Bücher mit dem Tag "edgar hilsenrath"

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6 Bücher

  1. Cover des Buches Der Nazi & der Friseur (ISBN: 9783943334722)
    Edgar Hilsenrath

    Der Nazi & der Friseur

     (163)
    Aktuelle Rezension von: MonaMour

    Es handelt sich um einen Roman über den SS-Mann und Massenmörder Max Schulz (phänotypisch dem "typischen Juden" gleichend), der in die Rolle seines Opfers Itzig Finkelstein (welcher wie ein "reinrassiger Arier aussieht") schlüpft und ein angesehener Bürger und Friseursalonbesitzer in Tel Aviv wird.

    Tief schwarze, bitterböse Persiflage. 

    Das Buch ist deftig in seiner Sprache und dabei poetisch zugleich. Ein sehr ungewöhnlicher Plot, der den/die Leser/-in bis an seine Grenzen, wenn nicht sogar darüber hinaus, bringt.

    Mir ist nicht verständlich, dass dieses Buch nicht mehr Aufmerksamkeit erfahren hat. 

    Und ja: der Roman von Hilsenrath polarisiert und führt sicherlich bei mancher/manchem Leser/-in zu massiver Ablehnung. Als Holocaust-Überlebender ist ihm mit diesem Buch ein kleines Meisterwerk gelungen. 



  2. Cover des Buches Sie trommelten mit den Fäusten den Takt (ISBN: 9783423140935)
    Edgar Hilsenrath

    Sie trommelten mit den Fäusten den Takt

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Wolkenatlas
    Kurzprosa eines großen Autors "Ich bin gebürtiger Deutscher, Jude, Kosmopolit, wehrhafter-Pazifist, Zigeuner, Österreicher, K.u.K-Mensch, Ukrainer, Pole - da meine Eltern aus diesen Gegenden stammen - bin ich angeblich ein bißchen verrückt, aus meiner persönlichen Perspektive gesehen allerdings völlig normal ..." Dieser bei DTV im Taschenbuch erschienene Band mit 29 Texten des 1926 geborenen deutsch-jüdischen Autors Edgar Hilsenrath ist, sicherlich in Ermangelung einer passenderen Bezeichnung, mit "Erzählungen" überschrieben. In Wahrheit sind es gesammelte Texte, die von Selbstauskünften über Satiren bis hin zu teilweise sehr kurzen Erzählungen führen. Die meisten Texte entziehen sich allerdings der Einordnung in eine spezifische Gattung. Edgar Hilsenrath musste 1938 mit seinem Bruder und der Mutter flüchten. Sie flüchteten in die Bukowina, zu den Großeltern. Trotzdem kam die Familie 1941 in ein Getto in der Ukraine. Edgar Hilsenrath konnte glücklicherweise überleben und gelangte schließlich 1951 über die Türkei und Syrien in die Vereinigten Staaten von Amerika, wo er sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser hielt. Er begann zu schreiben, aber Erfolge blieben vorerst aus. Erst mit dem Roman "Der Nazi & der Friseur" konnte er den Durchbruch schaffen, auch wenn der Roman in Deutschland angefeindet wurde. Erst 1975 kehrte er nach Deutschland zurück. Die Texte sind zwischen 1978 und 2008 entstanden und beschäftigen sich mit unterschiedlichsten Themen. Interessante Betrachtungen über Erich Maria Remarques großartigen Roman "Arc de Triomphe" wechseln sich mit Dialogen ab, die der Autor entweder mit seinem Ego, mit seinem Spiegelbild, mit einem Fremden oder mit einem Journalisten führt. Oder als fiktiver Briefverkehr mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Auch kritische Beobachtungen über den Staat Israel finden sich in diesem Buch. Ein ganz starker Dialog setzt dem Erzähler ein Kind gegenüber und den Leser in eine Art Absurdistan, in dem sechs Millionen Juden mit tausend Kilometern Autobahn aufgewogen werden. Die größte Wirkung erzielen die Texte, wenn man sie nicht hintereinander, sondern mit einer guten Portion Abstand liest. Möglicherweise auch nicht chronologisch, sondern in persönlicher Reihung. Den stärksten Eindruck aber haben die in diesem Band inkludierten kurzen erzählerischen Prosatexte hinterlassen, die eindringlich beweisen, welches Können der Autor besitzt. Fazit: Starke Texte, die Lust auf einer Wiederbeschäftigung mit dem Schaffen dieses Autors machen. Absolute Empfehlung. (Erstveröffentlicht auf www.sandammeer.at)
  3. Cover des Buches Nacht (ISBN: 9783943334517)
    Edgar Hilsenrath

    Nacht

     (11)
    Aktuelle Rezension von: awogfli
    Dieses Buch  musste ich auf zwei Anläufe lesen, denn Anfang 2007 war ich nicht in der Stimmung. Es war mir zu abgebrüht, furchtbar und grausam, als dass ich es beenden konnte (zuviel für meine zarte Seele). Dies sagte aber nie etwas über die Güte des Romans aus, und ich wollte ihn irgendwann mal doch noch durchstehen.

    Heuer - fast 10 Jahre später - habe ich Nacht in einer Gruppe gelesen, und das half enorm, denn man konnte wenigestens gemeinsam über das Gelesene reflektieren und sich ein bisschen über das umenschliche Grauen austauschen.

    Der Roman beschreibt die Geschichte einer Gruppe von Leuten - als Hauptfiguren Ranek und Deborah, die versuchen, im rumänischen Ghetto von Prokow ihr Dasein zu fristen und zu überleben.

    Aber was macht den Roman gleichzeitig so furchtbar und großartig? Ich habe noch nie einen Roman über den Holocaust (Shoah) gelesen, der so realistisch grausam konzipiert ist, dabei ist die dargestellte Grausamkeit derart lapidar, dass sie jeden gewollt gewalttätigen Psychothriller um Längen im Gruselfaktor schlägt. Wo andere Shoah-Romane schmalztriefend auf die Tränendrüse drücken und die jüdischen Opfer durchwegs als heroische Figuren zeigen, werden hier die Opfer extrem realistisch tiefgründig und dicht beschrieben selbst zu Tätern. Der Hunger und der einzige Trieb, diesen Horror im Ghetto irgendwie zu überleben, fegt den Firnis der Zivilisation und Menschlichkeit einfach restlos hinweg. Es gibt keine guten Helden und bösen Verräter, nahezu alle Figuren haben sehr viel Dreck am Stecken und begehen die furchtbarsten aber sehr verständlichen Gräueltaten. Auch der Leser stumpft Zug um Zug bei der Lektüre ab und kann bald alles rechtfertigen, im Gegenteil die ambivalent dargestellten Anti-Helden wachsen einem derartig ans Herz, dass man sich tatsächlich wundert, wie man so mitfiebern kann, ob sie an diesem Tag etwas zu essen bekommen, egal was sie dafür tun müssen. Insofern zeigt der Roman, wie schnell man einen Menschen entmenschlichen kann. Gut ein paar Figuren haben ihren Humanismus nicht eingebüßt aber die erscheinen sehr dumm und sind sehr bald sehr tot - bis auf Deborah. Andere Figuren sind vielleicht eine Nuance verschlagener als der Rest, man hat so seine Symphatien. Aber der Tod schlägt auch bei den Gewieften zu - im Prinzip kann es jeden treffen. Manchmal streut Hilsenrath tröstlich auch ein paar Wunder ein, dann bekommt der Roman einen derartigen Euphorieschub, den auch der Leser mit jeder Faser spürt und die Geschichte wird wieder ein bisschen erträglicher.  Gleich einem hungernden Juden im Ghetto ist man wieder gewillt durchzuhalten, auf den nächsten Tag zu warten und zu hoffen.

    Lediglich im dritten Kapitel von vier zieht sich die Handlung mühsam  wie ein Strudelteig - ewig derselbe Kreislauf: Hunger, etwas Verkaufbares besorgen, Tauschgeschäfte anbahnen, dabei über den Tisch gezogen werden, und dann von Irgendeinem beklaut werden. Klar so ist das Leben im Ghetto, aber die Figuren entwickeln sich nicht und die Geschichte kommt nicht voran. Da dieser Abschnitt ein bisserl nach Kürzung schrie, ziehe ich mit Bedauern bei der Beurteilung einen Stern ab.

    Ansonsten ist das Werk tatäschlich meisterlich: Sprache, Figurenentwicklung, Handlung, Leserinvolvement - ein Kleinod der deutschsprachigen Literatur - manchmal sogar in seiner lakonischen Grausamkeit fast schon tröstlich romantisch. Meine Lieblingststelle:

    "Zwei Leichen trieben gemächlich flußabwärts: Ein Mann und seine Frau. Die Frau schwamm etwas vor dem Mann. Es sah wie ein Liebesspiel aus: der Mann versuchte fortwährend nach der Frau zu haschen, ohne dass es ihm gelang. [...] Beide Leichen fingen nun an, sich im Kreis zu drehen; sie klebten eine Weile aneinander, als wollten sie sich vereinen. Dann trieben sie versöhnt weiter." .

    Zum Abschluss der Rezension möchte ich noch eine Lanze für weitere Werke des Autors brechen, denn Hilsenrath ist ja ein Genozidspezialist der besonderen Sorte. Er bearbeitet das Thema Völkermord immer ein bisschen anders als alle anderen Autoren und versucht, das Geschehene immer aus einer neuen Sicht zu beleuchten:

    • bei Der Nazi und der Friseur - die "humoristische, satirische" Seite des Holocaust aus der Sicht des Täters - eines der besten Bücher, das ich jemals gelesen habe
    • bei Das Märchen vom letzten Gedanken - die sehr fantastisch fabulierte Märchenerzählform, des Genozids an den Armenieren (Aghed), der den Aberglauben der Armenier sehr stark unterstreicht.
    • bei Nacht - der lapidare grausige Realismus der Shoah im Rumänischen Ghetto

    Nacht als sein erster Roman konnte von Edgar Hilsenrath lange nicht finalisiert werden. Erstens weil er wahrscheinlich noch zu jung war, zweitens weil der Abstand zu den eigenen Erlebnissen im Ghetto noch zu gering war und drittens und wahrscheinlich der Hauptgrund, weil er keine literarischen Vorbilder zu seiner Geschichte kannte. Erst als Hilsenrath auf das Werk von Remarque stieß, wusste er, in welchem Stil er seine Geschichte schreiben wollte. Tatsächlich hat mich der Roman sehr stark an "Im Westen nichts Neues" erinnert, aber überflügelt diesen nahezu leichtfüßg im Schreibstil des entmenschlichten Realismus. Die Veröffentlichung von Nacht wurde in Deutschland im Kindler Verlag massiv sabotiert, weil einige Mitarbeiter mit der Darstellung der Juden auch als Täter nicht einverstanden waren. Erst als der Roman international in englischer Sprache derart erfolgreich war, wurde er in Deutschland nochmals verlegt.

    Fazit: Unbedingt Lesen! Ein furchtbares aber großartiges Meisterwerk, das Ruhe und etwas Leidensfähigkeit benötigt. Auf jeden Fall nicht in depressiver Stimmung und am besten in einer Gruppe lesen, denn es erfordert doch etwas Austausch.
  4. Cover des Buches Fuck America (ISBN: 9783943334029)
  5. Cover des Buches Berlin ... Endstation (ISBN: 9783423137836)
    Edgar Hilsenrath

    Berlin ... Endstation

     (4)
    Aktuelle Rezension von: gaucho

    Wer hier einen waschechten Berlin-Roman erwartet, wird einerseits enttäuscht, andererseits mit der ganzen Welt überrascht.

     

    Es ist 1975. Der erfolglose jüdische Schriftsteller Joseph Leschinsky hat nach mehr als drei Jahrzehnten im Exil "die Schnauze voll" von den USA. Als Überlebender des Holocaust will er ins Land seiner Verfolger zurückkehren. Leschinsky, den alle nur Lesche nennen, hat Sehnsucht nach seiner Geliebten, der deutschen Sprache: "Ich muss sie hören, immer und überall."

     

    Desillusioniert vom großen amerikanischen Traum, den Lesche ohnehin nie geträumt hat, glaubt er nur noch an sich selbst: "Als Schriftsteller mache ich überhaupt keine Kompromisse, und ich habe auch in keinem meiner Bücher irgendwelche Zugeständnisse an Dritte gemacht, weder aus finanziellen, ideologischen noch politischen Gründen." Er landet in West-Berlin und blüht schon schnell auf. Seine Romane, die von amerikanischen Verlagen abgelehnt wurden, finden hier ihr Publikum. In Literaturkneipen wie dem "Zwiebelfisch" lernt Lesche Künstler, Verleger, Literaten und Frauen kennen.

     

    Von allen Seiten unterstützt, wird er jedoch beständig von seiner traumatischen Vergangenheit eingeholt. Da ist die Flucht vor den Nazis nach Polen, die Vergewaltigung des Jungen von einer alten Bäuerin und das ewige Verstecken vor dem Feind.

     

    In Berlin findet Lesche aber auch endlich den so ersehnten Kontakt zu Frauen, der ihm in den USA verweigert wurde wegen seiner Mittellosigkeit. Lesche treibt es bunt, schwängert direkt eine Minderjährige und vergnügt sich gleichzeitig mit deren Mutter. Und irgendwann findet er wie beiläufig etwas Wunderbares: "Ein Leben lang waren Frauen nur Sexobjekte für ihn. Anahid war die erste, für die er etwas empfand." Die junge Armenierin lernt er auf seiner Recherchereise für sein Armenien-Epos kennen und lieben.

     

    Der Leser folgt Lesche um die ganze Welt, unter anderem nach London, San Francisco und Halle. Er recherchiert, er schreibt, er trifft die unterschiedlichsten Leute und sein geplanter Rachemord an einem ehemaligen Nazi-Mitschüler löst sich in Vergebung auf. Doch nun sind ihm junge Neonazis auf den Versen. Sie schicken dem Literaten, der mit dem Thema Holocaust satirisch in seinen Texten umgeht, Drohbriefe und malen Hakenkreuze an seine Tür. Er will sich nicht mehr verstecken und wird am Ende doch noch umgebracht. Anahid stellt trauernd fest: "Schließlich haben die Enkel der alten Nazis vollbracht, was den alten Nazis nie gelungen ist."

     

    "Berlin ... Endstation" ist ein flott geschriebener Roman, der mit Witz und kurzen Sätzen ein trauriges Schicksal und Glück suchendes Leben umreißt, das stellvertretend für viele steht. Eine zotige Liebeserklärung an die deutsche Sprache. Mal anstößig, oft charmant und sehr bilderreich geschildert.

     

  6. Cover des Buches Zibulsky oder Antenne im Bauch (ISBN: 9783423139144)

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