Bücher mit dem Tag "fjodor dostojewski"

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21 Bücher

  1. Cover des Buches Wer bin ich - und wenn ja wie viele? (ISBN: 9783442313617)
    Richard David Precht

    Wer bin ich - und wenn ja wie viele?

     (659)
    Aktuelle Rezension von: Carla_S

    "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?" von Richard David Precht ist zweifellos ein Buch, das wichtige Fragen zur menschlichen Identität und Persönlichkeit aufwirft. Precht bietet dem Leser einen Einblick in verschiedene philosophische Ansätze und lädt dazu ein, über das eigene Selbst und dessen Entwicklung nachzudenken.

    Jedoch lässt das Buch in seiner Ausführung zu wünschen übrig. Precht neigt dazu, philosophische Konzepte oberflächlich zu behandeln, und verpasst oft die Möglichkeit, tiefergehende Diskussionen anzustoßen. Die vielen Ideen, die er präsentiert, werden oft nur gestreift, ohne dass sie in ausreichendem Maße ausgeführt werden.

    Ein weiteres Manko ist Prechts Neigung, in seinem Schreibstil von einem Thema zum nächsten zu springen, ohne klare Verbindungen zwischen den Kapiteln herzustellen. Dies kann es dem Leser erschweren, den Gedankengängen zu folgen und ein kohärentes Verständnis der behandelten Themen zu entwickeln.

    Obwohl das Buch sicherlich einige interessante Einsichten bietet, bleibt der Eindruck, dass es an Tiefe und Substanz mangelt. Es könnte von einer strafferen Struktur und einer gründlicheren Behandlung der vorgestellten Ideen profitieren.

    Insgesamt verdient "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?" vielleicht eine durchschnittliche Bewertung von 3 von 5 Sternen. Es ist eine solide Einführung in das Thema, aber es fehlt an der Tiefe und dem Detailreichtum, um wirklich herausragend zu sein.

  2. Cover des Buches »Das drucken Sie aber nicht!« (ISBN: 9783492242684)
    Fjodor Michailowitsch Dostojewski

    »Das drucken Sie aber nicht!«

     (494)
    Aktuelle Rezension von: Anke_Kuehne

    Tolles Buch, ich bin nachhaltig beeindruckt!!! Dostojewski schrieb es vor über 150 Jahren und er ist moderner als viele Politiker heute… Sprachlich ist es sperrig und brillant. Außerdem war mir diese russische Epoche bislang unbekannt, ich habe viel gelernt.

  3. Cover des Buches Die Brüder Karamasow (ISBN: 9783746639000)
    Fjodor M. Dostojewski

    Die Brüder Karamasow

     (250)
    Aktuelle Rezension von: Lesung_vor_acht

    Der obligatorisch beste Roman aller Zeiten (Sigi Freud) gleicht einem elefantösen Mammutbrocken. Das rund 1242 Seiten lange Familienepos schildert auf theologischer und psychologischer Ebene den Niedergang einer Familie als exemplarisches Beispiel für das alte Russland. Rein inhaltlich handelt es sich zweifelsohne um ein Meisterwerk. Gewohnt scharfsinnig analysiert Dostojewskij die verschiedenen Milieus und weitet seinen Roman zu einer gewaltigen Gegenwartsstudie aus. Dass es sich trotzdem um ein zeitloses Werk handelt, zeugt von seinen philosophischen Kompetenzen.

    Wie gern würde ich fünf Sterne vergeben! Aber angesichts der Schwächen des Romans kann ich mir das nicht leisten.

    So scharfsinnig Dostojewskij sich mit Theologie und Psychologie auseinandersetzt, so klobig geraten seine Dialoge. Die Handlung des Buchs wäre schnell erzählt, aber aufgrund der haarsträubend überlangen Reden und unnötig detaillierten Monologe (die schon eher an ein Theaterstück erinnern) ähnelt das Buch eher einer Karikatur seiner selbst. Dostojewskij scheint es gänzlich unmöglich zu sein, präzise und genau zu formulieren - er schweift ab, entschuldigt sich durch den Mund seiner Figuren und setzt im nächsten Atemzug zum nächsten Monolog an. Er überlässt nichts der Fantasie. Ähnlich wie Umberto Ecos Werke legt sich auch dieses Buch bereits selbst aus, sodass man sich als Leser nur noch bequem für eine Sichtweise zu entscheiden hat (im Fall der Gerichtsverhandlung für einen der Erzrivalen Kirillowitsch oder Fetjukowitsch). Philosophisch vertreten sind dabei Idealismus (Aljoscha), Zynismus (Iwan), rationaler Materialismus (Kolja Krassotkin), Hedonismus (Fjodor Pawlowitsch), usw. Der angebliche Mörder Mitja steht für das alte Russland und Smerdjakow tritt als ideologisches Opfer Iwans auf. Iwan erkennt in sich selbst den Teufel.

    Das Buch ist ein Meisterwerk. Aber eben ein Meisterwerk mit dramaturgischen Schwächen.


     

  4. Cover des Buches Der Idiot (ISBN: 9783746638775)
    Fjodor Michailowitsch Dostojewski

    Der Idiot

     (283)
    Aktuelle Rezension von: Vera-Seidl

    Nicht in Sils Maria, sondern in Genf begann Fjodor Michailowitsch Dostojewski seinen Roman „Der Idiot“ 1867. Er vollendete ihn ein Jahr später in Mailand. Dennoch hat frau das Gefühl, dass dort ein Zarathustra von den (Schweizer) Bergen herniederkommt, nicht um den Übermenschen zu predigen, sondern ihn zu leben. „Jetzt gehe ich nun zu den Menschen …“ Wobei jener Zarathustra Gott nicht für tot erklärt wie der Nietzsches, sondern im Gegenteil, Dostojewski sein Genie herauszustreichen versucht, indem er ihm die Züge eines Christus oder Don Quijote verleiht. Sein Mitleid mit den Menschen 

    gleicht dabei aber manchmal dem eines Arthur Schopenhauers, der die Worte des römischen Dichters Titus Maccius Plautus „homo hofmini lupus“, der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, aufgriff, um zu zeigen, wie der Wille jede Ethik zerfleischt.


    Vom Lebenswillen getrieben verpfändete Anna Grigorjewna Dostojewskaja,,die zweite Frau des Schriftstellers, 1867 ihre Mitgift, um den Gläubigern ihres Ehemannes mit einer Reise ins Ausland zu entkommen. Nachdem ihr Mann in Homburg dann weitere Gelder verspielt hatte, ließ sich das Ehepaar in Genf nieder, wo Anna Grigorjewna ihr erstes Kind zur Welt brachte.

    Jetzt blieb Dostojewski nicht anderes übrig, als mit seiner schriftstellerischen Arbeit für Einnahmen zu sorgen. Bereits vor Fertigstellung des Romans wurden die ersten Passagen in der Zeitschrift Russki Westnik veröffentlicht.


    Er heißt Ljow Nikolajewitsch Myschkin. Ljow, das ist der Löwe, aber auch das Herz. Der Vatername leitet sich vom heiligen Nikolaus her und bedeutet Sieg des Volkes. 

    Die beiden ersten Namen des Protagonisten verweisen deutlich auf Dostojewskis Zeitgenossen und GegenspielerTolstoi, der ebenfalls Ljow Nikolajewitsch hieß.

    Myschkin ist die Mausstadt. 

    Die Maus spielte schon in Dostojewskis Novelle „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ aus dem Jahr 1864 eine Rolle. Dort vergleicht sich der Erzähler mit dem Tier. 


    Der erste Gesprächspartner und spätere Schatten des jungen Fürsten im Zug nach Petersburg ist Parfen Semjonowitsch Rogoschin, ein Kaufmannssohn, der im Begriff ist, eine reichhaltige Erbschaft anzutreten und sich damit Chancen bei der schönen Nastasja Filippowna Baraschkowa errechnet.


    Von Anfang an belächeln Rogoschin und der Beamte Lukjan Timofejewitsch Lebedjew den heimkehrenden Epileptiker aufgrund seiner Naivität, Krankheit und Armut, wobei sich zwischen den Zeilen auch Bewunderung, sogar Neid auf dessen scheinbare Authentizität mischt.


    Das Bündel, das der Fürst im ersten Teil als seine einzige Habe bei sich trägt, steht vordergründig für sein Unterwegssein und seine Armut. Es zeigt sich aber, dass sich darin auch eine Anzahl von Geschichten befinden, die der Fürst vom Westen in das zaristische Petersburg trägt.


    Die Guillotine, von der der Fürst erzählt, mag manchem lediglich als Instrument zum Vollzug der Todesstrafe erscheinen, welche Dostojewski abgeschafft sehen möchte. Er meint, ein Mord könne nicht durch eine weitere Tötung gesühnt werden. Auch sei die Todesstrafe grausamer als der begangene Mord, da dem Verurteilten im Gegensatz zum Mordopfer jegliche Hoffnung genommen werde. 

    Hier zeigt sich deutlich Dostojewskis Lebenswille, der in diesem Fall im Tod keine Erlösung sieht und deshalb den Folterknecht Hoffnung vorzieht.


    Die Guillotine ist aber auch ein Symbol für die Französischen Revolution, die im Gegensatz zum Französisch steht, das die verarmten Adligen nun in den Städten sprechen müssen, nachdem es den Bauern mehr oder weniger gelungen ist, sich von ihnen zu befreien. 1839 wurde, nach Aussage des Nachbarn Pawel Chotjainzew, Dostojewskis Vater von seinen Leibeigenen ermordet, 1861 erfolgte die Aufhebung der Eigenbehörigkeit in Russland.

    In Konkurrenz mit den Bürgern, für die Rogoschin steht, erlebt der Heiratsmarkt eine einzigartige Blüte. Daneben versucht sich die Mittelschicht mit Vermietungen über Wasser zu halten. Hier sind die Familien Iwolgin und Lebedjew zu nennen.

    Die Arbeiterbewegung kommt im Roman überhaupt nicht vor, was vielleicht Dostojewskis adliger Herkunft geschuldet ist. Eine Revolution erwartet der Autor weder von dieser Seite noch von den jungen Möchtegernanarchisten zu denen unter anderem Ippolit Terentjew, Antiip Burdowsk und Wladimir Doktorenko zählen.

    Alle Gesellschaftsschichten ducken sich ohnmächtig vor dem zaristischem Regime, das die Kontrolle über die gesamte Gesellschaft ausübt.

    Zu denen, die klein beigaben, gehörte an vorderster Front Dostojewski selbst, der nach seiner Begnadigung auf dem Richtplatz am 22. Dezember 1849 und Gefangenschaft in Sibirien allen revolutionären Gedanken abschwor und sich dem Regime und der orthodoxen Kirche unterwarf.


    So steht die Guillotine auch für das Tragen des Kreuzes, hier in Form eines Bündels, Dostojewskis Unterwerfung und dessen Auferstehung.

    Als Johannes der Täufer betritt er jetzt weinend das Schafott. Er ist „weiß wie ein Blatt Papier“, „erinnert sich an alles“, und weiß alles. Sein prophetisches Wirken, seine Kritik am Liebesleben des Herodes Antipas und dass sein Kopf wenig später in einer Schale der Tochter der ‚Herodias gereicht werden wird. 


    Dostojewski nennt weder Hans Fries als Maler seiner Geschichte noch die Namen der biblischen Figuren. Bei ihm wird Herodes zu Afanasy Iwanowitsch Tozki, der in der Waise Nastasja seine künftige Geliebte entdeckt und sie dann als solche heranzüchtet. Andere Werber treten hinzu. General Iwan Fjodorowitsch Jepantschin zum Beispiel, der Nastasja gleichzeitig mit seinem Freund Gavrila Ardallionowitsch Iwolgin verheiraten möchte, um Tozki den Weg zu seiner Tochter Alexandra zu ebenen.


    Verständlich, dass Natasja wahnsinnig wird, als sie zunächst für 75.000 Rubel plus Perlenschmuck und dann für 100.000 Rubel, die von Rogoschin geboten werden, verschachert werden soll. 

    Daran kann auch Myschkin mit seiner Idee einer sündenfreien Frau nichts ändern, welche er sich bereits in der Schweiz nach biblischem Vorbild zurecht gesponnen hat.


    Nachdem der Fürst an seinem ersten Tag in Petersburg mehrmals von Hinrichtungen erzählt hat, fordert Adelaida, die mittlere der drei Töchter Jepantschins, ihn auf: „Und jetzt erzählen Sie uns, wie Sie verliebt waren!“ Offenbar gehören für die Tochter des Generals Tod und Liebe zusammen.


    Dostojewskis Mutter, eine fromme Frau, die auf dem Sterbebett nach einer Ikone verlangt hatte, erlag der Tuberkulose, als ihr zweitältester Sohn 15 Jahre alt war.

    Marija Dmitrijewna Constant, seine spätere Ehefrau, die übrigens denselben Vornamen wie seine Mutter trug, lernte er erst im Alter von 32 Jahren kennen. Wie sollte er da von der Liebe erzählen können? Die einzige Liebe, die Dostojewski bis dahin kennengelernt hatte, war die des Neuen Testaments, welches ihm Mademoiselle Fonwisina 1850 in Tobolsk auf dem Weg in die Gefangenschaft geschenkt hatte.


    Auf diesen Erfahrungsschatz greift der Fürst mit seiner Antwort zurück und erzählt von 

    der gefallenen Marie, man beachte auch hier den Namen, im Schweizer Dorf, welche nicht Jesus die Füße wäscht, sondern ihrer Mutter Jene vergibt ihr nicht und auch Myschkin kann mit seiner Freisprechung von der Sünde nur eine leichte Linderung ihres Leids bewirken, bis sie schließlich durch denTod erlöst wird.


    Der menschliche Geist entwickle sich vom dienenden Kamel zum zerreißenden Löwen, um schließlich als unschuldiges Kind von vorn zu beginnen, so glaubt Zarathustra. „Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“, heißt es im Markusevangelium. So versäumt es der Fürst nicht, die Kinder in seine Geschichte um Marie geschickt einzuflechten.


    Wie bereits erwähnt reiste der Literat mit seiner zweiten Ehefrau Anna Grigorjewna Dostojewskaja, geborene Snitkina, im April 1867 nach Dresden. Dort wohnte er gegenüber einer Schule, deren Besucher er in der Mittagszeit zu beobachten pflegte. Ein knappes Jahr später wurde im Februar in Genf seine erste Tochter Sofia, die göttliche Weisheit, geboren, die aber nur drei Monate lebte. Sicher ist, dass die Dresdner Kinder zu Schweizern wurden. Ob der Abschied von ihnen für den von seiner Tochter steht, bleibt fraglich.


    Für den Roman von Bedeutung ist auch das Verhältnis Dostojewskis zu Apollinaria Prokofjewna Suslowa, das seit 1862/63 bestand und das er brieflich auch nach der Heirat von Anna, trotz deren Eifersucht, fortsetzte. Polina stand außerdem in einer Beziehung zu einem spanischen Studenten namens Salvador, der sie zu heiraten versprach, dann aber verließ. Trotz vieler Streitereien machte Dostojewski Suslowa 1865 einen Heiratsantrag, den sie aber ablehnte.


    Die Geliebte erhält im Buch zwei Gesichter, das von Nastasja , ihr Name kann mit Auferstehung übersetzt werden und das Aglajas. Die Göttin der Anmut ist die jüngste Tochter von General Jepantschin. 

    Von Letzterer sagt der Fürst am Ende seines ersten Besuchs bei der Familie, sie sei, „obwohl ihr Gesicht von ganz anderer Art ist“, „fast so schön wie Nastasja Filippowna.“ Vor dem Gesicht Nastasjas habe er sich vom ersten Augenblick an gefürchtet, gesteht er am Tag vor seiner Hochzeit Jewgeni Pawlowitsch Radomski. 

    Trägt sie vielleicht die Züge einer Herodias? Macht ihre Schönheit ihn kopflos?


    Es sei gleichgültig, wen er heirate, äußert er sich im Gespräch mit Radomski und will dabei wohl Agape vom Eros trennen. Dann aber müsste die Nächstenliebe allen gelten und dürfte nicht auf wenige Hauptpersonen begrenzt sein.


    Wenn er aber Ganja verletzt, indem er ihm jegliche Originalität abspricht, auf dasTraktat des sterbenden Ippolit kaum reagiert, ihm später rät, „gehen Sie an uns vorbei, und verzeihen Sie unser Glück!“, und zuletzt über die Geschichte von General Iwolgin, der angeblich Page bei Napoleon gewesen war, zehn Minuten lang lacht, kann frau ihm sein Mitgefühl für den Kreuzbruder Rogoschin nicht immer abnehmen. Zumal diese Bruderschaft ja nur besteht, weil zwischen ihnen Natasja ihren Wahnsinn auslebt.


    „Aber beim Anblick dieses Bildes kann ja mancher Mensch seinen Glauben verlieren!“, sagt Myschkin beim Betrachten der Kopie eines Gemäldes von Hans Holbein, das den ausgemergelten Leichnam Jesu auf einem äußerst beengten Raum zeigt. 

    „Ich verliere ihn auch“, antwortet Rogoschin und beweist diese Aussage, indem er wenig später seinen Rivalen zu erdolchen versucht.


    „‚Parfen, ich kann es nicht glauben …!‘ Dann aber war es, als ob sich auf einmal etwas vor ihm öffnete: ein ungewöhnliches, inneres Licht erhellte seine Seele.“ 

    Im Angesicht des Todes eröffnet sich ihm die Möglichkeit der Auferstehung in den Vorboten eines epileptischen Anfalls.


    Nach Dostojewskis Eigenanamnese gab er immer, mit einer Ausnahme, die Zeit seiner sibirischen Gefangenschaft als Beginn seiner Epilepsie an. Das Martyrium und die Heilige Krankheit waren für ihn also eine Einheit, die die Vergebung mit einschloss.


    Er verzeiht Rogoschin nicht nur jenen Mordversuch, sondern auch die Tötung Nastasjas, weil er in seinem Kreuzbruder sein gegenpoliges Spiegelbild erkennt, was ihn letztlich in den Wahnsinn treibt. Wieder wird ihm Krankheit zum Erlöser.

    Myschkin wird zurück in die Heilanstalt in der Schweiz gebracht, während Rogoschin in die entgegengesetzte Richtung nach Sibirien verfrachtet wird. 


    Nur den Lebenden schenkt Dostojewski im Schlusswort Aufmerksamkeit. Nastasja Filippowna löst sich ohne Begräbnis in Luft auf.

    Zarathustra verabschiedet sich vom Mitleid, seiner letzten Sünde, trachtet nach seinem Werk „und verliess seine Höhle, glühend und stark, wie eine Morgensonne, die aus dunklen Bergen kommt.“

    Lisaweta Prokofjewna Jepantschina scheint Beifall für ihren leidenschaftlichen Schöpfer, der vielleicht gerade die Spielhölle verlassen hat, zu klatschen, als sie bemerkt:

    „Nun haben wir uns genug durch Schwärmereien fortreißen lassen; es wird Zeit, daß wir auch auf die Stimme der Vernunft hören.“


    Mit der Peitsche des Zaren, der bekanntlich vielerlei Gestalt annehmen kann, im Nacken lässt uns der Wille nur wenig Spielraum. Trotzdem gibt es Mittel gegen die Vernunft, so lehrt uns Dostojewski. Der Galgenhumor sei hier zuerst genannt, das Leid und das Mitleid sollen an zweiter Stelle stehen, Befreiung aber ist nur durch den Tod und die Auferstehung möglich: „er habe die Vorstellung gehabt, als gehörten diese Strahlen zu seiner neuen Natur und er werde in drei Minuten irgendwie mit ihnen zusammenfließen …“


    Diese Rezension soll meiner Nichte Jeannine gewidmet sein, die am 11. November Geburtstag hat.


    Vera Seidl

  5. Cover des Buches Sternstunden der Menschheit (ISBN: 9783150206393)
    Stefan Zweig

    Sternstunden der Menschheit

     (204)
    Aktuelle Rezension von: sarah83sbookshelf

    Stefan Zweig beleuchtet in seinen "Sternstunden der Menschheit" verschiedene geschichtliche Ereignisse und deren Auswirkung auf die Entwicklung der Kulturen.
    Je nach Buchausgabe bekommt der Leser zwischen fünf und fünfzehn Ereignisse präsentiert.

    Wobei ... 

    Womit ich beim Lesen am meisten gehadert habe, ist die Auswahl der "Sternstunden". Sicherlich sind viele der Ereignisse, die Stefan Zweig auswählt, für den jeweiligen kulturellen Bereich wichtig und vielleicht auch essentiell, aber bei mehreren dachte ich nicht an das Wort "Sternstunde".
    Das Wort "Sternstunde" sehe ich als Leser positiv, es ist etwas Gutes; wenn Stefan Zweig mit Kriegen als "Sternstunden" daherkommt, bin ich somit ziemlich irritiert. Das gleiche gilt für Musikstücke. Begnadet oder auch kulturell neu adaptiert, sind die Geschichten dahinter sehr interessant, aber für mich keine wahrliche "Sternstunde".

    Das ist für mich z.B.: Die Erzählung über die Reise zum Südpol oder auch über die Verlegung des ersten Kabels zwischen Europa und Amerika.

    Sprachlich sind die Texte auf einem hohen Niveau und keine leichte Lektüre für zwischendurch.

    Das Buch und Stefan Zweigs Meinung sind allerdings ein Spiegel ihrer Zeit und zeigen auf, welches Gewicht gerade diese Ereignisse für den Autor hatten. 

    Daher ist das Buch eher aus geschichtlichen - besonders sozialgeschichtlichen - Aspekten zu empfehlen.

    3 von 5 Sternstunden 

  6. Cover des Buches Verbrechen und Strafe (ISBN: 9783596907304)
    Fjodor M. Dostojewski

    Verbrechen und Strafe

     (166)
    Aktuelle Rezension von: Schlehenfee

    Rodion Romanowitsch Raskolnikow, ein ehemaliger Student, fristet ein ärmliches Dasein und muss immer wieder Geld bei einer alten Wucherin leihen. Da er sich zu Höherem berufen fühlt und die alte Frau für ihn nur eine Laus ist, will er sie umbringen. Nachdem Raskolnikow seinen Plan umgesetzt hat, plagt ihn jedoch sein Gewissen und die Polizei gerät auf seine Spur. Wird er mit seiner Tat davonkommen oder nicht? 


    „Verbrechen und Strafe“ ist mein erstes Werkt von Fjodor Dostojewski und ich wusste vorher nicht, dass Elemente eines Kriminalromans in dieses Buch eingeflossen sind. So wurde es unerwarteterweise phasenweise echt spannend. Vor allem Raskolnikows Katz-und-Maus-Spiel mit den Ermittlern und der verbale „Showdown“ mit Porfirij Petrowitsch waren ganz großartig herausgearbeitet.

    Durch die Ermordung der Alten glaubt Raskolnikow der Menschheit etwas Gutes zu tun, da er „unwertes“ Leben beseitigt. Wenn ihr euch jetzt fragt, „Habe ich das nicht schon einmal irgendwo gehört?“ oder es euch beklemmend aktuell vorkommt, dann geht es euch wie mir. Gerade die Aktualität der zugrundeliegenden Motive des Protagonisten, gepaart mit dem Blick auf arme und reiche Menschen in Sankt Petersburg, auf die man im Roman trifft, haben mich begeistert! Dadurch wird „Verbrechen und Strafe“ zu einem zeitlosen Meisterwerk.


    Es gibt noch einige weitere Erzählstränge, die sich um Sonja und Raskolnikows Familie drehen. Dabei geht es wieder um Armut und um Wege, daraus zu entkommen. Außerdem wird ein gutes Bild der damaligen Gesellschaft gezeichnet. Dies hat mir ebenfalls sehr gut gefallen.


    Die Charaktere sind alle gut gezeichnet: Dunja gefiel mir extrem gut mit ihrer Charakterstärke, Dmitrij lockert die Handlung auf und bringt eine humorvolle Note mit ein, Sonja ist eine gute Seele und verantwortlich für die Läuterung Raskolnikows. Luschin ist ein Narzisst, Swidrigajlow ein widerlicher Pädophiler und Porfirij Petrowitsch ein gerissener Ermittler.


    Mit Swetlana Geiers Übersetzung bin ich sehr gut zurechtgekommen. Der Stil eines Romans aus dem 19. Jahrhundert wird als Rahmen beibehalten, doch lockern zeitgenössische Worte und ein modernerer Satzbau das Ganze auf lassen den Leser nicht ermüden. So macht das Lesen russischer Klassiker Spaß! Ich bin mir sicher, dass ich gerne noch zu weiteren Werken Dostojewskis greifen werde. 

  7. Cover des Buches Der Spieler (ISBN: 9783746638768)
    Fjodor M. Dostojewski

    Der Spieler

     (286)
    Aktuelle Rezension von: happyoldendays

    Die Geschichte spielt in der fiktiven deutschen Stadt Roulettenburg und folgt dem Protagonisten, Alexej Iwanowitsch, der sich als Hauslehrer einer russischen Familie im dortigen Luxushotel einquartiert hat. Ebenfalls im Hotel befindet sich eine Gruppe von lebhaften und unvorhersehbaren Charakteren, die eines gemeinsam zu haben scheinen: das Glücksspiel. Daneben spannt der Autor ein Netz privater Beziehungen und Abhängigkeiten, die sich dem Leser nach und nach erschließen. Obwohl die Mehrheit der Figuren aus der Oberschicht stammt, verbindet sie die Sorge um Geld und die Hoffnung die eigene Situation durch den lang ersehnten großen Gewinn zu verbessern. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf, als Alexej sich selbst auf das Glücksspiel einlässt und sich in den Bann des Roulettes hineingezogen wird.

    Dostojewski beschreibt die Anziehungskraft und den Wahnsinn des Glücksspiels derart lebendig, dass man das Gefühl hat, selbst mit am Tisch zu sitzen. Die Szenen im Casino lesen sich so spannend wie ein rasanter Thriller. Was dieses Buch besonders beeindruckend macht, ist Dostojewskis anschauliche Schilderung der menschlichen Natur. Er zeigt, wie die Abhängigkeit für das Spiel die dunklen Seiten der menschlichen Psyche hervorbringt, von Gier bis hin zu Verzweiflung. Gleichzeitig enthüllt er jedoch auch die Hoffnung und den inneren Kampf seiner Charaktere, sich von ihren Schwächen zu befreien. Obwohl mir die Figuren im Buch nicht unbedingt sympathisch waren, habe ich bis zum Ende mit ihnen mitgefiebert. Lediglich der Schluss des Romans konnte mich nicht ganz befriedigen.

    FAZIT: "Der Spieler" von Fjodor Dostojewski ist ein zeitloser Klassiker der Weltliteratur, der die Abgründe und Schwächen des Menschen in den Blick nimmt. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der sich für Literatur interessiert und tiefgründige Charaktere mag.

  8. Cover des Buches Weiße Nächte (ISBN: 9783150142370)
    Fjodor M. Dostojewski

    Weiße Nächte

     (192)
    Aktuelle Rezension von: annas_bibliomanie

    Ich kann einen weiteren Klassiker von meinem SuB streichen. Yeah. 😊
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    Weiße Nächte
    Rezensionsexemplar
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    Inhalt: In diesem Buch sind drei Geschichten von Dostojewski enthalten.
    Weiße Nächte folgt einem jungen Mann, der sein ganzes Leben nur geträumt hat, nichts erlebt hat und niemanden kennt. Er begegnet einem JUNGEN weinenden Mädchen und die beiden freunden sich miteinander an. Der junge Mann verliebt sich in das Mädchen, doch verliebt sich das Mädchen auch in ihn?
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    Die zweite Geschichte folgt zwei Freunden. Einer der jungen Männer hat sich gerade verlobt und schwelgt im Glück der Liebenden. Er berichtet seinem Freund von seinen Heiratsplänen und......das Buch hat ein unvorhergesehenes Ende.
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    Die dritte Minigeschichte ist ein Zeugnis aus der Zeit. Ein elfjähriges Mädchen wird auf Grund ihrer riesigen Mitgift das Objekt der Begierde eines Mannes, der es einfach auf den Kopf küsst als er sich entschieden hat, das Geld und somit sie zu bekommen...
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    Meine Meinung: Ich habe erstmal fünfzig Seiten gebraucht, um in den Schreibstil reinzukommen. Er ist Recht antiquiert und doch einfach zu lesen.
    Als ich erstmal drin war, fand ich die Geschichten richtig gut. Besonders das Ende jeder Geschichte ist zackig und unerwartet geschrieben, was mir sehr gut gefällt.
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    Fazit: Jetzt kann ich mir gut vorstellen Die Brüder Karamasov von Dostojewski zu lesen.
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    P.S. Ich liebe ja die Leinenausgaben aus dem Nikol Verlag. Die sind einfach so schön vom Design her, haben eine tolle Haptik durch das Leinenmaterial und die Goldprägung und das Papier ist mega dick und fühlt sich sehr hochwertig an.
    Es gibt mittlerweile fast hundert Titel (alles Klassiker) aus der Edition und man kann einen schönen Pastellregenbogen daraus zaubern.
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    Autor: Fjodor Dostojewski
    ⭐ 4/5
    Preis: 7€
    ISBN: 978 3 86820 619 7
    Verlag: Nikol Verlag
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    Vielen lieben Dank für das Rezensionsexemplar Nikol Verlag
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    Werbung
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  9. Cover des Buches Wer bin ich - und wenn ja wie viele? (ISBN: 9783837113686)
    Richard David Precht

    Wer bin ich - und wenn ja wie viele?

     (36)
    Aktuelle Rezension von: Bommerlinda
    Ja, ich bin eine Spätzünderin, bzw. eine Spätleserin.

    Fünf Jahre steht die philosophische Reise des Herrn Prechts bereits in meinem Bücherregal, aber ehrlich gesagt, habe ich nie so richtig Lust verspürt, dieses Buch zu lesen, warum auch immer. Das hat sich nun geändert und so schlimm, wie ich es mir zeitweise ausgemalt habe, ist es dann doch nicht zu lesen.

    Der Inhalt des Buches gibt auf unterhaltsame Art und Weise Antworten auf Fragen, mit denen sich Philosophen so im Allgemeinen beschäftigen müssen. Hier besitzt Herr Precht die Fähigkeit, manch tiefgreifende Erkenntnis so prägnant auf den Punkt zu bringen, dass viele Philosophen noch etwas lernen können.
    Allerdings behandelt Precht vor allem die modernen Philosophen des 19. und 20. Jahrhundert. Wer einen wirklichen Überblick über die wichtigen Philosophen haben möchte, der kommt um andere Bücher nicht drumrum, so wird beispielsweise Sokrates, der Begründer der Philosophie, nur kurz erwähnt. 

    Übersichtlich und kompakt umfasst jedes Kapitel um die zehn Seiten. Die Sprache ist verständlich, und jedes Thema wird sehr klar dargestellt und fast immer mit einem Beispiel aus dem heutigen Alltag belegt, so dass die Gedanken Prechts sehr anschaulich vermittelt werden.
    Der Autor bietet dem Leser einiges, nämlich die drei Pfeiler der Philosophie: die Ethik die Erkenntnistheorie sowie die Metaphysik.
    So gesehen ist die philosophische Reise mit Precht zwar unterhaltend und lehrreich, meines Erachtens führt sie aber letztendlich in ein Nirgendwo.

    Wer sich allerdings nur für Zusammenhänge aktueller ethischer Fragen interessiert, für den ist dieses Buch sicherlich spannend, aufschlussreich und durchaus lesenswert.
  10. Cover des Buches Böse Geister (ISBN: 9783596907311)
  11. Cover des Buches Schuld und Sühne (ISBN: 9783862317288)
    Fjodor M. Dostojewski

    Schuld und Sühne

     (17)
    Aktuelle Rezension von: Soeren

    Rodion Romanowitsch Raskolnikow ist ein ehemaliger Jura-Student, der inzwischen völlig verarmt und ziellos im St. Petersburg der 1860er Jahre lebt. Aus Geldnot und weil sie ohnehin ein schlechter Mensch ist, beschließt er, die Inhaberin einer Pfandleihe zu töten. Der Plan ist leicht gehegt und auch relativ einfach umgesetzt. Raskolnikow tötet sogar nicht nur die Inhaberin, sondern auch deren Schwester. Danach allerdings plagt ihn zunehmend ein schlechtes Gewissen, bis er es nicht mehr aushält.
    Die Handlung des Romans ist trotz Subplot relativ überschaubar. Dass die Geschichte dennoch 800 Buchseiten umfasst, deutet bereits an, dass hier viel nebenher erzählt wird. Davon, dass der Roman von vielen als DER große Klassiker betrachtet wird, habe ich nicht viel gemerkt. Auch die Einordnung als psychologischer Kriminalroman würde ich so per se nicht unterschreiben, weil ein Krimi ein Mindestmaß an Spannung voraussetzt. Die gab es in der Geschichte praktisch überhaupt nicht. Bereits auf den ersten hundert Seiten quälte mich massive Langeweile, weil die Handlung praktisch nur daraus besteht, dass die Hauptfigur an verschiedene Orte geht und dort jedes Mal auf Neue seitenlange, öde Monologe erfährt. Keine Frage, die Grundidee des Buchs ist durchaus interessant, die Umsetzung allerdings … äußerst zäh und viel zu weitläufig erzählt.
    Die ungekürzte Hörbuchfassung geht rund 27 Stunden und wird Frank Arnold vorgetragen.

  12. Cover des Buches Die Sanfte (ISBN: 9783866475014)
    Fjodor M. Dostojewski

    Die Sanfte

     (75)
    Aktuelle Rezension von: Nelebooks

    Inhalt (LB): „ In einem inneren Monolog lässt er den Witwer sein Leben überdenken: An Leid und Gram und Schuld zerbrochen, ist er ebenso sehr Opfer wie Täter. Ein ergreifendes Stück Weltliteratur über Verletzlichkeit und Rachsucht, über späte Reue und die schmerzliche Plötzlichkeit der Liebe.“

    Meinung: Die Geschichte fängt zwar etwas diffus an, aber dennoch bin ich gut hineingekommen. Gerade das etwas Verwirrte passt ja auch zur Handlung/Person. Der Protagonist ist mir nicht sonderlich sympathisch und richtig schlau wurde ich aus ihm auch irgendwie nicht, aber es war sehr spannend, seinen Ausführungen hier zu folgen. Die Ehe ist für mich sehr seltsam und ganz durchgestiegen bin ich hier nicht, alles recht befremdlich und trübsinnig. Es ist keine fröhlich, aber durchaus interessante Geschichte, die einen interpretieren und nachdenken lässt.

  13. Cover des Buches Ein Sommer in Baden-Baden (ISBN: 9783833305139)
    Leonid Zypkin

    Ein Sommer in Baden-Baden

     (8)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    Wer den Punkt als Satzzeichen ablehnt, liegt mit dem Buch richtig, denn geschrieben wie an einem Faden, mit Massen von Kommata, aber kaum Punkten, sodass eine reizvolle, nicht unbedingt abstoßende Form entsteht, die allenthalben hoch gelobt wird, jedoch nicht von mir, da es sich um eine eher abstrakte Anlehnung an Dostojewskis Vita handelt. ;-)
  14. Cover des Buches Drei Meister (ISBN: 9783746715933)
    Stefan Zweig

    Drei Meister

     (12)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    Allein schon für das Drittel, das Dostojewski einnimmt, ist das Buch das volle Geld und weitaus mehr wert. Grandioser, lebendiger, bildhafter, geraffter, energetischer habe ich noch keine Abhandlung über Dostojewski gelesen. Nicht gelesen haben, darf nicht sein! Fünf Punkte ganz klar zu wenig.
  15. Cover des Buches Garten der Steine (ISBN: B002CB930I)
    Daniil Granin

    Garten der Steine

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Reiseberichte können durch Beschreibung ähnlicher Verhältnisse und Vorkommnisse Erinnerungen an andere Orte wecken oder aber einem neue Sichtweisen auf einen bekannten Ort eröffnen. Von daher bot es sich an, dieses Werk zu lesen, kenne ich doch die ostdeutschen Städte, in die sich der russische Autor begibt, allesamt. Für einige der Berichte hätte ich fünf Punkte vergeben, für andere vier, für wenige drei, daher muss ich sie doch separat abhandeln: "Anmerkungen zum Reiseführer" berichtet von einer Reise (1967) nach London, die auch nach Schottland führte, und hat mir am besten von allen gefallen, weil Granin die Tatsache, dass über London einfach alles gesagt ist, als Chance versteht und stattdessen die Klischees auflistet, die solche Beschreibungen ausmachen. Zwar besucht er auch selbst solche Standard-Orte wie Madame Tussauds Wachsfigurenkabinett, doch beginnt er dabei Gedanken zur Starrheit Englands zu entwickeln, über die er zu Charles Dickens Londonbild kommt, was ihn schließlich zu einem faszinierenden Erlebnis aus St. Petersburg führt: mit einem Enkel Fjodor Dostojewskis begab er sich dort auf die Spuren der Romanfigur Raskolnikow, die dieser Enkel ausgemacht haben will, und deren Verfolgung fast schon detektivisch erscheint. Leider ist der Ton (im Bezug auf London) etwas vom Kalten Krieg gefärbt, aber das ist äußert selten auszumachen, zumal er stets um Relativierung bemüht ist. Ansonsten enthält dieser Bericht Beobachtungen zu Denkmälern, Kritik an der globalen abstrakten Malerei, Überlegungen zur Vergänglichkeit von Neuerungen (Brückenbau, Autos) oder auch zur Präsenz von Gegenwart und Vergangenheit. Neben "Garten der Steine" (Reisenovelle zu Japan) und "Vier Wochen mit den Beinen nach oben" (Australien), die ebenfalls recht umfangreich sind, gibt es eine Reihe von Reiseskizzen zur DDR (Warnemünde, Leipzig, Magdeburg, Wernigerode) aus den 1960er Jahren, die stets bemüht sind, aus einem kleinen Detail etwas größeres zu entdecken. So bemerkt er an Bachs Grabplatte, dass dieser – zu Lebzeiten verkannte – Musiker die Jahrhunderte überdauerte, wohingegen all die selbstherrlichen Landesherren reichlich erstaunt wären, erführen sie, dass man sie heute gar nicht mehr kennt. Schließlich waren sie doch in ihrer Zeit die bekanntesten Personen. Diese Skizzen sind v. a. als Blick auf Deutschland interessant (etwa was die Gleichförmigkeit von Autobahnen angeht). Bemerkenswert an Granin ist sein Bemühen um Fairness. So schildert er in Wernigerode ein bewegendes deutsches Soldatenschicksal, ist immer wieder bemüht, zwischen Deutschen und Faschisten zu trennen, d. h. nicht der Pauschalisierung anheim zu fallen. Am wenigsten gelungen scheint mir das sprunghafte "Schauen und sehen", ein Versuch, ein Gesamtbild der DDR als Land des optimistischen Aufbaus zu entwerfen. Am besten ist hingegen "Die schöne Uta" geraten, welches sich zunächst mit der berühmten Naumburger Domfigur auseinander zu setzen scheint, aber in Leutenberg spielt, und eine völlig andere Richtung nimmt als man erwartet: Granin trifft sich mit einem der Männer, die seine Heimatstadt bombardierten! Während er in seinem Inneren diesen Mann, der wenig Reue zeigt, weil er seinen Auftrag in Russland genauso erfüllte wie auch anderswo, am liebsten umbringen würde, ringt er sich äußerlich Fassung ab, obwohl mit der Bombardierung indirekt auch die Tragödie seines Lebens zusammen zu hängen scheint. So ist dies eine interessante Konfrontation, in der es um das deutsch-russische Verhältnis geht, aber auch darum, dass man es sich nicht so einfach machen sollte, und die DDR als Staat der guten Deutschen darstellen sollte (was viele in der SU und anderswo damals taten). So erwähnt er auch westdeutsche Bemühungen um Aussöhnung, berichtet von der Eröffnung der Buchenwald-Gedenkstätte, führt ein fiktives Gespräch mit Goethes Faust und Wagner, besucht die ’Wolfsschanze’ Hitlers, die er am liebsten "anpissen" würde, wundert sich über das Unverständnis von Unbeteiligten des Zweiten Weltkriegs (Australier, Pakistani) für den Widerstand Leningrads, berichtet von den schwierigen Friedhofsritualen und einem extrem tragischen Schicksal, das er aber nur anreißt. Er besucht seinen Kindheitsort Staraja Russja, der völlig zerstört wurde, blickt auf die verschiedensten Städte, erzählt, wie sie im Zweiten Weltkrieg deutsche Soldaten zu ’bekehren’ versuchten und entwirft tolle Bilder von Biographiebrüchen etwa das einer Emigrantin, die nach Dresden zurückkehrt. "Einmal zuschlagen" ist eine Reiseskizze aus den USA, die man wohl eher als Kulturschock bezeichnen müsste, und die trotz Bemühung zur Polemik verkommt. Hier, wie auch in anderen Skizzen, glücken ihm aber manchmal auch tolle Beobachtungen (etwa zu Empfängen oder den straff organisierten Terminen). "Der Fischmarkt" ist eine Reisenovelle aus Japan (nutzt die gleichen Figuren wie "Garten der Steine"), ist aber pure Kapitalismuskritik, die versucht den Umweltaspekt zu thematisieren: "Diese Schönheit muss doch eine andere Bestimmung haben! Außer Profit und Gewinn! Die Natur hatte doch gewiß etwas anderes im Sinn!". Schließlich gibt es zwei Reiseberichte zu Frankreich, von denen "Die Kirche von Auvers" hervorsticht, wohingegen "Place Pigalle" recht politisch erscheint: er betrachtet angewidert das Vergnügungstreiben an diesem Standort, der einst Schauplatz eines Revolutionsversuchs (1871) war. "Über ganz was anderes" ist eine Kritik am Massentourismus Capris, und fast ein wenig albern darin, da es eine Schuh-Szene gibt, die wohl eher fiktiv – und als solche dann recht plump – ist. Das Grundanliegen, den Tourismus zu kritisieren, der nur die Orte im Reiseführer abhakt, ist oft zu spüren und allemal verständlich, denn eine Reise ohne diese Plätze würde Erstaunen hervorrufen (so nach dem Muster: "Was? Du warst in Paris und hast xyz nicht gesehen?"), doch sollte jeder seinen Urlaub so machen, wie er es will, was der Bildungsreisende manchmal übersieht. Seine Reiseberichte brachten mir sofort Bilder von eigenen Reisen ins Gedächtnis zurück, und was kann es schöneres geben, als ein Buch, das dies leistet. Selbst in den schwächeren Skizzen gelingt Granin stets ein tolles Bild, so dass vier Punkte mehr als gerechtfertigt sind.
  16. Cover des Buches Verbrechen und Strafe (ISBN: 9783957284426)
    Bastien Loukia

    Verbrechen und Strafe

     (7)
    Aktuelle Rezension von: Julia79

    Rodion Romanowitsch Raskolnikow ist ein Student aus Sankt Petersburg, der am Rande der Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts lebt. Als eine böse, alte Pfandleiherin aus seiner Not Profit schlagen will, und ihm viel zu wenig Geld auszahlt, beschließt er, die Welt von der Wucherin zu befreien. Eine gute Tat, wie er sich einredet, doch es läuft nicht, wie geplant. In den folgenden Tagen plagt Rodion sein Gewissen in Form von Alpträumen und Verfolgungswahn. Grade jetzt reisen Mutter und Schwester an, Letztere soll gewinnbringend verheiratet werden, um die Familie vom Elend zu befreien. Immer enger zieht sich die Schlinge zu.. 

    Düster ist die Geschichte, unheilvoll. Allerhand tragische Figuren lernen wir kennen, deren Schicksale betroffen machen. Die Art der Illustration passt dazu, die Bilder sind roh, kalt, sie weisen einen Mangel an Ästhetik auf, würde ich sagen, sie sind nicht schön, aber dafür umso prägnanter und pointierter. 

    Bastien Loukia hat ein 800-Seiten Werk in 160-Seiten umgewandelt, und das hat er sehr gut gemacht. Ohne das tatsächliche Werk zu kennen, bekam ich die gekürzte Handlung verständlich, spannend und eindringlich präsentiert. Die psychologischen und psychosozialen Aspekte, die Dostojewski in seinem umfangreichen Buch sicher differenziert ausgearbeitet hat, werden hier durch wenige treffende Sätze und Bilder auf engstem Raum dargestellt, und schließlich ein Kunstwerk für sich.

    Sind Graphic Novels für euch "richtige Literatur"? Gar eine Alternative zum Original? Diese Graphic Novel hatte für mich den Reiz, dass ich das Original wohl nie lesen werde, aus verschiedenen Gründen. Die Intention Dostojewskis blieb trotz Comicstil spürbar und ich habe einen Überblick über die Handlung eines seiner Hauptwerke erhalten. 

    Eine gelungene Abwechslung!

  17. Cover des Buches Traum eines lächerlichen Menschen / Bobok (ISBN: 9783596293049)
    Fjodor Michailowitsch Dostojewski

    Traum eines lächerlichen Menschen / Bobok

     (2)
    Aktuelle Rezension von: gerda_badischl

    Hintergrund: 

    Wikipedia sagt: "Fjodor Michailowitsch Dostojewski (1821 bis 1881) gilt als einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller. Seine Hauptwerke, darunter Schuld und Sühne, Der Idiot, Die Dämonen und Die Brüder Karamasow, entstanden in den 1860er und 1870er Jahren. 

    Dostojewskis Stil wird beschrieben als "Literatur, die Ernstes mit Lächerlichem vermischt und auf diese Weise das Exzentrische, Extreme und Ambivalente [...] prägnant zum Ausdruck bringt, wobei die Grenzen des Realismus immer wieder überschritten werden."

    Auf "Traum eines lächerlichen Menschen" (von 1877) und "Bobok" (1873), die beiden Erzählungen im vorliegenden, 99 Seiten dünnen Buch, trifft diese Beschreibung gut zu.

    Inhalt:

    "Traum eines lächerlichen Menschen" erzählt die Wandlung eines depressiven, nihilistischen Selbstmordkandidaten zu einem idealistischen und von humanistischen Idealen geprägten Prediger durch einen Traum.

    In "Bobok" belauscht der Ich-Erzähler zufällig auf einem Friedhof die Gespräche der Toten.

    Mein Lese-Erlebnis:

    Vor Jahren habe ich "Der Idiot" nach wenigen Seiten abgebrochen. Dies war also mein 2. Versuch mit Dostojewski.
    Beide Erzählungen lesen sich leicht und schnell. Während ich in der ersten Geschichte die Wandlung des Protagonisten und seine Gefühle gut nachvollziehen konnte, und ab der Mitte auch emotional sehr beteiligt war, habe ich die zweite Geschichte absolut nicht verstanden. Absurd, langweilig und ohne tieferen Sinn - zumindest für mich. 

    Bewertung: 

    "Traum eines lächerlichen Menschen": gute 4 Punkte, "Bobok": 2,5. Zusammen: 3. Eine dritte Chance werde ich Dostojewski wahrscheinlich nicht geben.


  18. Cover des Buches Die Besessenen (ISBN: 9783453410145)
  19. Cover des Buches Fjodor M. Dostojewski (ISBN: 9783865064585)
    Rainer Buck

    Fjodor M. Dostojewski

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Gulan
    „Dostojewski widmet sich den Schicksalen von gesellschaftlichen Randsiedlern. Seine Protagonisten gehören zu den „Stillen im Lande“, hinter denen man gemeinhin keine besondere Gefühls- und Gedankentiefe vermutet. Ohne ihr Los zu beschönigen oder sie äußerlich aus den engen Fesseln ihrer Lebensumstände zu befreien, verleiht er ihnen eine völlig eigene Würde.“ (S.28)

    So beschreibt Biograf Rainer Buck Fjodor M. Dostojewskis ersten Roman „Arme Leute“, der 1846 erscheint. Und gibt damit einen ersten Einblick in das Werk eines der bekanntesten Schriftsteller der Welt. Autor Rainer Buck begründet den Erfolg Dostojewskis und seine bis heute andauernde Relevanz, „weil sich zentrale Existenzfragen nicht ändern“ (S.10). Das Gefälle zwischen Arm und Reich, wirtschaftlicher Druck, Willkür, Machtmissbrauch, die Frage nach Gott und Gerechtigkeit. Dostojewski durchleuchtet „die hintersten Winkel der menschlichen Existenz und die Abgründe der Seele“ (S.9).

    Dabei ist sein eigenes Leben Dostojewskis wichtigste Inspiration und seine Erfahrungen bilden den Kern vieler seiner Werke. Am einschneidendsten ist sicherlich seine Verhaftung aufgrund einer angeblichen Verschwörung gegen den Zar kurz nach seinem literarischen Durchbruch. Er wird zum Tode verurteilt, scheinexekutiert und dann ins sibirische Straflager „begnadigt“. Die Jahre im Lager bestreitet er lediglich mit einem Neuen Testament. Die Figur des Jesus Christus und dessen Werte werden ihn ein Leben lang prägen.

    Auch das weitere Leben Dostojewskis hat es in sich. Tod der ersten Ehefrau, Tod zweier Kinder, trotz Ruhm und Erfolg ständige Geldsorgen, seine ausgeprägte Spielsucht („Wir haben sieben Wochen in der Hölle gelebt“ (S.89), so Dostojewski über seine Zeit in Baden-Baden). Autor Rainer Buck zeichnet Dostojewskis Leben chronologisch nach und vermittelt einen Eindruck von dessen wichtigsten Werken und deren Entstehungsgeschichte.

    Eine kompakte Biografie, die das Leben Dostojewskis interessant und kurzweilig nachverfolgen lässt. Natürlich hätte man einiges noch vertiefen können, aber dabei besteht ja auch oft die Gefahr des Überfrachtens. Wer also einen anregenden und knappen, aber dennoch nicht oberflächlichen Eindruck in das Leben des russischen Schriftstellers erhalten möchte, ist mit diesem Buch gut aufgehoben.

  20. Cover des Buches Ein grüner Junge (ISBN: 9783596907335)
    Fjodor M. Dostojewski

    Ein grüner Junge

     (14)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    Ursprünglich in der Regel als der Jüngling erschienen. In einer solchen Übersetzung habe ich auch gelesen, bin aber nie richtig in Tritt gekommen. Die Intention des Jünglings doch auch mal ein Rothschild zu werden, verliert sich recht schnell. Was folgt ist ein für recht unübersichtliches Geschehen, dass ich nur zum Teil nachvollziehen konnte. Dazu kommen noch die klassischen Längen Dostojewskis. So habe ich mich letztendlich mühselig durchgekämpft. Bücher konne komplett an einem vorbeigehen. Das ist so eins. Der Hype um Swetlana Geier, ging auch an mir nicht vorbei. Also wählte ich den Jungling alias den grünen Jungenn um mich auch an ihren Künsten zu erlaben. Es war die blanke Enttäuschung, sodass ich das Buch nach knapp hundert Seiten zur Seite legte und es vermutlich auch nicht wieder in die Hand nehmen werde. Die viel gerühmte Nüchternheit und Klarheit ihrer Übersetzungen kommt mir garnicht entgegen. Sie nimmt dem Stil Dostojewski die Korona eines eben alten Buches, in dem man auch die Vergänglichkeit von Sprache genießen kann. Dostojewskis Gedankenzüge sind extrem seiner Zeit verhaftet. Das sollte auch weiterhin durch die "verwelkte Sprache" erlebbar sein. Geier hat seinem Text die Farbe genommen, wie wenn man einen schön gestrichenen Schrank abbeizt und meint, der Schrank habe an seiner Funktionalität nichts verloren. Ja stimmt. Aber ist dann nicht mehr so schön.
  21. Cover des Buches Verschollene Kapitel (ISBN: 9783930325290)
    Pawel Huelle

    Verschollene Kapitel

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Diese literarischen Kolumnen sind relativ weit gestreut, reichen von Erika Steinbach (Bund der Vertriebenen) bis zur Französischen Revolution, beschäftigen sich aber v. a. mit Anekdoten und Randepisoden mitteleuropäischer Autoren und Philosophen wie Elias Canetti, Bohumil Hrabal, Bruno Schulz oder Karl Popper und mit russischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts (Muratov, Nabokov, Bulgakov) sowie mit dem Literaturbetrieb als solchen. Mehrfach schildert Huelle Reisen zu den Heimatorten von Schriftstellern (Nabokov, Dostojevski), auf denen er deren Umfeld nachfühlen will. Die thematische Vielfalt lässt die Zusammenstellung dann aber willkürlich erscheinen, denn Stalin, Erika Steinbach oder Kaiser Hirohito haben mit Literatur nun wirklich nichts zu tun. Zudem ist der Ton einige Male unpassend. Das Buch zeugt von der Bildung des Autors, aber auch davon, dass er manchmal etwas zu ungestüm vorgeht (etwa wenn er darauf verfällt, Kriegsverbrechen aufzurechnen oder wenn er Strafe für Stalin fordert). Es ist mehr ein Buch zum Rumblättern als zum Lesen, denn diese Anekdötchen sind zwar recht nett, aber so besonders spannend ist es dann auch nicht, dass etwa Schulz genau ein Jahr nach seinem letzten Brief an seine Brieffreundin starb. Recht amüsante Details aus dem Leben von Schriftstellern (so heuerte Hrabal einen Doppelgänger an, um Touristen etwas zu bieten), mehr nicht.
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