Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins
(1.162)Aktuelle Rezension von: LucianVicovanIch habe es mir Absichtlich für ganz am Ende übrig gelassen! Habe davor ganz viele andere Werke von ihm gelesen, ihm nach dem Moment der „Liebe auf dem ersten Buch“ mit jedem weiteren Werk noch mehr zu lieben gelernt!
Nun war ich bereit für die von vielen als sein Meisterwerk genannte Geschichte!!
Es fällt mir nicht leicht das Werk allen anderen Vorneweg zu stellen, aber es ist doch, das vielleicht am reichsten und dichtesten mit „Kundera“ gefüllte!! 🤓
- Gabriel García Márquez
Hundert Jahre Einsamkeit
(559)Aktuelle Rezension von: winniccxxIn seinem Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" beschreibt der kolumbianische Autor Gabriel García Márquez die Geschichte des Dorfes Macondo anhand der Familie Buendía. Diese gehörte zu den Gründern des Dorfes und erlebte den ganzen Aufstieg und Verfall mit. Das Buch ist wunderbar anschaulich geschrieben, mit Einflüssen des Magischen Realismus, der die lateinamerikanische Literatur lange geprägt hat. Für mich haben gelegentliche "übernatürliche" Handlungen den Roman aber noch faszinierender gemacht. García Márquez schafft es, dass man durch seine anschaulichen Beschreibungen auch in den schlechtesten Zeiten mit der Familie mitfiebert, auch wenn man die Handlungen der einzelnen Charaktere durchaus manchmal hinterfragen kann.
Gut eingebettet ist der Roman auch in die kolumbianische Geschichte, den Bürgerkrieg und den amerikanischen Kapitalismus, was für mich den Roman noch interessanter gestaltet hat. Insgesamt hat mir das Buch wirklich sehr gut gefallen, und es gibt eine absolute Leseempfehlung. Einen Stern musste ich trotzdem abziehen, weil es viele Charaktere gab, die oftmals auch noch die gleichen Namen hatten, wodurch ich da oftmals durcheinandergekommen bin. Diese Unübersichtlichkeit ist sicher zu einem gewissen Maße auch vom Autor gewollt - macht das Lesen jedoch deutlich komplizierter, wenn man sich immer wieder fragen muss, wer die handelnde Person jetzt eigentlich ist, wessen Kind und mit wem verheiratet etc. So gibt es von mir insgesamt 4/5 Sterne, dennoch mit absoluter Leseempfehlung!
- J. D. Salinger
Lektüre Kopiervorlagen: Jerome D. Salinger, Der Fänger im Roggen / Catcher in the Rye
(1.557)Aktuelle Rezension von: KiraNearTitel: Der Fänger im Roggen
Autor*in: J.D. Salinger
Erschienen in Deutschland: 2023 (23. Auflage)
Originaltitel: The Catcher in the Rye
Erschienen in den USA: 1945
Übersetzer*in: Eike Schönfeld
Weitere Informationen:
Genre: Slice of Life, Drama, Gen
Preis: € 11,00 [D] | € 11,40 [A]
Seiten: 270 Seiten
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-499-23539-9
Verlag: Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
Inhalt:
Ich-Erzähler des Romans ist der sechzehnjährige Holden Caulfield, der sich zur Zeit seiner Aufzeichnungen zur Erholung und psychiatrischen Behandlung in einem Sanatorium befindet und Rückschau hält auf „diesen Irrsinnskram, der mir so um letztes Weihnachten passiert ist“. Der Roman handelt davon, wie Holden Caulfield nach einem Schulverweis wegen schlechter Leistungen kurz vor Beginn der Weihnachtsferien die Schule vorzeitig verlässt, um dem oberflächlichen, selbstdarstellerischen Verhalten seiner Kameraden und der Schulgesellschaft zu entfliehen. Er traut sich aus Angst vor der Reaktion der hysterisch-nervösen Mutter und des beruflich erfolgreichen Vaters nicht sofort nach Hause, sondern irrt drei Tage lang auf der Suche nach menschlicher Nähe und einer Zukunftsperspektive durch Manhattan. Von den drei Tagen nimmt die Schilderung des Samstags etwa die Hälfte des Buches ein. Es ist in 26 Kapitel gegliedert. Das Buch trägt die Widmung „Für meine Mutter“.
[Quelle: Wikipedia]
Meinung (Achtung, möglicherweise Spoiler!):
Ich muss ganz ehrlich sagen: Das Buch kannte ich sehr, sehr lange nur vom Namen her. Weder von der Handlung, noch von der Sache mit John Lennon damals hatte ich eine Ahnung. So seltsam es klingt, aber ich bin über das Buch am meisten bzw so wirklich erst über die South Park Folge "Als die Kacke Pipi musste", die zweite Folge aus Staffel 14. Dort haben die vier Jungs von der Schule her das Buch lesen müssen, da ich da Buch allerdings zu dem Zeitpunkt noch so gar nicht kannte, konnte ich es nicht beurteilen. Sie waren jedenfalls durch die Bank durch enttäuscht, dass das Buch nicht so skandalmäßig ist wie es ihnen erzählt worden ist. Und ich muss ihnen da leider zustimmen.
So ganz kann ich nicht verstehen, warum das Buch "schockierend" oder "ein Skanadal" gewesen sein könnte. Ich kann mir höchstens vorstellen, dass die lockere Art, die der Protagonist an den Tag legt, den Leuten damals zu locker war, zu casual, wie man heute sagen würde. Heute wäre es dagegen kein Thema. Oder die Tatsache, dass Holden wieder von der Schule geflogen ist.
Vielleicht bin ich nicht intelligent genug für das Buch, oder ich bin einfach nicht die richtige Ansprechperson, aber mich hat das Buch nicht so wirklich erreicht. Mit Holden bin ich nicht wirklich warm geworden. Zwar habe ich am Anfang verstehen können, warum er so reagiert hat, er ist von der Schule geflogen, seine Eltern wären wütend und enttäuscht, und er möchte dlie Konfrontation mit ihnen so lange wie möglich meiden. Also tut er Dinge, die ihm im Moment am sinnvollsten erscheinen. Danach aber sagt und macht er viele Dinge, die ich dagegen überhaupt nicht nachvollziehen kann. Was ist sein Ziel? Warum handelt er oft so impulsiv? Vermutlich weiß er es selbst nicht, aber das hilft nicht gerade mit Holden warm zu werden.
Die Ereignisse, die ihm an den drei Tagen passiert ist - kein Wunder, dass er im Sanatorium gelandet ist. Also so ein bisschen. Größtenteils saß ich beim Lesen nur da und dachte, wie unrealistisch das alles ist. Dass das alles in der kurzen Zeit passiert sein soll. Fühlt sich eher so an, als wären nicht drei Tage, sondern eine ganze Woche vergangen. Auf der anderen Seite wird so vieles davon auch irgendwie recht langweilig beschrieben, und ich hatte auch leider nicht so viel Spaß beim Lesen, wie ich es anfangs erhofft hatte.
Fazit:
Tja, das Buch ist leider wieder nur ein weiterer Beweis für mich, dass ich nicht zur Zielgruppe von den meisten Klassikern gehöre. Dass ich mit denen nicht warm werde und ich eher für moderene Bücher zu haben bin, aus den letzten 20-30 Jahren herum. Natürlich gibt es auch Ausnahmen, aber die gibt es leider sehr selten. Das Buch war an sich ok, aber es war jetzt nichts, was mich aus den Socken gerissen hat. Es war so ein: Aha, so eine Art von Buch ist das. Aber ja, vielleicht ist auch einfach vieles an mir vorbeigegangen. Das kann ich nicht sagen. Von mir bekommt das Buch insgesamt 3 Sterne.
- Bernhard Schlink
Der Vorleser
(5.781)Aktuelle Rezension von: Miriam321123Alles in allem ist Der Vorleser von Bernhard Schlink das schlechteste Buch, welches ich in meinen 30 Jahren gelesen habe.
Angefangen von den schlecht gezeichneten, unrealistischen Charakteren deren Handlungen nicht nachvollziehbar sind zum inhaltlichen.
Große und wichtige Themen auf ein paar Seiten runter zu brechen und Themen, wie sexuellen Missbrauch und NS-Verbrechen, werden meiner Meinung nach relativiert und zum Teil auch einfach Falsch dargestellt.
Für mich las sich das Buch als billige Pornografie mit Nazifantasien ohne wirkliche Story. Öde, unreflektiert und eine Schande, dass dieses Buch eine solche Popularität erreicht hat.
Sprachlich kann man drüber streiten...Mir hat der Schreibstil nicht zugesagt.
- Hermann Hesse
Siddhartha
(928)Aktuelle Rezension von: RattusExlibricusKategorie: Bildungsroman | Psychogramm |Reflexion | Philosophie| Roman
Worum dreht sich die Handlung?: Der junge Brahmahensohn Siddhartha wird zusammen mit seinem Freund Govinda schon in jungen Jahren in die Weisheiten der Religion und des Dienstes an den Göttern eingeweiht. Schnell entwickelt er große Klugheit und Weisheit, alle in seiner Umgebung lieben ihn, eine glänzende Zukunft liegt vor ihm – aber dennoch ist er nicht glücklich, inneres Suchen treibt ihn um, er fragt sich, wie es möglich sein soll, dem letzten göttlichen Prinzip näher zu kommen und die vollkommene Wahrheit zu erkennen. Als eines Tages Wanderasketen durchs Dorf ziehen, sieht er seine Chance darin, sich ihnen, entgegen dem Willen seiner Eltern, anzuschließen. Sein Freund folgt ihm. Doch auch in der völligen Entselbstung und aller Dinge, die er bei den Asketen lernt, scheint er der Wahrheit nicht näher kommen zu können. Eines Tages hören sie von einem Erwachten, einem Buddha, und sein Freund Govinda möchte unbedingt dessen Lehre hören. Also ziehen sie weiter, obwohl Siddhartha innerlich bereits mit jeder Lehre abgeschlossen hat. Während Govinda sich dem Buddha anschließt, entscheidet Siddhartha, seinen Weg zur Erkenntnis allein weiterzugehen…
Große Themen im Hintergrund: Suchen und Finden | Lehre und Erkenntnis| Persönlichkeitsentwicklung | Einheit| Wandlung und Unwandelbarkeit| Wiederholung und Wert des Lebens| Wege aus dem Leiden | Menschlichkeit
Persönliche Notiz: Anders als ich erwartet habe, handelt das Buch nicht vom Leben „des“ Buddha, Siddhartha Gautama, obschon er auch seine Rolle darin spielt. Nichtsdestotrotz gibt es viele Parallelen, so dass ich das Gefühl habe, Hesse hat hier seine eigene Interpretation dieser Erzählung geschaffen, verquickt mit philosophischen Exkursen, erworbenem Wissen über fernöstliche Kulturen und eigenen Gedanken und Ansichten. Auch wenn das von Außen betrachtet vielleicht etwas esoterisch oder religiös klingt (Esoterik liegt mir völlig fern), ist das Buch eher als Charakterstudie und philosphischer Ausflug zu verstehen.
Teilbewertung (Legende *= hat mich nicht überzeugt, **= ausbaufähig, ***=solide/gut zu lesen, ****= sehr gut/klare Empfehlung, *****= exzellent/schwer zu erreichen):
- Handlung ****
Trotz der verhältnismäßigen Kürze ist viel in dem Buch passiert, der Hauptfokus liegt hierbei eindeutig auf der Charakterentwicklung des Hauptprotagonisten (es geht mehr um Lebensabschnitte und deren Reflexion als um die „Handlung“ (im Sinne von Aktion) an sich). Die ständige Wandlung, der Gewinn und Verlust von Erkenntnis, das Wachsen und Scheitern und häufige Änderung der Lebensumstände spiegeln hier zielsicher die Grundthematiken des Buches wieder. Die einzelnen Handlungsabschnitte haben alle ihre ganz eigene Stimmung und die Handlung ist in aller Prägnanz, dabei aber nicht schmucklos ausgestaltet, so dass die knapp über hundert Seiten völlig ausreichend sind.
- Aufbau ****
Das Buch untergliedert sich in mehrere, gut nachvollziehbare Sinnabschnitte. Die Handlungsbausteine sind klar abgegrenzt, auch wenn einzelne Elemente immer wieder auftauchen und der Geschichte gewisse Ankerpunkte verleihen. Es gibt keine unnötigen Längen aber auch keine größeren Auslassungen. Man verfolgt das ganze Leben des Siddhartha und verfolgt seine Wandlungen in überschaubaren Portionen. Die philosphischen Exkurse sind im ganzen Buch wichtig und behandeln prinzipiell die selben Themen, in jedem Abschnitt aber aus einem ganz anderen Blickwinkel. Im Moment der größten Selbstentfremdung wird der Erzählstil eher unpersönlich, sonst ist er sehr nah am Hauptcharakter und mit dessen Gedanken verquickt.
- Charakterzeichnung ****°
Mit der Entwicklung und Interaktion des Hauptcharakters mit der Umwelt ist Hesse hier ein ganz großer Wurf gelungen. Die Innenschau ist ausgeprägt, genau konstruiert und dabei trotzdem vereinnahmend und liest sich unterhaltsam. Die wichtigsten Gedanken des Buches werden gleichzeitig durch die ausführlichen Gedanken und Reflexionen des Protagonisten dargestellt. Die Nebencharaktere sind menschlich und oft zwar knapp, aber keineswegs farblos oder klischeemäßig dargestellt. Der Fokus liegt sehr auf dem Hauptcharakter und seinen Gefühlen und Gedanken, was für die Geschichte sehr notwendig ist, was aber vielleicht nicht alle mögen. Manche Nebencharaktere sind mehr Spiegel und Prinzipien, wirken aber trotzdem unglaublich greifbar und sympathisch.
- Sprache und Stil *****
Die Sprache hat mich überrascht und gleich auf der ersten Seite vereinnahmt. Sie ist komplex, ausschweifend und bedient sich dabei auch in normalen Schilderungen großzügig aus der Werkzeugkiste der Stilmittel und Metaphern, so dass oft ein schon fast poetischer Eindruck entsteht. Sie fließt, schwimmt, mäandert und schafft es dabei gerade durch ihre Indifferenz gut zum Punkt zu kommen und Gedanken anzudeuten, die klarer nicht auszudrücken wären. Elemente sind teils mit mehreren Bedeutungen gleichzeitig aufgeladen und es wird oft sehr schön kontrastiert und verbunden. Ich muss zugeben, dass gerade dieser Punkt, der mich so sehr begeistert hat, für viele vielleicht etwas „zu viel“ ist, unklar, altmodisch oder überladen ankommt. Ich finde, die Grundgedanken und Aussagen werden dadurch nur umso mehr unterstützt und sie ist einfach schön zu lesen.
- Zielgruppe(n)
Das Buch ist, aufgrund seiner Kürze, nicht unbedingt ein längeres Projekt. Wenn man konzentriert dabei bleibt und Gehirn und Emotionen anstrengt (und das ist für den vollen Genuss unabdinglich) kann man das Buch an einem bis wenigen Tagen lesen (ich würde aber mindestens zwei empfehlen, je nachdem, wie gut man sich in die Gedankenwelt einfinden kann, um etwas zu „verdauen“). Ja, das Buch ist manchmal anstrengend und man darf es nicht vorbeifliegen lassen, weil man sonst schnell den Faden verliert, aber der Aufwand lohnt sich, wenn man sich an den interessanten (und teils wahrscheinlich auch selbst schon angerissenen) Gedankenspielen beteiligen will. Denn die Frage, was tatsächlich glücklich macht, was der Grundbaustein der Existenz ist, wie man mit dem Alltäglichen fertig wird und wonach man im Leben suchen kann, sind sicherlich universell. Man merkt, dies ist ein Buch zum Gedanken machen. Und natürlich zum Versinken in der Sprache. Den größten „Unterhaltungswert“ hat die minutiöse Ausarbeitung der kurvenreichen Entwicklung des Hauptcharakters. Daran muss man auf jeden Fall seinen Spaß haben. Das Buch ist eher nichts für Freunde von actionreicher Handlung, großer Spannung und auch wer unbedingt viele zwischenmenschliche Interaktionen in einer Geschichte braucht, wird wohl eher nicht glücklich.
Trotz schwerer Gedankenkost und zwischenzeitlicher tiefer Verzweiflung präsentiert das Buch am Ende ein sehr positives Lebens- und Menschenbild, so dass trotz aller gehaltvoller und schwerer Diskussionen am Ende ein starker Schimmer der Zuversicht bleibt.
Natürlich behandelt das Buch, auch wenn es nicht unbedingt vorrangig darum geht, auch Themen aus der buddhistischen Lehre (oder das, was Hesse meinte, herausziehen zu müssen), Transzendentalität und arbeitet oft mit einer starken Abstraktion. Auch darauf sollte man sich unbedingt einlassen können, um Freude daran zu haben.
- Fazit ****°
Die Geschichte lebt mehr von innerer Entwicklung und die Beeinflussung und Formung eines Charakters durch Lebensumstände. Es ist eine philosophische Lebensreise zu den grundliegenden Fragen von Sinn, Existenz, Zufriedenheit und Liebe, eine Gegenüberstellung und Vereinigung verschiedener Prinzipien und der universellen Suche nach dem Glück. Und der Frage, ob Finden und Suchen sich nicht oft ausschließen. Stilistisch komplex und wabernd, dabei aber mit kristallklarer Sprachschönheit werden diese Themen gut unterstützt. Das Buch ist komplex und soll zum Nachdenken anregen, bedient sich dabei buddhistischer Gedanken, allgemeiner Lebensphilosophie und ausgedehnter Charakterstudien. Es ist langsam und ohne viel aufsehenerregende Handlung, entfaltet interessante grundliegende Gedanken und lässt einen nach vielen schweren Gedanken mit einer positiven Grundbotschaft zurück. Definitiv nicht für jeden etwas, vielen wahrscheinlich zu abgedreht oder sprachlich anstrengend. Ich hatte etwas Langatmigeres erwartet und war sehr positiv überrascht.
- Dirk Walbrecker
Oliver Twist (Klassiker der Weltliteratur in gekürzter Fassung, Bd. ?)
(692)Aktuelle Rezension von: SunnySue"Oliver Twist" ist der zweite Roman von Charles Dickens, welcher 1837 - 1839 kapitelweise in der Zeitschrift Bentley's Miscellany erschien. Diese Art der Veröffentlichung nutze Dickens sehr oft für die Erstveröffentlichung seiner Werke, gerade zu Beginn seiner schriftstellerischen Karriere.
In diesem Roman wird die Geschichte des Waisenjungen Oliver Twist erzählt, der von einem Armenhaus der Kirche, in einer englischen Kleinstadt, zu einem Lehrherrn gelangt, bei dem es ihm übel ergeht und aus dessen Fängen er sich alsbald nach London flüchtet. Doch dort gerät er schnell in die Fänge des skrupellosen Hehlers Fagin, der sich vieler Straßenkinder annimmt und diese zu seinen Dieben ausbildet. So auch Oliver ...
Dieses Werk bildet einen scharfen Kontrast zu seinem ersten Werk "Die Pickwickier", welches sehr humoristisch ist. "Oliver Twist" hingegen ist sehr düster, denn Dickens erzählt in sehr drastischen Bildern von den Zuständen zur Zeit der Frühindustrialisierung, über die Kinderarbeit und den Missbrauch, wie auch der Misshandlung von Kindern. Stets sehr überzeichnet und mit einer gehörigen Portion Sarkasmus übertreibt Dickens maßlos, aber auch, um zu schocken und die Menschen wachzurütteln. So weist er in seinen Werken oft auf soziale Missstände hin und prangert die damaligen Sozialstrukturen an. Tatsächlich konnte Dickens dadurch erreichen, dass sich die Lebenssituation von Jacob's Island, einem Slum Londons, beträchtlich verbesserte, nachdem er einen Roman darüber veröffentlichte und so auf die Missstände vor Ort aufmerksam machte.
Einziger Kritikpunkt an der Geschichte ist Oliver, der so edel und wohlerzogen daherkommt, wie es für ein Waisenkind kaum möglich sein kann. Hier könnte ich natürlich auch vermuten, dass Dickens zeigen wollte, dass jedes Kind ein reines und gutes Wesen ist, egal woher es kommt und wir Erwachsenen die Macht haben, was aus ihm eines Tages für ein Mensch wird.
In unserer heutigen Zeit fällt der Roman durch seine antisemitischen Äußerungen, dem ein oder anderen (und je nach Ausgabe) wahrscheinlich negativ auf. Hier bitte ich zu bedenken, wann der Roman geschrieben wurde und dass zu jener Zeit, das nötige Fingerspitzengefühl fehlte. Jedoch hätte ich mir in meiner Ausgabe des Anaconda Verlags ein entsprechendes Vorwort gewünscht.
Generell ist Charles Dickens eine Person mit einem wirklich interessanten Leben, von dem ein jeder schon gehört, wenn nicht gar gelesen hat und es empfiehlt sich sehr, sich vorab mit dem Autor zu beschäftigen. Solltet ihr zum ersten Mal zu einem Dickens greifen wollen, ist "Oliver Twist" emotional nicht das einfachste Werk, greift lieber zuerst zu "Die Pickwickier". - Stephen King
Carrie
(1.540)Aktuelle Rezension von: Daisys_bookcorner5/5 🌟 "Carrie" war mein erstes Buch von Stephen King – und gleichzeitig war es auch sein erstes Buch! 📚✨ Durch die Rory Gilmore Challenge habe ich mich endlich an dieses Werk getraut, obwohl ich mir unsicher war, ob Horror für mich nicht zu heftig wird, da ich eher eine Thriller-Leserin bin. 😅
Aber was soll ich sagen? Es hat mich sofort in seinen Bann gezogen! 😨🖤 Obwohl ich normalerweise eher auf Thriller stehe, hat mich dieses Buch richtig heiß auf Horrorfilme gemacht, was für mich ziemlich ungewöhnlich ist. Der Mix aus religiöser Besessenheit und den Stranger-Things-Vibes haben einfach genau meinen Nerv getroffen. 😱🔮👻
Ich kann es kaum erwarten, den Film zu sehen, denn das Buch hat so viel in sich: Die krasse Dynamik zwischen extremem Mobbing und den liebenswerten Charakteren, die dann in einem absoluten Super-GAU gipfelt – das ist einfach nur faszinierend! 🌪️🕷️ Stephen King trägt den Titel "King of Horror" wirklich zurecht. 👑💀
Besonders beeindruckt hat mich, dass seine Frau ihn damals dazu ermutigt hat, weiterzuschreiben. 💖 Hätte sie ihn nicht unterstützt, hätten wir all diese großartigen Geschichten von Stephen King vielleicht nie lesen können.
With love, Daisy 🌼