Bücher mit dem Tag "dostojewski"
56 Bücher
- Fjodor Michailowitsch Dostojewski
»Das drucken Sie aber nicht!«
(493)Aktuelle Rezension von: Anke_KuehneTolles Buch, ich bin nachhaltig beeindruckt!!! Dostojewski schrieb es vor über 150 Jahren und er ist moderner als viele Politiker heute… Sprachlich ist es sperrig und brillant. Außerdem war mir diese russische Epoche bislang unbekannt, ich habe viel gelernt.
- Fjodor M. Dostojewski
Die Brüder Karamasow
(253)Aktuelle Rezension von: Lesung_vor_achtDer obligatorisch beste Roman aller Zeiten (Sigi Freud) gleicht einem elefantösen Mammutbrocken. Das rund 1242 Seiten lange Familienepos schildert auf theologischer und psychologischer Ebene den Niedergang einer Familie als exemplarisches Beispiel für das alte Russland. Rein inhaltlich handelt es sich zweifelsohne um ein Meisterwerk. Gewohnt scharfsinnig analysiert Dostojewskij die verschiedenen Milieus und weitet seinen Roman zu einer gewaltigen Gegenwartsstudie aus. Dass es sich trotzdem um ein zeitloses Werk handelt, zeugt von seinen philosophischen Kompetenzen.
Wie gern würde ich fünf Sterne vergeben! Aber angesichts der Schwächen des Romans kann ich mir das nicht leisten.
So scharfsinnig Dostojewskij sich mit Theologie und Psychologie auseinandersetzt, so klobig geraten seine Dialoge. Die Handlung des Buchs wäre schnell erzählt, aber aufgrund der haarsträubend überlangen Reden und unnötig detaillierten Monologe (die schon eher an ein Theaterstück erinnern) ähnelt das Buch eher einer Karikatur seiner selbst. Dostojewskij scheint es gänzlich unmöglich zu sein, präzise und genau zu formulieren - er schweift ab, entschuldigt sich durch den Mund seiner Figuren und setzt im nächsten Atemzug zum nächsten Monolog an. Er überlässt nichts der Fantasie. Ähnlich wie Umberto Ecos Werke legt sich auch dieses Buch bereits selbst aus, sodass man sich als Leser nur noch bequem für eine Sichtweise zu entscheiden hat (im Fall der Gerichtsverhandlung für einen der Erzrivalen Kirillowitsch oder Fetjukowitsch). Philosophisch vertreten sind dabei Idealismus (Aljoscha), Zynismus (Iwan), rationaler Materialismus (Kolja Krassotkin), Hedonismus (Fjodor Pawlowitsch), usw. Der angebliche Mörder Mitja steht für das alte Russland und Smerdjakow tritt als ideologisches Opfer Iwans auf. Iwan erkennt in sich selbst den Teufel.
Das Buch ist ein Meisterwerk. Aber eben ein Meisterwerk mit dramaturgischen Schwächen.
- Fjodor M. Dostojewski
Der Idiot
(285)Aktuelle Rezension von: HenrikeSchwennIn den 1860ern kehrt der junge Fürst Myschkin nach Sankt Petersburg zurück, nachdem er aufgrund seiner Epilepsie lange in einer Schweizer Klinik gelebt hat. Er bemüht sich, Kontakte zu knüpfen und sich eine Existenz aufzubauen, doch sein Mitgefühl für die umschwärmte und verachtete Nastssja Filipowna wird ihm schließlich zum Verhängnis.
Dieses Buch war in mehrerer Hinsicht schwere Kost. Ich fand es größtenteils sehr schwer und langatmig zu lesen, da für die fast 900 Seiten kaum etwas passiert. Myschkin ist ein eher passiver Protagonist, der die Dinge meist einfach geschehen lässt. Genau diese Tatenlosigkeit vermittelt aber sehr gut das allgegenwärtige Gefühl von Ohnmacht. Myschkin glaubt an das Gute im Menschen und will ihnen helfen, doch weder hat er die Fähigkeit dazu, noch wollen die Betroffenen überhaupt Hilfe annehmen. So fängt das Buch perfekt das Gefühl ein, hilflos der Selbstzerstörung eines Menschen zusehen zu müssen, der einem am Herzen liegt. Dabei ist nur schade, dass fast alle wichtigen Momente zwischen Myschkin, Nastassja, und ihrem Verehrer Rogoschin im Hintergrund stattfinden und ich keine richtige Beziehungen zu ihnen aufbauen konnte.
Was mich bei der Stange gehalten hat und mir am stärksten im Gedächtnis geblieben ist, ist die dichte, beunruhigende Stimmung. Die russische Oberschicht verbirgt unter ihrem trägen Luxusleben eine hässliche Fratze: Alles läuft über Beziehungen und jeder will sich mit den richtigen Leuten gutstellen, um seine Position zu sichern. Wer Pech hat oder in Ungnade fällt, kann jederzeit abstürzen, was buchstäblich zum Tod führen kann. Menschen, die nicht hineinpassen, werden wie die Pest gemieden, weil der Umgang mit ihnen wie ein Makel abfärbt. Das bekommt auch Myschkin aufgrund seiner geistigen Behinderung zu spüren, wenn es ihm auch nicht bewusst wird. Am schlimmsten wird aber Nastassja Filipowna mitgespielt. Ihr reicher Ziehvater hat ihre Notlage als Waise ausgenutzt, um sie zu manipulieren und zu missbrauchen, was sie schwer traumatisiert hat. Während er ungestraft bleibt, wird die von der Gesellschaft verachtet, weil sie keine Jungfrau mehr ist.
Die besondere Verbindung zwischen Myschkin und ihr entsteht dadurch, dass er sie als einziger als das Opfer in dieser Geschichte erkennt, das Hilfe braucht. Anstatt andere zu verurteilen, hat er Mitgefühl mit allen. Sein Vertrauen in das Gute macht ihn unvorsichtig. In der Oberschicht hat er keine Chance.
Vor diesem Hintergrund hat mich beeindruckt, wie mitfühlend Dostojewski über seine Hauptfiguren schreibt, die unter der Unwissenheit und Verachtung ihrer Umgebung leiden. Myschkin erkennt zwar, dass Nastassja unter einer psychischen Krankheit leidet, kann aber natürlich nicht wissen, welche das ist und was man dagegen tun könnte.
Insgesamt eine traurige Geschichte von Figuren, die von Anfang an keine Chance hatten. Sie hätte mir wahrscheinlich besser gefallen, wenn sie die wichtigen Handlungspunkte in den Vordergrund gerückt hätte. Außerdem vermisse ich die pure Bosheit und Düsternis, die ich an Dostojewskis anderen Büchern so geliebt habe. Seine charakteristische Stimmung, die jede Szene jederzeit eskalieren lassen könnte, gibt es aber auch hier.
- Stefan Zweig
Sternstunden der Menschheit
(207)Aktuelle Rezension von: Timo_JancaManch ausgewähltes Ereignis mag bekannt sein, jedoch versteht es Stefan Zweig die Geschichten emotional und mit tiefer Anteilnahme zu begleiten. Ihn interessieren die persönlichen Beweggründe und was die Betroffenen in der Stunde des Schicksals empfunden haben. Detailverliebte Beschreibungen und dramatische Sprache lassen u.a. die Entdeckung zweier Ozeane oder eine Episode aus Goethes Leben vor dem geistigen Auge lebendig entstehen.
- Marianna Butenschön
Die Hessin auf dem Zarenthron
(12)Aktuelle Rezension von: Ladybella911Eine hessische Prinzessin heiratet aus Liebe den Thronfolger von Russland und wird zu einer mächtigen, vom Volk verehrten und geachteten Kaiserin Russlands.
Was mit einer Liebesheirat begann sollte 40 Jahre Bestand haben, aber glücklich wurde Maria Alexandrowna, wie sie nach ihrer Heirat genannt wurde, nicht, obwohl sie ihrem Mann acht Kinder gebar.
In unserem Bewußtsein ist sie nicht verankert, sie war eine Frau, die mehr im Hintergrund agierte, was einerseits ihrer Schüchternheit andererseits der Tatsache, dass am Zarenhof ein äußerst strenges Hofzeremoniell herrschte, zuzuschreiben ist.
Sie scheint ihren Mann, der als Zar Alexeander II. In die Geschichte einging, sehr geliebt zu haben, negierte sie doch seine Affären und langjährige Geliebten.
Es ist eine ungeheure Fülle an Informationen, die uns die Autorin, Marianna Butenschön, hier präsentiert, und man ist oftmals verwirrt beim Lesen, vor allem was die vielfältigen verwandtschaftlichen Beziehungen angeht, sehr oft begegnen uns die gleichen Namen , aber es sind unterschiedliche Personen.
Sehr hilfreich sind daher die Bibliographie sowie eine Zeittafel und ein Glossar, welche sich im Anhang befinden, dies vereinfacht die Lektüre ungemein. Schön auch die Bilder in der Mitte des Buches, welche uns einen Eindruck der damals herrschenden Mode geben. Dass sich das Leben des Adels zur damaligen Zeit in äußerst prunkvoller Umgebung abspielte, ist hinreichend bekannt, und man weiß um die zunehmende Unzufriedenheit des Volkes, die sich diese verschwenderische Lebensart nicht länger ansehen wollte.
Es ist der Autorin bestens gelungen, hier nicht nur ein wissenschaftliches Sachbuch zu schreiben, sondern auch, durch das Einflechten kleiner Anekdoten, die von Zeitzeugen berichtet wurden, ein sehr lebendiges Bild von der Kaiserin, ihrer Familie und ihrem Leben zu schaffen.
Ein beeindruckendes Buch, welches ich Liebhabern, die gerne gut recherchierte Biographien lesen, ans Herz legen möchte.
- Fjodor M. Dostojewski
Der Spieler
(286)Aktuelle Rezension von: black_cat595Vibes:
🔸Sprachlich gekonnt
🔸kritisch
🔸Spielsucht
🔸provokativ
Zunächst möchte ich erwähnen, dass man stellenweise wirklich den Wunsch hegt man möge doch die französische Sprache beherrschen, da einige Abschnitte mit vielen französischen Sätzen und Aussprüche gespickt waren und das ohne Übersetzung. Das Verständnis des Geschehens ist dadurch nicht beeinträchtigt gewesen, aber insgesamt ist es dennoch ein unschönes Gefühl.
Die Geschichte selbst ist unfassbar gut aufgebaut und geschrieben. Die Charaktere werden am Anfang etwas überfallartig vorgestellt und es ist ein wenig anstrengend da den Überblick zu behalten. Aber die Beziehungen zueinander werden oft wiederholt und so wird man nie abgehängt. Zusammen mit dem Hauptcharakter kann man dann die Verwicklungen der Beziehungen der Charaktere untereinander aufdecken und versteht so mit jeder neuen Seite mehr von dem was eigentlich vor sich geht.
Ein zentrales Element ist in der Geschichte das Roulette. Es wird absolut überzeugend und gekonnt dargestellt. Nicht nur der Ablauf selbst, sondern auch die Sogwirkung, die diese Sorte von Spiel ausübt.
Spätestens am Ende der Geschichte waren die Rollen der meisten Charaktere größtenteils klar. Diese wurden im Verlauf zusammen mit dem Hauptcharakter aufgedeckt, um die Verwicklungen untereinander besser zu verstehen.
Insgesamt ein sehr gelungenes Werk, dass mich begeistern konnte!
- Fjodor M. Dostojewski
Weiße Nächte. Ein empfindsamer Roman. Aus den Erinnerungen eines Träumers
(200)Aktuelle Rezension von: black_cat595Vibes:
🔸Emotional
🔸Berührend
🔸Mitnehmend
🔸Sprachlich gekonnt
Der Autor nimmt uns hier mit in einige wenige Begegnungen des Hauptcharakters mit einer jungen Frau. Der Hauptcharakter ist ein einsamer Mann, der keine Kontakte im Leben hat und so von Tag zu Tag verschiedenen Wunschvorstellungen nachgeht. Doch dann trifft er bei einem seiner Spaziergänge durch die Stadt auf eine junge Frau, die scheinbar eine emotionale Krise durchmacht und er versucht ihr zu helfen. Schnell wird klar, dass sich die beiden ausgezeichnet verstehen und sich wieder sehen wollen. Nach und nach decken sie Elemente über das Leben des jeweils anderen auf. Wird das seine erste echte Beziehung zu einem anderen Menschen?
Die Geschichte hat mich sehr berührt. Der Schreibstil, die Charaktere, die Beschreibungen; einfach alles liefert eine so gekonnte Darstellung, dass ich die Geschichte mit Eifer und Spannung verfolgt habe. Die Emotionen der Charaktere kommen wirklich überzeugend und greifbar rüber und man setzt sich parallel unweigerlich auch mit dem ein oder anderen tiefgründigen Thema auseinander.
Die Geschichte ist insgesamt wirklich gut und trotz der Kürze so voller Inhalt, dass es einfach Spaß gemacht sie zu lesen.
- Fjodor M Dostojewskij
Onkelchens Traum
(16)Aktuelle Rezension von: TanoDostijewski ist mit diesm Buch ein großer Wurf gelungen.
Unbedingt noch lesenswert
- Fjodor M. Dostojewski
Die Dämonen
(80)Aktuelle Rezension von: the_eastern_frontNach "Schuld und Sühne" ist es das zweite Buch, welches ich jemals von Dostojewski gelesen habe ... und ich muss sagen, ich kann mich nicht entscheiden on ich es lieben oder hassen soll.
Ich habe selten ein Buch gelesen in dem so viele unterschiedliche Charaktere aufeinander treffen. Manche von ihnen habe ich innig geliebt wie z.B. Nikolai Stawrogin mit seiner unglaublich vielschichtigen Art und seinen tausend Facetten, andere Charaktere wie der wehleidige, ewig jammernde Stepan Trofimowitsch haben mich schier verzweifeln lassen und mir den letzten Nerv geraubt. Mit manchen habe ich ein tiefes Mitgefühl empfunden (Marija Lebjadkina) und über die Denk- und Sichtweisen einiger (Kirillow) musste ich ernsthaft nachdenken.
Wer sich ein wenig mit der Geschichte Russlands befasst hat, dem ist nach wenigen Seiten klar, dass dieses Buch ein perfektes Abziehbild der damaligen gesellschaftlichen, politischen und sozialen Situation ist. Intrigen, Politik, Macht, Religion, Liebe ... von A bis Z ist alles geboten und wahrscheinlich hätte man diesen Roman noch endlos fortsetzen können ohne wirklich zum Ende zu kommen.
Nichtsdestotrotz hatte ich bei diesem Buch das Gefühl, dass die Schilderung der Handlung an einigen Stellen unnötig aufgebläht und in die Länge gezogen war. Für dieses Stück Weltliteratur braucht man definitiv einen langen Atem und darf vor langwierigen Diskussionen über Gott und Mütterchen Russland nicht zurückschrecken.
Ich kann jedoch nicht behaupten, dass ich bereue es gelesen zu haben ... jede einzelne, liebevoll gestaltete Figur in diesem Buch ist es wert, dass man sie kennenlernt. Für jeden Leser, der mit den Klassikern der Weltliteratur etwas anfangen kann, bietet dieses Buch definitiv einen Mehrwert.
- Peter Bieri
Das Handwerk der Freiheit
(26)Aktuelle Rezension von: glowinggloomÜber die Entdeckung des eigenen Willens. 400 Seiten Philosophie zum Thema Willensfreiheit, fatalistische Vorherbestimmtheit, die Idee der Verantwortung, den Alptraum des unbedingten freien Willens, das Verstehen, wie sich Freiheit und Unfreiheit im Rahmen universeller Bedingtheit unterscheiden. Es kommt für die Freiheitserfahrung des Willens, nicht auf tatsächliche, sondern auf vorgestellte Möglichkeiten an, nicht auf die Welt, sondern die Phantasie. Die Freiheit des Willens ist etwas, was man sich erarbeiten (aneignen) muß. Diese Aneignung hat drei Dimensionen: Artikulation, Verstehen und Bewertung des eigenen Willens. Das Selbst ist etwas, das sich durch die Aneignung herausbildet. Das Abbröckeln alter Bewertungen und vermeintlicher Einsichten, den Willen betreffend und das Entstehen neuer Strukturen gleicht eher einer geologischen Umschichtung als einem planvollen Spiel. Man gerät stets von neuem in Strudel des Erlebens, die einen im Willen taumeln lassen und dazu zwingen, die Anstrengung der Aneignung zu unternehmen. Ob solche Anstrengungen je dazu führen, daß unser Wille die volle Transparenz und Stimmigkeit erreicht, ist zweifelhaft. Vielleicht ist Willensfreiheit in ihrer vollkommenen Ausprägung, eher ein Ideal als eine Wirklichkeit. - Fjodor M. Dostojewski
Der Spieler
(37)Aktuelle Rezension von: lesemausIn Roulettenburg treffen Menschen aufeinander, die Geld- und Liebesprobleme haben. Aber auch gleichzeitig mit Menschen spielen.
Jeder aus der Geschichte versucht mit dem Spielen viel Geld zu machen, was in den meisten Fällen nicht geschah. Eines Tages trifft die Nachricht ein, dass die Erbtante vom General das Zeitliche gesegnet hat, aber dies ist nicht der Fall. Denn einige Tage später trifft sie putzmunter und voller Energie in Roulettenburg ein. Und gemeinsam mit Aleksej Iwanowitsch, der der Hauslehrer vom General ist, spielt und gewinnt sie im Casino viel Geld. Aleksej liebt Polina unsterblich und macht alles um ihre Liebe zu gewinnen, sie aber nutzt ihn nur aus. Wie die einzelnen Geschichten der Beteiligten ausgeht, verrät das Buch.
Mir hat das Buch nicht viel mitgeben können, so dass ich sehr enttäuscht das Buch beendet habe. Mich hat auch der Schreibstil nicht überzeugend können, so dass ich dieses Buch leider nicht weiterempfehlen kann. - Fjodor M. Dostojewski
Aufzeichnungen aus dem Kellerloch. Textausgabe mit Anmerkungen und Nachwort
(119)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDostojewskij hat mit den „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ ein Meisterwerk der literarischen psychologischen Studien geschaffen. Und das sicher nicht nur, weil Nietzsche sie als eben diese würdigte. Dostojewskij hat einen Protagonisten entworfen, der die Persönlichkeitsbeschreibungen Erich Fromms zum sadomasochistischen Charakter vorweggreift, besser bekannt als der autoritäre Charakter. Im Alltagssprachgebrauch ist die Radfahrermentalität eingegangen: nach oben buckeln nach unten treten.
Dostojewskij beschreibt die gesamte F-Skala, wie sie Adorno et al in den 50er Jahren, also etwa 90 Jahre später, entwarfen. Die Verabscheuung des Weiblichen, des Schwachen und die Verehrung alles Mächtigen, Starken, Kriegerischen. Und wie Diederich Heßling im Untertan, so bewundert auch Aufzeichnende im Keller, die Offiziere, das Militär, das Autoritäre. Und zugleich verachtet er seine Unterlegenheit, seine Minderwertigkeit.
Die Bedeutungs- und Sinnlosigkeit des eigenen Selbst bricht sich in Wut und Hass Bahn. Sie richtet sich gegen sich selbst und gegen die noch Schwächeren. Denn das eigen Schwache muss externalisiert werden. Selten wurde es so eindringlich beschrieben, wie im zweiten Teil der Aufzeichnungen. „Ohne Macht und Tyrannei über einen Anderen kann ich nicht leben.“ Der Vernichtungswille des autoritären Charakters, der die Gründe für das eigene Scheitern ausschließlich bei anderen sucht. Und diese anderen müssen leiden, mehr leiden, als er es selbst getan hat.
Es ist die literarische Vorwegnahme des Wutbürgers. Ein Lehrstück, das zur Pflichtlektüre gehört. - Ursula Ludz
Wie ich einmal ohne Dich leben soll, mag ich mir nicht vorstellen
(21)Aktuelle Rezension von: Cornelia_RuoffWIE ICH EINMAL OHNE DICH LEBEN SOLL, MAG ICH MIR NICHT VORSTELLEN“ VON HANNAH ARENDT
1. KLAPPENTEXT
Freundschaft, so Arendt in ihrem Denktagebuch, gehört zu den »tätigen Modi des Lebendigseins«, und Briefe sind deren herausragende Zeugnisse. Dieser Band versammelt weitgehend unveröffentlichte Briefwechsel der politischen Philosophin mit ihren langjährigen Freundinnen Charlotte Beradt, Rose Feitelson, Hilde Fränkel, Anne Weil-Mendelsohn und Helen Wolff. Neben den gemeinsamen Projekten prägte die Freundschaften auch, dass alle Frauen die Wirklichkeiten von Emigration und Immigration kannten. Die Briefwechsel führen mitten hinein in Arendts Gedanken- und Arbeitswelt, sie erzählen Privates und Alltägliches aus fünf sehr unterschiedlichen, intensiv gelebten Freundschaften.
2. ZUR PERSON HANNAH ARENDT
1924 lernte Hannah Arendt in Marburg Martin Heidegger kennen. Sie hatte ein Verhältnis mit den 16 Jahre älteren Familienvater. 1926 wechselte sich nach Freiburg zu Edmund Husserl und dann nach Heidelberg zu Karl Jaspers. Bei ihm promovierte sie über den „Liebesbegriff bei Augustin“. Auch Hans Jonas arbeitete dort über Augustinus.
Hannah Arendt heiratete Günther Stern bzw. Anders (Die Antiquiertheit des Menschen). Das Ehepaar flüchtete 33 nach Berlin. Dort wurde Hanne Arendt durch die Gestapo festgenommen und acht Tage inhaftiert. Heidegger trat im gleichen Jahr der NSDAP bei. Hannah Arendt erlebte somit selbst die „Entfremdung von Feinden“. Sie emigrierte ohne Papiere nach Paris. 1937 ließ sich das Ehepaar Arendt/Stern scheiden.
1937 wurde ihr die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. In Paris war sie Teil der Gruppe (Walter Benjamin, Erich Cohn-Bendit und Kurt Heidenreich und weitere) um Heinrich Blücher, ihren früheren Kommilitonen, den sie 1940 heiratete.
Im gleichen Jahr wurde das Ehepaar zusammen mit anderen interniert. Sie galten als feindlichen Ausländer. „Freunde internieren dich, Feinde schicken dich ins Konzentrationslager“.
Sie konnten flüchten und reisten über Lissabon aus. Walter Benjamin tötete sich selbst. In New York fand das Ehepaar eine Heimat. Hannah Arendt betrachtete sich selbst als „Amerikanerin“.
Eine wichtige Rolle fand sie als als Reporterin der Zeitschrift „The New Yorker“ in Israel beim Eichmann Prozess. Daraus gingen Reportagen und auch eines ihrer bekanntesten und bis heute umstrittesten Werke „Die Banalität des Bösen“ hervor Sie polarisierte. Dies und ihre Darstellung der Rolle der Judenräte eckte vor allem in Israel außerordentlich an. Langjährige Freunde wie Blumenfeld wandten sich von ihr ab. Ich empfehle hierzu den Film „Hannah Arendt“ von Margaretha Trotta mit Barbara Sukova.
Der interessierte Leser entdeckt in diesem Film auch Charlotte Beradt und lernt ein wenig vom „Mythos Hannah Arendt“ kennen. Das Buch zum Film findest du auch bei Piper, sowie zahlreiche weitere Bücher zum Thema oder von Hannah Arendt3. ZUM INHALT
Ich habe Hannah Arendts Leben im vorigen Punkt zusammengefasst, weil es mir wichtig erscheint, was in ihrem Umfeld geschah, wo sie war, welche Erfahrung sie gemacht hat und in welcher Gefahr sie schwebte. Sie lebte viele Jahre damit, verfolgt zu werden, verlor Freunde an das System. Nur so kann man ermessen, welche Bedeutung „Freundschaft“ für Hannah Arendt hat. Nachzulesen in ihrem „Denktagebuch“.
Die Herausgeberinnen Ingeborg Nordmann und Ursula Lutz editierten die Briefen hervorragend und immer unter Arendts Begriff der Freundschaft. Namen wie Karl Jaspers, Martin Heidegger oder Blumenfeld kennt der Leser im Zusammenhang zu Hannah Arendt. Die Absenderinnen der hier veröffentlichten Briefe sind weniger bekannt. Deswegen gefallen mir die kurzen Biografien der Damen zur Einführung. Es sind private Briefe.
Die Briefe sind von unterschiedlichen Freundinnen, die mit ihr gemeinsam den Status der „Verfolgten“ hatten.
Ich war enttäuscht, dass es sich nur bei Hilde Fränkel um einen Briefverkehr handelt, bei den anderen sehen wir die Briefe der Freundinnen, aber wenig von Hannah Arendt. Dennoch zeigen die Briefe, in in welchem Verhältnis Hannah Arendt zu ihnen stand. Allerdings sagen die Briefe weniger über Hannah Arendt aus als über die Zeit, das Leben in dieser Zeit und über die Freundinnen.
5/5 Punkten
4. BRIEFE VON
Rose Feitelson (Briefe 1952 bis 1963) und Helen Wolff Briefe 1954. Der nachfolgende Briefverkehr, wenn auch einseitig, ist wirklich sehr intim, besonders die Briefe von oder an Hilde Fränkel haben mich sehr berührt und ich fühlte mich als unerwünschter Lauscher.
ANNE WEIL (BRIEFE 1945 BIS 1975)
160 Seiten an Briefen. Anne Weil ist die Jugendfreundin aus Königsberger Zeiten. Arendt bezeichnet ihre Beziehung zu Anne sei „wie ein warmes Tuch über den Schultern“. Es war eine sichere beständige Freundschaft ohne Risiken.
HILDE FRÄNKEL (BRIEFE 1949 BIS 1950)
Hilde Fränkel bekämpft zu dieser Zeit mit Tapferkeit ihre Krebserkrankung.
Der Ton ist der völlige Gegensatz zu Anne Weil:
Die Briefe von Hilde Fränkel sind voll stürmischer Gefühle.Fränkel zu Arendt: „Du bist der einzige Mensch in meinem Leben, zu dem ich voll und ganz ja sage. Entweder fehlt das Menschliche oder das Geistige Du hast alles in vollstem Maße.“
Arendt antwortet: „Wie ich einmal ohne dich Leben soll, mag ich mir nicht vorstellen“.
Man braucht nicht viel Vorstellungsvermögen, um die Tiefe dieser Freundschaft zu empfinden. Das ist Liebe.
Aber wie gesagt, genau bei diesen Briefen kam ich mir, wie ein Voyeur vor.
CHARLOTTE BERADT (BRIEFE 1955 BIS 1976)
Charlotte Beradt hatte mit Heinrich Blücher, Arendts zweitem Ehemann, schon vor ihrer Freundschaft mit Hannah Arendt, ein Liebesverhältnis. Dies weitete sich zeitweise in eine „Menage a trois“ aus. Charlotte war die, die Blücher und Arendt ein Gefühl von Geborgenheit und Heimat gab. Sie sorgte für beide.
5/5 Punkten
5. COVER UND ÄUSSERE ERSCHEINUN
„Wie ich einmal ohne Dich leben soll, mag ich mir nicht vorstellen“ von Hannah Arendt, herausgegeben von Ursula Ludz und Ingeborg Nordmann hat 688 Seiten, einen festen Einband und ist am 01.12.2017 unter der ISBN 978-3-492-97837-8 bei Piper unter dem Genre Biografien erschienen und kostet 28,99 €.
Das Cover ist ein sehr apartes Foto der jungen Hannah Arend. In Interview aus den 60er oder 70er Jahren wirkt sie auf mich um einiges härter.
Die editorischen Notizen am Schluss des Buches und die Einführungen zu den unterschiedlichen „Briefwechseln“ gefallen mir gut. Man erfährt einige Eckdaten der Brieffreundinnen und erkennt die Gemeinsamkeiten oder auch Unterschiede, das erleichtert das Verständnis.5/5 Punkten
6. FAZIT
Die Briefe sind Zeitdokumente einer Zeit vor meiner Geburt. Die Briefe waren für mich Farbklekse auf eine Tabula rasa, einer leeren Tafel, deren Gesamtheit ein dunkles Abbild dieser Zeit mit kleinen strahlenden Punkten, die den Mut und die Tapferkeit im Alltag der Emigration und Immigration der Frauen darstellen.
Ich möchte betonen, dass diese Rezension keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit hat. Hannah Arendt hätte noch viele weitere Seiten Ausführung verdient, aber das würde den Rahmen sprengen. Deswegen dieser kleine Ausflug in „Hannah Arendts Welt“.
@netgalley und Piper
Vielen Dank für dieses bemerkenswerte Rezensionsexemplar! Die Briefe sind wahrlich Zeitzeugen!Ich vergebe insgesamt 5/5 Punkten.
Connie’s Schreibblogg https://schreibblogg.de
- J.M. Coetzee
Der Meister von Petersburg
(13)Aktuelle Rezension von: AmbermoonJ.M. Coetzee konstruiert in seinem Roman eine literarische Fiktion um Fjodor Dostojwskij: Ein alternder Schriftsteller namens Fjodor Michailowitsch reist 1869 von Dresden nach Petersburg, um die näheren Umstände des Todes seines Stiefsohnes Pawel zu erfahren. Ist Pawel von der zaristischen Polizei getötet worden, handelt es sich um Selbstmord, oder sind gar die Anarchistem um Sergej Netschajew für Pawels Tod verantwortlich? Der zwischen Trauer und Schuldgefühlen hin- und hergerissene Fjodor verstrickt sich zusehends in die Petersburger Verhältnisse, die die seines Sohnes waren und nun seine eigenen werden: Er zieht in Pawels ehemaliges Zimmer, schlüpft in dessen Anzug, stellt Pawels Wirtin, der sinnlichen Anna Sergejewna, nach und verbringt einige wilde, verzweifelte Nächte mit ihr. Coetzee schildert Euphorie und Alpdruck, die einem epileptischen Anfall vorausgehen, mit ebenso großem psychologischem Einfühlungsvermögen wie Fjodors vergebliche Versuche, den Tod des Sohnes zu verwinden. Die wahre Trauerarbeit leistet Dostojewskij schließlich schreibend: An Pawels Schreibtisch beginnt er, die ersten Seiten der "Dämonen" zu skizzieren.
Geschickt montiert Coetzee in seinem Roman immer wieder Orte, Situationen und Charaktere, die Assoziationen an Dostojewskijs Werk wachrufen oder an Episoden aus seinem Leben erinnern...(innerer Klappentext)
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Ich bin ein großer Fan der russischen Klassiker und allen voran von Dostojewskij. Daher war es für mich fast schon ein Muss zu diesem Buch zu greifen.
Der Autor J.M. Coetzee selbst, obwohl Literaturnobelpreisträgre, war mir bis dahin gänzlich unbekannt.
Nach dieser Lektüre wage ich es jedoch zu bezweifeln mich nochmals für ein Buch von ihm zu entscheiden.
Ich erwartete anspruchsvolle Literatur und anspruchsvoll war dieser Roman auch, jedoch eher für meine Nerven.
Die Handlung selbst wird im Großen und Ganzen schon im Klappentext beschrieben und mehr passiert auch nicht. Wobei dieses Manko eher dem Verlag zuzuschreiben ist - zu viel Information für dieses 255 Seiten Büchlein.
Der Autor selbst schafft es anfangs einfach nicht in die Gänge zu kommen und die Handlung scheint bereits auf den ersten Seiten festzustecken.
Der Grund - unsinnige und ohne Zusammenhang wirkende geistigen Ergüsse seitens Coetzee, die da z.B. wären:
"Er stellt sich vor, er kehrte zurück ins Ei - oder zumindest
in etwas Glattes, Kühles, Graues. Vielleicht ist es nicht
nur ein Ei, vielleicht ist es die Seele, vielleicht sieht die
Seele aus wie ein Ei."
Solche "Metaphern", die irgendwie aus dem Nichts entstehen, unterbrechen anfangs immerzu die Handlung.
Man benötigt als Leser also einen Batzen Geduld, bis die Handlung endlich Gestalt annimmt und sich einem ein Portrait des russischen Schriftstellers entfaltet.
Denn obwohl dieser Roman nur eine literarische Fiktion aus der Feder J.M. Coetzees ist (Dostojewskij kehrte erst 1871 von seiner Europareise nach Petersburg zurück und nicht bereits 1869. / Es wurde nicht Dostojewskijs Sohn Pawel ermordet, sondern ein russ. Student der dieser Naroduaja Rasprawa angehörte), weist er doch viele Parallelen bezüglich Dostojewskijs auf.
Dadurch entsteht ein Psychogramm des ständig getriebenen, komplizierten und an Epilepsie leidenden Schriftstellers mit Annäherung an dessen Werk "Dämonen"
Diese innere Zerrissenheit, dieses Wurzellose und die Prodromalphase eines Epilepsieanfalls, werden von Coetzee mit all seinen Facetten eingefangen und wiedergegeben. Dadurch erhält der Leser in gewisser Weise Einblick in Dostojewskijs Gefühlswelt und es wird verständlich, weshalb manche Werke einen wahnhaften Touch aufweisen.
Vom psychologischem Standpunkt aus betrachtet Top!
Vom Schriftstellerischem her eher mäßig.
Denn J.M. Coetzee schafft es manchmal nicht Handlungen vollständig zu Ende zu bringen, springt von einer Handlung zur nächsten und schweift zusätzlich in irgendwelche fleischlichen und sexuellen Szenarien ab, welche so gar nicht zum Rest passen wollen.
Bsp.: Im ersten Moment trauert Dostojweskij herzzereißend um seinen Sohn. Im nächsten Absatz überkommt es ihn wie aus dem Nichts und er macht sich an die Wirtin ran, welche sich jedoch ziert und sagt "Nicht jetzt!". Er schien sich mit der Abfuhr abgefunden zu haben und plötzlich tummeln sich die Beiden doch in den Lacken.
Wie die Beiden auf einmal im Bett landen konnten bleibt ein Rätsel.
Diese Handlungen bringt er aber zumindest immer zu Ende und beschreibt diese auch ausführlich.
Diese Sprunghaftigkeit durchzieht den Roman leider mit Konsequenz.
Zusätzlich kommt es häufig zu Längen, welche so überhaupt nicht enden wollen und die ebenfalls an des Lesers Nerven zerren.
Des Weiteren scheint der Autor das Prinzip des inneren Monologes nicht ganz verstanden zu haben.
Manchmal spricht Dostojewskij zu seinem Gegenüber, verfällt dann in einen inneren Monolog, um dann einfach, als hätte er dies Alles zu seinem Gegenüber gesagt, weiterzusprechen.
Die Gesprächspartner scheinen alle Hellseher zu sein, da sie auf diesen inneren Monolog sehr wohl eingehen.
Zudem kommt es vor, dass die Protagonisten ständig ihre Meinung und ihren Standpunkt ändern. Daher drehen sich manche Dialoge regelrecht im Kreis.
Fazit:
Manchmal war ich angetan von der Handlung und dem tiefen Einblick in eine ruhelose Seele. Doch dies wurde immerzu von den oben genannten Mankos unterbrochen und somit quälte ich mich teilweise durch diese 255 Seiten.
Ich für meinen Teil werde wohl in Zukunft nicht mehr so schnell ein Buch von J.M. Coetzee lesen und bleibe lieber den dicken Schicken von Dostojewskij, Tolstoi und Co treu, welche sich trotz der oft 1000 Seiten lange nicht so ziehen wie dieses dünne Büchlein. - Fjodor M. Dostojewski
Schuld und Sühne
(18)Aktuelle Rezension von: PongokaterLeider ist der Hörspiel-Titel, auf den sich diese Rezension falsch verlinkt, weshalb das Cover der Lesung von Gerd Wameling abgedruckt ist. Diese Hörspielfassung ist aber gerade denen zu empfehlen, die nach einer Kurzfassung dieses Klassikers suchen. Denn das Hörspiel destilliert den Gewissenskonflikt des Mörders, sein teilweise psychotische Verhalten auf das Trefflichste heraus. Dostojewski liefert die Umkehrung des Whodunnit-Prinzips. Die Frage ist nicht, wer der Mörder ist, sondern ob Raskolnikow als wirklicher Mörder entlarvt wird. Denn Raskolnikow bezichtigt sich (allerdings halbherzig und widersprüchlich) recht früh selbst als Mörder. Weltliteratur in meisterhafter Umsetzung.
- Fjodor M. Dostojewski
Die Dämonen
(3)Aktuelle Rezension von: KaterinaFrancescaIn einer russichen Provinzstadt brodelt es. Der Nihilist Nikolai Stawrogin, Sprössling einer reichen und einflussreichen Generalswitwe und der amoralische Pjotr Werschowenski, seines Zeichens Sohn des Protegees der Generalswitwe, sind in revolutionöre sozalistische Bestrebungen verstrickt und wiegeln auf diese Weise die leichtgläubigen und manipulierbaren Sympathisanten des Sozialimsuses auf. Ihre verbrecherischen und tollen Handlungen halten die Stadt in Atem und schrecken auch vor Mord nicht zurück.
Der Einstieg in Die Dämonen ist mir sehr schwergefallen, da es einige Kapitel in Anspruch nimmt, ehe die Geschehnisse um die beiden jungen Männer in den Mittelpunkt rücken. Im Zentrum steht am Anfang hingegen Stepan Werchowenski, Pjotrs Vater. Er ist eine denkbar anstrengende Figut, hat in seiner Jugend einst sozialistische anmutenden Vorlesungen gehalten und hält sich daher für wichtig. Sein pathetisches Auftreten ist eine Strapaze für die Nerven, in seinen Ergüssen fällt er immer wieder ins Französische und redet ohne Punkt und Komma. Die Beziehung zu seiner Gönnerin Wawara (Nikolais Mutter) ist denkbar komisch, da sie eisern über ihn herrscht und seit 20 Jahren für seinen Unterhalt aufkommt und ihn vor allem Unbill der Wirklichkeit abschirmt. Zentral ist er auch deshalb, weil er mit einer liberalen Halung das einzige Rollenvorbild für Nikolai und in geringem Maße für Pjotr war, von dem er lange Jahre getrennt lebte. Die revolutionären Agitationen, die vor allem von Pjotr initiiert werden nehmen in der Folge die unglaublichsten Formen an. Die fanatischen Theorien der Verschwörer bilden einen Mix aus Atheismus, blutiger Revolution, märtyrerhafter Selbstaufopferung und münden in ihrem Kreis in absolute Anarchie. Dabei konnte ich mir kaum einen Reim auf die Motive der beiden Protagonisten machen. Nikolai ist scheinbar ein Nihilist, dem alles egal ist, während Pjotr auch kein übereugter Sozialist ist, sondern viel mehr ein Spötter, der es liebt, Chaos zu stiften und der andere Menschen wie die Marionetten für sich tanzen lässt.
Dennoch gibt der Roman ein eindrückliches Bild von den geistigen Strömungen, ja Verwerfungen, des 19 Jahrhunderts. Die liberale und dabei völlig weltfremde und unselbständige Haltung Stepans steht in völligem Widerspruch zu den Intrigen und Verbechen seines Sohnes oder der vollkommenen Indifferenz Nikolais.
- Muriel Barbery
Die Eleganz des Igels
(38)Aktuelle Rezension von: MaFuDie Geschichte der Concierge Renee, die ihre Intelligenz hinter der Fassade der ruppigen Hausmeisterin verbirgt und ein geheimes Leben voller Wissen und philosophischer Überlegungen führt. Nicht immer einfach zu lesen bzw. zu hören, aber die Stimme von Katharina Thalbach passt so perfekt zu Renee, dass man glaubt, ihr gegenüber zu sitzen! Ihre Enkelin Anna Thalbach verleiht der 12jährigen Paloma ein Gesicht, die ihren Selbstmord plant. Geschichte und Hörerlebnis passen hier hervorragend zusammen!
- Haruki Murakami
Schlaf
(217)Aktuelle Rezension von: Sanne54Murakamis nur knapp 80 Seiten starkes Buch würde ich mit meinem Laienwissen über Literatur irgendwie am ehesten mit einer Novelle vergleichen. Die unerhörte Begebenheit: Die Protagonistin kann plötzlich nicht mehr schlafen. Als Ich-Erzählerin lässt sie uns an ihren Gedanken teilhaben und beschreibt den Zustand der ungewollten Schlaflosigkeit, die aber keineswegs mit Erschöpfung einhergeht. Die Mutter eines Grundschulkindes und Ehefrau eines Zahnarztes kreist ihr Alltag üblicherweise um die Pflichten einer Mutter und Hausfrau und erschöpft sich dabei in immer den gleichen Routinen. Dabei ist sie eine begabte Studentin im Bereich der englischen Literaturwissenschaften gewesen. Doch nun, mit nur 30 Jahren, sind die einzigen Gedanken, in denen sie sich mit sich selbst beschäftigt, der Aufgabe geschuldet, wie sie ihre gute Figur behalten kann. Die Schlaflosigkeit hat den positiven Effekt, dass sich nun ihr Geist und der die Routinen ausführende Körper voneinander trennen und ihr wieder die Muse geschenkt ist, die Dinge zu tun, die ihr früher viel bedeutet haben. So liest sie gleich mehrfach hintereinender "Anna Karenina". Alles in allem erinnerte es mich an den Boreout eines unterforderten Geistes.
Die surreale Seite wird v.a. durch die zahlreichen Illustrationen betont, die durch die Farbgebung, aber auch durch die spezielle Komposition ins Auge stechen: Nicht selten sind technisch-naturwissenschaftliche Elemente mit greifbarer Natur (in Form von Flora und Fauna) mit Ausschnitten des Körpers der Protagonistin verwoben. Auch die Farbgebung hat diesen speziellen "Traum-Touch", v.a. durch die Verwendung der Farbe Silber (was mich immer an Mondlicht erinnert) in Verbindung mit dunklen Tönen. Insgesamt ist das Buch sehr hochwertig, nicht nur inhaltlich, sondern auch von der Optik und Haptik.
Wie die Illustrationen pendeln auch die beschriebenen Szenen zwischen Realität und Traumwelt. Murakami hat eine spezielle, kunstvolle Art, seine Figuren auf die Reise zu schicken. Nicht nur aufgrund seines geringen Umfangs ist dieses Buch für mich eine gute Empfehlung für alle, die mit dem Autoren langsam warm werden wollen.
Nur die letzte Szene fand ich ein wenig verwirrend und als Ende war sie für mich zutiefst unbefriedigend, wenngleich der Ausgang im Kern natürlich irgendwie auch konsequent ist.
- Fjodor M. Dostojewski
Der Doppelgänger. Textausgabe mit Literaturhinweisen und Nachwort
(53)Aktuelle Rezension von: Julian69420Das Buch hat mir an sich ziemlich gut gefallen. Es ist interessant geschrieben, und die Idee an sich hat mich sowieso gereizt. Wie bei vielen Büchern braucht die Geschichte aber leider ziemlich lang um wirklich loszugehen, was den Anfang ziemlich langweilig gemacht hat. Die Schreibweise ist natürlich etwas altmodisch, was mich aber nicht davon abhielt, das Buch zu genießen. Ich hatte mir schon die ganze Zeit gedacht, dass sich Herr Goljadnik den Doppelgänger wahrscheinlich nur einbildet, also war der Plot Twist am Ende leider keine große Überraschung für mich, trotzdem gefiel es mir, dass das Buch so trotzdem noch in der Realität blieb und sich nicht einfach irgendeine Gegebenheit ausgedacht hat.
- Fjodor M. Dostojewski
Tagebuch Eines Schriftstellers: Notierte Gedanken
(13)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerVeröffentlichung 1873 erstmalig veröffentlicht in der slawophilen Zeitschrift „Der Bürger“ (deren Redakteur Dostojewski zu dieser Zeit auch gewesen ist) Ab 1875/76 dann im Selbstverlag erschienen. Inhalt Das Tagebuch eines Schriftstellers ist kein Tagebuch im eigentlichen Sinne, sondern ein Periodikum, das Dostojewskis Betrachtungen zu Politik, Geschichte und Literatur beinhaltet. Faktisch ein Ein-Mann-Periodikum. Im selbigen veröffentliche Dostojewski ausnahmslos eigene Texte. „Wie bereits früher, enthielt das Tagebuch von 1876-77, philosophische Meditationen, Feuilletons, literarische Betrachtungen, didaktische Fingerzeige, belletristische Skizzen als auch Meistererzählungen.“ Maurina; Dostojewskij S. 146 Diese Beschreibung darf man auch für das gesamte Erscheinen des Tagebuchs gelten lassen. „Allzu naiv meinte ich, daß es ein wirkliches Tagebuch sein wird. Ein wirkliches Tagebuch ist fast unmöglich; sobald man es publiziert, hat es etwas Dienstmäßiges. Es ist nicht möglich, vor Fremden zu beichten.“ Ebenda Anmerkungen 1873 Er lieferte erste Texte für das Tagebuch eines Schriftstellers in Form von Beiträgen zum "Staatsbürger", wo er zu dieser Zeit als Redakteur angestellt ist. 1876 Seine Stelle als Redakteur hat er längst gekündigt und gibt das Tagebuch eines Schriftstellers nun im Selbstverlag heraus. 1878 Er stellte seine Arbeit am Tagebuch eines Schriftstellers vorübergehend ein um sich der Arbeit an den Brüdern Karamasow zu widmen. Seine feste und belegte Absicht, das Tagebuch weiterhin zu veröffentlichen, verhinderte sein Tod. Die letzte Ausgabe erschien postum. „Bei diesem `Tagebuch` handelt es sich um ein Fortsetzungswerk, das der Autor im Selbstverlag herausgebracht hat, um mit missionarischem Furor seine streitbaren Statements über Gott und die Welt, über Europa und Asien, über die Balkan- und die Judenfrage, vor allem aber über Russlands Gegenwart und Zukunft zum Besten zu geben. Dostojewski erweist sich hier als ein zutiefst reaktionärer, fundamental europakritischer und hemmungslos chauvinistischer, dabei fraglos gottgläubiger und zarentreuer Patriot, dem kaum etwas anzumerken ist von dem `allmenschlichen` Versöhnungswillen, den er zu gleicher Zeit wortreich zu bekunden pflegte. ( . . . ) Dostojewskis Wirkungsmacht bezieht ihre staunenswerte Energie gleichermaßen aus dem Fundus seiner ebenso abgründigen wie weitreichenden Gedankenwelt, die für Leser jeglicher politischen oder ideologischen Orientierung passende `Wahrheiten` bereithält, Wahrheiten für den Alltagsgebrauch ebenso wie solche, die Ewigkeitsanspruch haben.“ Neue Züricher Zeitung Online; Vor einer konservativen Revolution? Mai 2005 Sicherlich fasst diese Beschreibung einen Großteil dieser Publikation recht zutreffend zusammen. Das Tagebuch enthält indessen ferner folgende Erzählungen: Bobok (1873) Bauer Maraj (1876) Die Sanfte (1876) Der Knabe mit dem Händchen (1876) Der kleine Knabe am Weihnachtsabend beim Herrn Jesus (1876) Traum eines lächerlichen Menschen (1877) - Markus Spieker
Rock Me, Dostojewski!
(12)Aktuelle Rezension von: 65_buchliebhaberIch nehme es voraus, das Buch ist absolut empfehlenswert. Mit der ungewöhnlichen Art, eine Biografie mit den Werken des Schriftstellers zu verbinden, sticht es hervor. Viele Zitate aus seinen Büchern, Notizen und umfangreicher Korrespondenz unterstreichen die von den Autoren ausgewählten Aspekte. Man lernt Fjodor Michailowitsch Dostojewski von vielen Seiten kennen und wird in sein Denken hineingezogen. Sein ereignisreiches Leben, sein Privatleben und seine Ansichten, all das wird detailreich und unterhaltsam erzählt. Was sich sehr gut herauslesen lässt: er war seiner Zeit voraus. Er war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, was die Autoren mit diesem Buch auf den Punkt bringen. Schon der Titel weckt Neugierde, denn wie das ganze Buch ist er ungewöhnlich. Der Untertitel beschreibt die Aspekte dieses Buch bestens.
Die Gestaltung des Buches gefällt mir ausgesprochen gut. Insbesondere der Umschlag hebt sich von herkömmlichen Büchern ab. Die unterschiedlichen Schrifttypen bei Kapitelüberschriften und Text sind gelungen, ebenso die Zitate als Einschübe. Bei der Aufteilung der Kapitel gilt zwar eine chronologische Abfolge, die aber innerhalb der Abschnitte nicht ganz so streng erfolgt wird, was die Texte extrem auflockert. Die Sprache ist modern und doch angepasst. Man merkt sehr gut, dass die Autoren sich dem Schriftsteller, dem sie zum 200. Geburtstag hier ein Denkmal gebaut haben, schon lange verbunden fühlen. Dieses Buch bringt dem Leser Fjodor Michailowitsch Dostojewski menschlich und literarisch näher – ein sehr gelungenes Werk.
- Fjodor M. Dostojewski
Der Traum eines lächerlichen Menschen und andere Erzählungen
(11)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerZunächst eine Verfilmung. Ist auf russisch. Muss man aber mal gesehen haben. http://www.youtube.com/watch?v=SoVVI1fuNls&feature=player_embedded