Bücher mit dem Tag "dave robicheaux"
17 Bücher
- James Lee Burke
Nacht über dem Bayou
(16)Aktuelle Rezension von: SoerenDem wegen Mordes verurteilten Aaron Crown gelingt nach vierzig Jahren im Gefängnis die Flucht. Als Dave Robicheaux den Fall zusammen mit seinem Partner Clete untersuchen möchte, mehreren sich auf einmal die unangenehmen Zwischenfälle in ihrer Umgebung. Ein Politiker versucht, Einfluss auf sie zu nehmen, seine Frau versucht Dave zu umgarnen, ein Mafiakiller taucht auf und schließlich wird Daves Freund Batiste brutal zusammengeschlagen. So ermittelt der hartnäckige Südstaaten-Detective mal wieder an mehreren Fronten gleichzeitig und muss aufpassen, sich dabei nicht zu verzetteln. Ähnlich dürfte es auch Autor James Lee Burke gegangen sein, der einmal mehr eine ziemlich verworrene Handlung anbietet, bei dem man lange Zeit nicht wirklich weiß, wie die Geschehnisse zusammenhängen und was zu welcher Nachforschung zählt. Der neunte Robicheaux-Band ist zweifellos besser gelungen als der vorherige Teil, aber leider trotzdem nicht so gut wie die ersten Romane der Reihe.
- James Lee Burke
Neonregen
(33)Aktuelle Rezension von: P_GandalfDas Buch spielt Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts und eingebettet sind Anspielungen auf die Mittel- und Südamerika Politik der Reagan Ära, die heute fast vergessen sind.
Die Geschichte spielt im und um New Orleans. Dave Robicheaux, Polizist in New Orleans, erhält von einem zum Tode verurteilten Strafgefangenen kurz vor dessen Hinrichtung einen Tipp, das er - Robicheaux - auf einer Todesliste steht. Anscheinend hängt das damit zusammen, dass Robicheaux in den Bajous die Leiche einer jungen Afroamerikanerin entdeckt hat. Während der örtliche Sheriff den Fall selbst möglichst schnell zu den Akten legen will, will Robicheaux weiterermitteln und gerät dadurch in einen Srtrudel aus Gewalt, der ihn direkt bedroht.
Die Story an sich ist gut. Burke gelingt es Spannung aufzubauen und zu erhalten. Eine Identifikation mit dem Titelhelden ist schwierig. Robichaeuax ist ein ehemaliger Alkoholiker und scheut nicht davor zurück das Gesetz in die eigene Hand zu nehmen. Er zeigt im Verlauf der Handlung starke selbstzerstörerische Tendenzen.
Die Auflösung ist wie bereits angemerkt genre-typische und nicht überraschend.
1 Stern Abzug von mir, weil mir die Dialog über weite Strecken nicht wirklich gefallen haben - aber das ist Geschmackssache - und weil mir ein solcher "Gesetzeshüter" kein Vertrauen einflößen würde.
- James Lee Burke
Verschwinden ist keine Lösung
(51)Aktuelle Rezension von: LorixxDas ist bereits der dreiundzwanzigste und leider auch (wahrscheinlich) letzte Fall für Dave Robicheaux, der schon Kultstatus erreicht hat.
Der Autor hat mir seinem ehemaligen Cop vom New Orleans Police Department eine waschechte Figur geschaffen, der man jede Handlung abnimmt. Authentisch, glaubwürdig, mit seiner eigenen Vorstellung von Recht und Gerechtigkeit arbeitet er als Privatdetektiv.
An seiner Seite ist Freund und ebenfalls Privatdetektiv Clete Purcell mit dabei. Zwei gebrochene Helden, deren bewegte Vergangenheit die Handlungen in der Gegenwart bestimmt.
In diesem Band sind die beiden etwas neben der Spur, dank dem reichlichen Alkoholangebot. Ein bisschen strange, aber noch so vielen Jahren, in denen sehr viel passiert ist, reiht sich das Geschehen irgendwo dazwischen ein. Ein bisschen anders als die Vorgänger, aber nicht weniger gut.
Typisch amerikanisch, spannend, manchmal mysteriös, immer fesselnd und einfach nur süchtig machend!
Das ist eine Krimireihe, die abhängig macht!
- James L. Burke
Im Dunkel des Deltas
(3)Aktuelle Rezension von: Stefan83Während ich die letzten Jahre meine Besprechungen zu den Kriminalromanen von James Lee Burke eher ins Blaue und als informative Notiz für eventuelle Rückblicke in der Zukunft geschrieben habe (immer mit der unterschwelligen Hoffnung, dass bei einem Verleger mal ein Licht aufgeht), scheint nun mit dem Engagement des Pendragon Verlags („Sturm über New Orleans“ ist soeben erschienen, „Neonregen“ soll im Herbst neu aufgelegt werden) ein näherer Blick auf die herausragende Dave-Robicheaux-Serie wieder mehr Sinn zu machen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil alle Titel über einen längeren Zeitraum allenfalls antiquarisch (und das zu Mondpreisen) erhältlich gewesen sind. Das könnte sich – genügend Nachfrage und passende Verkaufszahlen vorausgesetzt – jetzt wieder ändern. Und der achte Fall des bärbeißigen Cops aus dem schwül-heißen New Iberia – der siebte, „Dixie City Jam“ ist bis heute unübersetzt geblieben – bietet sich dafür perfekt an, gehört er doch zu den Höhepunkten einer von vielen Höhepunkten durchsetzten und preisgekrönten Reihe. Was mich wiederum vor ein gewisses Dilemma stellt, denn „Im Dunkel des Deltas“, bereits 1995 im Original erschienen, schreit gerade zu nach einer inflationären Benutzung von Superlativen – eine Angewohnheit vieler Rezensenten, welche mich selbst zunehmend stört, da doch die Glaubhaftigkeit des Kritikers nach hunderten „großartiger“ Romane in Folge irgendwann leidet.
In diesem Fall (zugegeben, auch bei den meisten anderen Titeln dieses Schriftstellers) bleibt mir jedoch – auch die Tatsache, dass James Lee Burke wohl DER Krimi-Autor für mein Wenigkeit ist, außen vor gelassen – keine andere Wahl, als in dieselbe Kerbe zu schlagen, denn, nun ja, „Im Dunkel des Deltas“ ist tatsächlich eben das: Großartig. Und damit doch noch ungenügend gewürdigt. In dem riesigen Bottich austauschbarer, fader, stets nach Schema-F-gebügelter Krimi-Literatur ist Burke einer der wenigen Schreiber, welche dem Genre Bedeutung, dem Wort „Literatur“ Berechtigung verleihen. Neben ihm wirken die Deavers, Pattersons oder McFadyens dieser Zeit wie zahme Hauskatzen, welche allein dem Aspekt der Unterhaltung dienen, während sie teilnahmslos vom alten Tiger im Schatten beobachtet werden. Denn dort hatte James Lee Burke leider zuletzt, zumindest in Deutschland, seine Tage verbracht, bis im letzten Jahr die Auszeichnung seines Romans „Regengötter“ mit dem Deutschen Krimi Preis in der Kategorie „International“, ihn wieder ins Scheinwerferlicht gerückt hat. Eine späte Ehre für den fast achtzigjährigen Texaner, dessen Erscheinungsbild an Tommy Lee Jones gemahnt und dessen Freundlichkeit selbst im familiären Milieu der Schriftsteller beispielhaft ist. Doch zurück zum Buch:
„Im Dunkel des Deltas“ bietet, zumindest nach dem Blick auf den Klappentext, welcher uns folgende Handlung „teasert“, für Robicheaux-Kenner nichts „Neues“:
Seit über hundert Jahren lebt die schwarze Farmerfamilie Fontenot auf einer Plantage in der Nähe von New Orleans. Bis man sie eines Tages von dem gepachteten Stückchen Land vertreiben will. Detective Dave Robicheaux kümmert sich darum und stößt auf die zwielichtigen Machenschaften des Giacano-Clans. Bald verstrickt er sich selbst in das wirre Geflecht der undurchsichtigen Verbindungen. Erste Anhaltspunkte ergeben sich durch ein Notizbuch, das ihm Sonny Boy Marsallus, ein Dealer und Spieler zwischen den Fronten, auf der Flucht vor den Schergen des Clans anvertraut. Doch schon bald fließt das erste Blut …
Ein kurzer Blick auf diese knappe Zusammenfassung der Ereignisse lässt nur wenig von der Komplexität des Plots erahnen, welche in so starkem Kontrast zu den konstruiert-künstlichen Fäden der Krimi-Konkurrenz steht und dem Leser von Beginn an deutlich macht: „Im Dunkel des Deltas“ ist mehr als nur eine typische Ermittler-sucht-Mörder-Geschichte, Dave Robicheaux nicht einfach nur ein weiterer kaputter Polizist in der Riege abgewrackter Tatort-Schnüffler. Nein, James Lee Burke hat hier – und man muss schon sagen erneut – ein ganzes Genre auf eine Ebene gehoben, wo die üblichen Gesetze ausgehebelt werden, das reine Funktionieren des Krimis in den Hintergrund gerät, um an seiner statt ein enges Garn aus Sozialkritik, philosophischen Überlegungen und Diskussionen sowie moralischen Fragen zu spinnen, welches trotzdem nie an Suspense einbüßt. Im Gegenteil:
Von Sonny Boy Marsallus, der sich lange Jahre als Söldner und Mitarbeiter der DEA verdingt hat über den lokalen Kopf der Mafia, John Polycarp Giacano bis hin zum irren Killer Patsy Dapolito – sie alle verleihen der Handlung, aufgrund der Art und Weise wie sie beschrieben werden, eine Glaubwürdigkeit, die weit über den üblichen authentischen Anstrich hinausgeht, was uns als Leser schlichtweg vergessen lässt, dass wir ein Stück Fiktion in den Händen halten. Das Moment der Gefahr, die angespannte Bedrohlichkeit einer Situation, die weit davon entfernt ist, unter Kontrolle zu sein. Der wilde Charakter eines Dave Robicheaux, welcher nicht selten ein Gefangener seiner eigenen Konventionen ist. Die Unberechenbarkeit und Sprunghaftigkeit seines Partners Cletus Purcel. Wo sonst die ausgetretenen Pfade in einem Kriminalroman erkennbar sind, der Leser einer U-Bahn-Fahrt gleich die Stationen abfährt, hängt hier dichter Nebel wie spanisches Moos über den Ereignissen, der unsere Sicht der Dinge umwölkt und uns damit gleichzeitig an die Seite der Protagonisten holt. Nur tastend bewegen wir uns vorwärts – unwissend wo die wahren Hintergründe liegen bzw. wer hier eigentlich gut, wer böse ist.
Burke spielt mit dieser Unsicherheit, den mysteriösen Fragen und den Geheimnissen, die nicht nur mit den Figuren, sondern auch mit manchen Orten verbunden sind, wodurch deren Geschichtsträchtigkeit genauso betont wird, wie die Tatsache, dass die Vergangenheit immer Auswirkungen auf die Gegenwart hat. Alte Fehden, frühere Verfehlungen, tief verwurzelter Hass – weit über die auch heute immer noch allgegenwärtige Rassenthematik im Süden sind die Protagonisten in Burkes Romanen oft miteinander verflochten. Die Beziehungen zwischen Robicheaux und seiner Familie, seine Freunde, Mitarbeiter und sein Chef, der Sheriff (der gewissermaßen als Blaupause für die Ausarbeitung des Hackberry Holland in „Regengötter“ verstanden werden kann) vervollständigen das Bild eines soliden, bodenständigen Mannes, der nichts mit den üblichen Reißbrettfiguren der Krimi-Szene gemein hat, wovon wiederum auch alle anderen in seinem Umfeld profitieren. Bei „Im Dunkel des Deltas“ ist hier allen voran Sonny Boy Marsallus zu nennen, dessen eigene Intentionen lange verborgen bleiben und trotz wechselhafter und düsterer Vergangenheit recht schnell zur Sympathiefigur des Buches aufsteigt. Sein Schicksal ist eng mit dem Spannungsbogen verknüpft.
Doch neben all der Spannung und Intensität – die Prosa ist der Grund, warum „Im Dunkel des Deltas“ (und überhaupt jeder Dave-Robicheaux-Krimi) mich bei der Lektüre aus den Angeln hebt. James Lee Burke ist nichts geringer als ein Poet, ein geschickter, ja kunstfertiger Handwerker, der genau weiß, wie er die Kraft des Wortes zu nutzen hat, um den damit verbundenen gewünschten Effekt zu erzielen. Und er ist gleichzeitig ein Maler, der in jeden Pinselstrich mehr Gefühl legt und damit auch gleichzeitig weckt, als andere Autoren über die gesamte Distanz eines Buches. Niemand erreicht diese Wärme, diese Hingabe, diesen lyrischen Nachklang, wie James Lee Burke. Und auch kein anderer Schriftsteller kann mich so an die Hand nehmen, in eine Szene des Romans führen und mich spüren lassen, wo dieser Platz ist, wie er riecht, schmeckt und sich anfühlt. Das urwüchsige, archaische Element der Landschaften mit ihren Sümpfen und Flussarmen, das Flair und der Rhythmus der Stadt, das schweißtreibende, elektrisch aufgeladene Klima – die Essenz des Südens befindet sich direkt vor uns. Sie ist hier, zwischen den Seiten, reduziert und komprimiert zwar, aber doch von einer Konsistenz und Wirkung, welche mit Kopfkino nur ungenügend beschrieben ist.
William Faulkner, John Steinbeck, Richard Ford – dies sind große Namen der amerikanischen Literaturgeschichte, neben denen man auch James Lee Burke nennen und ins Regal stellen darf. Ohne schlechtes Gewissen, ohne Wimpernzucken. „Im Dunkel des Deltas“ ist eben all das, was ein guter Kriminalroman aus der Feder eines begnadeten Schriftstellers sein kann. Ein schweißtreibender, düsterer und bis zur letzten Zeile kraftvoller Trip in einen Landstrich der Welt, in dem die Uhren noch immer anders ticken.
- James Lee Burke
Sturm über New Orleans
(23)Aktuelle Rezension von: Igelmanu66»Die Zahl der Plünderer, Brandstifter und Gewalttäter nahm von Stunde zu Stunde zu, ohne dass wir sie irgendwo unterbringen konnten. Wir ließen Plünderer laufen, nur um sie zwei Stunden später in improvisierten Arrestarealen wiederzusehen. Einige der Festgenommenen waren wahrscheinlich Mörder, Drogendealer oder Soziopathen, die den Sturm ausgenutzt hatten, um Konkurrenten zu beseitigen oder alte Rechnungen zu begleichen.«
August 2005. Der Hurrikan Katrina, eine der verheerendsten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten, hat die Stadt New Orleans zerstört. Die Stadt ist überflutet, unzählige Menschen sind gestorben. In den Trümmern und verlassenen Häusern treiben Plünderer ihr Unwesen, in den gefluteten Straßen herrscht Gesetzlosigkeit. Schwelender Rassismus bricht allerorten auf, die Polizei ist hoffnungslos überfordert. Grund genug für eine selbst ernannte Bürgerwehr, das Gesetz selber in die Hand zu nehmen. Eines Nachts fallen wieder mal Schüsse und ein siebzehnjähriger Schwarzer ohne Vorstrafen stirbt. In unmittelbarer Nähe zu dem Haus einer weißen Familie, deren Tochter nach der Vergewaltigung durch mehrere Schwarze traumatisiert ist. Ein simpler Fall von Selbstjustiz? Cop Dave Robicheaux schaut genauer hin…
Dieser Krimi ist kein Wohlfühlbuch, er ist hart und brutal. Das beginnt schon bei der Schilderung des Szenarios. Katrina ist zwar viele Jahre her, trotzdem habe ich noch die Fernsehbilder präsent. Die allerdings durch die Wortgewalt der Beschreibungen im Buch noch mal enorm verstärkt werden. Ein pures Albtraum-Szenario, man kann es nicht anders ausdrücken.
Den Leser erfasst Zorn, ganz klar tritt hervor, wie die Opfer – vor allem die ohnehin schon ärmsten unter ihnen – im Stich gelassen werden. Fassungslos liest man von vergeblich auf Hilfe wartenden Menschen. Dass vor diesem Hintergrund Verbrechen und Gewalt blühen, wundert nicht, aber in seinem Ausmaß und der drastischen Darstellung schockiert es schon. Sensible Gemüter sollten besser die Finger von diesem Buch lassen.
Die Protagonisten scheinen alle gegen persönliche Dämonen zu kämpfen. Dave Robicheaux ist ein traumatisierter Vietnam-Veteran und trockener Alkoholiker. Sein Freund Clete war mal sein Kollege, musste aber den Polizeidienst verlassen und arbeitet jetzt als eine Art Privatermittler. Er ist sensibel aber aggressiv, engagiert aber unbeherrscht und nach meiner Einschätzung aktiver Alkoholiker oder auf dem Weg, einer zu werden. Die Guten haben mächtig schlechte Seiten, die Bösen unterscheiden sich im Grad ihrer Grausamkeit, doch auch bei ihnen wird ein Blick hinter die Fassade gewagt, nach den möglichen Ursachen ihres verkorksten Lebenswegs gefragt. Darin steckt gleichzeitig eine Menge Gesellschaftskritik, mindestens bei einem der Bösen war ich am Ende geneigt zu glauben, dass sein Leben unter günstigeren Startbedingungen einen anderen Weg genommen hätte. Ich merkte, wie sich beim Lesen meine Empfindungen wandelten. Beispiel: Vier Plünderer nehmen ausgerechnet das Haus eines Unterweltbosses auseinander. Über die Plünderer erfährt der Leser, dass sie einige wirklich schwere und grausame Verbrechen begangen haben. Da schleicht sich ein fieser kleiner Gedanke in der Art von „Jungs, dieses Mal werdet ihr nicht ungeschoren davonkommen“ ein. Aber wenn es dann so weit ist, kommt fast Mitleid auf. Wie gesagt, der Grad der Grausamkeit macht den Unterschied. Man darf auch nicht darauf hoffen, dass am Ende alles gut ist. Dafür steckt viel zu viel Realismus in der Handlung und die wirkliche Welt ist oftmals keine nette.
Es sind altbekannte Themen, die hier aufgebracht werden, Themen wie Gerechtigkeit, Rache, Vergebung und Schuld. Der Leser kommt nicht umhin, sich unangenehme Fragen zu stellen, die berühmten „was würde ich tun“ Fragen. Recht und Gerechtigkeit sind nun mal nicht immer eins. Und wenn es um die eigenen Kinder geht, übernehmen gerne Urinstinkte die Steuerung menschlichen Handelns.
Ich mag Bücher, die einen als Leser vor solche gedanklichen Herausforderungen stellen. Trotzdem brauchte ich ein wenig, bis ich in der Handlung war, der Einstieg war manchmal verwirrend. Dazu trugen sicher der Umgangston und die vielen benutzten Slangausdrücke bei, deren Übersetzung nicht immer nahelag. Auch für die mehreren Erzählstränge benötigte ich eine kurze Orientierungszeit, nachdem das geschafft war, hat mich das Buch aber wirklich gefesselt.
Fazit: Hart und brutal. Kein Wohlfühlbuch, aber richtig gut!
»Diejenigen, die nicht aus dem Fenster gekommen sind, sind ertrunken«, sagte sie.
»Sagen Sie das noch mal?«
»Fast alle Leute auf dem Dachboden sind ertrunken. Ich hab die Kinder aus dem Fenster geworfen, aber ich hab sie im Wasser nicht mehr gesehn. Die meisten anderen waren zu alt oder zu dick. Ich hab sie einfach zurückgelassen und bin auf einen dicken Baum zugeschwommen, der vorbeigetrieben ist. Ich hab sie in der Dunkelheit brüllen gehört.« - James Lee Burke
Im Dunkel des Deltas
(3)Aktuelle Rezension von: SoerenDetective Dave Robicheaux wird diesmal gleich in mehrere verworrene Ereignisse verstrickt: Jemand will die schwarze Farmerfamilie Fontenot von deren Plantage vertreiben. Ein zwielichtiger New Yorker Mafia-Boss treibt sein Unwesen. Dann ist da auch noch ein Gutsbesitzer, der nicht Dreck am Stecken, sondern seit Jahren auch eine heimliche Affäre mit einer jungen afroamerikanischen Frau hat. Und einige ehemalige Bundespolizisten mischen ebenfalls mit. Dadurch ist Robicheaux ständig auf Achse, ohne dass man als Leser so recht weiß, wohin die Reise überhaupt geht. Selbst als die ersten Leichen folgen, hat keiner eine Ahnung, wie diese überhaupt ins Bild passt. Leider hält dieser Zustand bis zum Ende an. Dadurch war ich vom achten Robicheaux-Band nicht ganz so angetan, wie von seinen Vorgängern. Ich hoffe, dass es bei der „Nacht über dem Bayou“ etwas geordneter zugeht.
- James Lee Burke
Sumpffieber
(14)Aktuelle Rezension von: SalanderLisbethNur zweimal in meinem Leben hatte ich eine solche Morgendämmerung erlebt: einmal in Vietnam, als auf einer Nachtpatrouille eine Mine vor mir detoniert war und ihre Leuchttentakel um meine Oberschenkel geschlungen hatte, und das andere Mal, Jahre davor, draußen vor Franklin, Louisiana, als mein Vater und ich die Leiche eines Gewerkschaftlers entdeckt hatten, den man mit 16-Penny-Nägeln an Fuß- und Handgelenken an eine Scheunenwand genagelt hatte. Auszug Seite 5
Die grausame Hinrichtung des Gewerkschaftlers Jack Flynn konnte nie wirklich aufgeklärt werden. Das belastet den Ich-Erzähler Sheriff Dave Robicheaux auch Jahrzehnte später immer noch. Besonders jetzt, als dessen Tochter Megan Flynn, inzwischen eine berühmte Fotografin gemeinsam mit ihrem Bruder Cisco in ihre Heimat New Iberia zurückkehrt. Cisco Flynn, in Hollywood ein bekannter Regisseur, will in den Bayous um New Iberia nach Drehorten für einen neuen Film suchen. Produzent ist der reiche und einflussreiche Plantagenbesitzer Archer Terrebonne. Da das Filmbudget überzogen wurde, hatte der Regisseur Billy Holtzner Geld unterschlagen und jetzt Angst vor der Mafia. Er engagiert Clete Purcell, Robicheaux‘ Freund und ehemaligen Partner bei der Polizei und dieser arbeitet jetzt für den schmierigen Regisseur und seine Tochter als so eine Art Bodyguard.
Ebenfalls am Set tummelt sich ein enger Freund der Flynns aus ihren Tagen im Waisenhaus. Swede Boxleitner, ein brutaler Psychopath ist erst vor wenigen Tagen aus dem Knast entlassen worden und zieht das Interesse der FBI-Agentin Adrien Glazier auf sich.
Die hartnäckige Megan stellt viele Fragen und setzt sich besonders für den Kleinganoven Cool Breeze Broussard ein, der im Bezirksgefängnis von dem neuen, sadistischen Gefängnisverwalter Alex Guidry misshandelt wird. Obwohl schon viele Jahre her, leidet Broussard immer noch unter dem Selbstmord seiner Frau Ida, für den er sich die Schuld gibt. Robicheaux wird auf einen neuen Fall angesetzt, bei dem zwei junge Weiße in den Sümpfen des Missisippi-Deltas regelrecht liquidiert wurden. Sie wurden beschuldigt, eine 17jährige Schwarze vergewaltigt zu haben. Das Mädchen hatte ihre Anzeige wieder zurückgezogen. Einiges deutet darauf hin, dass der rassistische Alex Guidry in beide Fälle verstrickt ist.
Und das sind nur einige der Handlungsfäden und Figuren, mit denen es der Leser zu tun bekommt. Es ist eine vertrackte Geschichte, die weit in die Vergangenheit geht und mehrere Generationen betrifft. Alles scheint miteinander in Verbindung zu stehen, es bleibt bis zum Ende undurchschaubar, aber auch sehr spannend. Der harte Plot ist sehr anspruchsvoll und bedarf einer ständigen Konzentration, da vieles nur angedeutet wird und man sonst die Hintergründe nicht so leicht durchschaut. Einmal angefangen konnte ich den Roman aber nicht mehr aus der Hand legen. Burkes Schreibstil ist eigenwillig und poetisch, sprachlich auf hohem Niveau, nichts um es mal schnell weg zu lesen.
Die komplexe Geschichte ist eingebettet in eine bildgewaltige Beschreibung der Südküste der USA mit den feuchtschwülen Sümpfen Louisianas, den Mangrovenwäldern und der malerischen Schönheit der Bayous. Epische Natur- und Landschaftsbeschreibungen sind die große Stärke des Autors. Man spürt während des Lesens die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit am eigenen Körper und man bekommt ein Gefühl dafür, wie die Südstaatler ticken.
Denn neben den intensiv beschriebenen Settings sind für mich die vielschichtig angelegten Haupt- und Nebenfiguren das Herzstück dieses Krimis. Die differenziert beschriebenen Charaktere agieren oft widersprüchlich und sind nicht nur gut oder schlecht, sondern mit vielen Facetten ausgestattet. Burke deckt menschliche Abgründe auf, beschreibt emotionale Konflikte und spiegelt damit die amerikanische Gesellschaft wider.
Dave Robicheaux, Burkes alter Ego ist ein altbewährter Archetyp des Genres. Der Vietnam-Veteran und trockener Alkoholiker ist im Bayou auf gewachsen und geht regelmäßig zu den Anonymen Alkoholikern. Ruhe findet er zumindest in diesem 10. Band bei der Arbeit in seinem kleinen Köderladen mit Bootsverleih. Die Szenen mit seiner Frau Bootsie und Adoptivtochter Alafair bilden einen Gegensatz zu dem brutalen Mix aus Action und Gewalt. Der Südstaaten-Cop, stur und beharrlich hat einen ausgesprochenen Gerechtigkeitssinn und hinter seiner oft barschen Art verbirgt er sein Herz für die kleinen Leute, die Menschen ganz unten.
Selten habe ich mich mit dem Schreiben einer Rezension so schwer getan wie mit dieser. Über diesen Godfather des Hardboiled Krimis, der literarischen Legende James Lee Burke scheint schon alles gesagt zu sein, auch von meinen sehr geschätzten Blogkollegen.
Sumpffieber ist der 10. Band der Dave-Robicheaux-Reihe und wurde jetzt neu vom Pendragon-Verlag in einer überarbeiteten Form herausgebracht. Das Original erschien bereits 1998 unter dem Titel „Sunset Limited“ und hat auch nach 20 Jahren in Bezug auf den allgegenwärtig praktizierten Rassismus und den sozialen Konflikten im tiefsten Süden der USA nichts von seiner Aktualität verloren.
- James Lee Burke
Die Schuld der Väter
(8)Aktuelle Rezension von: Gwhynwhyfar«Wenn man in seiner Jugend zutiefst verletzt oder gedemütigt wird, wenn einem das Gefühl vermittelt wird, man sei nichts wert, bekommt man später nur selten die Gelegenheit, seine Peiniger auf Augenhöhe zur Rede zu stellen und ihnen zu zeigen, was für Feiglinge sie im Grunde sind.»
Ich persönlich halte James Lee Burke für einen der besten Autoren im Genre literarische Krimis. Seine Dave-Robicheaux-Serie spielt im Süden der USA, in Louisiana, im Gebiet New Iberia und New Orleans. Neben seinen tiefgehenden Figurenzeichnungen hat man beim Lesen das Gefühl, sich in den Bayous zu befinden, schmeckt das Salz auf den Lippen, sieht die Sonne im lila Firmament untergehen oder einen Feuerball, getaucht in Rot und Orange. Ob Musik oder Essen, der Menschenschlag der Cajuns, der Schwarzen und ehemaligen Großgrundbesitzer, das Feeling für Louisiana nimmt den Leser mit. Dabei ist es eine Noir-Serie. Die Geschichte beginnt mit der brutalen Vergewaltigung und Ermordung von Amanda Boudreau, einem hübschen Teenager-Mädchen, dem das Gesicht weggeschossen wird. Der Verdächtige ist der Musiker Tee Bobby Hulin, ein junger schwarzer Mann, meist auf Drogen. Doch Dave Robicheaux zweifelt an dessen Schuld und ermittelt weiter. Ein Gespräch mit der Großmutter des jungen Manns führen in die Vergangenheit zu dem dem Plantagenaufseher Legion Guidry, der Inkarnation des Bösen, bei dem es selbst Dave eiskalt den Rücken hinunterläuft.
«... über den Einmarsch der Bundestruppen im Jahr 1863 und die Wiederherstellung der alten Pflanzeroligarchie durch die White League und die Knights of the white Camellia hinweg, bis in die Neuzeit, als man bewusst dafür sorgte, dass Cajuns und Farbige arm und ungebildet blieben, m sicherzustellen, dass jeder Zeit ein riesiges Angebot an leicht lenkbaren Arbeitskräften zur Verfügung stand.»
Ein weiterer brutaler Mord an einer jungen Frau geschieht. Ihr Vater, Joe Zeroski, gehört zum organisierten Verbrechen. Der ermittelt auf eigene Faust. Durch Stadt geht ein Bibelverkäufer, der schleimige Marvin Oates, der auch seine Nase überall hineinsteckt – und nicht nur die. Daves Freund Clete Purcel, ein Detektiv, steht ihm zur Seite, bringt aber gleichzeitig Chaos in die Ermittlungen. Der ehemalige Polizist nimmt es mit dem Gesetz nie so genau und prügelt sich gern und steht der Damenwelt immer offen entgegen. Dave Robicheaux ist Alkoholiker und kämpft auch in diesem Band das ein oder andere Mal mit seinen Dämonen.
«Als ich ihn im Zeugenstand sah, ging mir wieder ein Gedanke durch den Kopf, der mir zu schaffen machte, seit ich Polizeibeamter geworden war – dass die Menschen zu dem Zeitpunkt, da sie eine Tat begehen, sei sie noch so schändlich oder verwerflich, immer das Gefühl haben, sie täten genau das, was sie tun sollten.»
Rassismus und gewalttätige Gräueltaten sind mit Louisianas Vergangenheit verbunden, die sich bis heute durchziehen. Weiß gegen Schwarz und Cajun, gebildet gegen ungebildet, reich gegen arm, eine komplexe Gesellschaft, ein komplexer Krimi. Kinder, denen Schlimmes angetan wird, die als Erwachsene dieses Päckchen tragen, Machthungrige, Rachsüchtige, psychisch Kranke, Nutten, Drogenabhängige, Anwälte, Polizisten, Ankläger, die organisierte Kriminalität, James Lee Burke greift wieder mitten hinein in die Gesellschaft. Drei brutale Morde an drei Frauen sind aufzuklären. Hängen die Taten zusammen – ein Täter? Die Sache ist verzwickt, mit der Polizei redet man im Milieu nicht gern. Komplexe Typen, ein feingesponnener Noir-Krimi, literarisch ausgefeilt, ein Autor, der tief in die Gesellschaft eindringt. Was ist Moral, fragt sich Burke immer wieder, was ist gut und was ist böse? Dave steht auf der Seite der Moral, er hasst Ungerechtigkeit. Um gerecht zu sein, darf man nicht immer hinter dem Gesetzbuch stehen. Den modrigen, fischigen Duft des Bayous in der Nase, unter einem Peakanbaum sitzend ein Austern-Poorboy verspeisen und die Blitze über dem Bajou beobachten. Man sollte nur nicht Legion Guidry über den Weg laufen ...
https://literaturblog-sabine-ibing.blogspot.com/p/die-schuld-der-vater-von-james-lee.html - James Lee Burke
Schmierige Geschäfte
(13)Aktuelle Rezension von: Pashtun Valley Leader CommanderGefühlt genau so viele Bücher wie Lee Child.... Aber und dass ist dann doch recht verwunderlich es gelingt ihm jedes Mal zu überraschen dem Herrn Burke. Ich weiß nun nicht wirklich wie er es hinbekommt, aber dieser Robicheauux schlägt dem Fass den Bogen aus.
Unser Dauerheld hat ein richtig grosses Problem, ist er doch in eine Anklage wegen eines Tötungsdeliktes hinein geschliddert und die Zeichen stehen auf freitags Rudelbums beim Duschen und gebackene Bohnen zum Nachtisch.
Es beginnt eigentlich wie ein Kammerspiel der deutschen Klassik. Erster Aufzug. Wir kennen das Personal, haben eine ungefähre Ahnung was passieren wird.. Irgendetwas mit Mord und Totschlag.... Robicheaux ist aber nun in der Rolle des Angeklagten und es hat nicht den Anschein, als käme er sauber aus der Sache raus.....
Es ist, mit Abstand der am nächsten am Wasser gebaute Roman von Burke. Ein Buch über Beziehungen, er zieht Richtung Montana um das Puzzle in Sachen Haupzbelastungszeuge zusammen zu bekommen. Er ist raus, raus aus seinem selbstgewähltem Chaos im Herzen des Bayous und schlägt in einer putzigen kleinen aufgeräumten Stadt im Herzen Montanas auf.
Seine Quasi-Adoptivtochter geht in eine neue Schule, die Frau unseres Helden ist vor nicht allzulanger Zeit im Schlafzimmer abgeballert worden (grosskalibrig in Stücke geschossen worden, eine Schweinerei veranstaltet worden) und Mr. Robicheaux war nicht in der Lage sie zu schützen.
Seine vermeintlichen Gegner? Ein alternder Mafiadon und dessen nichtsnutzigster Sohn und dessen GespielInnen am Rande der Stadt, Koksparties am Pool und Bullen die Robicheaux spiegeln, dass er hier keine Schnitte bekommen wird.
Gegen alle Chancen beginnt er zu ermitteln, nur dass seine Kollegen und Kumpels von früher nun für die Konkurrenz arbeiten und den Herren Pharmahändlern das Leben organisieren....
Wieder bildet Burke in dem Roman ein Stück amerikanischer Lebenswirklichkeiten ab. Diesmal ist es nicht New Orleans nach Kathrina, diesml dreht es sich um Indianerland und Ölgewinnung.
Grosse Klasse und well done und ich lobe ja nicht gerne. Ja er ist durchgeknallt, immer dann wenn die Geister seiner Frau und seines Vaters Robicheaux begegnen und ihm Ratschläge zur Lebensplanung geben könnte die Sache kitschig werden, aber er kriegt die Kurve.....es ist eigentlich so was von unkitschig, dass es fast am Wasser gebaut ist.
Unser Held, in der linken Ecke Roooobicheaux wieder im Kampf im dem Suff, dem Bösen auf dem Planeten und voll verknallt in eine katholische Grundschullehrerin. - James Lee Burke
Nacht über dem Bayou (Detective Dave Robicheaux)
(14)Aktuelle Rezension von: MueofinkDavid „Streak“ Robicheaux ist ein Detective in einem kleinen Sheriffbüro im Süden Louisianas. Aaron Crown der vor 28 Jahren einen Mord, an einem schwarzen Bürgerrechtler, gestand, bittet Robicheaux seine Unschuld zu beweisen. Er beginnt mit Ermittlungen und dubiose Leute fangen an sich für den Fall zu interessieren. Buford LaRose, der einst mit einem Buch Crown überführte und sich nun zur Wahl der Gouverneurs stellt, schaltet sich zusammen mit seiner attraktiven Frau Karyn auch in den Fall ein. Als Crown aus dem Gefängnis ausbricht und ein Kameramann getötet wird, überschlagen sich die Ereignisse. David Robicheaux bringt mit seinen Ermittlungen nicht nur sich in Gefahr, es scheint als ob die Verbrecher auch nicht vor seiner Familie halt machen. Der Detective David Robicheaux ist die Erfindung des amerikanischen Autors James Lee Burke, der mit „Nacht über den Bayou“ („Cadillac Jukebox“) seinen achten Robicheaux-Roman veröffentlichte. Der Autor ist 73 Jahre alt und lebt in Louisiana und Montana. Dies ist der erste Roman gewesen, den ich aus der Robichaux-Reihe gelesen habe. Zweifelsohne gelingt es dem Autor eine dichte Atmosphäre zu schaffen. Man kann die schwülen Herbsttage im Bayou beinahe fühlen, wenn Robicheaux mit seinem Angestellten Batist auf der Veranda seines Ladens sitzt. Die Geschichte ist gut aufgebaut, hat aber hie und da einige Längen, auch das Ende ist nicht spektakulär aber genügt um die Geschichte zu einem sinnigen Abschluss zu bringen. Auch sind die Charaktere gut gezeichnet; besonders Robicheaux hat Ecken und Kanten, und erscheint damit als echter Mensch. Einige parallelen sind zwischen Robicheaux und Burke gezogen worden, so haben beide z.B. ein Alkoholproblem sind jedoch nun trocken. An der Übersetzung ist zu loben, dass versucht wurde den typischen Südstaatenakzent ins Deutsche zu transponieren. Alles in Allem ist es ein ordentlicher Krimi der dem Leser nicht überfordert, auch wenn manchmal die Namensgebung etwas verwirrt. Der Schreibstil ist gefällig und gut zu verfolgen. Der Leser begleitet Robicheaux bei der Aufklärung des Verbrechens, denn der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Robicheaux geschrieben. Wer sich in einer kalten Winternacht nach etwas Wärme und Hitze sehnt, der tut gut daran, die „Nacht über dem Bayou“ zu genießen. - James Lee Burke
Flucht nach Mexiko
(5)Aktuelle Rezension von: GwhynwhyfarDer erste Satz: »Es war das Ende einer Epoche, von der ich vermute, dass Historiker sie womöglich als das letzte Jahrzehnt der Amerikanischen Unschuld ansehen.«
Dieser Robicheaux-Krimi beginnt mit einer Rückblende. Wir gehen zurück ins Jahr 1958. In den Sommerferien, auf das College wartend, arbeiten Dave Robicheaux und sein Halbbruder Jimmie für eine Seismografen-Crew auf Galveston Island. In Gewitterstimmung schwimmen sie weit hinaus auf die dritte Sandbank. Plötzlich umkurvt sie ein Hai, eine portugiesische Galeere treibt sich auch herum. Wie aus dem Nichts erscheint eine junge Frau, Ida, auf einem Reifenschlauch mit Holzpaddeln in der Hand, rettet die Brüder. Jimmie verliebt sich in Ida, die sich ihr Geld auf dem Strich verdient, um Omas Häuschen zu retten. Jimmie schafft es, sie zu überreden, mit ihm abzuhauen, nach Mexiko, weit weg von ihrem Zuhälter. Doch Ida erscheint nicht wie verabredet am Treffpunkt und bleibt auf ewig verschwunden. Jimmie sucht jahrelang nach ihr.
»Im Staat Louisiana ist systematische Korruptionsanfälligkeit selbstverständlich. Die Kultur, die Denkart, die religiösen Einstellungen und die Wirtschaft unterscheiden sich in nichts von einem karibischen Staat. Wer glaubt, im Staat Louisiana zu Reichtum und Macht zu kommen, ohne mit dem Teufel Geschäfte zu machen, weiß höchstwahrscheinlich nichts vom Teufel und noch viel weniger über Louisiana.«
Zeitwechsel. Dave Robicheaux, nun Ex-Cop, wird von einem im Sterben liegenden ehemaligen Collegekollegen ans Todesbett gerufen. Der beichtet ihm, er wisse, was damals mit Ida geschah, sein Onkel und ein paar Cops hätten sich damals Ida geschnappt. Und schon ist er tot. Die alte Geschichte, von der Jimmie nie loskam, kommt nun in Dave wieder hoch. Parallel ermordet ein Killer Frauen, entsorgt sie im Sumpfgebiet. Dave wird wieder bei der Polizei eingestellt, denn Personal ist knapp, die Täter muss gefunden werden.
»Ich musterte ihre Augen. Sie waren dunkelbraun wie flüssige Schokolade, besessen von Visionen, Stimmen und Geräuschen, von denen ich glaubte, dass nur sie sie sah und hörte.«
Dave Robicheaux hatte die Polizei verlassen, weil er immer wieder aneckte. Er lebt derzeit recht einsam mit Kater und Waschbär. Seine Frau war verstorben und die Tochter studiert nun, ist weit weg von zu Hause, das alte Haus war abgebrannt. Moral ist Daves Instanz, von Gesetzen und Regeln hält er nicht viel, wenn sie nicht seiner Sache dienen. Seine Verhörmethoden entsprechen nicht immer den Vorschriften. Er legt sich gern mit Gangstern an, wenn sie ihn herausfordern und kann sich auf ihre Regeln einlassen. Und Dave treiben seine Dämonen. Er ist Alkoholiker, trocken, aber nicht frei von Versuchung. Helen, seine Chefin, hat Dave zwar zurückgeholt, aber ihr gefällt es nicht, dass er weiter im Fall Ida herumstochert, anstatt sich auf den Serienmörder zu konzentrieren. Dave ist getrieben von Gerechtigkeit und Moral – auf welche Weise er korrupte Cops aufdeckt, Verbrecher aufwirbelt, um sie zur Strecke zu bringen, ist ihm egal, Hauptsache, sie werden inhaftiert. Dave ist schwierig und verdammt stur, aber er ist der beste Ermittler. Helen hat ihn nicht im Griff, sie staucht ihn zusammen und er macht dort weiter, wo er aufgehört hat. Das ist ihr bewusst. Dave Robicheaux, der Typ, den man als Leser gern zum Freund hätte. Man kennt ihn nach 14 Bänden besser als sich selbst.
»Wer glaubt, im Staate Louisiana zu Geld und Macht kommen zu können, ohne mit dem Teufel Geschäfte zu machen, weiß höchstwahrscheinlich nichts vom Teufel und noch viel weniger über Louisiana.«
James Lee Burke ist der König des literarischen Krimis, er gehört zu den mächtigsten Epikern der amerikanischen Literatur. In diesem Band hat Dave Robicheaux eher mit sich selbst und mit seinen privaten Angelegenheiten zu schaffen, die sich aber oft mit seiner Polizeiarbeit überschneiden. In alter Manier beschreibt Burke sein Louisiana, das Mississippidelta, den Bajou: Mangroven, Austern-, Schrimps- und Hummersandwiches, dabei zischt die Jax-Bierdose, Dr. Peppers liegt auf der Zunge, Angelsport, flamingoroter Himmel bei Sonnenuntergang, Regen - arme Menschen und ein Heer von Gangstern, Zuhältern und korrupten Bullen. Burke beherrscht es wie kein anderer, Literatur und Kriminalität zu vereinen. Man versinkt als Leser und sagt sich am Ende: Schon wieder vorbei. Dabei freut man sich auf den nächsten Band.
Im Original heißt der Titel »Crusader’s Cross«, für meine Begriffe absolut passend. Die Flucht nach Mexiko war eine Idee, die nie umgesetzt wurde, insofern irritiert der Deutsche Titel, Mexiko kommt gar nicht vor. Crusader’s Cross, das Kreuz der Kreuzritter – Dave Robicheaux und sein Kumpel Clete Purcel, die letzten Kreuzritter ihrer Art auf dem Ritt für Gerechtigkeit. Für mich war der beste Band aus dieser Serie bisher »Im Dunkel des Deltas«. Dieser Band ist für mich der Schwächste, was man so lax als schwach bezeichnen mag. Das soll erst mal einer besser machen. James Lee Burke, ist 1936 in Louisiana geboren, wurde bereits Ende der Sechzigerjahre von der amerikanischen Literaturkritik als neue Stimme aus dem Süden gefeiert, ehe er sich Mitte der Achtzigerjahre dem Kriminalroman zuwandte. Er schreibt immer noch kräftig weiter - wir hoffen auf ein langes Leben. - James Lee Burke
Blut in den Bayous
(21)Aktuelle Rezension von: P_GandalfObwohl die Romane von James Lee Burke um den Ex-Polizisten Dave Robicheaux in die Jahre gekommen sind, lesen sie sich fast taufrisch.
Dave ist aus dem Polizeidienst in New Orleans ausgeschieden und hat sich mit seiner Frau Annie eine neue Existenz aufgebaut. Er betreibt nun ein Fischerei-Geschäft, hat dem Alkohol entsagt und scheint ein völlig neuer Mensch zu sein. Dann werden Annie und Dave Zeugen eines Flugzeugabsturz und retten ein kleines Mädchen aus dem Wrack. Wie gefährlich dieses Ereignis ist und wie sehr es ihr neues Leben bedroht, ahnt vielleicht der Leser, Annie und Dave aber keinesfalls.
Schnell findet sich Robicheaux zwischen der Drogenfahndung, der Einwanderungsbehörde und einigen sehr zwielichtigen Gangster wieder. Zugegeben Robicheaux tut auch viel dafür sich zwischen alle Stühle zu setzen. Die Spuren führen zu einem Jugendfreund von Dave, der sich mit illegalen Geschäften beschäftigt.
Der Roman überzeugt mit seiner intensiven Beschreibung des Mississippi Delta, seiner Landschaften und Menschen. Man meint auch im kalten, trüben Dezember 2021 in der Schwüle und Feuchte der Sumpflandschaft zu stehen.
Beim ersten Band habe die Ausdrucksweise kritisiert - hier gefallen mir die Dialoge viel besser. Robicheaux handelt überzeugender.
Ein wirklicher rundum gelungenerer Kriminalroman, der in den 1990er Jahren spielt. Von mir eine Leseempfehlung!
- James Lee Burke
Keine Ruhe in Montana
(22)Aktuelle Rezension von: PatchcopDie beiden Freunde Clete und Dave wollen eigentlich in Montana etwas ausspannen, aber mehrere Morde in ihrer Umgebung führen dazu, dass sie sich bald mitten in den Ermittlungen des Sheriffs und des FBI befinden.
In zunächst parallel laufenden Stories geht es um einen flüchtigen Strafgefangenen, einen für tot gehaltenen Mafiosi, eine kriminelle Familie, kaputte Typen, alles gerät immer näher zusammen bis die verschiedenen Stränge sich am Ende verbinden.
Mir hat das Buch viel Spaß gemacht. Es war spannend bis zum Schluss, ließ sich sehr gut lesen und hatte einen permanent hohen Spannungsbogen.
- James Lee Burke
Mein Name ist Robicheaux
(3)Aktuelle Rezension von: GwhynwhyfarDer erste Satz: «In melancholischen Momenten, wenn ich das Gefühl habe, dass das Leben auf dieser Erde zu viel für uns ist und wir schon bald von unserer Macht, alles zu bekommen und zu verschwenden, ausgelöscht werden, fühle ich mich wie ein Dichter des frühen 19. Jahrhunderts dazu genötigt, eine Pause einzulegen und meine Erfahrungen mit den Toten zu reflektieren und wie sie unser Leben beeinträchtigen.»
Der 21. Robicheaux. Lee Burke ist mittlerweile 83 Jahre alt und er kann es noch immer! Jeder dieser epischen Krimis ist ein gewaltiges Werk – aber dieser hier umfasst 563 Seiten, dazu als Bonbon eine Erzählung – zusammen 600 Seiten!
Dave Robicheaux wird dieses Mal des Mordes verdächtigt. Der Mann, der der Unfallgegner seiner Frau war, bei dem sie durch den Crash ihr Leben lassen musste, ist tot – übel zugerichtet und Robicheauxs Fingerabdrücke kleben auf der Autofensterscheibe des Opfers. Helen Soileau, die Vorgesetzte von Dave glaubt nicht, dass er dazu fähig ist. Dave selbst ist sich nicht ganz sicher. Er ist Alkoholiker, eigentlich lange trocken, doch das ein oder andere Mal wird er rückfällig. Wie in dieser Nacht. Er hatte sich die Kante gegeben, kann sich an nichts mehr erinnern. Sein bester Freund Clete Purcell, Privatdetektiv, ist sich sicher: Jemand will Dave loswerden, denn, «Dein Krieg war immer einer, den du gegen dich selbst geführt hast, nicht gegen andere.» Steckt der halbseidene Kollege Labiche dahinter, der gern Daves Stuhl einnehmen würde? Rowena, Gattin des bekannten Südstaatenautors Levon Broussard zeigt einen Lokalpolitiker an, sie vergewaltigt zu haben, Nightingale, der für den US-Senat kandidiert. Der streitet das vehement ab. Einer von beiden lügt. Doch beide machen einen glaubwürdigen Eindruck. Wer will hier wem warum etwas ankreiden? Nebenbei schleicht ein auffälliger Mann unauffällig durch New Iberia, einen mit einem Stapel Karteikarten in der Hand, um seine Auftragsmorde abzuarbeiten. Nur nach welchem Schema geht er vor? Scheinbar gibt es keins.
«Ich blickte auf die Eichen, das Moos, das vom Wind angehoben wurde, den lilafarbenen Staub, der von einem Zuckerrohrfeld aufwirbelte und den Bayou Tech, der in der Sonne glitzerte wie ein byzantinisches Schild. La Louisiana, die Liebe meines Lebens, die Heimat des Jolie Blon und Evangeline und der Hure Babylon, der Ort, für den ich sterben würde, der Ort, für den es keine Antwort gab und keine Heilung.»
Louisiana, früher ein reiches Land der Plantagen, Fischerei, Austernbänke, Shrimps – gebeutelt durch die Ölkatastrophe und Kathrina, kreolisch geprägt. Ein Land der zauberhaften Natur, Bayous, Mangrovenwälder. Aber gleichzeitig ein Land, das von Armut und Gewalt geprägt ist. Drogenbosse, Huren, korrupte Politiker und Polizisten – mächtige weiße Männer mit Südstaatenmentalität, Gewalt gegen Frauen und nichtweiße Ethnien. Dave Robicheaux kämpft für Minderheiten, für Arme, für Unterdrückte – nicht immer gesetzeskonform, aber stets für die Gerechtigkeit. Er ist von seiner Sucht getrieben, kann meist widerstehen. Kein Wunder, dass James Lee Burke die Sucht so gut beschreiben kann: Er ist selbst Alkoholiker. Die Charaktere in seinen Roman sind nie eingeteilt in gut und böse, denn dieses Klischee steckt in keinem Menschen. Er geht tief in seine Protagonisten und Antagonisten hinein, stellt sie menschlich dar, ergründet sie: Du bist das, was das Leben aus dir macht plus erbliche Anlagen.
«Die Welt in der sie aufgewachsen sind, ist heute nur noch eine verfallene Erinnerung … aber viele von ihnen haben keinen Platz in der Gegenwart. … Hier gibt es Leute, die nicht addieren und subtrahieren, keine Zeitung lesen können und nicht wissen, was der Ausdruck ‚9/11‘ bedeutet. Über 40 Prozent der Kinder kommen unehelich zur Welt. … Unsere Politiker sind eine Peinlichkeit und geben Habgier und Verlogenheit einen schlechten Namen. … Wie soll man also wütend auf Menschen sein, die arm geboren wurden, so schlecht Englisch sprechen, dass sie für Außenstehende völlig unverständlich sind, das Weltbild und die Glaubensüberzeugungen von mittelalterlichen Bauern besitzen, sich mit Putzen Geld verdienen und fettleibig werden wegen völlig ungesunder Massenlebensmittel, für die sie auch noch dankbar sind?»
Aus James Lee Burks Romanen spricht seine Liebe für Louisiana und gleichzeitig seine Verachtung für die Politik des Landes, die nur eine Gruppe der Gesellschaft unterstützt, mit den Drogenbaronen nicht aufräumt. Früher holte man die Polizei wegen Alligatoren, die sich im Pool tummelten, die das Fleisch vom Grill stibitzten, weil jemand Möbel in den Bayou entsorgte – heute sieht die Welt anders aus. Die Cops machen ihren Job gerne und die meisten machen ihn gut, aber «ein Drittel sind Menschen, denen man besser keine Macht über andere gegeben hätte.» Dave Robicheaux ist in diesem Noir-Krimi Ermittler beim Sheriff-Departement in New Iberia in Louisiana, berichtet aus der Ichperspektive, «Ich hegte Gefühle, die kein Christ je haben sollte. Dennoch waren es meine. Ich besaß sie.» An einigen kurzen Stellen wechselt in andere personale Perspektiven oder sogar auch einmal in die auktoriale Perspektive. Man muss die literarische Art und Weise Krimis zu schreiben lieben. Wer sie für sich entdeckt hat, den wird James Lee Burke nicht mehr loslassen.
James Lee Burke, 1936 in Louisiana geboren, wurde bereits Ende der 1960er Jahre als neue Stimme aus den Südstaaten gefeiert. Mitte der 1980er Jahre begann er Kriminalromane zu schreiben, in denen er die unvergleichliche Atmosphäre von New Orleans mit starken Geschichten verbindet. Er wuchs an der Golf-Küste auf, schlug sich nach dem Studium mit diversen Jobs durch, u. a. bei einer Ölfirma, als Journalist, Englischdozent und Sozialarbeiter. Burke schrieb 26 Kriminalromane, Kurzgeschichten und wurde mit zahlreichen Preisen bedacht, wie z. B. zwei Mal mit dem Edgar Allan Poe Award und mehrfach mit dem Hammett Prize sowie mit einer Nominierung für den Pulitzer-Preis. Seinen internationalen Durchbruch hatte er mit der Krimi-Reihe um den Polizisten Dave Robicheaux. Innerhalbdieser Reihe veröffentlichte Burke seit 1987 insgesamt 22 Bände. Burke wurde mehrfach mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet, zuletzt 2015.
Zwei davon wurden als Krimis verfilmt: Mississippi Delta – Im Sumpf der Rache (Originaltitel: »Heaven’s Prisoners«) mit Alec Baldwin in der Hauptrolle und »Mord in Louisiana« (Originaltitel »In the Electric Mist …«) mit Tommy Lee Jones und John Goodman.
https://literaturblog-sabine-ibing.blogspot.com/p/mein-name-ist-robicheaux-von-james-lee.html
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