Bücher mit dem Tag "flaneur"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "flaneur" gekennzeichnet haben.

12 Bücher

  1. Cover des Buches Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares (ISBN: 9783596903092)
    Fernando Pessoa

    Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares

     (85)
    Aktuelle Rezension von: Edith_Hornauer
    Pessoa, ein Verwandlungskünstler. Drei gleich er! Doch seine Sprache ist immer atemberaubend - fünf Sterne unbedingt auch für dieses Buch!
  2. Cover des Buches Faserland (ISBN: 9783462301465)
    Christian Kracht

    Faserland

     (390)
    Aktuelle Rezension von: AQua

    Eigentlich hätte ich dieses Buch natürlich vor 25 Jahren lesen müssen, aber diese ganze Diskussion um (die männlich dominierte) Popliteratur damals hat mich nicht sonderlich interessiert. Nun aber hatte mich die Lektüre von Eurotrash doch neugierig gemacht.

    Krachts Bild der 90er Jahre in Deutschland mag treffend sein. Trotzdem ist mir die Position des Erzählers elitär und fremd. Eine traurige Gestalt, die es nicht vermag, echte Beziehungen aufzubauen und sich ziellos treiben lässt von Party zu Party. Ein scharfer Beobachter und einsamer Zyniker.

    Ein Vaterland für Kinder, denen von ihren abwesenden Vätern (nur) eine Menge Geld geblieben ist. Und dass Geld allein nicht glücklich macht, ist zumindest eine gemeinsame Botschaft der beiden Bücher Faserland und Eurotrash.

  3. Cover des Buches Open City (ISBN: 9783518467053)
    Teju Cole

    Open City

     (25)
    Aktuelle Rezension von: BluevanMeer
    Was bedeutet es also, wenn man in der Geschichte eines anderen Menschen der Bösewicht ist? (S.313)

    Julius ist Psychiater in New York und nimmt uns in Open City mit auf einen Stadtspaziergang der ganz besonderen Art. Julius verließ mit 16 Nigeria um in die USA auszuwandern, und behandelt jetzt als erfolgreicher Psychiater, die Menschen, denen es überhaupt nicht mehr gut geht. Und er ist schwarz. Im ersten Teil "Der Tod ist eine Vervollkommnung des Blickes" begleiten wir Julius auf seine abendlichen Streifzüge durch New York. Auf seinen Spaziergängen begegnet ihm immer wieder Alltagsrassismus der aller widerlichsten Art. Entweder sind es spielende Kinder, die ihm N-Wort hinterher rufen oder es sind Menschen, die ihn aufgrund seines Äußeren vereinnahmen wollen. Wie der Museumswächter Kenneth im Folk-Art-Museum:

    Ich habe mal einen Mitbewohner gehabt, damals in Colorado, der war auch Nigerianer. Yemi hieß der. Ich glaube, er war Yoruba, afrikanische Kultur hat mich schon immer interessiert. Bist du auch Yoruba? Kenneth fing an, mir auf die Nerven zu gehen. (S.75)

    Doch Julius, der Entwurzelte, setzt unbeirrbar seine Spaziergänge fort, trifft spannende Menschen, interessiert sich für Museen, für Kunst, für die Oper - obwohl die meisten Zuhörer_innen ,weiß' gelesen werden und er auffällt. Er fällt nicht nur auf, er bleibt einsam. Statt etwas von seinen Gedanken preiszugeben, erläutert Julius aber lieber die Geschichte der gestrandeten Wale von Manhattan, das scheint weniger schmerzhaft zu sein:

    Als etwa zweihundert Jahre später ein junger Mann aus Fort Orange den Hudson herunterkam und sich auf Manhattan niederließ, entschloss er sich, sein Magnum Opus über einen Albino-Leviathan zu schreiben. Der Autor, zeitweise Gemeindemitglied der Trinity Church, nannte sein Buch Der Wal; der zusätzliche Titel Moby-Dick wurde erst nach der Erstveröffentlichung hinzugefügt.

    Doch das Thema race lässt Julius auch unterschwellig nicht los, kann ihn nicht loslassen - allerdings verweigert er sich der offenen Positionierung. Nur beiläufig wird die Geschichte eines Bekannten erwähnt, der aus dem Sudan geflohen ist. Auch über Julius' Erfahrungen in Nigeria wissen wir wenig, allein eine schockierende Erinnerung an eine fürchterliche Prügelstrafe an der Nigerian Military School wird mit den Lesenden geteilt. Eine Grausamkeit, die Julius auf eine unnachahmliche Art trotzdem noch als heimlichen Sieg verkauft - immerhin sei er so zu einer Legende an der Schule geworden. Julius' langjähriger Mentor und Englischprofessor, einer seiner wenigen Kontaktpersonen in New York, erkrankt schwer. Julius gibt die Besuche auf. Verweigert auch hier eine aktive Auseinandersetzung mit dem Ende des Lebens. Stattdessen steht jetzt sein eigenes Leben auf dem Spiel, am Hudson River äußert er erste Selbstmordgedanken: "Es wäre so leicht, dachte ich, gleich hier sanft ins Wasser zu gleiten und in die Tiefe zu sinken." (S.77).Was ist los mit diesem Typen, frage ich mich beim Lesen, was verheimlicht er uns? Er, der doch gegenüber seinen Patient_innen eine wahnsinnig souveräne und sichere Haltung hat? In der Psychiatrie von allen geschätzt wird?

    In den Herbstferien reist Julius nach Brüssel, vorgeblich um seine Oma ausfindig zu machen, zu der er keinen Kontakt mehr hat. Doch auch hier nur lose Enden, Spontansex mit einer Touristin und immer wieder der Verweis auf die Partei Vlams Belang, eine rechte Partei, die nach rassistischen Angriffen in Brüssel durch Skinheads sogar noch Zulauf bei den Wahlen erhielt. Julius kapselt sich ab, liest Didions Das Jahr magischen Denkens oder Barthes' Die helle Kammer. Zufällig lernt er Farouq kennen, der Dolmetschen für Arabisch, Englisch und Französisch studiert und ein Internetcafé betreibt. Hier versucht Faruoq seine Vision der besten aller möglichen Welten zu leben: ein Ort, an dem die Menschen friedlich zusammen treffen können. Doch auch Farouq ist an vielem schon gescheitert, ursprünglich wollte er Kritische Theorie studieren, der nächste Edward Said werden, doch dann kam der elfte September 2001 und Farouq vermutet, dass ihm allein aufgrund rassistischer Stereotype die Promotion verweigert wurde. An einem Abend kippt die Stimmung, Farouq und ein Freund äußern klare Israel-Kritik, Julius ist unsicher, versucht sich zurückzuhalten und sich auf seinen Elfenbeinturm zurückzuziehen. Er trifft Farouq nicht wieder.

    Ich wollte ihm sagen, dass wir uns in den Vereinigten Staaten mit scharfer Israel-Kritik auch deshalb zurückhielten, weil sie schnell in Antisemitismus kippte, verzichtete aber darauf, weil ich wusste, dass sich meine Angst vor Antisemitismus, genau wie meine Angst vor Rassismus, so tief eingegraben hatte, dass sie längst prärational geworden war. (S.163)

    Doch es ist nicht nur die Begegnung mit Farouq die Julius verunsichert. Irgendetwas stimmt nicht mit ihm, irgendeine Schuld kann er nicht loslassen, das fällt besonders bei Passagen auf, in denen er anderen Einwanderern begegnet:

    Diese Menschen waren wie junge Leute überall sonst auf der Welt. Und ich spürte die Beklemmung, die mich - auch wenn sie manchmal kaum wahrnehmbar ist - immer überkommt, wenn ich junge Männer aus Serbien oder Kroatien, Sierra Leone oder Liberia treffe. Ein Argwohn, dass auch sie getötet und erst später gelernt haben könnten, wie man den Eindruck erweckt unschuldig zu sein. (S.183)

    Verräterisch, dieses "auch". Gehört Julius auch zu diesen Männern? Im zweiten Teil des Buches "Ich habe in mir selbst gesucht", rückt das Thema Suizid wieder in den Vordergrund. Ein Freund von Julius berichtet von seinen Selbstmordgedanken. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass der Erzähler so viel von Anderen spricht, um nicht von sich selbst sprechen zu müssen, um seine eigene Schuld, seine eigenen Suizidgedanken hier nicht thematisieren zu müssen. Die Auflösung dieser Schuldfrage, deren Folge eventuell auch die Suizidgedanken sind, war für mich ein absoluter Schlag in die Magengegend. Erst am Ende erfahren wir, was Julius getan hat. Und müssen uns im selben Atemzug fragen: Was hat uns der eloquente und kultivierte Psychiater nicht noch alles verschwiegen? Seine letzte Möglichkeit ein Statement abzugeben, seine letzte Chance etwas wieder gerade zu rücken oder sich für uns wieder als derjenige zu präsentieren, der er am Anfang scheinbar gewesen ist, verhallt ungenutzt. Am Ende ist es wieder eine Anekdote aus New York, die er erzählt, statt endlich einmal Stellung zu beziehen. Es geht um einen Ornithologen, der die toten Vögel zählt, die ausgerechnet am universellsten Zeichen für die USA, das man sich denken kann, ihr Leben ließen: an der Freiheitsstatue.

    Am Morgen des 13. Oktober fand man hundertfünfundsiebzig Zaunkönige. Sie hatten die Wucht des Aufpralls nicht überlebt, dabei war die Nacht davor nicht sonderlich windig gewesen und auch nicht besonders dunkel. (S.333)

    Open City ist ein grandioser Roman, der seine Überzeugungskraft aus der Ambivalenz des Hauptcharakter gewinnt und mich lange nach dem Lesen noch beschäftigt hat, mich immer noch beschäftigt. Nicht nur wegen dieser unglaublich eleganten Art der Komposition, einen modernen Flaneur des 21. Jahrhunderts als Vermittler zwischen Kunst und Musik zu schalten, der uns en passant mitteilt, welche kulturellen Werke sich lohnen. Und nicht nur, wegen dieser wunderschönen Sprache. Und nicht nur, wegen der deutlichen und harten Beschreibungen von Alltagsrassismus, die sich "weiß" gelesenen Menschen wohl kaum vollständig erschließen wird. Open City hat in der Art der Auflösung ein wenig von Filmen wie Fight Club oder The Machinist, die mit genialer Treffsicherheit gerne als "mind-fucking movies" angepriesen werden. Und diese Qualität merke ich auch in Open City. Wie kann das sein, frage ich mich, dass dieser mir so sympathisch gewordene Psychiater, so ein Mensch ist? Was wurde mir noch verschwiegen? Was kann ich dir, Julius, noch glauben? Absolut zu Recht wurde der Roman 2013 mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet.
  4. Cover des Buches Verirrungen (ISBN: 9783492251082)
  5. Cover des Buches Skandinavisches Viertel (ISBN: 9783608981377)
    Torsten Schulz

    Skandinavisches Viertel

     (22)
    Aktuelle Rezension von: Nil

    Ostberlin, eine Kindheit im Prenzlauer Berg und heute immer noch da als alter Nostalgiker und wie es so schön auf dem Klappentext heißt: Anti-Gentrifizierer.

    So könnte man diesen Roman über einen Mann, der unbedarft, nicht sehr wahrheitsliebend durchs Leben geht und doch immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt wird, zusammenfassen. Wir begleiten Matthias Weber in seinem Makler-Alltag sowie in Rückblenden in seine Kindheit und Jugend. Aber das würde diesem Buch nicht gerecht werden. Torsten Schulz schreibt hier nicht zitatreif, aber angenehm niveauvoll. Er schafft es die Kinder- und Jugendjahre so absolut skurril und auch komisch darzustellen, obwohl es im Roman in der Summe 5 Beerdigungen gibt! Das muss man erst mal schreiben können.

    Ein Buch, dass mir Augenringe bescherte, da es mir schwer fiel es aus der Hand zulegen und das nicht der Spannung wegen sondern weil die Prosa so klangvoll ist. Der Autor, Torsten Schulz, vorrangig Drehbuchschreiber gibt das Geschehen eher narrativ wieder als mittels wörtlicher Rede. Unerwartet, aber gelungen.

     

    Der Aufhänger des Romans „Das skandinavische Viertel“ ist Matthias Hirngespinst, das sich als roter Faden durch den Roman zieht. Er benennt als Kind für sich einfach ein paar Straßenzüge gedanklich im Prenzlauer Berg um, wie eine Flucht im Kleinen aus dem einengenden DDR-Leben.

    Die Rückblenden in diese DDR-Zeiten haben mich in der Tat an den Buchpreisträger 2011  Eugen Ruge mit seinem Werk ‚In Zeiten des abnehmenden Lichts‘ erinnert und auch an ‚Sonnenallee‘ von Thomas Brussig. Gefühlt spielt der Roman aber mehr in der Gegenwart als in der Vergangenheit, wobei natürlich die Vergangenheit die Gegenwart bedingt.

     

    Fazit: Wer gerne den Eugen Ruge ‚In Zeiten des abnehmenden Lichts‘ gelesen hat, könnte auch an diesem Werk Gefallen finden. Es ist eine Melange aus Coming-Of-Age & Midlife Crisis und großer Bewältigungsaufgabe des einsamen Protagonisten.

  6. Cover des Buches Wolfgang Fietkau: Schwanengesang aauf 1848 - Ein Rendevouz am Louvre: Baudelaire, Marx, Proudhon und Victor Hugo (ISBN: B0028XVAWE)
  7. Cover des Buches Endivien (ISBN: 9783941592568)
  8. Cover des Buches Carvalho und die Meere des Südens (ISBN: 9783803127136)
    Manuel Vázquez Montalbán

    Carvalho und die Meere des Südens

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Ginevra
    Privatdetektiv Pepe Carvalho wird von einer reichen Unternehmerwitwe beauftragt, die Hintergründe des Mordes an ihrem Ehemann Stuart Pedrell zu ergründen. Pedrell galt als Träumer, der sein Leben im Wohlstand schon lange satt hatte und sich in die Südsee absetzen wollte. Statt dessen aber wird er eines Tages in einem Neubaugebiet am Rande von Barcelona aufgefunden – erstochen! In seiner Jackentasche findet Carvalho ein Fragment zweier Gedichte, die sich mit der Südsee befassen: Keiner bringt mich mehr in den Süden…

    Carvalhos Ermittlungen sind ebenso skurril wie erfolgreich: er spaziert durch Barcelona, philosophiert mit Zeugen und Tatverdächtigen über die politische Lage des krisengebeutelten Spanien, und lässt sich dabei gerne kulinarisch verwöhnen. Als ehemaliger Kommunist war er einst politisch verfolgt, daher verfügt er über leidvolle Lebenserfahrung und eine untrügerische Menschenkenntnis.

    Der spanische Autor Manuel Vázquez Montalbán wurde 1939 in Barcelona geboren, zu dem Zeitpunkt, als Franco im Bürgerkrieg siegte und Spanien ins Elend stürzte. Montalbán wuchs im Armenviertel Barcelonas auf, begann früh zu jobben. Mit 17 begann er, surrealistische (und andere) Romane zu schreiben und unterstützte so seine Familie. Seine zahlreichen Kriminalromane um den Privatermittler Carvalho leben von den Ansichten und Betrachtungen der Hauptfigur, die eine Art Alter Ego des Autors darstellt. Montalbáns Romane sind weltweit sehr erfolgreich, der bekannte italienische Autor Andrea Camillieri benannte sogar seinen Ermittler Commissario Montalbano nach ihm.

    Nach den begeisterten Vorankündigungen muss ich gestehen, dass mir dieser Roman nicht ganz so gut gefallen hat, wie ich es mir erhofft hatte. Die Hauptthemen (Immobilienspekulation und Armut in Barcelona) fand ich zwar interessant zu lesen, für meinen Geschmack nahmen sie jedoch zuviel Raum ein. Außerdem trank mir der Privatermittler etwas zu oft und zu viel vom vielgerühmten spanischen Weißwein. Der eigentliche Fall geriet oftmals etwas in den Hintergrund, für meinen Geschmack hätte man einige Seiten kürzen können, dann wäre der Roman wesentlich spannender und kurzweiliger gewesen.

    Trotzdem kann ich diesen Roman und damit die ganze Serie empfehlen, wenn man sich speziell für die politische und wirtschaftliche Lage Spaniens näher interessiert. Auch die Passagen über spanische und italienische Lyrik haben mich sehr angesprochen, ebenso die melancholische Grundstimmung.
    4 von 5 Lesesternen!
  9. Cover des Buches Pariser Romanze (ISBN: 9783940357281)
    Franz Hessel

    Pariser Romanze

     (4)
    Aktuelle Rezension von: aus-erlesen
    Diese Buchbesprechung bezieht sich auf die Ausgabe des Lilienfeld-Verlages, ISBN 978-3-940357-28-1, 144 Seiten, Halbleinen, Fadenheftung, Leseband, 18,90€.

    Stahlgrollen und Erdfetzen im Gleichklang mit dem sanften Wiegen der Baumkronen im Wind und der Ruhe vor dem Sturm. Arnold Wächter ist im Krieg. Und wenn der Wind leise durch die Natur schwebt, nutzt er die Zeit seinem Freund Claude Briefe zu schreiben. Er beklagt sich nicht über Kommissbrot, dreckige Uniformen und die Angst vor den Bomben. Er erinnert sich lieber an Paris. Denn diese Stadt hat ihn an- und er sie ausgesogen. 
    Paris ist für Arnold Wächter zweite Heimat geworden. Der Name lässt es vermuten, er ist Deutscher und hat sein Heimatland verlassen. In Paris lernt er Lotte kennen. Sie will malen, und er wird ihr seine Stadt zeigen. Das fast schon verklärte Paris der Künstler, in dem Drogen und zwanglose Beziehungen zum guten Ton gehören wie der Dame die Tür aufzuhalten. 
    Diese Erinnerungen an Paris, die er Claude  schreibt, sind eine Liebeserklärung. Paris als Stadt der Fremden, die Paris formen und die diese Fremden, besonders die Deutschen, anspuckt. Dieses Paris spuckt aber auch einen künstlerischen Ausdruck aus, der nach dem Krieg nie wieder so stark zu hören sein wird wie vor 1914. Das ist dem Ich-Erzähler Wächter klar. Wehmut? Keineswegs! Wenn dieser widerwärtige Krieg zu Ende ist, wird Paris für ihn wieder Paris werden. Allerdings ohne Lotte. So viel steht fest.
    Franz Hessel und Arnold Wächter haben viel gemeinsam. Sie zog es weg aus der grauen Enge ihrer deutschen Heimat in die Weite der Weltstadt Paris. Apollinaire und Picasso gehören hier zum Inventar wie Champagner und Baguette im Café um die Ecke. Es ist die Leichtigkeit der Zeilen, die den Leser nach der letzten Zeile fasziniert zurücklässt. Doch der Leser ist nicht allein. Er weiß, dass Franz Hessel die gleich Sehnsucht nach Sein, Montmartre, Montparnasse und niemals ruhen lassen wird. Dieses Paris – und da hatte Hessel leider vollkommen recht - ist heute ein anderes Paris. Es sind andere Schätze, die den Besucher anziehen. Umso verlockender diese Erinnerungen an Paris vor den großen Kriegen, die so viel veränderten. 
    Und bevor jetzt Zyniker die Bühne betreten, sei allen Lesern versichert, dass nicht der Krieg diese wunderbaren Erinnerungen hervorruft, sondern nur ein Könner seines Fachs wie Franz Hessel solche Schätze entwerfen.
  10. Cover des Buches Im Kessel brummt der Bürger King (ISBN: 9783893201716)
    Joe Bauer

    Im Kessel brummt der Bürger King

     (1)
    Aktuelle Rezension von: sKnaerzle
    Was ist ein Flaneur? Beziehungsweise, ist ein lonesome rider, der sein Pferd gegen zwei Schusterrappen in Form von Cowboystiefeln ausgetaucht hat, den Stetson-Hut aber behalten, ein solcher?
    Joe Bauer behauptet das und wandert, fährt (nur öffentlich) und schlendert durch sein Stuttgart und veröffentlich seine Beobachtungen dabei in einer Kolumne im Stuttgarter Lokalblatt. Ein Teil dieser kleinen Reportagen hat er hier versammelt.

    Dabei erzählt er von alltäglichen Menschen und ihrer Lebensweisheit, von der Stuttgarter Altstadt als dort Milieu, Szene und Spießbürger zum gemeinsam Nutzen miteinander lebten, von sonntäglich-stillen Vororten und der Ödnis der modernen Innenstadt.

    Wie es einem rechten Flaneur geziemt, sucht Bauer nach den Spuren der Vergangenheit in der Gegenwart, die er dann nostalgisch betrauert, wohlwissend, dass die Melancholie auch nur einem Traum gilt, niemals der Wirklichkeit.

    Teilweise sind die kleinen Reportagen interessant, einige sind aber schlecht gealtert, vor allem die, die mal besonders aktuell waren. Vieles wiederholt sich auch, eine Stadt verändert sich eben langsamer, als ein Journalist Kolumnen schreiben muss.

    Fazit: Wer glaubt, dass Stuttgart spießig ist, wird hier eines Besseren belehrt, alle anderen haben mehr davon, wenn sie Joe Bauers Miniaturen regelmäßig in den "Stuttgarter Nachrichten" verfolgen.

    Und wer noch einen Flaneur im 21. Jahrhundert weiß, darf sich gerne bei mir melden.
  11. Cover des Buches Abschaffel (ISBN: 9783446273108)
    Wilhelm Genazino

    Abschaffel

     (23)
    Aktuelle Rezension von: Lesenodernicht

    Die Abschaffel-Trilogie war das ausgewählte Werk von „Frankfurt liest ein Buch“. Es gab diverse Aktionen, unter anderem eine Lesung in der Frankfurter U-Bahn. Das Buch handelt von einer gescheiterten Existenz eines Frankfurter End-Dreißigers in den 70er Jahren. Es werd en neurotische Figuren mit geradezu schmerzlicher Ehrlichkeit beschrieben, was bei mir Traurigkeit ausgelöst hat – und Mitgefühl.

    Tja was soll ich sagen? Mehr kann ich über den Inhalt einfach nicht sagen, da ich es auch nach 4 (!) Anläufen nie über die ersten 100 Seiten geschafft habe. Wo andere humorvolle Umsetzung und pikantes Schreiben sehen habe ich dem Buch leider nichts abgewinnen können. Mir war allein der erste Teil schon zu anstrengend.

    Mein Exemplar ist anlässlich o.g. Aktion aufgelegt und beinhaltet die komplette Roman-Trilogie in einem Band. Die Seiten sind sehr dünn und der Druck der nächsten Seite scheint durch, was den Lesegenuss sehr schmälert.Mir hat der günstige  Druck nicht gut gefallen, aber natürlich erreicht man so mehr Leser und ermöglicht es auch mehr Menschen Leser zu werden und an der Aktion teilzunehmen.

  12. Cover des Buches Auf Reisen (ISBN: 9783250601272)
    Matthias Zschokke

    Auf Reisen

     (2)
    Aktuelle Rezension von: HeikeG
    Reflektierende Fantasien "Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. Drum nähme ich den Stock und Hut und tät das Reisen wählen." Diese wohl allseits bekannten Worte prägte Matthias Claudius (1740-1815), Schriftsteller und Herausgeber des "Wandsbecker Boten", dessen Gedichte von Franz Schubert bereits im 18. Jahrhundert vertont wurden. 1926 greift auch Kurt Tucholsky diese Zeilen auf. Viele Autoren erkannten das Vergnügen und den positiven Bildungseffekt einer Reise. Man bekommt eine andere Perspektive - wie mit der Lupe auf den Alltag: "Die Reise gleicht einem Spiel; / es ist immer Gewinn und Verlust dabei, / und meist von der unerwarteten Seite; / man empfängt mehr oder weniger, als man hofft. / Für Naturen wie die meine ist eine Reise unschätzbar: / sie belebt, berichtigt, belehrt und bildet." oder "Das ist das Angenehme auf Reisen / dass auch das Gewöhnliche / durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt.", wusste schon Johann Wolfgang von Goethe zu berichten. Reiseberichte wurden zu einer weit verbreiteten Literaturgattung, die heutzutage leider ein bisschen ins Abseits geraten ist und eher ein Nischendasein fristet. Nur im angelsächsischen Raum erfreut sie sich noch großer Popularität. Der Schweizer Matthias Zschokke knüpft an diese große Tradition an. Er hat seiner Wahlheimat Berlin den Rücken gekehrt und berichtet dem Leser in erfrischender und spritziger Art und Weise aus den unterschiedlichsten Zipfeln der Welt. Wohltuend jenseits der gängigen Reiseführer und der typischen Haupttouristenströme wandelt er, erzählt das nahezu Banale. Alltägliches fasziniert ihn, eine Sehnsucht nach dem anderen treibt ihn. Und die weiß er mal spannend, mal unterhaltsam und witzig, gelegentlich auch einmal verärgert zu vermitteln. Persönliche Stimmungen und Empfindungen leiten ihn und machen seinen Erzählfluss zu einer sehr persönlichen, aber nicht minder angenehmen Köstlichkeit. Er nimmt den Leser auf eine Reise quer durch Deutschland von Berlin, nach Weimar oder Baden-Baden bis in die Schweiz mit, er macht Abstecher nach Porto, Straßburg, das Elsaß, badet wohlig im Budapester Rudás, einer "Mischung aus Schlachthof, Weinkeller und Moschee (...) Das Zentrum bildet ein großes Becken, eine Art Teich, in dem etwa ein Dutzend Männer liegen, ganz ruhig, wie Wasserbüffel im Schlamm während der Mittagshitze." oder genießt den maroden Konzertsaal. Aber es trägt ihn auch weiter hinaus. So ist er äußerst angetan von der arabischen Kultur in Amman "Bislang begeistert mich fast alles, obwohl eigentlich wenig dazu angetan ist, einen zu begeistern. (...) Jeder Europäer sollte dringend dann und wann nach Arabien, um sich daran zu erinnern, wie Menschen miteinander umgehen könnten, wenn sie nur wollten. (...) Jeder Tag unter ihnen ist eine Erholung fürs Gemüt und für die Seele." Zuweilen lobt er die besonders gute Qualität von Matratzen und gibt Übernachtungstipps oder Empfehlungen für besondere lukullische Tafelfreuden. Dezenter Spott, ein Schuss Selbstironie oder aber Gedanken zum Leben und Sein wechseln sich wohltuend ab. Immer wieder schwenkt er nach New York ab, wo er - dank eines Stipendiums - längere Zeit verbrachte, ist fasziniert, ja hypnotisiert von dieser Stadt und derer unbegrenzter Möglichkeiten. "Eine atemberaubend unterhaltsame Konzentration von Alltag, eine gigantische Ansammlung von Schutt, Müll, Gerümpel, Kristallglas und Stahl, aus dem permanent neues Leben sprießt. Hier (gewesen) zu sein ist ein Freude, auch wenn man dabei in wenigen Wochen um Jahre altert." Schmunzelnd, aber liebevoll berichtet er von der beinahe grotesken Neigung zur Panik ("Kaum fällt eine Flocke Schnee, fahren Katastrophenschutzpanzer los mit winselnden und jaulenden Sirenen, ein hysterisches Gedröhn von wagnerscher Opulenz."), verfällt in einen fast suchtartigen Kaufrausch und ist begeistert von der Natürlichkeit der MoMa. Da fällt die Ankunft in der Wahlheimat eher ernüchternd aus. "Kaum in Berlin gelandet, kam ich mir wieder 'ziemlich ähnlich vor', fiel in meinen alten Trott zurück und begann von neuem meine Runden durch die vertraut grauen, stillen, leeren Straßen zu drehen." Fazit: Zschokkes mal flüchtige, dann wieder tiefere Eindrücke sind eine wohldosierte Melange aus typischen Reiseerlebnissen, gepaart mit ganz persönlichen Empfindungen und Impressionen seiner reflektierenden Fantasie. Auch wenn das nachfolgende Zitat aus dem Buch der arabischen Musik galt, so kann es doch uneingeschränkt auf den Duktus des Autors angewandt werden: "Auf Reisen" ist eine Lektüre, die "mehr ein Suchen, ein Schwanken zwischen Halb-, Viertel- und Achteltönen, ein taumelndes Sichverlieren in Melismen [ist]. Man muss hören und ruhig werden, warten, nachhorchen, und irgendwann wird man aufgenommen in den Fluss und gerät dann oft in eine wohltuend weiträumige, offene Melancholie."
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