Bücher mit dem Tag "emigration"
188 Bücher
- Susan Jane Gilman
Die Königin der Orchard Street
(127)Aktuelle Rezension von: HerbstroseKurz vor einem wichtigen Gerichtstermin blickt Mrs Lillian Dunkle, einst gefeierte Eiscreme-Königin Amerikas, auf die vergangenen achtzig Jahre ihres Lebens zurück. Sie war sechs und hieß damals noch Malka, als ihre Familie 1913 aus Russland in die USA emigrierte, wo sie zunächst in ärmlichsten Verhältnissen in New Yorks Lower East End in der Orchard Street wohnten. Ihr Leben änderte sich, als sie bei einem Unfall mit dem Pferdewagen des Eisverkäufers Dinello verletzt und für immer behindert wurde. Ihre Familie verstieß das Mädchen, sie war als Arbeitskraft für sie nutzlos geworden. Doch sie hatte Glück im Unglück, die Familie des Eismannes nahm sie bei sich auf, lehrte sie die Kunst der Eisherstellung, lies sie katholisch taufen und gab ihr von nun an den Namen Lillian Maria Dinello. Und wieder war ihr das Schicksal wohlgesonnen, als sie ihren späteren Ehemann Bert Dunkle kennenlernte. Mit viel Erfindungsreichtum, aber auch mit List und Heimtücke, bauen sich Lillian und Bert nach und nach ein Eiscreme-Imperium auf – Lillian Dunkle wird zur „Eiskönigin von Amerika“. Jetzt sind sie ganz oben auf der Erfolgsleiter, doch wieder schlägt das Schicksal zu …
Die US-amerikanischen Schriftstellerin Susan Jane Gilman, die 1964 in New York geboren wurde, besuchte dort die High School und die University, war Schülerin von Frank McCourt und erhielt 1993 in Michigan den Master in Fine Arts in Creative Writing. Sie veröffentlichte drei Sachbücher und schrieb für diverse Zeitungen und Magazine, bevor sie sich an „Die Königin der Orchard Street“ wagte. 2019 veröffentlichte sie ihren zweiten Roman „Donna Has Left the Building“, der bisher noch nicht in Deutsch erhältlich ist. Die Autorin lebt heute in ihrer Heimatstadt New York und in Genf/Schweiz.
Kaum zu glauben, dass dies der Debütroman der Autorin ist, so ausgefeilt und sprachlich anspruchsvoll ist ihr Schreibstil, dabei jedoch sehr unterhaltsam und informativ. Die gute bildhafte Wiedergabe vom Amerika des frühen 20. Jahrhunderts bis in die 80er Jahre sowie die angedeuteten politischen Probleme der neueren Zeit zeugen von ausgezeichneter Recherchearbeit. Mit Lillian schuf Gilman eine Protagonistin, die man lieben und hassen muss – eine taffe, sehr einfühlsame Frau, die jedoch im Geschäftsleben über Leichen gehen kann und immer dominanter wird, je mehr Reichtum sie ansammelt. Sie gibt ein gutes Beispiel, wie man durch harte Arbeit Geld verdienen kann und wie schwer es dann ist, mit dem Reichtum vernünftig umzugehen.
Tragik und Komik liegen in der Geschichte nahe beieinander, die mit einigen gut verständlichen jiddischen und italienischen Begriffen gewürzt ist, welche die Protagonistin hin und wieder benutzt. Unsere Heldin ist keine Schönheit und dazu noch behindert, weiß sich aber in allen Lebenslagen zu behaupten. Im fortgeschrittenen Alter genehmigt sie sich gerne vor Verhandlungen oder Fernsehauftritten einen Schluck, oder zwei oder drei, was nicht immer folgenlos bleibt. Da Lillian ihre Lebensgeschichte rückwirkend selbst erzählt und bisweilen den Leser direkt anspricht, hat man oft das Gefühl, sie persönlich zu kennen, bei ihr zu sitzen und ihr zuzuhören.
Fazit: Ein Buch das gut unterhält und das vor Witz und Zynismus förmlich sprüht – in dem aber auch viel Lebensweisheit versteckt ist. Sehr lesenswert!
- Daniel Kehlmann
Die Vermessung der Welt
(3.411)Aktuelle Rezension von: BM2TE22aIch finde das Buch sehr spannend zu lesen und es ist relativ einfach geschrieben, so dass es leicht zu lesen ist. Ich hielt den Einblick in das Leben und die Arbeit der beiden Wissenschaftler Gauß und Humboldt für sehr spannend. Allerdings sollte man immer bedenken, dass es sich um einen Roman und nicht um ein historisches Werk handelt, daher sind einige Ereignisse im Buch nicht historisch korrekt. Das Ziel des Buches ist es aber nicht, die historischen Ereignisse korrekt darzustellen, sondern den Hauptfiguren eine gute Persönlichkeitsbild zu geben. Meiner Meinung nach ist dies sehr gut gelungen und man lernt die beiden Herren beim Lesen sehr gut kennen und weiß, wie sie dachten. Ich würde das Buch allen Lesern empfehlen, die sich für Geschichte und Wissenschaft vor 200 Jahren interessieren. JR
- Wolfgang Herrndorf
tschick
(2.873)Aktuelle Rezension von: WaltherMir hat das Buch von Wolfgang Herrndorf insgesamt sehr gut gefallen. Der Anfang war manchmal ein wenig zäh, wenn es um Schule und den Pubertätskrams der Hauptperson geht. Aber mit dem Eintreten Tschicks und vor allem ihrem gemeinsamen Aufbruch gab es kein Halten mehr. Schön waren auch die vielen boshaften Bemerkungen über die Zeitgenossen, denen die beiden Ausreißer begegnen.
- Anne Frank
Das Tagebuch von Anne Frank
(2.405)Aktuelle Rezension von: anastazjaIch fand das Buch super interessant, allerdings manchmal schwierig zu lesen. Wer sich für dieses Thema interessiert, sollte es gelesen haben.
- Katharina Winkler
Blauschmuck
(78)Aktuelle Rezension von: buchlesenliebe(TW: häusliche Gewalt gegenüber Frauen und Kindern)
„Es gibt Frauen, die ihr Blau um den Hals tragen wie einen Reif oder in der Vertiefung unter dem Hals wie ein Medaillon, manche tragen ihr Blau als Armband um das Handgelenk, manche um ihre Fesseln. Viele Frauen wechseln den Blauschmuck von Woche zu Woche, einige von Tag zu Tag“ (S.19).
Als Jugendliche ahnt Filiz nicht, dass auch sie später den „Blauschmuck“ tragen wird. Eine Art Euphemismus für die körperlichen Zeichen der brutalen Gewalt durch Männer, welche die meisten der Frauen in dem kleinen und patriarchalisch geprägten kurdischen Dorf in der Türkei tragen. Denn Filiz träumt von einem westlichen, „freien“ Leben in Jeanshosen und Yunus, den sie gegen den Willen ihres Vaters heiratet, verspricht ihr genau dieses. Doch Yunus wird sein Versprechen nicht halten. Er wird Filiz in das Spinnennetz seiner Mutter übergeben, seine Frau zu deren Sklavin machen und Filiz zu seinem Besitz deklarieren. Seine Frau und die drei Kinder später in Istanbul, Deutschland und letztlich in Österreich einsperren, sozial marginalisieren, entwürdigen, tyrannisieren, entmündigen, überwachen. Seine Frau fast in den Selbstmord treiben. Stumm wollte sie bereits der Vater, stumm will sie der spätere Ehemann. Denn die Ehre steht über allem. Doch Yunus wird ab einem bestimmten Zeitpunkt selbst stumm bleiben. Seine Sprache sind die Schläge, die Würgegriffe, seine tagelange Abwesenheit, seine Drohungen, sein Verlangen nach Sex, wenn ihm danach ist, die Vergewaltigungen, die Ehebrüche, die Erpressungen, die leeren Worthülsen von „Liebe“, die Manipulationen, die in einer Spirale aus toxischer Abhängigkeit münden. Der Junge, in den sich Filiz mit 12 Jahren verliebte, entpuppt sich als unberechenbares, nicht kalkulierbares, aggressives, perverses Monster in Menschengestalt. Doch tief im Inneren, da schlummert Filiz` Überlebenswille …
Nüchtern, distanziert, präzise, erbarmungslos, partiell dissoziativ, in Bezug auf die Gewaltdarstellungen mehr als explizit – ein erzählerischer Stil aus der Innensicht von Filiz, bei dem jeder Satz, jedes Wort, jedes Satzzeichen, jede Pause, jeder Atemzug sitzt und auf einen eindrischt. Mit aller Wucht. Knallhart. Wie die Prügel von Yunus. Die angstbesetzte Atmosphäre jederzeit spürbar. Es gibt nur wenige Bücher, die ich zuklappe und mir ein eiskalter Schauer über den Rücken läuft, ich minutenlang fassungslos da sitze und mir die Tränen laufen. Sprachlos, verstört, aufgewühlt, erschüttert. Weil das Buch an meine persönliche Grenze des nervlichen Ertragbaren geht. Katharina Winkler ist es mit ihrem Debütroman, der bereits 2016 im Suhrkamp Verlag erschienen ist, gelungen. „Blauschmuck“ beruht auf wahren Gegebenheiten. Laut einem Interview im WDR5 (Katharina Winkler "Blauschmuck" - WDR 5 Neugier Redezeit 2016 - YouTube) hat die Autorin die reale Filiz das erste Mal im Alter von 13 Jahren in der Arztpraxis ihres Vaters kennengelernt. Etwa 10 Jahre später erzählt Filiz ihre Geschichte, die auf 60 Stunden Tonmaterial aufgenommen wird. Diese Hintergründe in Bezug auf den Entstehungsprozess des Romans und der „Datenerhebung“ gehen aus dem Nachwort leider nicht detailliert hervor. Das ist schade und irritierend. Gewünscht hätte ich mir auch eine persönliche Widmung für Filiz. Gedanklich nicht abgeschlossen bleibt für mich außerdem die Frage, ob dieser Roman trotz der Tatsache, dass er Filiz und stellvertretend allen Frauen, die häusliche Gewalt erleben, eine Stimme gibt und sich dabei einen wertfreien Blick bewahren möchte, nicht doch gewisse Ressentiments gegenüber islamischen Gesellschaften schürt – sicherlich ungewollt. Diese Frage birgt für mich noch Diskussionspotenzial. Eine Leseempfehlung im eigentlichen Sinne auszusprechen fällt mir bei dieser Thematik schwer. Sprachlich hat mich Katharina Winkler von ihrem Können aber absolut überzeugt. „Blauschmuck“ ist mehr als ein Herzstillandbuch. Viel mehr.
- Khaled Hosseini
Drachenläufer
(2.004)Aktuelle Rezension von: JorokaAfghanistan.... wann kam zuletzt eine gute Nachricht aus diesem Land? Das Buch beschreibt die (fiktive, war mir beim Lesen bis zur Mitte des Buches gar nicht klar!!) Geschichte eines Jungen, der in der Zeit vor dem Sturz des Königreichs (ja, Afghanistan war tatsächlich mal eines!) in Kabul, der damals recht grünen und florierenden Hauptstadt aufwächst. Amir, so heißt der Ich-Erzähler, gehört zur Minderheit der privilegierten Familien auch dieser Zeit. Es gibt einen Diener im Haus der Familie, Ali, dessen Geschichte sehr eng mit der Geschichte von Amirs Vater verwoben ist. Hassan, der etwa gleichaltrige Sohn des Dieners ist der engste Vertraute (Freund wäre aus unterschiedlichen Gründen nicht der richtige Begriff)in Amirs Kindheit. Beide geben sich der Passion des Drachensteigens, bzw. "Drachengefechtes" hin. Und Hassan ist der beste Drachenläufer seiner Zeit, der intuitiv zu erahnen mag, wo der abgeschnittene Drachen des Kontrahenten laden wird und ihn als Gunsterweis für seinen "Herren" Amir erläuft.
Der Handlungsverlauf der Geschichte erstreckt sich zeitlich über eine lange Spanne des allmählichen Niedergangs von Afghanistan, wobei Amir nach Invasion der Russischen Truppen Anfang der 80iger Jahre gemeinsam mit seinem Vater über die Zwischenstation Pakistan in die USA flieht und dort eine ganz andere, und sehr viel einfachere Existenz aufbauen muss.
Und Hassan? Mit ihm hat Amir noch eine Schuld zu begleichen und findet nochmals den Weg zurück in sein Heimatland, vor der Invasion der USA, während der Schreckensherrschaft der Taliban.
Ich möchte nicht zu viel von der Handlung verraten... er wird auf jeden Fall äußerst dramatisch. - Yann Martel
Life of Pi - Schiffbruch mit Tiger 3D, 1 Blu-ray
(1.030)Aktuelle Rezension von: Luthien_TinuvielSchiffbruch mit Tiger von Yann Martel kannte ich bislang nur aus dem Kino. Insofern hat der Einstieg mich etwas überrascht, letzten Endes war das Werk jedoch sehr interessant und auch philosophisch.
Inhalt: Protagonist Pi Patel erzählt einem kanadischen Autor seine Lebensgeschichted über seine Jugend in Indien, seine Suche nach der spirituellen Erleuchtung und schließlich der größten Herausforderung seiner Jugend: Während einer Überfahrt von Indien nach Kanada sinkt das Schiff, auf dem sich Pi mit seiner Familie befand und er findet sich in einem Rettungsboot auf weiter See wieder.
Meine Meinung:
Ich fand Schiffbruch mit Tiger sehr interessant, auch wenn es eine Weile gebraucht hat, bis mich das Werk fesseln konnte. Wortwörtlich die ersten über 100 Seiten lesen sich wie eine lange Einleitung mit vielen religionsphilosophischen Gedanken. Das findet man interessant oder auch nicht. Aber spätestens ab dem Schiffbruch wird das Werk auch für die breitere Masse interessant und Pis Geschichte fesselt.
Fazit: Für Fans philosophischer Werke, die sich auch an religiösen Gedanken nicht stören, interessantes Werk.
- Robert Scheer
Pici: Erinnerungen an die Ghettos Carei und Satu Mare und die Konzentrationslager Auschwitz, Walldorf und Ravensbrück
(42)Aktuelle Rezension von: pardenEIN PERSÖNLICHES MAHNMAL...
Robert Scheer liebte seine Großmutter. Dies ist an und für sich nichts Besonderes, doch eigentlich ist es ein Wunder, dass es den Autor überhaupt gibt. Denn eigentlich hätte seine Großmutter Pici nicht überleben, nicht heiraten und keine Familie gründen dürfen. Denn dies war der Plan von Hitler und seinen Schergen. Doch als einzige ihrer weitverzweigten jüdischen Familie überlebte Pici ("die Kleine") seinerzeit die Gräuel des Holocaust.
"Die Weisen sagen, das Ziel des Lebens sei das Leben selbst. Dem folgend habe ich das Ziel erreicht. Denn ich lebe noch." (S. 56)
Zum 90. Geburtstag seiner Großmutter beschloss Robert Scheer, diese nach ihren Erlebnissen zu befragen, damit ihr Zeugnis bewahrt bleibt. Und wo Pici jahrzehntelang geschwiegen hat, öffnete sie sich ihrem Enkel gegenüber und gab Auskunft über helle und dunkle Jahre ihrer Vergangenheit.
Die ersten zwei Drittel des Buches erzählen von Picis Familie und ihrer Kindheit in Rumänien. Dort wohnte die Familie ungarischer Juden und lebte vom Holzhandel des Vaters. Arm, kinderreich, aber zufrieden, so wie viele andere Menschen der kleinen rumänischen Stadt auch. Als etwas langatmig habe ich diese Schilderungen zeitweise empfunden, aber andererseits als durchaus legitim - holte sich Pici auf diese Art noch einmal alle Mitglieder iher großen Familie in ihre Erinnerung zurück, alle in den Jahren des Holocaust ums Leben gekommen.
Die schlimmen Erlebnisse Picis nach dem Verlust ihrer Heimat in den 40er Jahren nach der Machtergreifung Hitlers nehmen entsprechend etwa ein Drittel des Buches ein. Die Vertreibung ihrer Familie aus der kleinen rumänischen Stadt, die Erfahrungen im Ghetto, die Deportationen in verschiedene Konzentrationslager, die Kälte, die Hitze, der Hunger, die Unmenschlichkeit, die Angst, die Krankheiten, das Trauma, der Tod - Dinge, über die es sicher auch nach 70 Jahren noch schwerfallen dürfte zu sprechen.
Was mich bei der Lektüre verblüffte, waren die großen Erinnerungslücken Picis, die viele schreckliche Erlebnisse und Details ausgeblendet zu haben scheint.
"Und auch für die folgenden Zeiten gibt es solche kleinen Momente, die völlig in meinem Gedächtnis fehlen, aber nicht so, dass ich sie nach Jahren vergessen hatte, sondern so, als hätten sie nichts mit mir zu tun gehabt. Vielleicht, weil mein Verstand dies alles nicht nachvollziehen konnte und von sich wegschob..." (S. 90)
Entsprechend rudimentär erscheinen denn auch teilweise die Erinnerungen, Spotlights der Schrecken, wobei die Schilderungen selbst nahezu nüchtern erscheinen. Dennoch kommt das Grauen beim Leser an, die Bilder lassen sich ncht verdrängen, die Unfassbarkeit der Erinnerungen bricht sich Bahn. Zahlreiche in den Text integrierte Fotos (viele aus dem Privatbesitz des Autors) unterstreichen das Geschriebene, geben dem Erzählten ein Gesicht und verankern das Grauen in der Realität.
Der Schreibstil ist einfach, erinnert zeitweise an einen ungeübten Schulaufsatz. Doch vieles ist in wörtlicher Rede wiedergegeben und dokumentiert so eher das Gespräch zwischen dem Enkel und seiner Großmutter Pici als dass es literarisch aufgearbeitet ist. Dieses Stilmittel der wörtlichen Rede unterstreicht in meinen Augen die Authentizität der Erzählung.
Neben den bereits erwähnten Fotos gibt es - vor allem in dem vielseitigen Anhang - auch zahlreiche Kopien von alten Briefen, Dokumenten und Listen, die die Erinnerungen Picis in Raum und Zeit des Holocaust verankern. Hier hätte ich mir eine bessere Qualität der Darstellung gewünscht, denn viele der genannten Quellen waren durch eine blasse und verschwommene Kopie für mich tatsächlich kaum leserlich, was ich wirklich bedauerlich fand.
Robert Scheer hat mit diesem Buch nicht nur seiner geliebten Großmutter ein Denkmal gesetzt, sondern mit Picis Erinnerungen auch ein persönliches Mahnmal geschaffen. Ein Buch 'Gegen das Vergessen', das sehr persönliche Einblicke gewährt.
© Parden - Andrea Maria Schenkel
Als die Liebe endlich war
(55)Aktuelle Rezension von: HimmelsvogelStory:
1938, kurz bevor es zu spät dafür ist, flieht der junge Carl aus Regensburg mit Mutter und kleiner Schwester aus der Heimat und immigriert in Shanghai. Eine aufwühlende, lange Reise nach einer neuen Heimat beginnt, hinter ihm liegt sein jüdisch geborener Vater, der seine Heimat, Deutschland nicht verlassen wollte. In den USA findet Carl endlich den so lange gesuchten halt und lernt seine künftige Frau Emmi kennen. Gemeinsam lassen sie ihre Vergangenheit hinter sich, doch Jahrzehnte später wird er von einer Nachbarin gebeten den Nachlass ihres Mannes durchzusehen, dort stößt er auf Dokumente und Briefe, die längst vergessene Ereignisse und Erzählungen aus seiner Vergangenheit wachrütteln und Hinweise auf Emmis Vergangenheit bergen. Das Fundament aus Schweigen, auf dem das Glück ihrer Ehe ruht, beginnt schleichend zu bröckeln.
Schreibstil/Inhalt:
Die Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit ist sehr gut gelungen. Die Geschichte ist stimmig, interessant und unterhaltsam. Außerdem bietet sie tiefblickende Einblicke in eine Zeit, die so lange her zu sein scheint und durch die Perspektive der Gegenwart plötzlich ganz nah wird. Andrea Maria Schenkel behandelt in diesem Buch unter anderem Themen, wie Antisemitismus, Nationalsozialismus und den Holocaust. Sie hat es geschafft Themen, die nicht gerade leicht verdaulich sind, da sie mit Schuld, Hass und Angst verbunden sind bzw. diese Gefühle hervorrufen, in gewisser weise Leben einzuhauchen und die Geschehnisse aus verschiedenen Sichtweisen zu erzählen ohne respektlos zu sein. Der Autorin ist es gelungen einen aufwühlenden, historischen Roman ruhig und entspannt, aber mit einer inneren Tiefe zu erzählen, das einem nicht langweilig wird, sondern eher das Gegenteil erzeugt, nämlich das ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen wollte.
Charaktere:
Die Entwicklung der Charaktere und deren Umfeld war gut durchdacht und beschönigt keinesfalls deren Taten, sondern erklärt auch deren Hintergründe, Ursachen und Folgen. Die Autorin lässt durchaus Spielraum zur Spekulation bezüglich der Konfrontation gegenüber dem jüngeren ich beider Charaktere mit ihrem gealterten. Doch das wichtigste an Geschichten, vor allem wenn es um eine mit historischem Hintergrund geht, ist das glaubhafte und überzeugende auftreten der Menschen, sodass man sich gewissermaßen in fiktive Personen hineinversetzten kann und das ist hier definitiv der Fall.
Fazit:
„ALS DIE LIEBE ENDLICH WAR“ ist ein wundervoller Roman, der mich sehr berührt und zutiefst ergriffen hat, sodass mir die Geschichte, auch nach dem ich sie beendet hatte, nicht mehr aus dem Kopf ging.
- Derek B. Miller
Ein seltsamer Ort zum Sterben
(88)Aktuelle Rezension von: twentytwoSheldon Horowitz, 82 Jahre jung, hat sich entgegen seiner inneren Überzeugung, von seiner Enkelin dazu überreden lassen seinem Heimatland den Rücken zu kehren undihr nach Oslo, in das für ihn unbekannte Norwegen zu folgen. Kurz darauf und ohne ihm eine Chance gelassen zu haben sich einzuleben, nimmt das Schicksal seinen Lauf und er wird in einen Anschlag mit tödlichem Ausgang verwickelt. Zurück bleibt ein kleiner schwer traumatisierter Junge, dessen Rettung für Sheldon Mission und Sühne zugleich bedeutet. So wird die Flucht vor den Verfolgern letztendlich zu einer gedanklichen Zeitreise, die sich zwischen Zukunft und Vergangenheit bewegt, bevor sie in einem dramatischen Showdown ihr Ende findet.
Fazit
Eine beeindruckende Geschichte, die sowohl politisch wie auch philosophisch gesehen, alles andere als leichte Kost ist und für zahlreiche Denkanstöße sorgt. - Adélaïde de Clermont-Tonnerre
Der Letzte von uns
(63)Aktuelle Rezension von: jojo86Der Titel hat mich sofort schon von weitem angezogen. "Der Letzte von uns" verspricht der Beginn einer großen Saga zu werden.
Im Dresden des zweiten Weltkriegs kommt während einer Bombennacht Werner auf die Welt, seine Muttere verstirbt und er hat schon zu Beginn seines Lebens eine schwere Zeit zu überstehen. Einige Jahre später geht der erwachsene Werner auf die Suche nach seiner Vergangenheit und erfährt dabei einen Teil seiner Geschichte, der für immer verschlossen bleiben sollte.
Das Cover ist sehr ansprechend gestaltet, so dass in der Bücherauslage der Blick sofort auf das Exemplar fiel. Zudem überschlägt sich das Cover vor positiven Pressestimmen und verspricht eine vielversprechende Zukunft für die Autorin. Die Idee hintere der Handlung finde ich sehr interessant. Die Geschichte ist auf zwei verschiedenen Zeitebenen geschrieben: einmal zum Ende des zweiten Weltkrieges überwiegend in Deutschland und dann zu Beginn der 70er Jahr in den USA. Gefallen hat mir hierbei, dass man auf den zwei verschiedenen Perspektiven durchaus einen anderen sprachlichen Stil erkennen kann. Das verleiht jeder Zeit nochmal einen eigenen besonderen Charakter und zeigt auch nochmal die Entwicklung von Wern auf. Der Schreibstil ist in beiden Ebenen flüssig und eingängig gestaltet, so dass das Lesen leicht fällt. Auch die Kapitellänge finde ich sehr gelungen, da man hier auch gedankliche Sprünge erkennen kann. Auch die eingebaute Liebesgeschichte ist gut eingearbeitet, ohne die Handlung auf romantische Weise zu dominieren.
Ich hätte mir aber an einigen Stellen mehr Detailtiefe in der Geschichte gewünscht. Gerade der historische Rahmen bietet noch viele Möglichkeiten für Weiterentwicklungen. Dieser Punkt ist mir etwas zu oberflächlich eingeflossen. Zudem war ab einem bestimmten Punkt die Handlung trotz ihrer Schnelligkeit im Geschehen, doch etwas langatmig und auch sehr vorhersehbar. Hier hätte ich noch eine überraschende Wendung erwartet oder doch etwas mehr Detailtiefe. Durch die Dynamik in der Geschichte ist meines Erachtens auch die Charakterentwicklung etwas zurückgeblieben. Auch hat mir der verwendete Sprachstil der 70er Jahre nicht so gut gefallen, da mir hier viele Phrasen eingeflossen sind. Dadurch fand ich den Zeitabschnitt manchmal etwas schwer zugängiglich. Ich hätte auch eine etwas spannendere Erklärung, worauf sich der Titel bezieht, sehr begrüßt. Die Auflösung fand ich nicht so gelungen.
Dennoch hat mir der Roman gut gefallen und ich bin gespannt, welche weiteren Werke die Autorin noch veröffentlichen wird.
Netgalley hat mir ein kostenfreies Rezessionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung ist davon nicht beeinflusst worden.
- Joseph Roth
Hiob
(204)Aktuelle Rezension von: HerbstroseAls Bibellehrer im russischen Zuchnow bestreitet der fromme Jude Mendel Singer den kargen Lebensunterhalt für seine Familie - eine bigotte zänkische Frau, zwei Söhne, eine Tochter und ein spätgeborener zurückgebliebener behinderter Junge. Seine Behandlung im Krankenhaus lehnen sie ab, sie vertrauen lieber auf Gott und ihre Gebete. Jahre in Armut vergehen, die Kinder wachsen heran. Dann bricht Jonas, der älteste Sohn, mit den jüdischen Gesetzen und meldet sich zum Militär, während Schemarjah, der Zweitgeborene, die Familie verlässt und nach Amerika auswandert. Als Tochter Mirjam beginnt sich mit den dort stationierten Kosaken einzulassen, entschließt sich Mendel, mit Frau und Tochter seinem Sohn Schemarjah nach Amerika zu folgen - den immer noch schwer behinderten Jüngsten Menuchim müssen sie zurücklassen. Auch in Amerika ist die Familie weiter vom Pech verfolgt. Es sollen Jahrzehnte vergehen, Mendel ist inzwischen vom Glauben abgekommen, bis ihm das große Wunder widerfährt und er endlich Ruhe und Frieden findet …
Joseph Roth war ein österreichischer Schriftsteller und Jounalist, der 1894 im galizischen Brody bei Lemberg (Lwow) geboren wurde. Er studierte zunächst in Lemberg, dann in Wien Germanistik und Philosophie und war danach als Journalist tätig. Sein erster Roman erschien 1923, weitere folgten. „Hiob“ erschien erstmals 1930 und handelt in der Zeit um 1900 bis nach dem I. Weltkrieg. Die Machtergreifung durch die Nazis zwang den Juden ins französische Exil, seine Bücher wurden in Deutschland verbrannt. Roth starb 1939 in Paris an den Folgen einer schweren Alkoholsucht.
Wie schon der Titel des Buches vermuten lässt, greift der Autor hier die Geschichte von Hiob aus dem Alten Testament auf, der vielen harten Prüfungen unterzogen wird, an Gott verzweifelt und seinen Glauben beinahe verliert, bis dann das Wunder geschieht. Entgegen der Dramatik und Tragik der Handlung ist die Sprache Roths eher als einfach und erfassbar zu bezeichnen. Es gelingt ihm dadurch, den Leser zu packen und das Geschehen bildhaft entstehen zu lassen, sodass es sich fest im Gedächtnis zu verankert.
Fazit: Ein beeindruckender Roman voller Dynamik, ein Klassiker der deutschen Literatur, den man gelesen haben sollte und den ich gerne empfehle.
- Taiye Selasi
Diese Dinge geschehen nicht einfach so
(63)Aktuelle Rezension von: MartinchenTaiye Selasis Debütroman erzählt die Geschichte der Familie Sai, die nach einem angeblichen Kunstfehler des angesehenen Chirurgen Kweku auseinanderbricht. Die Mutter kehrt nach Ghana zurück, die vier Kinder leben ihre eigenen Leben. Als der Vater stirbt, treffen sie sich erst in New York, um gemeinsam zur Mutter zu fliegen. Die Autorin unterteilt ihren Roman in drei Abschnitte. Im ersten Abschnitt, mit „Abschied“ überschrieben, wird der Tod des Vaters erzählt, der während der nach seinem Herzinfakt verbleibenden Zeit sein Leben reflektiert. Es entsteht ein erster Eindruck der Familie, der neugierig macht, was genau geschehen ist. Im zweiten Teil, „Aufruhr“, stehen die vier Kinder im Mittelpunkt. Aus wechselnden Perspektiven entsteht ganz langsam ein Bild. Die entscheidenden Teile kommen im letzten Abschnitt „Aufbruch“ hinzu, in dem nicht nur die Kapitel, sondern auch die Unterkapitel die aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt werden. Selasi versteht es ausgezeichnet, das Seelenleben der Protagonisten wieder zu geben, so dass die Probleme und Konflikt jedes einzelnen und zu anderen sehr gut nachvollziehbar sind.
Der Sprachstil der Autorin ist besonders, außergewöhnlich. Sie beobachtet genau und klug. Es enthält viel Lebensphilosophie und die Erkenntnis, dass die Dinge eben nicht einfach so geschehen.
Taiye Selasi, Schriftstellerin und Fotografin, ist in London geboren und in Massachusetts aufgewachsen. Ihre Eltern stammen aus Ghana. Selasi erfand den Begriff „Afropolitan“, der eine neue Generation von Weltbürgern mit afrikanischen Wurzeln bezeichnet. (Quelle: Klappentext)
Fazit: ein wunderbarer Roman, den ich nicht aus der Hand legen konnte
- Zsuzsa Bánk
Die hellen Tage
(311)Aktuelle Rezension von: ScriptumFelicisAllgemeines:
"Die hellen Tage" ist ein Roman von Zsuzsa Bank und im Juni 2012 im Fischer Verlag erschienen.
Klappentext:
In einer süddeutschen Kleinstadt erlebt das Mädchen Seri helle Tage der Kindheit: Tage, die sie im Garten ihrer Freundin Aja verbringt, die aus einer ungarischen Artistenfamilie stammt und mit ihrer Mutter in einer Baracke am Stadtrand wohnt.
Aber schon die scheinbar heile Welt ihrer Kindheit in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts hat einen unsichtbaren Sprung: Seris Vater starb kurz nach ihrer Geburt, und Ajas Vater, der als Trapezkünstler in einem Zirkus arbeitet, kommt nur einmal im Jahr zu Besuch. Karl, der gemeinsame Freund der Mädchen, hat seinen jüngeren Bruder verloren, der an einem hellblauen Frühlingstag in ein fremdes Auto gestiegen und nie wieder gekommen ist.
Es sind die Mütter, die Karl und die Mädchen durch die Strömungen und Untiefen ihrer Kindheit lotsen und die ihnen beibringen, keine Angst vor dem Leben haben zu müssen und sich in seine Mitte zu begeben.
Meinung:
Die Geschichte um die drei Protagonisten war unheimlich ermüdend, langweilig und an Banalität kaum zu überbieten. Man dreht sich dauernd im Kreis und immer wieder wird alles wiederholt – und das mehrmals und dazu noch seitenlang. Die Geschichte hat keinen Spannungsbogen, keine Dialoge und auch ansonsten nichts, was das Buch einigermaßen interessant macht. Klar, es gab spannende Ansätze (bspw. die Entführung von Karls Bruder) aber diese wurde nicht weiterverfolgt, was sehr schade ist.
Die Geschichte vermochte mich zudem kaum zu berühren, obwohl es doch einige schöne Ansätze zu bieten hat (eine Frau lehrt einer anderen Frau das lesen, etc.).
Der Schreibstil an sich war okay aber er vermochte die Geschichte auch nicht mehr zu retten.
Fazit/Empfehlung:
Leider muss ich sagen, dass dieses Buch für mich reine Zeitverschwendung war. Ich muss damit aufhören, Bücher zu Ende zu lesen, die mir nicht gefallen.
Tut mir leid aber ich kann dieses Buch niemandem empfehlen.
- Jonathan Crown
Sirius
(56)Aktuelle Rezension von: dunkelbuchSirius ist kein Hund wie jeder andere, er ist ein ganz besonders aufmerksamer und kluger Foxterrier und lebt mit seiner Familie, der Familie des Professors Liliencron, zur Zeit des Nationalsozialismus in Berlin. Die Familie ist jüdisch und wird zunehmend in ihrer Existenz bedroht, sodass sie nach einem Angriff auf ihr Haus in der Reichsprogromnacht die Flucht nach Amerika antritt. Dort landen sie – wie der Zufall es will – in Hollywood, wo nach kurzer Zeit Sirius als Star entdeckt und gefeiert wird. So nimmt die abenteuerliche Geschichte der Familie und ihres einzigartigen Hundes ihren Lauf…
- Edmund de Waal
Der Hase mit den Bernsteinaugen
(64)Aktuelle Rezension von: EmmaWinter"Ich weiß nicht mehr, ist es ein Buch über meine Familie, über Erinnerungen, über mich, oder immer noch ein Buch über kleine japanische Sachen?" (S. 387)
Das fragt sich der Autor, als er auf seiner Reise in die Vergangenheit endlich in Odessa ankommt. Dort hat seine Familiengeschichte ihren Ausgang genommen. Edmund de Wall ist ein Spross der weit verzweigten und einstmals unfassbar reichen Familie Ephrussi. Als er von seinem in Japan lebenden Großonkel Iggie eine Sammlung Netsuke [ sprich: ˈnɛt͡ske] erbt, ist dies der Anlass für eine zwei Jahre dauernde Recherche.
De Wall erzählt seine Familiengeschichte anhand der Netsuke (kleine geschnitzte Figuren aus z.B. Elfenbein oder Holz), deren Reise er nachzuzeichnen versucht. In Paris gelangten sie in den Besitz der Familie und wurden als Hochzeitsgeschenk für die Urgroßeltern des Autors nach Wien geschickt; über Tokio kamen sie schließlich nach London.
Das hört sich zunächst etwas trocken an, aber die Geschichte der Familie Ephrussi hat mich packt. Der Autor ist Künstler (Keramiker und seit 2004 Professor für Keramik an der University of Westminster in London) und hat dadurch eine ganz besondere Sicht auf die Dinge. Seine Beschreibungen von Architektur und Kunst, die Analyse von Gesellschaft und Politik haben einen ganz besonderen Stil. Er schreibt so, wie er den Schreibstil seines Onkel Charles benennt, den ersten Besitzer der Netsuke: akademisch, deskriptiv und poetisch (S. 71). Das macht die Geschichte gleichzeitig klug, spannend, interessant und sehr lesenswert: Den Aufstieg und die Vernichtung der jüdischen Bankiersfamilie. Die Zerstörung von Lebenswerken, "das systematische Auslöschen von Geschichten, das Auseinanderreißen von Menschen und ihren Besitztümern, dann von Menschen und ihren Familien, ihrer Umgebung." (S. 393f.)
Mir war nicht klar, mit welcher Geschwindigkeit die Nationalsozialisten im März 1938 in Wien die Regierungsgeschäfte an sich gerissen haben. Innerhalb von Stunden änderte sich das Leben der Juden in Österreich. Das bringt de Wall eindrucksvoll zu Papier. Er bleibt dabei zurückhaltend, er ist Beobachter und verliert sich nicht in Gefühlsduselei oder Anklagen. Er benennt die Tatsachen und dennoch trifft er den richtigen Ton, um das Entsetzen auf die Leser zu übertragen. Und wäre nicht Anna mit ihrer Schürze gewesen, wären auch die 264 kleinen Figuren in die Fänge der neuen Machthaber gelangt.
Ein Buch mit Sogwirkung, das ich wahnsinnig gerne gelesen habe. Die vielen Abbildungen verhelfen der Familiengeschichte zu großer Lebendigkeit und bereichern das Buch sehr.
- Wladimir Kaminer
Russendisko
(529)Aktuelle Rezension von: secretworldofbooksWladimir Kaminer erzählt in seinem Buch "Russendisko " kurzweilige Anekdoten über die Einwanderung von Russland nach Deutschland. Schön übersichtlich in kurzen Kapitel gehalten sind sie einmal mehr und einmal weniger unterhaltsam. Interessantes habe ich auch nicht im Buch gefunden. Wer es nicht liest,verpasst nix.
- Irmgard Keun
Kind aller Länder
(35)Aktuelle Rezension von: stuff-books-picturesIn dem Roman Kind aller Länder von Irmgard Keun, der während der NS-Zeit spielt, erzählt die zehnjährige Kully von ihrem Leben, dass durch die Flucht des Vaters aus Deutschland zu einer scheinbaren endlosen Reise mit vielen Länderwechsel wird.
Ich habe den Roman mit dem Hintergrund des Kosmopolitismus gelesen. Daher konnte ich ihm den einen oder anderen Gedanken abgewinnen. Alles in allem aber kein Buch, dass ich freiwillig gelesen hätte. Aber auch nicht „so schlimm“ wie viele andere Bücher die ich im Zuge meines Studiums lesen musste. Für mich nicht sein Geld wert.
Randfakten:
🌝🌝🌛/5 - 224 Seiten - HC: 17,99€ - von: Irmgard Keun
- Alina Bronsky
Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
(161)Aktuelle Rezension von: engineerwifeWas ich mir hier gewünscht hatte: einen Roman mit viel Biss und schwarzem Humor. Was ich bekommen habe: eine menschenverachtende Geschichte, der jeglicher Humor abhandengekommen war und die einfach nur grausam und niederträchtig daherkam. Schade, Frau Baronsky, aber sowas liegt mir nicht. Um die restlichen Bücher der Autorin werde ich einen großen Bogen machen.
- Lot Vekemans
Ein Brautkleid aus Warschau
(23)Aktuelle Rezension von: sofie„Ein Brautkleid aus Warschau“ von Lot Vekemans handelt von Marlena, einer jungen Polin, auf der Suche nach ihrem Platz im Leben und von den Männern, die ihr Leben prägen: ihre große Liebe Natan, ihr niederländischer Ehemann Andries und der väterliche Freund Szymon.
Ein großes Thema des Romans ist die Sprachlosigkeit. Die einzelnen Personen sind nicht in der Lage miteinander zu sprechen, sie können ihre Gefühle nicht ausdrücken und nicht formulieren, was sie wollen und was ihnen wichtig ist. Dies führt zu Missverständnissen, im wörtlichen und im übertragenen Sinne, zu Verletzungen und zu falschen Entscheidungen.
Die Sprache von Lot Vekemans bringt einem Marlena und ihre Nöte und auch die der anderen Figuren sehr nah. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – einer eher nüchternen und sachlichen Beschreibung geht dem Leser die Situation sehr nah. Der Schreibstil ist sehr dicht, auf den wenigen Seiten passiert wahnsinnig viel und ein anderer Autor hätte vermutlich schon aus dem ersten Teil einen 500 Seiten Roman gemacht.
Leider hat mich der letzte Teil des Buchs und das Ende ein wenig enttäuscht, daher gibt es einen Punkt Abzug. Ich bin generell kein Fan von Geschichten, die mit einem einzigen Gespräch zur richtigen Zeit gar nicht stattfinden würden. Solche Situationen gibt es hier leider öfter.Trotzdem eine Leseempfehlung von mir und 4 von 5 Sternen.
- Adrian McKinty
Alter Hund, neue Tricks
(83)Aktuelle Rezension von: ZahirahDas Buch ist Teil 8 der Sean-Duffy-Reihe. Erneut ist es dem Autor gelungen Historisches rund um die IRA mit Fiktivem zu einem tollen Kriminalroman zu verschmelzen. Der Hauptcharakter Sean Duffy muss erneut einen Fall aufklären, der ihn wieder in die IRA-Aktivitäten verstrickt. Aber Duffy ist kein Anfänger mehr, er weis wie der Hase läuft und beweist einmal mehr, dass ein „alter Hund“ das Beißen nicht verlernt hat und mit „neuen Tricks“ den Fall zu lösen vermag.
Der Autor hat es wiedereinmal geschafft, dank seines tollen Schreib- und Erzählstils und durch die wirklich gelungene Charakterisierung seiner Protagonisten, allen voran natürlich Sean Duffy, mich top zu unterhalten. Nicht nur die geschilderten politischen Ereignisse auch die humorige und selbstironische Art Duffys tragen zum Lesevergnügen bei. Diese Eigenschaften zeigen sich z. B., wenn sich Duffy über den Musikgeschmack seiner Mitmenschen so wunderbar aufregen kann oder er Gesprächspartners mit trockenem Humor Paroli bietet.
Für mich ist auch dieser Teil wieder ein rundum gelungener Krimi und ich vergebe deshalb auch volle 5 Sterne.
- Marlen Haushofer
Die Wand
(883)Aktuelle Rezension von: VanessiiiaDas Buch bzw. speziell die Geschichte ist faszinierend. Diese Frau stellt plötzlich fest das sie von eine unsichtbaren Wand umgeben ist. Danach fängt sie an Tagebuch zu führen. Sie ist sehr tierlieb und hat eine Kuh, einen Hund und Katzen. Die sind alles für sie. Obwohl man denkt das in der Geschichte nicht viel passieren kann und eigentlich eher langweilig sein muss, ist es genau das Gegenteil man hinterfragt alles. Nachdem man das Buch fertig gelesen hat kann man es gar nicht auf die Seite legen bzw. man muss immer daran denken was passiert ist und was noch weiter passieren wird. Denn das Buch hat ein offenes Ende. Es gibt auch einen Film dazu, aber ich muss sagen das Buch sagt viel mehr aus als der Film.
- Ursula Krechel
Landgericht
(65)Aktuelle Rezension von: AlexanderPreusseBuchvorstellung von meinem Blog schreibgewitter.
Die Sprache sticht. Entweder ins Auge oder ins Ohr, je nachdem, ob man zum Buch oder Hörbuch greift. Ich habe mich für Letzteres entschieden. „Landgericht“ klingt etwas sperrig, doch hat es nicht lange gedauert, bis mich der Roman für sich eingenommen hat, auch wenn Inhalt und Stil durchaus mit dem Titel harmonieren. Keine Komfortlektüre.
Die Autorin Ursula Krechel hat eine Sprache gewählt, die zugleich distanziert und ganz besonders nah, unmittelbar, ja intim wirkt. Der Duktus mutete bisweilen kühl, juristisch, formal an, da er mit einer ungeheuer detaillierten Beobachtung einhergeht und zugleich außergewöhnlich präzise Bilder für die Schilderung nutzt, fühlt sich der Leser ganz dicht am Geschehen, am inneren wie äußeren. Diese Kombination sorgt für eine hohe Intensität.
„Ich bin in einer Mitläuferfabrik gelandet.“
Die Themen machen wütend. Richard Kornitzer, promovierter Jurist, zu Zeiten der Weimarer Republik im Amt eines Richters, kehrt nach dem Krieg aus Cuba nach Deutschland zurück. Der nächste Satz wird schwierig, denn würde ich sagen, Kornitzer wäre Jude, entspräche das nicht der Wahrheit. Die Nazis und ihre antisemitische Vernichtungsideologie haben ihn zum Juden gemacht, obwohl er selbst keiner sein wollte und sogar Protestant geworden ist.
Das mag als kleines Detail erscheinen, ist es allerdings nicht. Die Zuweisung einer einzigen Identität für eine andere Person ist ein signifikantes Merkmal der großen totalitären Regimes des 20. Jahrhunderts, nicht nur dem der Nazis. Auch in Stalins und Maos Reichen wurde so verfahren, immer mit dem Ziel, Menschen aus der Gesellschaft auszuschließen, ihrer Rechte zu berauben, einzusperren, zu quälen und zu töten.
„Die Geschichte war ein Krater.“
Es gehört zu den großen Vorzügen dieses Romans, dass Krechel einen Protagonisten gewählt hat, der dem Vernichtungsapparat entkommen konnte und wieder zurückgekehrt ist. Diese Rückkehr nach Deutschland steht am Anfang des Romans, der Weg zu seiner Flucht aus dem so genannten „Dritten Reich“ wird als Rückblick im Romanverlauf geschildert. Zunächst einmal geht es um die Ankunft in der ehemaligen Heimat.
Dort hat Kornitzers Frau Claire ausgeharrt. Sie ist aus der Sicht der Nazis „arisch“, durch ihre Heirat mit Kornitzer jedoch belastet, sodass sie keinen Organisationen beitreten kann, was Voraussetzung für ihre Berufsausübung wäre. Claire Kornitzer ist eine sehr moderne Frau, sie leitet eigenständig eine GmbH, ist erfolgreich, selbstständig, stark und dennoch dem Übel der Nazis hilflos ausgeliefert, denn sie muss Firma und berufliche Tätigkeit aufgeben.
Nach dem Krieg und der Gründung eines demokratischen Deutschlands ändern sich manche Dinge nicht unmittelbar zum Guten. Die während der Weimarer Republik bereits erreichte Modernität war durch die gesellschaftliche Steinzeit im Hitlerregime so weit zurückgedreht worden, dass es lange Jahre dauern sollte, ehe der einmal verlorene Stand wieder erreicht wurde. Das ging ganz erheblich zu Lasten der Frauen. Krechel hat das in ein wunderbares Bild gefasst:
„Es schmerzte sie, als wäre sie an einem anderen Zeitufer stehengeblieben und das Schiff wäre ohne sie abgefahren. Ja, hätte ihr den Zutritt verweigert, nur weil sie eine Frau war. Und was hieß nur? Die Frau eines Landgerichtsdirektors. Jetzt klang es in ihren Ohren wie Hohn.“
Die Kinder der Kornitzers, Georg und Selma, werden gerade noch rechtzeitig nach England geschickt und entgehen so einem schrecklichen Schicksal im Hitlerreich. Auf der Insel haben sie allerdings ebenfalls mit Widrigkeiten zu kämpfen, was den Roman übrigens brandaktuell macht, wenn etwa von „unbegleiteten Minderjährigen“ die Rede ist, die aus Syrien, Afghanistan oder anderen Regionen nach Deutschland fliehen.
In seiner Heimat und sieht sich Kornitzer auf allen Ebenen Widrigkeiten ausgesetzt. Beruflich setzt ihm zum Beispiel die skandalöse Behandlung von Philipp Auerbach heftig zu, privat ist es ein extrem schwieriges Unterfangen, die Familie wieder unter einem Hut zu versammeln. Diese Dinge entwickelt Krechel in ihrem typischen Stil vor den Augen des Lesers, der mitgerissen werden kann, wenn er sich darauf einlässt.
Die „Stunde Null“, der „Neuanfang“ ist eben geprägt von vielen Kontinuitäten, die rückwirkend ebenso verblüffen wie auch verstören. Vor allem der latente, unterschwellige oder auch offene Antisemitismus, das Fortdauern von NS-Ideologie und Denkweise in juristischen (und anderen) Bereichen des Staates und die Hilf- und Wehrlosigkeit der Opfer, insbesondere der Juden, sind eigentlich unfassbar.
„Es rüttelte an seinem Rechtsempfinden wie eine eisige Sturmböe.“
Eine ganz besonders bedrückende Episode ist die so genannte „Irrfahrt der St. Louis„, ein Dampfer, der vollgestopft mit jüdischen Flüchtlingen aus dem Reich Cuba angelaufen hatte. Touristenvisa wurden plötzlich nicht mehr anerkannt, nur wenige der Notleidenden wurden von Bord gelassen, der Rest harrte auf dem Schiff zunächst zwischen Cuba und den USA, später von der Küste Kanadas aus, ehe die St. Louis wieder nach Deutschland zurückkehrte.
Dieser auch aus der Gegenwart sattsam bekannte Vorgang, der den Eindruck verstärkt, dass manche Dinge sich eben doch wiederholen, ist auch in anderen Werken behandelt worden. Der kubanische Autor Leonardo Padura hat ihn in seinem Roman „Ketzer“ aufgegriffen und aus Sicht von Einwohnern Havannas geschildert. Für Kornitzer wird Cuba aber zum Rettungsanker, eine ihm sehr fremde Welt.
„Tage, mit heißer Nadel aneinandergestichelt, sich gegenseitig überlappend. Ein Sandmückenschleier sirrt in der Luft über der dösenden Bucht. Klares, blaues Licht. Licht, von ruhiger Eindringlichkeit, das einen blass und bleich erscheinen ließ.“
Mir haben an dem Buch sehr viele Aspekte ganz besonders gefallen. Neben der eindringlichen Sprache vor allem die Vielschichtigkeit der angesprochenen Themen, die Rückblenden und kurzen Ausflüge in Seitenhandlungen, die zusammengenommen auf nachdrückliche Weise aufzeigen, wie die Opfer des NS-Regimes auf verlorenem Posten kämpften, als es darum ging, angemessen entschädigt und anerkannt zu werden. Der Krieg mochte 1945 beendet worden sein, sein verheerendes Wirken dauerte weit darüber hinaus an
- Teju Cole
Jeder Tag gehört dem Dieb
(20)Aktuelle Rezension von: vivreavecdeslivresIn seinem Debut sinniert Teju Cole über sein Heimatsland Nigeria. Dabei verleiht er seine Stimme einem namenslosen Protagonisten, welcher nach 15 Jahren die Rückkehr in seine sogenannte Heimat antritt. Schnell bemerkt er allerdings, dass es sich nicht nach Heimat anfühlt, sondern nach Fremde, oder zumindest nach etwas Enttäuschendem.
Teju Coles zweites Buch 'Open City' wurde international gefeiert und hielt auch bei mir Einzug, allerdings hat mich sein unpopuläreres erstes Buch mehr angesprochen. Dass dieses Buch nicht gleichmässig bekannt ist, hat indirekt mit dem Inhalt zu tun - Der Autor kritisiert mit seinem Schreiben Nigeria und dessen Verarmung an Kultur, gleichzeitig erschien der Roman in einem nigerianischen Verlag, wodurch er wenig Berühmtheit erfuhr, meiner Meinung nach nicht zurecht. Denn Teju Cole legt uns hiermit ein Werk vor, dass eine sogartige Wirkung hat, dass mich zum ersten Mal wirklich an den Spruch glauben lässt - Lesen ist wie Reisen. Denn wir erfahren hier eine Stadt, Lagos, in all ihren Ausmassen, wir erleben das Begeisternde und das Abstossende, allen voran das Faszinierende in dieser Fremde.
Spannend ist ja, wie ein Nigerianer dorthin zurückkehrt. Unser Protagonist verbrachte fünfzehn Jahre in New York, ohne dazwischen je wieder in seine Heimat einzureisen. Das gibt dieser vermeintlichen 'Rückkehr' viel grösseres Gewicht. New York als unglaublich sympathischer Gegenpol, eine Stadt, welche sowohl vor neuster Technologie und Modernität strotzt, wie auch in all seiner Grösse das Detail, die Kunst und die Sinnlichkeit einer Stadt in jedem Ecken bereithält. New York durfte ich bereits selbst erleben, und selten konnte mich die Vielfältigkeit einer Metropole so beeindrucken. Dagegen scheint Lagos eintönig zu sein. Die Stadt funktioniert nach ihren eigenen Regeln, und diese sind wohl keinem aus der nordwestlichen Welt bekannt. So begegnet der Protagonist bereits an der ersten Haltestelle, dem Konsulat in New York, Korruption. Diese Begegnung macht ihn fassungslos, mehr noch, als sie vielleicht uns als Nicht-Einbezogene fassungslos machen würde, und sie besetzt ihn. Kaum gelandet, stürzen wir uns auf dieses Thema und entdecken es tatsächlich auch in jedem noch so versteckten Winkel. Das korrupte Nigeria. Dann aber beginnt er mit seinen Beobachtungen, erzählt von diesen, und sie sind so kunterbunt und fremd, wie ich kaum glauben konnte. Er trifft auf unterschiedliche Menschen, auf unterschiedliche Interessen, auf unterschiedlichen Umgang mit verschiedenen Situation. Und auch auf immer wieder sich ähnelnde Muster.
Und so entwirft Teju Cole ein Bild von einem Nigeria aus dem Heute, aber überlappt es mit Erinnerungsfetzen, Gedankengängen und tiefen Emotionen, von Verwunderung, Abneigung und Liebe. Dabei entsteht auch ein ganz eigenes Gefühl von Heimat, welches er mit seinen behutsam gewählten Worten so gut zu vermitteln weiss - Chapeau. Und vielen Dank, denn ich bin nun um einige Erfahrungen und irgendwie eine Reise nach Nigeria reicher.
http://wonderful-ne-books.blogspot.ch/2017/04/jeder-tag-gehort-dem-dieb-von-teju-cole.html