Bücher mit dem Tag "fin de siècle"
17 Bücher
- Irvin D. Yalom
Und Nietzsche weinte
(417)Aktuelle Rezension von: irmakvakifliEs gibt Bücher, die man liest – und solche, die einen lesen. Und Nietzsche weinte gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. Dieses Werk, das mir einst in einem kleinen Antiquariat empfohlen wurde, hat sich seither mühelos in mein Gedächtnis eingebrannt – und das seit Jahrzehnten.
Irvin D. Yalom, selbst renommierter Psychiater, entwirft eine fiktive Begegnung zwischen Dr. Josef Breuer, einem der Väter der modernen Psychotherapie, und dem großen Philosophen Friedrich Nietzsche. Die Bühne: Wien, Ende des 19. Jahrhunderts – jener Zeitpunkt, an dem Psychiatrie noch geboren wird und Philosophie noch das Leben erklären will. Und genau dort treffen sich zwei Geister, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten – und doch eine tiefe Verbindung eingehen.
Yalom gelingt es meisterhaft, komplexe Ideen über Seele, Wille, Freiheit, Leid und Heilung in einen erzählerischen Fluss zu bringen, der sowohl anspruchsvoll als auch zugänglich bleibt. Die Dialoge sind scharf, dicht, aber nie prätentiös. Wer Freude an tiefgründigen Gesprächen, existenziellen Fragen und menschlicher Komplexität hat, wird in diesem Buch einen wahren Schatz finden.
Es ist ein Roman über das Ringen mit sich selbst – über die Angst vor Nähe, die Lust an der Kontrolle, die Notwendigkeit der Veränderung. Breuer und Nietzsche therapieren sich gegenseitig – manchmal wissend, manchmal unbewusst. Diese Spiegelung ist nicht nur psychologisch brillant, sondern auch literarisch hoch elegant umgesetzt.
Die Atmosphäre des alten Wiens, die Schatten Freuds, die Entstehung eines neuen Verständnisses vom Menschen – all das verleiht dem Buch Tiefe und geschichtliche Verankerung, ohne dass es je trocken oder akademisch wird.
Für mich persönlich: ein Fünf-Sterne-Buch. Nicht nur wegen der klugen Konstruktion, sondern vor allem, weil es etwas tut, was nur wenige Romane können – es verändert den Leser. Nicht laut, nicht belehrend – sondern leise, nachhaltig und auf eine zutiefst menschliche Weise.
- Britta Hasler
Bilder des Bösen
(16)Aktuelle Rezension von: Angeliques_Leseecke*Inhalt*
Wien 1906, ein Serienmörder treibt in der Stadt sein Unwesen. Er tötet Prostituierte und hackt anschließend eine Hand ab. Leutnant Tscherba bittet die beiden Privatdetektive Rudolph Lischka und Julius Pawalet um Mithilfe. Kurze Zeit später wird Julius Pawalet dabei beobachtet, wie er einen neuen Tatort verlässt, er wird zum Hauptverdächtigen.
Parallel ermittelt die beiden in einem Fall von Erpressung. Eine Dame der Gesellschaft wird mit pikanten Bildern ihres Ehemanns erpresst.
Nach und nach decken die beide die dunklen Machenschaften der sogenannten gehobenen Gesellschaft auf. Dabei kommen sie dem Mörder gefährlich nahe…
*Meine Meinung*
"Bilder des Bösen" von Britta Hasler ist der Nachfolgeband zu "Das Sterben der Bilder". Die Kriminalfälle sind spannend und sehr interessant.
Mit ihren bildhaften und fesselnden Schreibstil schafft es die Autorin mich in die Geschichte hineinzuziehen. Und auch wenn mich die erotischen Szenen etwas stören, möchte ich wissen, wer der Mörder ist.
Nach und nach offenbart sich dem Leser die Moral und die Abgründe dieser Zeit. Die Polizei schaut bei der Prostitution und bei dem Mädchenhandel weg, hält vielleicht sogar die Hand auf. Der Blick in die menschlichen Abgründe ist der Autorin gut gelungen.
Die Charaktere sind facettenreich und entwickeln sich im Laufe des Buches.
*Fazit*
Ein gut recherchierter Krimi aus vergangener Zeit, spannend und mit einigen erotischen Szenen. Von mir gibt es 4 Sterne. - Marcel Proust
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Band 1
(38)Aktuelle Rezension von: glowinggloom4185 Seiten; von nun an wird mich kein Buch mehr wegen seiner Seitenzahl zurückzucken lassen. Habe 3 ½ Monate dafür gebraucht. Auf der Handlungsebene geht es in dem Roman u.a. um das gesellschaftliche Leben in französischen Adelskreisen zu Beginn des vorigen Jahrhunderts (das als unglaublich dünkelhaft geschildert wird), den leidenschaftlichen Antisemitismus in Frankreich (insbesondere im Zusammenhang mit der Dreyfus-Affäre), die Homosexualität (vorwiegend die männliche Form), die pathologische Eifersucht des Ich-Erzählers (also von Proust selbst, in diesem autobiografischen Roman). Der Roman folgt der Literatur-Theorie von Proust, die im letzten Band erläutert wird und die aus dem subjektiven Empfinden der Erinnerung an die eigene Vergangenheit schöpft (wobei ich nicht sicher bin, ob ich Proust´s Theorie verstanden habe). Ich finde die Schachtelsätze von Thomas Mann sind Sprachkunstwerke, die man sich ausschneiden und einrahmen möchte. Die langen Sätze von Proust finde ich quälend zäh, manchmal am Rande des Zumutbaren. Ich vermute, dass die Sprache bei der Übersetzung auf der Strecke geblieben ist. Thematisch fand ich den Roman teilweise interessant aber die Sprache hat mir die Lektüre verleidet.
- Max Haberich
Arthur Schnitzler
(14)Aktuelle Rezension von: awogfliWer mit diesem Sachbuch eine Biografie erwartet hat, die dem Leser den Menschen und Literaten Arthur Schnitzler näherbringt – so wie ich – der wird leider sehr enttäuscht sein.
Irgendwie schaut das Werk auf drei Viertel seines Umfangs so aus, als ob es ursprünglich als literaturwissenschaftliche Arbeit eines Doktoranden konzipiert worden wäre, der seinem Germanistikprofessor beweisen wollte, wie viel er von Schnitzler gelesen hat und wie gut er dessen Werke nacherzählen kann. Das sich wahrscheinlich daraus ergebende ohne wesentliche Änderungen publizierte Buch passt sich so gar nicht an die Bedürfnisse und Erwartungen des Lesers an. Als Werkschau werden im Stakkato die Stücke von Schnitzler im Telegrammstil sinnlos und lähmend zusammengefasst – teilweise drei bis vier Stücke auf einer Seite. Wenn ich als Leserin die Werke Schnitzlers kennenlernen will, geh ich zum Schmied und nicht zum Schmiedl, ergo lese ich entweder vorher oder parallel noch die wichtigsten Stücke des Autors, die mir fehlen, oder an die ich mich nicht mehr so gut erinnern kann.
Als Charakterstudie des Literaten, der im Untertitel auch noch als Anatom des Fin de Siècle bezeichnet wird, ist dieses Sachbuch recht ordentlich misslungen. Lediglich wenn Max Haberich Schnitzlers Identität als Deutsch/Österreicher und als Jude thematisiert und auch den in Europa grassierenden Antisemitismus zeitgeschichtlich aufrollt, wird der Inhalt endlich sehr spannend und leidlich biografisch. Ansonsten wird aber fast gar nichts zur Persönlichkeit Schnitzlers enthüllt: Nebensätze zu seiner Krankheit und Hypochondrie, kurze Anspielungen zu Frauen und Kindern. Das hätte Schnitzler so gar nicht gefallen. Nur auf seine jüdische Identität und auf den Antisemitismus reduziert und nicht als Mensch dargestellt zu werden – da wär dieser literarische Meister und Analyst der menschlichen Psyche total ausgeflippt.
"Ich betrachte mich keineswegs als einen jüdischen Dichter, sondern als einen deutschen Dichter, der, soweit sich so etwas überhaupt nachweisen läßt, der jüdischen Rasse angehört.[…]
Ich schreibe in deutscher Sprache, lebe innerhalb des deutschen Kulturkreises, verdanke gewiss von allen Kulturen der Deutschen am meisten […]
Daran, dass ich ein deutscher Dichter bin, wird mich weder jüdisch-zionistisches Ressentiment, noch die Albernheit und Unverschämtheit deutscher Nationalisten, im geringsten irre machen; nicht einmal der Verdacht, dass ich mich beim Deutschtum oder gerade bei seinen kläglichsten Vertretern anbiedern möchte, wird mich daran hindern, zu fühlen was ich fühle, zu wissen was ich weiß […]
Auch die Parallelen im literarischen Werk durch den ursprünglichen Beruf als Arzt, die Rolle als Militärarzt und einfließende, damals aktuelle Methodiken der Psychoanalyse, Traumdeutung und Hypnose – ergo der Einfluss von Freud und Konsorten auf Schnitzlers Werk – wurden so gut wie gar nicht breiter untersucht.
Erst am Ende des Buches, als seine Tochter Lili Selbstmord begeht, blitzt ein bisschen der Mensch Schnitzler aus dieser Wüste an Werksbeschreibungen und Zeitgeschichte hervor. Dabei bräuchte man hier gar nicht spekulieren, es gibt tonnenweise Material – wie dieses vor den Nazis gerettet und auf abenteuerliche Weise nach Cambridge gebracht wurde, verschweigt uns Haberich natürlich auch geflissentlich. Der Briefverkehr mit seiner Frau, der dem Leser klar die Eheprobleme im Hause Schnitzler darlegt, wird auch nicht analysiert sondern gleich in den Anhang verschoben, soll sich der Leser doch selbst bemühen, die Geschichte zu schreiben und sich eine Meinung bilden. Insofern waren das letzte Kapitel und der Anhang der spannendste Teil des Sachbuchs.
Fazit: Ich bin überhaupt nicht begeistert, da ich mir eine richtige Biografie erwartet habe, dennoch habe ich ein paar Informationen mitgenommen. Erstens habe ich zur Eskalation des Antisemitismus um die Jahrhundertwende in Österreich einige neue Fakten gelernt. Zweitens habe ich durch dieses Buch recherchiert und bin zufällig darüber gestolpert, dass das Theaterstück Prof. Bernardi im November 2017 Premiere in der Josefstadt hat. Da muss ich unbedingt hin. Drittens werde ich die Novellen Der Sohn und die Traumnovelle demnächst lesen. Und viertens und letztens weiß ich endlich, wo das Schnitzlerhaus steht, das in der Praterstraße weder ausgeflaggt, noch auf den offiziellen Tourismuskarten verzeichnet ist, was mich wieder mal in meiner Meinung bestätigt, dass Wien selten sehr nett zu seinen berühmten Söhnen und Töchtern ist, vor allem wenn sie renitent waren bzw. keine Volksmusiksänger oder Wintersportler sind. 😜 2,5 Sterne, da ich die Tendenz zur Mitte habe, auf 3 Sterne mit viel Bauchweh aufgerundet. - Richard Mason
Die geheimen Talente des Piet Barol
(32)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderPiet Barol ist jung, wunderschön, gebildet, charmant und er weiß, wie er Männern wie Frauen den Kopf verdrehen kann. Um seinen tristen Leben mit seinem Vater und der kleinen Wohnung zu entfliehen bewirbt er sich bei der Familie Vermeulen-Sickerts. Die reiche Hoteliers Familie liegt ihm bald zu Füßen. Eigentlich soll er sich um den zehn jährigen Sohn Egbert aus seine Lethargie holen, denn der Junge war seit zwei Jahren nicht mehr draußen und zieht sich immer mehr in seine Welt zurück. Maarten ist der Hausherr und beeindruckt von dem jungen Mann und fördert dessen Geschäfte, während seine Gattin Jacobina ganz andere Verlangen hat. Auch die beiden Töchter sind jede auf ihre Weiße von ihm fasziniert. Piet Barol beginnt ein Spiel um Vertrauen, Macht, Leidenschaft und Geschäften und verändert damit nicht nur sein Leben und seine Perspektive für immer.
Richard Mason ist ein spannender, sinnlicher, tiefgründiger und hoch intelligenter Roman gelungen. Mit seinem vierten Roman (Der Liebesbeweis, Die unsichtbare Vierte, Minutenwalzer) begibt er sich wieder in ein anderes Genre und fasziniert auf seine ganz eigene Art und Weiße. - Beate Maly
Lottes Träume
(60)Aktuelle Rezension von: pinkdinoprincessInhalt: Lotte Seidls Vater ist gerade gestorben, daher macht sich die junge Frau aus einem kleinen Dorf in den Bergen auf nach Wien, um eine Anstellung als Verkäuferin zu finden. Als sie bei Mizzi Langer-Kauba vorspricht, dauert es nicht lang, bis klar ist: Wenn Lotte sich mit einer Sache auskennt, dann mit dem neuartigen Ski-Sport. Im Wien des Jahres 1904 eigentlich noch undenkbar, hat Mizzi Kauba einen Traum: Ski-Ausrüstung und -Kleidung auch für Frauen anzubieten. Gemeinsam mit Lotte als Angestellte rückt diese Vision in greifbare Nähe. Doch nicht nur geschäftlich prasseln jeden Tag neue Eindrücke auf Lotte ein. Der junge jüdische Arzt Jacob Sonnstein scheint ihr nicht mehr aus dem Kopf zu gehen.
Fazit: Inhaltlich würde ich dieses Buch wohl als Wohlfühlroman bezeichnen. Wien ist für mich die schönste Stadt der Welt und auch im Jahr 1904 konnte ich einige Schauplätze wiedererkennen, auch wenn sie damals vermutlich noch etwas anders aussahen. Die Geschichte der Ski-Bekleidung für Damen war mir bis zu diesem Roman noch fremd, umso spannender fand ich es, nun zu wissen, welche historischen Persönlichkeiten daran mitwirkten! Denn auch wenn Lotte Seidl erfunden ist, so sind es ihre Zeitgenoss*innen in diesem Roman nicht immer, allen voran Mizzi Langer-Kauba. Die Figuren waren authentisch und ihre Handlungen nachvollziehbar, wenn auch für Lotte nicht immer angenehm.
Empfehlung: Wer sich für Wien, das frühe zwanzigsten Jahrhundert oder die Geschichte der Emanzipation im Sport interessiert, darf sich hier auf einen angenehmen und interessanten Roman freuen!
- Renate Taucher
Justina - Was bleibt ist Zukunft
(4)Aktuelle Rezension von: Ladybella911Wer war diese geheimnisvolle Komtess Altazy, die seiner Frau so unverschämt ähnlich sah ? Conrad beschloss, diskrete Nachforschungen anzustellen, denn er brauchte Klarheit.
In diesem Buch geht es um das Leben von Justina, die in einer von ihrem Vater arrangierten Ehe mit dem wesentlich älteren Conrad Maria Kruger, einem Maschinenfabrikanten lebt. Justina ist jung, schön und vermögend und sie macht ihrem ungeliebten Ehemann das Leben zur Hölle, obwohl dieser versucht, ihr jeden nur denkbaren Wunsch zu erfüllen.
Außerdem quälen sie seit ihrer frühesten Jugend Albträume, die sich dahingehend manifestieren, dass ihr Personen als Tote erscheinen, kurz bevor sie sterben. Über dieses Phänomen kann sie mit niemandem sprechen, außer mit dem Pater Prior und einer Nonne aus einem nahegelegenen Kloster.
Dank der bildhaft fein gestalteten Sprache, der Lebendigkeit und Authenzität der Charaktere, tauchen wir ganz tief ein in die damalige Zeit des Wiens im Fin de Siècle.
Justina ist unglücklich und versucht, sich durch viele Reisen mit Justus ihrem Sohn und Maria einer Vertrauten, von ihrem Schicksal abzulenken.
Aber die Situation eskaliert, ihr Sohn kommt ums Leben, und nach und nach verliert sie den Bezug zur Realität, es kommt zu einer Katastrophe. Am Ende des Buches fragt man sich als Leser ob man dabei war wie eine Frau dem Wahnsinn verfällt, oder ob die Träume und Erscheinungen, die auch bei anderen Personen auftreten, Realität auf verschiedenen Zeitebenen sind.
Ein ungewöhnliches Buch, welches mich sowohl durch die feingeschliffene Sprache, die fein gezeichneten Charaktere wie auch durch die Handlung in seinen Bann zog. Irgendwie bleibt man am Ende sprachlos und sehr nachdenklich zurück, und weiß nicht genau, ob man einen historischen Roman oder eine Mystery-Geschichte gelesen hat.
- Gyles Brandreth
Oscar Wilde and the Ring of Death (Oscar Wilde Mysteries 2)
(4)Aktuelle Rezension von: TheSaintAbermals schlüpft Gyles Brandreth in die Rolle des Oscar Wilde-Biografen Robert Sherard und erzählt aus seiner Sicht die mörderischen Geschehnisse aufgrund eines von Oscar Wilde initiierten Spiels nach einem Essen in dem vom Literaten ins Leben gerufenen "Socrates Club".In London gegen Ende des 19. Jahrhunderts ruhte an Sonntagen das gesellschaftliche Leben... da aber Oscar Wilde immer nach Abwechslung und Gesellschaft gierte, gründete er den Supper-Club, der sich immer am ersten Sonntag eines Monats traf und neben ihm und seinem Biografen Sherard (1861-1943) die Herren Lord Alfred Douglas (1870-1945), Arthur Conan Doyle (1859-1930), Abraham Stoker (1847-1912) und Walter Sickert (1860-1942) als Mitglieder hatte.
An jenem 1. Mai 1892 tritt dieser Club wieder zu einem ausgezeichneten Essen zusammen. Oscar bittet Edward Heron-Allen (1861-1943) - den Bewunderer seiner Frau Constance - zu Tisch, auf Einladung von "Bosie" Douglas suppiert sein älterer Bruder Francis (1867-1894) im Club. Der Einladung zum Essen von Sherard folgte der ehrenwerte Reverend George Daubeney, Conan Doyle bat den jungen Schriftsteller Ernest William Hornung (1866-1921) zu Tisch. Sickert's Gast war der Schauspieler Bradford Pearse, der Gast von Bram Stoker der Schauspieler Charles Brookfield (1857-1913). Alphonse Byrd, der Clubsekretär, hat den erfolgreichen Boxer David McMuirtree als Gast.Am Ende des Essens bittet Oscar alle Anwesenden, die Person, die man am liebsten tot sehen würde, auf einen Zettel zu schreiben... die Zettel werden dann eingesammelt und von Oscar verlesen: David McMuirtree wird nebst anderen dreimal genannt, der Gastgeber und seine Gattin Constance je einmal.Man trennt sich in guter Stimmung und scheint das makabre Spiel schon bald vergessen zu haben, als plötzlich die Ex-Verlobte des ehrenwerten Reverend George Daubeney bei einem Wohnungsbrand ums Leben kommt... Er hatte ihren Namen niedergeschrieben. Kurz darauf stirbt Lord Abergordon, den Lord Francis Douglas auf den Zettel geschrieben hatte... Und das Morden geht weiter...
Das Buch ist ein üppiger Quell an eingestreuten Biografien und tatsächlich Geschehenem. Wilde's Ehefrau Constance wird ausführlich behandelt und ist plötzlich vielmehr als nur "die Frau"... Oscar's Deduktionsgabe übertrifft bei weitem Conan Doyle's Aufmerksamkeit und Kombinationstalent, der in diesem Buch bereits daran arbeit, seine Figur Sherlock Holmes sterben zu lassen. Bram Stoker leitet erfolgreich ein Theater und schreibt an einem Roman über einen Vampirgrafen und die Boxregeln des Marquess of Queensberry ("Bosie's" Vater) finden erstmals breite Anwendung.All die realen Personen waren wirklich miteinander bekannt und befreundet (Stoker z. B. schnappte Wilde die Frau vor Constance weg und heiratete sie) oder hatten auf Wilde's Leben großen Einfluss: wie z. B. der Schauspieler Brookfield, der maßgeblich bei der Zeugenbeschaffung im Prozess gegen Wilde tätig war.
Brandreth serviert einen kurzweiligen, atmosphärischen und spannenden Kriminalfall und zeichnet dank der Mithilfe von Oscar Wilde's Enkel Merlin Holland (*1945) ein facettenreiches Bild dieses faszinierenden Mannes, der zum Zeitpunkt dieser Mordfälle gerade mit "Lady Windermere's Fächer" ganz große Erfolge feierte.
Ein weiterer Roman, der allen Oscar-Wilde-Freunden wärmstens empfohlen werden kann!
- Petra Hartlieb
Wenn es Frühling wird in Wien
(71)Aktuelle Rezension von: StreiflichtVon der Autorin Petra Hartlieb habe ich voller Begeisterung ihr Buch „Meine wundervolle Buchhandlung“ gelesen. Irgendwann bekam ich „Wenn es Frühling wird in Wien“ geschenkt, ahnte aber gar nicht, worum es da geht und dass das Buch eigentlich schon das zweite einer vierteiligen Reihe ist. Eines Tages nahm ich das Buch zur Hand, um mal reinzuschauen und schon war ich weg, im fernen Wien der Vergangenheit.
Das Buch hat mir super gut gefallen und ich habe es quasi in einem Rutsch gelesen. Marie und Oskar sind wunderbare Romanfiguren, mit denen man so herrlich mitfiebern, sich freuen und mitleiden kann. Ich mochte die beiden sehr und war richtig traurig, als ich das Buch weglegen musste. Was für ein Glück, als ich entdeckte, dass es noch drei weitere Bände um die beiden gibt!
Ich mochte die Stimmung im Buch, die meiner Meinung nach gut zu der damaligen Zeit passt. Das Flair Wiens ist wunderbar eingefangen und auch das Leben beim berühmten Schriftsteller Arthur Schnitzler. Man erlebt mit, was damals wichtig ist, wie die Traditionen und Gebräuche waren, wie Männer und Frauen lebten, wie höhergestellte Persönlichkeiten und wie das Personal. Das fand ich richtig super! Ein wunderbares Buch, das einfach nur Spaß macht
- Frank Schirrmacher
Das Methusalem-Komplott
(27)Aktuelle Rezension von: HoldenSchirrmachers Schrift gegen Altenhaß und für eine Neuorientierung der Gesellschaft. Er selbst hat den Zustand des alten Mitmenschen ja nicht mehr erleben müssen. Man wundert man sich über die subtilen Einflüsterungen der Gegenwartsgesellschaft, wie man vermeintlich Alte aufs "Altenteil" schieben möchte, daß die Best ager auch in fortgeschrittenen Alter häufig körperlich und geistig noch voll da sind, hat einen selbst überrascht. Gerad wurde Joe Biden wegen seines Alters als möglicher Präsidentschaftskandidat gegen Donald Trump wegen seines Alters ausgemustert (trotz offenbar recht guter Bilanz seiner Präsidentschaft), die "Heute-Show" witzelte über das "Greise Haus", und in der Werbung gibt es wieder nur Junge und Ganzjunge, sogar auf der AOK-Mitgliederzeitschrift sind nur junge gesunde Menschen. Viel hat sich nicht geändert, obwohl wir laut Schirrmacher längst in der Gerontokratie leben müßten. Augenöffnend und klug, aber auch anspruchsvolle Kost.
- Henry James
Die Gesandten
(8)Aktuelle Rezension von: lesestundenHenry James legt mit Die Gesandten ein sehr geschickt komponierten Roman vor, der es schafft aus der stark begrenzten Sicht seines Protagonisten ein soziales Gefüge und seine einzelnen Personen sehr genau zu durchleuchten, sie in Beziehung zueinander zu setzen und ihr Denken und Handeln auf die Hauptperson zu projizieren. Sehr faszinierend sind die gelungenen und spannenden Dialoge, die vielschichtigen und realistisch wirkenden Menschen und der zu beobachtende Wandel, der in den Gesandten vor sich geht. An vielen Stellen reflektiert James aber zu viel, wird mit den Gedankengängen sehr genau und damit verliert der Roman an Tempo und wird stellenweise langatmig. Die Sätze sind sehr verwinkelt, lange und mit vielen Nebensätzen angereichert. Ein Sog beim Lesen ist für mich ausgeblieben und die vielen Andeutungen, die Menge an Informationen, die zwischen den Zeilen zu finden sind, machen es erforderlich, sich wirklich Zeit für das Buch zu nehmen und es mit viel Aufmerksamkeit zügig durchzulesen, da man sonst recht schnell den Faden verlieren kann oder Details nicht behält. Und genau darin liegt die Stärke des Buches: In den Feinheiten der zwischenmenschlichen Kommunikation im gesellschaftlichen Reigen des schönen Paris. Auch emotional hat mich das Buch nur wenig gepackt. So bleibtDie Gesandten eine Empfehlung für Leser, die sowohl sprachlich, als auch inhaltlich mit einer gewissen Komplexität zurecht kommen, sehr aufmerksame Leser sind und ein Vergnügen in vielen Dialogen und dem Erfassen von fein nuancierten gesellschaftlichen Beziehungen finden.
Ausführliche Rezension: http://www.lesestunden.de/2016/01/die-gesandten-henry-james/ - Marcel Proust
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Band 1: Auf dem Weg zu Swann
(4)Noch keine Rezension vorhanden - Johannes Sachslehner
Alle, alle will ich - Arthur Schnitzler und seine süßen Wiener Mädel
(2)Aktuelle Rezension von: GunglKLAPPENTEXT: Toni, Fifi, Minni, Jenny, Dilly, Mizi I und Mizi II, Poldi schon im zärtlichen Diminutiv liegt eine ganze Welt : Leichtlebigkeit und Lebenslust schwingen mit, aber auch Respektlosigkeit und das beruhigende Wissen, dass der Trennungsschmerz sich in Grenzen halten wird. Arthur Schnitzler schätzt die Mädchen aus der Vorstadt und kann nicht genug von den Wiener Weiberln bekommen. Alle, alle will ich , vermerkt er am 19. März 1896 in seinem Tagebuch. Es sind naiv-erotische Spiel- und Lustobjekte, austauschbar, wenn die Beziehung zu langweilig wird, gleichzeitig aber eifersüchtig gehütet. Der Schriftsteller tobt über ihre Untreue, ergeht sich in wilden Beschimpfungen die Vorwürfe reichen von Vorstadtflitscherl und Komödiantenhure bis zur verdorbensten Kreatur der Welt und sogar sadistischen Anwandlungen. Johannes Sachslehner rückt in seiner detaillierten biografischen Studie das Schicksal dieser Frauen in den Mittelpunkt und zeigt, dass sich hinter der sanften literarischen Verklärung in Schnitzlers berühmten Texten eine oftmals erschreckende Realität offenbart.
LESEREINDRUCK: Seit meiner Jugend begleiten mich die Werke von Arthur Schnitzler und der Titel der vorliegenden Biographie war dementsprechend verlockend.
Ganz profan reiht sich eine junge Frau an die nächste, oft ist Schnitzler mit drei Damen zugleich liiert und jongliert die Verabredungen wie ein Zirkusartist. Das erotische Tagebuch des Herrn Schnitzler scheint einzig dem Zweck gedient zu haben, sich der eigenen Manneskraft zu vergewissern. Im Zuge der Lektüre tut einem der Mann fast leid, weil er das, was er sucht, niemals finden wird, wäre da nicht die Kälte, mit der er beispielsweise eine seiner Geliebten in Krankheit und Not im Stich lässt, Frauen "gegen ihren Willen" besitzt und offenbar auch schlägt.
Wiederholt musste ich mich daran erinnern, dass in diesem Buch ein Teilaspekt Schnitzlers Persönlichkeit beschrieben wird und hätte mir gewünscht, es wäre mehr auf die sozialen Gegebenheiten der Zeit und auf die persönlichen Lebensumstände Schnitzler eingegangen worden, um dieses Bild etwas abzurunden. Dennoch ist es ein fesselndes Sittenbild zum Fin de Siècle und absolut lesenswert. - Julian Barnes
Der Mann im roten Rock
(26)Aktuelle Rezension von: sKnaerzleBarnes nimmt die Biographie des französischen Gynäkologen Pozzi als vagen roten Faden, um den Leben einige der berühmteren französischen Dandys vorzustellen. Dabei flaniert der Autor eher durch sein Thema, erwähnt hier Flaubert und dort Huysman, kritisiert Oscar Wilde (eine Jury ist halt kein Theaterpublikum), bewundert Robert de Montesquiou, dessen Romane vergessen sind und der ein aktives Nachleben als Romanfigur (u. a. in der Recherche) führt.
Das Buch hat etwas von intelligentem Geplauder und das Lesen macht sehr viel Spaß. Das einzige was etwas stört ist Pozzi, der ist Arzt und gehört damit in die bürgerliche Arbeitswelt und ist kein Dandy. Und wie sich sein Bild im Tagebuch seiner überspannten Tochter spiegelt kann ja nur eins sein - falsch.
Und herzlicher Dank für die Erwähnung von Catulle Mendès, der war das Bombole für mich, weil ich doch nicht wusste, warum ich ihn gelesen habe.
- Montserrat Roig
Die Frauen vom Café Núria
(19)Aktuelle Rezension von: AischaMontserrat Roigs "Die Frauen vom Café Núria" ist der erste Teil ihrer Barcelona-Trilogie und wurde bereits 1972 im katalanischen Original veröffentlicht. Der Roman zeichnet ein vielschichtiges Porträt dreier Generationen von Frauen – Großmutter, Mutter und Enkelin . Vor dem Hintergrund des 20. Jahrhunderts in Barcelona, vom Fin de Siècle über den Spanischen Bürgerkrieg bis hin zu den 1960er Jahren – beleuchtet Roig die Herausforderungen und Einschränkungen, denen Frauen in einer patriarchal geprägten Gesellschaft gegenüberstehen.
Die Erzählung ist nicht linear, sondern springt zwischen den Zeitebenen und den Perspektiven der drei Frauen, die alle Mundeta genannt werden, eine Koseform von Ramona. Jede von ihnen ringt auf ihre Weise mit gesellschaftlichen Normen und persönlichen Sehnsüchten. Die Großmutter lebt in einer Welt der Konventionen und sehnt sich nach Leidenschaft. Die Mutter erlebt die Wirren des Bürgerkriegs und hält sich selbst für dumm und unattraktiv. Die Enkelin schließlich engagiert sich politisch gegen das Franco-Regime, strebt nach persönlicher Freiheit, lebt auch die sexuelle Revolution, aber hadert auch damit.
Roigs Schreibstil ist anspruchsvoll, der Text verzeiht kein unachtsames Lesen. Die komplexe Struktur des Romans, insbesondere die wechselnden Perspektiven und Zeitebenen, sind herausfordernd, nicht zuletzt aufgrund der Namensgleichheit der drei Protagonistinnen. Mit der Zeit fiel es mir aber leichter, den Überblick über die verschiedenen Mundetas zu behalten. Allerdings wäre eine Zeittafel mit entsprechenden wichtigen Eckdaten der spanischen Geschichte sehr hilfreich für das tiefere Verständnis gewesen.
Fazit: "Die Frauen vom Café Núria" ist ein bedeutendes Werk der katalanischen Literatur, das tief in die weibliche Erfahrung und die Geschichte Barcelonas eintaucht. Für Leserinnen und Leser, die sich für feministische Literatur und komplexe Familiengeschichten interessieren, bietet der Roman eine lohnende, wenn auch anspruchsvolle Lektüre.
- Günther Zäuner
Halbseidenes kaiserliches Wien
(1)Aktuelle Rezension von: Bellis-PerennisDer dritte Band aus der Serie "Halbseidenes Wien" beschäftigt sich mit dem Fin de Siècle und dem bevorstehenden Untergang der Donaumonarchie.
In zwölf echten bzw. fiktiven Kriminalfällen gelingt es Autor Günther Zäuner die Stimmung der Bevölkerung gut einzufangen. Die bittere Armut der sogenannten "Ziegelbehm" (=Arbeiter in den Ziegelwerken) und als Gegensatz dazu die Eskapaden eines Erzherzog Ottos, der nur mit einem Säbel bekleidet im Hotel Sacher randaliert.
Dieser Band gefällt mir außerordentlich gut. Jeder Kriminalfall beginnt mit einer Jahresübersicht von historisch Bedeutsamen. Sei es, dass eine hist. Persönlichkeit geboren oder verstorben ist. Toller Einfall! So lassen sich die Krimi bestens in die Zeit eintakten.
Sprachlich wie immer gut gelungen, besticht dieser Band durch eine Fülle historischer Details, die geschickt in die einzelnen Fälle eingewoben sind, ohne belehrend zu wirken.
- Margret Greiner
Margaret Stonborough-Wittgenstein
(14)Aktuelle Rezension von: BuchgespenstMargaret wurde in eine Zeit geboren, die voller Umbrüche war. Aufgewachsen im Wohlstand bekam sie eine exzellente Ausbildung und ging ihren Weg durchs Leben äußerst erfolgreich. Sie wirkte als Bauherrin, Intellektuelle und Salonière. Ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit hilft ihr, zwei Weltkriege, Flucht und Inflationen zu überstehen.
Die Biografie von Margaret Stonborough-Wittgenstein erzählt so viel mehr als nur das Leben einer beeindruckenden Frau der Wiener Moderne. Es ist ein Zeitgemälde das von 1882 bis 1958 reicht. Ihre Eltern und ihre Geschwister, einschließlich Ludwig Wittgenstein, werden genauso gezeichnet wie ihr späterer Ehemann und ihr Sohn. Das umfangreiche Fotomaterial führt dem Leser jede Persönlichkeit und die Zeit immer wieder vor Augen. Die Biografie ist so mitreißend wie ein Roman. Immer weiter taucht man in das Leben Margarets ein, durchlebt die Höhen und Tiefen und stößt immer wieder auf bekannte Gesichter – so zum Beispiel Gustav Klimt oder auch Siegmund Freud, bei dessen Flucht vor den Nationalsozialisten Margaret eine maßgeblich Rolle spielte.
Ein großartiges Leseerlebnis!
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