Bücher mit dem Tag "bürgerrechtsbewegung"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "bürgerrechtsbewegung" gekennzeichnet haben.

60 Bücher

  1. Cover des Buches Kinder der Freiheit (ISBN: 9783404173204)
    Ken Follett

    Kinder der Freiheit

     (471)
    Aktuelle Rezension von: Mike_Leseratte

    Wie auch die vorigen Teile ist dieser sehr umfassend und greift viele wichtige Ereignisse und Situationen auf, lässt aber auch viele aufgrund der begrenzten Länge der Bücher aus. Man merkt, dass es eigentlich nicht möglich ist, die ganzen 100 Jahre in drei Bücher zu verarbeiten. Dafür geschieht in der ersten Hälfte des Jahrhunderts zu viel in kurzer Zeit, sodass dieser dritte Teil eigentlich komplette 50 Jahre umspannen muss. Das funktioniert nicht, dafür erzählt Ken Follett zu umfassend. Dies sorgt leider somit dafür, dass wir ein munteres Figurenkarussell haben. Es wird insbesondere zu Beginn sehr stark auf Amerika der 70er geblickt. Dabei fehlt mir u.a. der Wettlauf ins All. Des weiteren fehlt mir in Europa die RAF und der deutsche Herbst. Es fehlt später Chernobyl und das Atomunglück. Es fehlt so viel, weil kein Platz dafür da ist. Es wäre besser gewesen, es in 4 Teile á 25 Jahre zu Teilen. Das hätte besser gepasst und mehr Raum für die Handlung gelassen. So fängt es sehr ausführlich in den 70ern an und später werden die wichtigen Momente immer kürzer behandelt, wo sonst so viel mehr drüber erzählt worden wäre. 

    Dennoch ist es ein super Buch, dass den Konflikt zwischen Ost und West gut wiedergibt und auch die wichtigsten politischen Entwicklungen. Das Cover passt sehr gut eben zu diesem Freiheitsgefühl, wie sich die Welt von dem grauen Schal (Eisernen Vorhang) löst. Auch Stiltechnisch ist es gut erzählt. Es bietet Abwechslung, man begleitet Höhen und Tiefen und erhält tiefe Einblicke in die damalige Welt. 

  2. Cover des Buches Gute Geister (ISBN: 9783442714506)
    Kathryn Stockett

    Gute Geister

     (695)
    Aktuelle Rezension von: Nicole_Kosa

    Der Roman von Kathryn Stockett spielt in einer Zeit in den 1960ern, in der die Rassentrennung in den südlichen Vereinigten Staaten weit verbreitet war. Thematisch geht es um Rassismus, soziale Ungerechtigkeit und die Bedeutung von sozialer Veränderung. Die Frauen wollen aus gesellschaftlichen Zwängen ausbrechen und bekommen eine Stimme und für ihre Rechte zu kämpfen und auf Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Man wir daran erinnert, dass die Vorurteile, die Menschen voneinander trennen, überwunden werden können.
    Kathryn Stockett verwendet mehrere Erzählerperspektiven und schreibt sehr realitätsnah, was den Roman sehr facettenreich und lebhaft macht. Jede Erzählerperspektive hat ihren eigenen Stil und man fühlt und erlebt so jede Perpektive hautnah mit.
    Ein sehr berührender, inspirierender und wertvoller Roman!

  3. Cover des Buches Die Sonnenschwester (ISBN: 9783442491728)
    Lucinda Riley

    Die Sonnenschwester

     (363)
    Aktuelle Rezension von: Sabrina-Huesken

    Der 6. Band der Reihe behandelt die Geschichte des Supermodels Elektra. Ich hatte vorab ein paar Bedenken, weil ich Elektra aus den anderen Bänden eher unsymphatisch empfunden habe. Ich habe das Hörbuch gehört und musste mich - wie fast immer - an die Stimme gewöhnen, doch bereits nach kurzer Zeit hat mich ihre Story total gepackt und bisher empfinde ich sie als die stärkste Story aller Schwestern. Der historische Part ist nicht so weit her(geholt) wie die anderen und Elektra kämpft mit sehr realen Dämonen, obwohl ich als Lesende in eine mir fremde Welt abtauche. Die Probleme, die sie hat und gegen die sie kämpft, wirken menschlich. Mit der "Sonnenschwester" blicken wir hinter Elektras wohlgehütete Fassade und bekommen zeitgleich auch wieder kleine Einblicke in die Leben der anderen Schwester, zum Beispiel in das von Maya, die wieder eine etwas größere Gastrolle einnimmt. Ebenfalls gefallen mir die Nebenfiguren, allen voran Mariam. Ich hoffe, sie taucht in den Folgebänden erneut auf.

  4. Cover des Buches 4 3 2 1 (ISBN: 9783499271137)
    Paul Auster

    4 3 2 1

     (120)
    Aktuelle Rezension von: BluevanMeer

    Was wäre, wenn... Fast 1300 Seiten, vier Mal ein Leben von Archiebald Ferguson. Paul Auster erzählt die Lebensgeschichte von Archie von seiner Geburt im Jahr 1947 bis zum Neujahrsmorgen 1970 und zwar in vier Varianten. Jedes Kapitel existiert in vier Ausführungen und unterscheidet sich anfänglich nur in Kleinigkeiten, die dann zu Weggabelungen für ein ganzes Leben werden. Ausgangspunkt ist die Einwanderungsgeschichte des Urgroßvaters in die USA. Ein Bekannter rät ihm, nicht seinen eigenen osteuropäischen Namen anzugeben, sondern einen verheißungsvollen Namen, zum Beispiel Rockefeller. Das stünde für Reichtum. Völlig aufgeregt erinnert sich der Großvater bei der Erstellung seiner Dokumente nicht mehr an den Namen und ruft auf Jiddisch aus: "Ich hoab vargessan!" - Ich habe es vergessen. Daraufhin trägt der Beamte das ein, was er hört, den Namen Ichabod Ferguson. Ein Ereignis, das alle Archies gemeinsam haben. Hätte es etwas geändert, wenn Archies Urgroßvater den Namen Rockefeller gewählt hätte? Ein was wäre, wenn ... steht also schon ganz am Anfang der Geschichte. Aber es sind auch andere Dinge, die in den vier Varianten von Archies Leben durchgespielt werden: Archies Vater stirbt oder eben nicht,  die Ehe der Eltern geht kaputt oder eben nicht, er studiert an verschiedenen Unis, er geht nach Paris oder lässt es, er hat Beziehungen zu Frauen oder zu Männern. Trotzdem gibt es auch einige Konstanten in Archies Leben. Sport und das Schreiben, um nur zwei zu nennen. Als Journalist, Schriftsteller oder Literaturübersetzer versucht Archie seinen Weg durch die Dramen des Alltags zu finden und ich bin ihm gerne dabei gefolgt, auch wenn die Lebensgeschichten der Archies mit der Zeit leicht verschwimmen.

    Die Ausgangsfrage danach, was uns eigentlich als Person ausmacht, trägt den Roman über weite Strecken und hat mir gefallen, weil es so nachvollziehbar ist und Dinge berührt, die wir uns alle doch schonmal gefragt haben. Wäre ich damals umgezogen, wäre ich dann eine andere geworden? Hätte ich mit XY Schluss gemacht, wo wäre ich heute? Archie selbst fasst diese Überlegungen so zusammen: "... dass die Welt wie sie war allenfalls ein Bruchteil der Welt sein konnte, da das Wirkliche auch aus dem bestand, was sich hätte ereignen können, aber nicht ereignet hatte, und dass ein Weg nicht besser oder schlechter war als ein anderer, aber das Qualvolle daran, in einem einzigen Körper am Leben zu sein, war, dass man sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt auf nur einem Weg befinden musste, auch wenn man auf einem anderen hätte sein und einem ganz anderen Ort hätte entgegengehen können."

    Einige Geschichten sind überraschender als andere, manche konnte ich einfacher nachvollziehen als andere. Obviously beschreibt Auster eine Zeit, die er selbst erlebt hat, wenn es um Proteste gegen Vietnam und politische Diskussionen an der Uni geht. Das Klischee des alten weißen Mannes will ich jetzt gar nicht bemühen, aber es wurde mitunter etwas anstrengend, wenn es um die Darstellung der Beziehungen von Archie ging, außerdem hat es einiges an Ausdauer gekostet, sich auf diesen Roman einzulassen. Ich glaube nicht, dass er ein Meisterwerk ist, auch wenn ich Austers Sprache unglaublich toll fand. Trotzdem war mir der Aufbau der vier Leben insgesamt einfach zu ähnlich und ich musste viel hin- und herblättern, um mich wieder daran zu erinnern, was in der aktuellen Variante von Archies Leben, die ich gerade gelesen habe, im Kapitel vorher geschehen ist.

  5. Cover des Buches Der Klang der Zeit (ISBN: 9783104031675)
    Richard Powers

    Der Klang der Zeit

     (197)
    Aktuelle Rezension von: Aeris

    Richard Powers Gesellschafts-, Entwicklungs- und Bildungsroman zieht den gewillten Leser schnell in seinen Bann des Schönen sowie Abscheulichen und des Grässlichen zugleich. Was mich am meisten beeindruckt hat ist, wie Powers es schafft die Musik in den Ohren des Lesers zum Klingen zu bringen. Über viele Absätze schildert er die Auftritte des jungen Jonah, und das, was sein Gesang bei den Zuhörern auslöst. Aber auch die Rassenunruhen. Mal sind die Straßenkämpfe der 1960er Jahre wie eine komplizierte Klaviersonate, mal wie eine dramatische Sinfonie. "Der Klang der Zeit" ist ein ungewöhnliches Buch. Es handelt von der Suche nach Identität, einer Liebe, die nicht sein darf und zementierten gesellschaftlichen Gegensätzen. Die einzigartige Hommage an die Musik ist dabei die kunstvoll verwobene zentrale Metapher in diesem großen zeitgeschichtlichen Epos.
    Das Buch ist für den ein oder anderen vielleicht nicht leicht zu lesen, nicht leicht zu verstehen und nicht leicht zu verdauen - nur wenige Leser wollen über 700 Seiten Mehrdeutigkeit, Vielfalt und Tiefgang durchleben. Wenn man sich aber auf intensive Abhandlungen musikalischer Fachausdrücke, kombiniert mit physikalischen Betrachtungsweisen der Einsteinschen Relativitätstheorie auf engst bedruckten Seiten einlassen möchte, wird es für den gewillten Leser zu einer Verzauberung des Klanges in der Zeit. Dann wird dieses Buch zum Erlebnis - ja ich möchte fast sagen, es erzeugt ein eigenes inneres Tremolo.
    Wer nichts von Musik versteht, wird vieles erfahren. Wer etwas davon versteht, auch.
    Ein Buch, das j e d e gelesene Sekunde lohnt.

  6. Cover des Buches Natchez Burning (ISBN: 9783746632100)
    Greg Iles

    Natchez Burning

     (84)
    Aktuelle Rezension von: MichaelSterzik

    I have a Dream (ich habe einen Taum) – dass sind die Worte in einer der berühmtesten Reden von Martin Luther King. Der Afroamerikanischer Bürgerrechtler hielt seine Rede am 28. August 1963 vor mehr als 250.000 Menschen vor dem Symbol der Freiheit – dem Lincoln Memorial in Washington.

    In den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden Politiker, wie Robert F. Kennedy, J.F. Kennedy und Martin Luther King zu Schlüsselgestalten gegen den Rassismus. Allesamt kämpften diese politisch, sozial und ökonomisch für eine Gleichheit innerhalb der amerikanischen Gesellschaft. Für diese Zukunftsvisionen bezahlten sie einen viel zu hohen Preis – sie wurden ermordet. Vielleicht nicht ausschließlich wegen des Themas der Gleichstellung der amerikanischen Bürger vor dem Gesetz, aber faktisch spielte diese eine wesentliche Rolle. 

    Im Süden der USA wurden unbeschreibliche Verbrechen an Afroamerikaner verübt. Manchmal unter den Augen von korrupten Polizeibeamten, die ggf. private Beziehungen zum Ku-Klux-Klan hatten. Dieser rassenfeindliche und sehr gewalttätige Geheimbund kämpfte auch mit paramilitärischen Mitteln für die Vorherrschaft der Weißen Rasse. Attentate, Mord, Brandstiftung, Raub, Vergewaltigung usw., die Liste der Verbrechen dieses Klans ist lang.

    Analysiert man die Umstände dieser drei Morde an J.F.Kennedy, seinem Bruder Robert und Martin Luther King, so gibt es zwar Täter, aber widersprüchliche Aussagen, viele Ermittlungspannen und noch immer viele, viele offene Fragen, die bisher nicht final beantwortet worden sind. Verschwörungstheorien bringen uns hier nicht weiter – aber Greg Iles verarbeitet in seinem vorliegenden Roman: „Natchez Burning“ seine eigene Theorie.

    Penn Cage, Bürgermeister von Natchez, Mississippi, hat eigentlich vor, endlich zu heiraten. Da kommt ein Konflikt wieder ans Tageslicht, der seine Stadt seit Jahrzehnten in Atem hält. In den sechziger Jahren hat eine Geheimorganisation von weißen, scheinbar ehrbaren Bürgern Schwarze ermordet oder aus der Stadt vertrieben. Nun ist mit Viola Turner, eine farbige Krankenschwester, die damals floh, zurückgekehrt – und stirbt wenig später. Die Polizei verhaftet ausgerechnet Penns Vater – er soll sie ermordet haben. Zusammen mit einem Journalisten macht Penn sich auf, das Rätsel dieses Mordes und vieler anderer zu lösen. (Verlagsinfo)

    „Natchez Burning“ von Greg Iles ist 2016 im Aufbau Verlag erschienen und ist der erste Band einer Trilogie. Der 1000-Seiten starke Roman ist ein absoluter Spannungsgarant. Beachtlich ist es, dass die Spannung enorm schnell auftaucht, aber auch über den gesamten Band diese hält. Es gibt keine langatmigen Passagen, keine überflüssigen Dialoge, oder Nebenfiguren, die man hätte ersparen können. Der Unterhaltungswert immer aktiv – auf jeder Seite – in jedem Kapitel und auch wenn die Perspektiven zwischen Vergangenheit und Gegenwart wechseln und auch der Erzähler ausgetauscht wird – die Atmosphäre ist außergewöhnlich spannend. 

    Die Verbrechen – die Morde in den 60er Jahren, die die Saat sind für die tödliche Ernte, sind mit einer unglaublich fesselnden Atmosphäre erzählt. Diese Wellen der Gewalt bringen ein Treibgut an Sünden, Rache und Vergeltung mit, die nicht nur die alten Wunden aufreißen, sondern ein Massaker anrichten. 

    Die Südstaaten sind immer gut für Verbrechen und vom Winde verweht werden diese auch durch die Jahre nicht. „Natchez Burning“ ist so authentisch und realistisch erzählt, dass obwohl es eine fiktive Geschichte ist, zu keinem Zeitpunkt man den Eindruck erhält, dass es hier zu übertrieben zugeht. Greg Iles widmet sich allerdings auch nicht nur dem Thema der Rassendiskriminierung, sondern baut sich ein Fundament aus Familiengeschichten, politischen Morden, von korrupten Polizeibehörden, die Macht des Journalismus und der Medien usw. 

    Doch alle diese Themen können nur spannend erzählt werden, wenn die Figuren passend aufgestellt sind. Das sind sie – nichts dem Zufall überlassen und jeder ist der Unschuldige mit den sehr schmutzigen Händen. Emotional ist „Natchez Burning“ stark ausgebaut. Nicht nur, dass man eine Wut auf die Mörder entwickelt, immer schwingt neben dieser Wut auch eine Traurigkeit mit, wenn das Schicksal in der Vergangenheit zuschlägt, nur um wenig später in der Gegenwart um so härter auszuteilen. 

    „Natchez Burning“ von Greg Iles ist für mich einer der stärksten Thriller mit historischem Hintergrund in den letzten fünfzehn Jahren. Diesen Spannungsbogen so souverän am oberen Limit zu halten und auch noch bis zum Ende zu steigern, ist grandios. Das Ende des Romans ist allerdings noch kein abschließendes Ende. Von einigen Personen muss man sich verabschieden und nicht nur die „bösen“ Täter sterben. Es gibt tragische, dramatische Verluste auf beiden Seiten. 

    Fazit

    Beschreiben wir das Wort Spannung – so fällt mir dazu dieser Roman ein. Ein solcher Pageturner auf den man sich stark konzentrieren muss – aber man mit einer großen Schatzkiste mit Unterhaltung, Dramatik, und viel Emotionen belohnt wird. 

    „Natchez Burning“ von Greg Iles muss man unbedingt lesen.

    Michael Sterzik 

  7. Cover des Buches Nachbarn (ISBN: 9783351042240)
    Diane Oliver

    Nachbarn

     (81)
    Aktuelle Rezension von: herrzett

    Warum ich diesen Kurzgeschichtenband so mag? Um es mit Tayari Jones Worten zu sagen (Nachwort, Ü: Brigitte Jakobeit und Volker Oldenburg): "Oliver zeigt ein beeindruckend vielschichtiges Verständnis für die Bandbreite Schwarzen Lebens in den Südstaaten. Sie gewährt Einblick in das Leben einer Frau in prekären Umständen, die viele Meilen zu Fuß geht, um ihre Kinder zum Arzt zu bringen. Sie kann sich in ein Paar einfühlen, das vom Rassismus zu einem Leben im Wald getrieben und dann von mörderischer Wut erfasst wird. Sie weiß, warum notleidende Familien alles verkaufen, um sich Zugfahrkarten in den Norden leisten zu können, auch wenn sie nicht wissen, was sie dort erwartet. Sie kann aber auch das Innenleben einer Arztgattin schildern, die gezwungen ist, eine missmutige Stieftochter zu beherbergen, gerade als das Zusammenleben von Schwarz und Weiß überall neue Formen annimmt." Und diese Vielschichtigkeit ist es dann unter anderem auch, die diese Kurzgeschichtensammlung oder besser gesagt den Nachlass von Diane Oliver für mich so faszinierend macht. Zuerst hatte ich beim Lesen noch Bilder des Filmes "The Help" vor Augen, betrübte Szenen einer sehr deutlichen, harten Klassengesellschaft, die auf Äußerlichkeiten, Herkunft und Abstammung beruht, aber umso mehr ich von Olivers Worten, den beschriebenen Charakteren und Lebensverhältnissen eingenommen wurde, umso mehr vergaß ich die äußerlichen Gegebenheiten und Zuschreibungen und fühlte diese Tiefe, die so viel Trauer, Angst, Sorgen, Hoffnung und ein Leben(-skampf) offenbart, das(den) man sich als toleranter, weißer Mensch so gar nicht vorstellen mag. Es ist hart zu lesen, obwohl man bei diesen kurzen Szenen und Einblicken in die verschiedensten Lebensverhältnisse Schwarzer nie so wirklich den Ausgang ihrer Geschichte erfährt... aber vielleicht muss man das auch gar nicht, denn viele der beschriebenen Probleme existieren auch heute noch, mehr als 60 Jahre später. Und das obwohl man eigentlich denkt, es hätte sich auf der Welt im Laufe der Zeit viel getan, aber Rassismus, Ausgrenzungen, Ver- und Beurteilungen, unterschiedliche Behandlungen und und und sind auch heute noch allgegenwärtig.


    Ich kann gar nicht sagen, welche der vierzehn Kurzgeschichten meine liebste ist, denn auch wenn sie alle ihren eigenen Rahmen und Charaktere haben, so gehen sie doch an einigen Stellen nahtlos ineinander über. In der titelgebenden Geschichte "Nachbarn" beleuchtet Oliver z.B. die Sorgen der Nachbarn, Freunde und Familie eines Kindes, das nach Aufhebung der Rassentrennung an eine weiße Schule gehen soll und schon im Vorfeld große Widerstände zu spüren bekommt. Und selbst wenn dieses 'Vorhaben' gelingt und als Fortschritt gesehen werden kann, so ist es Winifred, die gleich in der darauf folgenden Geschichte, die einzige Schwarze am College ist und sehr unter ihren Mitschülerinnen leidet, von ihnen fast schon als Ausstellungobjekt angesehen wird, bis sie "nicht [mehr] genug für ihr College" ist und abreist. Es sind so diese kleinen Szenen und ihre Folgen, die doch von so viel mehr erzählen, die eigentlichen Held*innengeschichten bereithaltenden und dabei den Druck der (weißen) Gesellschaft nie aus den Augen verlieren. 

    Sehr klug, weniger erklärend und doch so allumfassend, politisch, gesellschaftlich, wie menschlich... ein wirklich rundum großes Leseereignis, das mich noch lange beschäftigen wird, meine nun mal sehr weiß geprägte Sicht auf die Welt erneut bereichert hat, mich getroffen hat. Ich möchte nun eigentlich nicht "großes Kino" sagen, denn dafür sind die beschriebenen Lebensumstände viel zu real und doch ist das beim Lesen entstehende, imaginäre Bild so ergreifend, mitreißend und intensiv, dass es die beste Umschreibung wäre, die mir dazu einfällt. Schade nur, dass Diane Oliver das selbst nun alles nicht mehr miterleben kann und ein Unfall sie so früh aus dem Leben riss... was hätte da noch alles folgen können. "Nachbarn" von Diane Oliver - eine überraschend große Empfehlung!

  8. Cover des Buches Martin Luther King (ISBN: 9783644402003)
    Gerd Presler

    Martin Luther King

     (10)
    Aktuelle Rezension von: Papiertiger17

    Eine lebendig geschriebene Dokumentation über das Leben und Wirken des bedeutenden Bürgerrechtlers und Freiheitskämpfers Dr. Martin Luther King, jr. Es grenzt fast an eine unglaubliche Geschichtsentdeckung über die Lebensleistung eines „Revolutionärs“ zu lesen, der stets den gewaltlosen Protest und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen untereinander förderte und forderte. Dass er diese beiden Ziele auf eindrucksvolle Weise in die Wirklichkeit umsetzte und ganze Massen dafür gewinnen konnte, ist kaum fassbar und dennoch wahr. Spannend, bewegend und mitreißend erzählt dieses Büchlein von einem mutigen Menschen. Die Wortwahl von 1984 würde an manchen Stellen heute so sicher nicht mehr getroffen werden, jedoch schmälert das nicht die würdevolle und hoffnungsvolle Gesinnung, von der hier berichtet wird.

  9. Cover des Buches Stein mit Hörnern (ISBN: 9783938305546)
    Liselotte Welskopf-Henrich

    Stein mit Hörnern

     (6)
    Aktuelle Rezension von: sKnaerzle
    Stein mit Hörnern ist der mittlere Band der 5-teiligen Serie und er scheint mir eine Art Wendepunkt zu enthalten.
    Joe King wird in einem Kampf auf Leben und Tod noch einmal mit seiner Gangstervergangenheit konfrontiert, aber wichtiger ist, dass er danach monatelang schwerverletzt in einer Privatklinik liegt, wo er seine Meinung mit Bürgern der oberen Mittelschicht austauschen kann und Bekanntschaft mit einem hohen Beamten der Indianerbehörde schließt.

    Ausführlich wird geschildert, wie es auf der King- und der Schulranch trotz vieler Rückfälle zu einigen Fortschritten kommt und der mühsame Kampf jetzt nicht mehr mit Pistolen und Gewehren geführt wird, sondern mit demokratischen Mitteln. Joe lässt sich bei den Wahlen als Kandidat für das Amt des Chief-President aufstellen, unterliegt knapp, hat aber inzwischen so ein hohes Ansehen, dass er bei wichtigen Entscheidungen gefragt wird.

    Joe knüpft auch Kontakt zu politischen Organisationen, zunächst sucht er den Kontakt mit dem Gewerkschafter Edward Monture und dann mit Andy Tiger, von dem unklar ist, ob der Bund, den er vertritt jetzt eher ein Verband zur Durchsetzung von Indianerinteressen ist oder doch auch zum bewaffneten Kampf bereit ist.

    Der zeitgeschichtliche Hintergrund wird sichtbar. Vor allem wird ein großes Treffen aller Häuptlinge geschildert, bei dem ein charismatischer Anführer sprach. Es ist ärgerlich, dass hier weder Zeit noch Ort noch Namen genannt werden.

    Und wenn man denkt, allmählich geht es aufwärts in der Reservation, die Weichen sind jeztzt alle richtig gestellt, kommt der große Rückschlag und die weiße Verwaltung sieht ihr Ziel jetzt in Integration und Assimilierung der Indianer. die doch ihre Kultur bewahren wollen.

    Hier stößt Lieselotte Welskopf-Henrich aber an die Grenzen ihres Könnens. Den zeitgeschichtlichen Hintergrund will sie nicht nennen, obwohl Vietnamkrieg, Bürgerrechtsbewegung und die Reaktion der Verwaltung deutlich im Hintergrund stehen. Damit wird aber zumindest das Romanende, wo die gesellschaftliche Auseinandersetzung anfangen soll, ziemlich entpolitisiert.



  10. Cover des Buches My Song (ISBN: 9783442745487)
  11. Cover des Buches Nackte Angst (ISBN: 9783426017791)
    Dean Koontz

    Nackte Angst

     (35)
    Aktuelle Rezension von: jimmygirl26
    Ein wahnsinnig tolles Buch von Dean Koontz sehr spannend und gut geschrieben, die Geschichte ist mal anders. Die Spannung zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch für alle Fans von Dean Koontz ein Muss.
  12. Cover des Buches 1956 (ISBN: 9783608948592)
    Simon Hall

    1956

     (3)
    Aktuelle Rezension von: M.Lehmann-Pape
    Zentrale Ereignisse im Kampf um die Freiheit

    Es lief weltweit um. Aufbruchzeit. Das Ringen um Freiheit in vielfacher Hinsicht, politisch und kulturell.

    In den Augen Simon Halls kulminieren viele dieser Ereignisse in einem Kalenderjahr, 1956. Sozusagen das Jahr, in dem die moderne Form innerer und äußerer Freiheit ihre entscheidenden Schritte vollzogen hat.

    Sei es kulturell Elvis, der 1956 große Erfolge feierte, weltweit bekannt wurde und das „Gefühl von Freiheit“ in der Jugendkultur etablierte, sei es die damalige UDSSR, die ihre Tradition mit Stalin begann, sehr kritisch zu beleuchten. In Südafrika kulminieren die Ereignisse um die „Stimme der Freiheit“, Nelson Mandela, der im Dezember des Jahres verhaftet und angeklagt wird.

    Während in den USA unter der Führung Martin Luther Kings konkrete Aktionen zur Rassengleichheit stattfinden und in Afrika große und wichtige Kolonien sich gegen ihre „Besatzer“ (vornehmlich Frankreich) erheben und in Ungarn am Joch der Zwangsmitgliedschaft in der Sowjetunion gerüttelt wird.

    Vielfache Daten zum Kampf für die Freiheit, die zwar im Einzelnen überwiegend nicht in diesem erwähnten Jahr 1956 zu durchbrechenden Erfolgen führten, die aber eine Stimmung der Zeit kennzeichnen, die durchaus, da kann man Hall folgen, im Jahre 1956 besondere Ausschläge gezeitigt haben.

    All diesen Tendenzen spürt Hall nach, illustriert seine Betrachtungen mit einigen beeindruckenden historischen Bildern und führt den Leser rund um den Globus in eine aufgeheizte, von allen Seiten her auch gewaltbereite, Atmosphäre jenes Jahres.

    Wobei, das bleibt kritisch anzumerken, weder Elvis nur 1956 seine „neue Musik“ unter das Volk brachte und Aufstände wie auch Kolonialkriege oder der Kampf gegen die Rassentrennung und die langsame Abkehr der UDSSR von den Maximen (und den Verbrechen) Stalins alleine auf dieses konkrete Jahr beschränkt gewesen wären.

    Einige der Ereignisse (Aufstand in Ungarn, der „Polnische Oktober“ u.a.) haben ihre Ursachen bereits deutlich früher als 1956, andere (Mandela, Die Suez Krise etc.) zeigten noch lange Nachwirkungen, mit entscheidenden Aktionen und Ereignissen zu späteren Zeiten in späteren Jahren.

    Zudem muss konstatiert werden, dass nicht nur dieses spezielle Jahr, sondern das gesamte Jahrzehnt jeweils seine „Meilensteine“ in sich trug. Ob nun „Elvis“ die grundlegende kulturelle Initialzündung war oder doch eher die Beatles 1962, ob der „Bus Boykott“ 1956 das „Urereignis“ des Kampfes der Schwarzen in Amerika war oder doch die Ereignisse um Malcom X oder später in den auch inneren Folgen des Vietnam Krieges, all das ist nicht letztendlich zu klären oder auf ein konkretes Datum hin festzumachen.

    Dennoch, Hall führt ruhig und sachlich und, vor allem, sehr systematisch dem Leser die Welt des Jahres 1956 in ihrer Besonderheit vor Augen. Und das ist mit Genuss lesbar, auch ohne dass man seine Meinung übernimmt, dieses besondere Jahr sei quasi eine „Zeitenwende“ gewesen oder hätte eine solche eingeläutet. Sowohl in den Jahren vorher als auch in den Zeiten nach 1956 stehen wichtige Entwicklungen im Raum. Deren Grundthema, die Frage der gesellschaftlichen und individuellen Freiheit, Hall jedoch sehr präzise aufnimmt und über viele Ereignisse zu berichten versteht, die nicht nur symbolisch, sondern ganz faktisch an allen Ecken und Enden der Welt diesen Drang zur Freiheit dokumentieren. Und damit den Leser daran erinnern, dass neben Wirtschaft, Finanzen, Konsum, Ruhe und Sicherheit noch andere Werte im Raum stehen, die immer wieder die Welt bewegt haben und die immer wieder nach neuen Antworten suchen werden, sollte die Freiheit zu deutlich und klar an bestimmten Orten eingeschränkt werden.

    Das zumindest ist die Quintessenz auch aus diesem Werk, dass an ganz verschiedenen Orten und unter ganz verschiedenen Umständen und Zielen die Sehnsucht nach Freiheit Motivator und Taktgeber (auch) dieser Ereignisse war.

    Eine interessante Lektüre, die hier und da zu bedeutungsvoll das konkrete Jahr solitär in den Mittelpunkt rückt.
  13. Cover des Buches Martin Luther King Jr. and the Image of God (ISBN: 9780199843961)
  14. Cover des Buches Martin Luther King (ISBN: 9783451062391)
  15. Cover des Buches Quien fue Martin Luther King, Jr.? / Who Was Martin Luther King, Jr.? (ISBN: 9780448458557)
  16. Cover des Buches Martin Luther King Jr. Day (ISBN: 9781448862467)
  17. Cover des Buches Thou, Dear God (ISBN: 9780807086032)
  18. Cover des Buches Mein Traum vom Ende des Hassens (ISBN: 9783451043185)
  19. Cover des Buches Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux) (ISBN: 9783955302924)
    James Lee Burke

    Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux)

     (14)
    Aktuelle Rezension von: Mueofink
    David „Streak“ Robicheaux ist ein Detective in einem kleinen Sheriffbüro im Süden Louisianas. Aaron Crown der vor 28 Jahren einen Mord, an einem schwarzen Bürgerrechtler, gestand, bittet Robicheaux seine Unschuld zu beweisen. Er beginnt mit Ermittlungen und dubiose Leute fangen an sich für den Fall zu interessieren. Buford LaRose, der einst mit einem Buch Crown überführte und sich nun zur Wahl der Gouverneurs stellt, schaltet sich zusammen mit seiner attraktiven Frau Karyn auch in den Fall ein. Als Crown aus dem Gefängnis ausbricht und ein Kameramann getötet wird, überschlagen sich die Ereignisse. David Robicheaux bringt mit seinen Ermittlungen nicht nur sich in Gefahr, es scheint als ob die Verbrecher auch nicht vor seiner Familie halt machen. Der Detective David Robicheaux ist die Erfindung des amerikanischen Autors James Lee Burke, der mit „Nacht über den Bayou“ („Cadillac Jukebox“) seinen achten Robicheaux-Roman veröffentlichte. Der Autor ist 73 Jahre alt und lebt in Louisiana und Montana. Dies ist der erste Roman gewesen, den ich aus der Robichaux-Reihe gelesen habe. Zweifelsohne gelingt es dem Autor eine dichte Atmosphäre zu schaffen. Man kann die schwülen Herbsttage im Bayou beinahe fühlen, wenn Robicheaux mit seinem Angestellten Batist auf der Veranda seines Ladens sitzt. Die Geschichte ist gut aufgebaut, hat aber hie und da einige Längen, auch das Ende ist nicht spektakulär aber genügt um die Geschichte zu einem sinnigen Abschluss zu bringen. Auch sind die Charaktere gut gezeichnet; besonders Robicheaux hat Ecken und Kanten, und erscheint damit als echter Mensch. Einige parallelen sind zwischen Robicheaux und Burke gezogen worden, so haben beide z.B. ein Alkoholproblem sind jedoch nun trocken. An der Übersetzung ist zu loben, dass versucht wurde den typischen Südstaatenakzent ins Deutsche zu transponieren. Alles in Allem ist es ein ordentlicher Krimi der dem Leser nicht überfordert, auch wenn manchmal die Namensgebung etwas verwirrt. Der Schreibstil ist gefällig und gut zu verfolgen. Der Leser begleitet Robicheaux bei der Aufklärung des Verbrechens, denn der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Robicheaux geschrieben. Wer sich in einer kalten Winternacht nach etwas Wärme und Hitze sehnt, der tut gut daran, die „Nacht über dem Bayou“ zu genießen.
  20. Cover des Buches Meine freie deutsche Jugend (ISBN: 9783104912608)
    Claudia Rusch

    Meine freie deutsche Jugend

     (39)
    Aktuelle Rezension von: Holden

    "für Irmgard, ganz herzlich, Weimar 16.10.03" lautet die Widmung, dem bleibt eigentlich nichts hinzuzufügen, nur das hier die Lebensgeschichte eines Vorbilds an Zivilcourage anschaulich präsentiert wird. Wäre man selbst so tapfer gewesen, man weiß es nicht, aber durch die Erziehung zum Querdenken durch ihre Mutter und deren Freunde wurden die Energien der kleinen Claudia in die richtigen Bahnen gelenkt. Das DDR-Unrecht wird drastisch angeklagt, so daß kein Platz mehr für Ostalgie und Verklärung bleibt, erst mit der "Wende" wurden die Oppostitionellen zu "echten" DDR-Bürgern, aber aufhalten ließ sich der hier schreibende Wirbelwind nicht. Auch ein Vorbild an Lebensenergie und der Beweis dafür, was man als Individuum erleben kann.

  21. Cover des Buches Die Hinrichtung des Martin Luther King (ISBN: 9783720524056)
  22. Cover des Buches A Gift of Love (ISBN: 9780807000663)
  23. Cover des Buches Stuck Rubber Baby (ISBN: 9783942649285)
    Howard Cruse

    Stuck Rubber Baby

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Christopher_B

    Wenn Cross Cult Stuck Rubber Baby veröffentlicht, eine großartige Graphic Novel über einen jungen Mann, der homosexuell ist, es aber nicht sein darf und nicht sein will, zur Zeit der US-Bürgerrechtsbewegung in den frühen 1960er Jahren, dann darf gefragt werden: Was hat das mit dem Hier und Jetzt zu tun?

    Howard Cruse heißt der Mann hinter diesem Comic, einer der großen US-Independent-Altmeister wie Robert Crumb oder Harvey Pekar. Obwohl seine Geschichte über den jungen Toland Polk fiktiv ist, erzählt Cruse ständig von sich selbst, von seinen eigenen Erlebnissen und seinen eigenen Problemen. Wie jede gute Erzählung mit autobiographischem Einschlag ist Cruse dabei selbstkritisch bis ins Mark.

    Die unzähligen Details und die den Leser fast überfordernde Anzahl an handelnden Figuren sind Anzeichen dafür, dass das alles tatsächlich so irgendwie passiert ist, damals, in den Sechzigern, in den USA. Aber was hat das mit uns zu tun? In Deutschland und in anderen westlichen Ländern sind gleichgeschlechtliche Ehen inzwischen möglich. Viele Menschen, die im Rampenlicht stehen, bekennen sich offen zu ihrer Homosexualität. Die Bürgerrechtsbewegung liegt fünfzig Jahre in der Vergangenheit, auf einem anderen Kontinent. Und der letzte Präsident der USA war schwarz. Wurde Stuck Rubber Baby von der Zeit überholt?

    Verändern wir für einen Moment den Blickwinkel. Stuck Rubber Baby wurde in Deutschland zum ersten Mal 1995 veröffentlicht, damals bei Carlsen unter dem Titel Am Rande des Himmels. Das war zwar gezwungen poetisch, jedoch fern jeglicher Übersetzung. Dabei ist der Originaltitel ein Schlüssel zum Verständnis von Cruse‘ Werk.

    Es gibt da diese Szene, in der Toland Polk mit seiner Freundin Ginger schlafen möchte, ein Kondom aus der Tasche holt und feststellt, dass es alt und eingetrocknet ist. »Selbst eine Herde Elefanten hätte es nicht aufrollen können.« Getrocknet und zusammengeklebt – das ist das Stuck Rubber. Zum Geschlechtsverkehr kommt es nicht. Stattdessen gesteht Toland seiner Freundin, dass er sich zu Männern hingezogen fühlt. Er macht damit einen ersten Schritt in Richtung Coming-Out, hin zu Wahrheit und Veränderung.

    Wenn Cruse das alte Gummi zum Titel des gesamten Comics erhebt, wird daraus ein Symbol. Natürlich ist mit Stuck Rubber Baby die Hauptfigur Toland Polk gemeint – der wiederum das Alter Ego des Autors selbst ist. Aber dieses Eingetrocknete, Unbewegliche, jeglichen Schritt zur Liebe Verhindernde steht auch als Zeichen für den jungen Weißen, der den Kampf der Bürgerrechtsbewegung mehr passiv als aktiv erlebt, der das Risiko scheut, denn es ist ja nicht sein Kampf. Er ist lieber Zaungucker, Teil einer Gesellschaft, die feststeckt und unbeweglich geworden ist. Veränderer, das sind die anderen.

    Und so verbringt Toland Polk in diesem Buch ein unglückliches, nachdenkliches Leben zwischen Selbstverleumdung, Angst und Zweifeln. Was er ist, will er nicht sein. Was er sein sollte, könnte er nachlesen. Und zwar im Dixie Patriot. In dieser rechtsradikalen Zeitung steht, was einen guten Amerikaner in den 1960ern angeblich ausmacht. Er ist nämlich weder schwul noch schwarz. Toland duckt sich unter dieser Disziplinierung weg, taucht ab, ist zu ängstlich, um dagegen aufzubegehren.

    Er ist nicht das heldenhafte Individuum, das sich gegen ein ungerechtes System wehrt. Er ist das eingeschüchterte Individuum, das versucht, sich mit einem ungerechten System zu arrangieren. Und trotzdem auf die große Veränderung hofft. In der Darstellung dieses Zwiespalts ist Stuck Rubber Baby zeitlos und universell. Ein subtiler und kraftvoller Apell, niemals einzutrocknen, sondern nach Liebe und Gerechtigkeit zu streben.

  24. Cover des Buches American Promise, 4th Ed., Vol. 2 + Martin Luther King, Jr. Malcolm X, and the Civil Rights Struggle of the 1950s and 1960s + Bedford Glossary for U.S. History (ISBN: 9781457625176)

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