Bücher mit dem Tag "grass"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "grass" gekennzeichnet haben.

25 Bücher

  1. Cover des Buches Die Blechtrommel (ISBN: 9783958291300)
    Günter Grass

    Die Blechtrommel

     (556)
    Aktuelle Rezension von: Vani_Schneider

    Das Buch handelt von Oskar Mazerath, der bei seiner Geburt schon voll geistig entwickelt ist. An seinem dritten Geburtstag beschließt er nicht mehr zu wachsen. Man begleitet Oskar durch sein Leben und bekommt durch seine Augen den Aufstieg der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg mit.

    Ich musste das Buch für die Uni lesen und bin nur sehr schwer in das Buch hineingekommen, weil es sehr anspruchsvoll ist. Das Buch zählt zur Gesellschaftskritischen Literatur und der Autor Günter Grass hat seine Kritik am Dritten Reich so kreativ und manchmal auch skurril in die Geschichte eingebettet, dass es manchmal sehr schwer herauszulesen.

    Trotz alledem fand ich das Buch sehr interessant und ich finde es ist ein gutes Werk. Nur leider eben nicht sehr einfach zum lesen, also auf jeden Fall nicht für Zwischendurch und sehr zeitintensiv. Aber wichtig!

  2. Cover des Buches Werkausgabe in 18 Bänden / Beim Häuten der Zwiebel (ISBN: 9783865215888)
    Günter Grass

    Werkausgabe in 18 Bänden / Beim Häuten der Zwiebel

     (98)
    Aktuelle Rezension von: mabo63

    'Sobald das Abendbrot auf den Tisch sollte, rief der Vater: Vom Lesen ist noch niemand satt geworden!

    Die Mutter sah mich gerne 'schmöckern'. Da die bei Kunden und Handelsvertretern beliebte Geschäftsfrau bei aller Neigung zu träumerischen Wehmutstropfen von heiterer und mitunter spottlustiger Natur war, auch gerne einen kleinen Spass trieb, den sie 'Schabernack' nannte, bereitete es ihr Vergnügen dem einen oder anderen Besucher, so einer Freundin aus gemeinsamer Lehrzeit bei 'Kaisers Kaffee', die Abwesenheit des an bedruckte Seiten verlorenen Sohnes zu beweisen, indem sie ein Marmeladenbrot in dass ich während anhaltender Lektüre ab und zu biss gegen ein Stück Palmoliveseife austauschte.

    Mit verschränkten Armen und lächelnd, weil erfolgssicher, hat sie das Ergebnis der Tauschaktion abgewartet. Das erheiterte sie, wenn der Sohn in Seife biss und erst nach dem abgrasen einer dreiviertel Buchseite merkte, was er dem gleichfalls belustigten Besuch demonstriert hatte.

    Seitdem ist der Geschmack dieses Markenartikel meinem Gaumen bekannt.'

    In diesen Erzählungen beginnend aus seiner Jugendzeit in Danzig berichtet Grass von seiner Zeit in der Wehrmacht gegen Ende des 2. Weltkrieges, erzählt wie er als junger Mensch in die Welt der bildenden Kunst kam, von seinem Leben in Paris, seinen Reisen nach Italien, in die Schweiz.

    Äusserst glaubhaft geblieben sind mir seine erwähnten drei grossen Hunger die er nach Entlassung aus der Kriegsefangenschaft hatte.

    Hunger nach einem Essen welches satt macht.

    Hunger nach dem 'Weibe'.

    Und sein grösster Hunger damals: der Hunger nach Papier und Bleistift.

    Empfehlenswertes autobiografisches Werk.

  3. Cover des Buches Die Blechtrommel (ISBN: 9783958292307)
    Günter Grass

    Die Blechtrommel

     (52)
    Aktuelle Rezension von: PiaSol

    Hier geht es um die Lebensgeschichte einer kaschubischen Familie namens Mazerath, deren kleinwüchsiger Sohn Oskar dieselbe erzählt.

    Im Alter von drei Jahren ist Oskar geistig bereits gereift und stellt sein körperliches Wachstum ein.

    Er hat ein Verhältnis mit seiner Stiefmutter, mit der er auch einen Sohn hat und wird im Laufe der Geschichte fälschlich als Mörder verdächtigt und eingesperrt.

    Sprichwörter und Redewendungen der damaligen Zeit ziehen sich durch den Roman und ich stelle mir die Frage, ob der Knabe Oskar mit seiner Schuld Synonym der deutschen Kriegsschuld sein soll.

    Das Buch hat mir sehr gut gefallen, doch ist es eines von zwei oder drei Büchern, bei welchen mir tatsächlich die Verfilmung besser gefallen hat.

  4. Cover des Buches Im Krebsgang (ISBN: 9783423252898)
    Günter Grass

    Im Krebsgang

     (204)
    Aktuelle Rezension von: Farbwirbel

    Günther Grass' Novelle 'Im Krebsgang' lag schon Jahre auf meinem SuB und nun habe ich es endlich geschafft, sie zu lesen.

    Inhaltlich war ich tatsächlich überrascht, denn ich dachte, dass es ein historienbezogenes Werk ist und wusste nicht, dass er auch hochgradig aktuell ist.

    In der Novelle geht es um Paul Pokriefke, der selbst als Journalist arbeitet und dem Leser einen Schweinsgalopp durch Vergangenheit und Gegenwart eröffnet.

    Zu Beginn geht es um Gustloff, Frankfurter und Marinesko, drei historische Personen, die im Zusammehang mit dem NS-Regime stehen. Dabei sei kurz erklärt, dass Gustloff als Nazi von Frankfurter, einem Juden, erschossen wurde. Später, als Hitler die KDF-Fahrten eingeführt hatte, wurde eines der Schiffe Gustloff genannt. Wie es der Zufall so will, ist eben jene Gustloff das Boot, mit dem Mutter Pokriefke später mit ihrem Sohn Paul im Bauch vor den Russen flüchtet. An dem Abend, als die Gustloff abgeschossen wird, wird Paul geboren und Mutter Pokriefke erzählt diese Geschichte ein ums andere Mal ihrem Sohn und später auch ihrem Enkel Konrad.

    Wie sich im Lauf der Geschichte herausstellt, ist Konrad sehr vereinamt von dieser Geschichte und entwickelt sich Stück für Stück zu einem Neonazi. Sein Vater beobachtet im Web diese Entwicklung, denn Konny schreibt auf einer Website darüber, doch wirklich einzugreifen wagt er nicht, hat er doch nicht wirklich Kontakt zu ihm.

    Die Geschehnisse spitzen sich zu und die Geschichte wird wiederholt. Am Ende kann man tatsächlich die letzte Phrase der Novelle als Kern dieser erkennen:

    Das hört nicht auf. Nie hört das auf. - S. 216

    Grass fragt in seiner Novelle nach der Idiotie, die Menschen inne haben, die nationalsozialistisches Gedankengut in sich tragen. Vor allem aber trägt er hier einen Sachverhalt vor, der gar nicht so oft thematisiert wird: Intelligtente Menschen und wie diese so denken können und auch, was die Geschichte der Familie in einem jungen Menschen machen kann, wie sie sich weiterträgt. Das war hochinteressant.

    […] Wolfgang Stremplin, der sich online David genannt hatte, einen, wie er sagte, „Nachweis arischer Herkunft“ vorlegte und sich dabei ironisch gab. Den Kommentar zu dem, was er ohnehin wußte, lieferte mein Sohn aus ruhiger Gewißheit: „Das ändert nichts am Sachverhalt. Allein ich mußte entscheiden, ob die mir als David bekannte Person als Jude sprach und handelte.“ - S. 182

    Auf der anderen Seite habe ich das Werk nur schleppend fertig bekommen. Gerade der Einstieg mit all den historischen Persönlichkeiten und dem fast abgehackten Schreibstil war für mich nur schwer anzunehmen. Das Buch wurde zum Schluss hin immer interessanter und dennoch blieb der erste Eindruck für mich sehr präsent. Da ist der Titel dann aber wieder sehr genial gewählt. Im Krebsgang. Genau so wird die Geschichte nämlich erzählt.

    Den Ich-Erzähler Paul mochte ich sehr gern. Gefangen in dem Rahmen seines Lebens und mit einer großen Schippe Ironie erzählt er daraus.

    Schluß mit Gernegroß! Wer sich mit funfunddreißig und beginnendem Haarausfall noch ein Kind andrehen läßt, ist nicht zu retten. Was heißt hier Liebe! Die gibt’s allenfalls wieder ab siebzig, wenn ohnehin nichts mehr läuft. - S. 42

    Seine Mutter war für mich so etwas wie das Ebenbild der Nachkriegsgeneration, die danach in der DDR lebte. Irgendwie politsch verwildert im Kopf, wenn man das so sagen kann.

    Da ich vom Schreibstil und dem Aufbau der Geschichte nicht zu 100 % überzeugt bin, ich aber mit der Aussage d'accord gehe, bin ich mal wieder im Sternekonflikt. Ich vergebe drei Sterne und würde gerne noch einen imaginären, halben Sternd dazugeben.

  5. Cover des Buches RAD - 1. Generation (ISBN: 9783734993787)
    Stefan Schweizer

    RAD - 1. Generation

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Pippo121

    Deutschland, 2. Juni 1967: Die Ermordung eines jungen Studenten durch einen Berliner Polizisten während einer Demonstration empört die Studentenszene. Als Reaktion darauf radikalisiert sich ein Teil der linken Studentenbewegung und treibt so die Entstehung der RAD voran. Ein paar Jahre später stürzt dieses sehr schwarze Kapitel der Geschichte die Bundesrepublik Deutschland in die schlimmste innerpolitische Krise der Nachkriegszeit.

    Dem Autor Stefan Schweizer gelingt es mit diesem Buch, die brutale Geschichte der RAF neu aufzuarbeiten. Der Schreibstil ist schonungslos und recht rau, passt also ausgezeichnet zu dem ernsten und brutalen Thema des Buches. Die dargestellten Terroristen beruhen auf realen Persönlichkeiten und ihre wahre Identität erschließt sich dem Leser sehr schnell. Der Ermittler hingegen ist fiktiv. Perspektivwechsel erhöhen die Spannung und geben dem Leser Einblicke in das nicht immer ruhmreiche Leben eines verdeckten Ermittlers.

    Mit akribisch recherchierten Daten und Handlungsabläufen versucht der Autor die Denkweise und die Ziele der RAF zu erläutern. Was als kleine Studentenbewegung beginnt, weitet sich schnell aus und nimmt ungeahnte Dimensionen an. Nach einer mehr oder weniger erfolgreichen Ausbildung in einem Lager der PLO, kommen die Terroristen gestärkt und hochmotiviert zurück nach Deutschland um ihren Worten Taten folgen zu lassen. Sie widersetzen sich dem amerikanischen Imperialismus und dem damit verbundenen Kapitalismus, erklärte Lieblingsfeinde sind vor allem Polizisten, Politiker und erfolgreiche Geschäfts- und Finanzleute. Ihr Ziel ist die Destabilisierung des Systems, sie wollen den Staat zu Fall bringen und dem Volk die Macht übergeben. Der Tod unschuldiger Zivilisten gehört, im Gegensatz zu heutigen Attentaten, nicht zu ihrem Hauptinteresse, wird aber im schlimmsten Fall als Begleitschaden in Kauf genommen.

    Dieses schwierige und traumatische Kapitel der deutschen Geschichte ist heute aufgrund erhöhter Terrorgefahr leider aktueller denn je und auch die Begnadigung ehemaliger RAF-Terroristen wurde vor nicht allzu langer Zeit diskutiert. Des Weiteren entsteht aufgrund undurchsichtiger Machenschaften eines verdeckten Ermittlers eine Verbindung zu dem hochbrisanten NSU-Prozess. Denn die Rolle des Undercover-Polizisten Grass ist sehr ambivalent dargestellt und zeigt die schwierige Ausführung einer verdeckten Ermittlung. Grass ist zerrissen zwischen seiner realen und seiner Tarnidentität und tröstet sich mit Drogen, Alkohol und später auch mit Frauengeschichten. Von Ehrgeiz zerfressen stürzt er sich in die Arbeit, kann Drucksituationen aber nicht handhaben und tickt regelmäßig aus. Sein Hang zur Gewalt und zur Selbstzerstörung droht ihn immer wieder in den Abgrund zu stoßen und macht ihn zu einer tickenden Zeitbombe. Sein Chef schützt ihn, solange er ihn braucht und deckt seine Gewaltexzesse.

    Insgesamt ist dies ein tolles, politisches Buch und trifft den Nerv der Zeit. Attentate, Terroristen und Angst sind leider allgegenwärtig und stürzen viele Länder in eine tiefe Krise. Allerdings sollte man sich schon ein bisschen für Geschichte und Politik interessieren, um dieses Buch richtig einordnen zu können. Wer einen spannenden, leicht verdaulichen Krimi sucht, ist hier sicherlich falsch!

  6. Cover des Buches Die Box (ISBN: 9783958292239)
    Günter Grass

    Die Box

     (25)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    Als zweiter Teil seiner Autobiographie wird Günter Grass neuer Roman „Die Box“ gehandelt, der seinem Werk „Beim Häuten der Zwiebel“ folgt, jenes Buch, in dem er seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS zu erklären versucht.
    In seinem neuen Roman „Die Box“ lässt uns der Autor teilhaben an einem Familienleben, einem Kuddelmuddel, wie er es in seinem Buch nennt, indem er die Kinder, acht an der Zahl und von verschiedenen Frauen, mal alle zu-sammen, mal auch vereinzelt, über den Vater erzählen lässt, wobei es völlig gleichgültig scheint, ob der Roman autobiographisch ist oder nicht.

    Im Mittelpunkt dieser Gespräche stehen der zuhörende Vater und Marie, von der man nicht weiß, ob sie Geliebte, Freundin oder Haushälterin ist. Marie, einst mit einem Fotografen verheiratet, fotografiert mit einer alten, über alle Schrecken des vergangenen Krieges hinweg geretteten Agfa - Box genannt- Bilder, auf denen sich nach dem Entwickeln von ihr in der unkelkammer auf eigenartige Weise mal Vergangenes, mal Zukunftsvisionen mit abbilden. Die Box spielt verrückt, meint Marie. So sind zwei Söhne, von Maries Box als Kinder auf einem verlassenen Bunker an der See spielend aufgenommen, nach dem Entwickeln als junge Männer in Uniform, sprich als Soldaten, zu sehen, und die kleine Tochter, ebenfalls von Marie mit der Box fotografiert, sieht sich auf dem Bild plötzlich als Besitzerin eines Hundes, den sie erst Jahre später tatsächlich bekommt. Während Maries Box für die Kinder die „Wünsch-dir-was-Box“, ist, nützt der Vater die scheinbar hellseherischen Fä!
    higkeiten „sei-ner“ Marie, ihrer Box und ihrer Dunkelkammer, um all den Dingen auf den Grund zu gehen, die er, wie er es nennt, noch abarbeiten muss. „Knips Mariechen“ ist seine stete Aufforderung.

    Günter Grass lässt die Kinder erzählen, über den Vater, über ihn, den Autor, rechtfertigt sich hin und wieder, ergänzt die Dialoge der Kinder und schafft es auf diese Weise, ganz nah Familiäres, Zeitgeschichtliches und Politisches spannend und unterhaltsam zu präsentieren.

    Vielleicht mag den einen oder anderen Leser stören, dass der Autor seine politische Meinung so eindeutig benennt, vielleicht mag auch manchen stö-ren, dass die gesprochenen Sätze nur halbe sind, plötzlich abgebrochen werden, den heute erwachsenen Töchtern und Söhnen eine kindliche Spra-che in den Mund gelegt wird, doch gerade dadurch mag sich auch mancher Leser mittendrin fühlen, als Gast, am Tisch, wenn die Kinder über ihn, ihren Vater und seine Geschichte, erzählen.

    „Die Box“ ist ein lesenswertes Buch, es ist spannend und interessant, erzählt Geschichte und viel Persönliches und nachdem ich während des Lesens glaubte, dass diese Marie hellseherische Fähigkeiten hatte ist mir letztendlich klar geworden, dass sie mit ihrer Box wohl jedem Leser Bilder präsentieren könnte, die „abzuarbeiten“ wären.


  7. Cover des Buches Katz und Maus (ISBN: 9783869307183)
    Günter Grass

    Katz und Maus

     (298)
    Aktuelle Rezension von: Nosimi

    Katz und Maus war das erste Buch, das ich von Günter Grass gelesen habe und es ist immer noch eines meiner liebsten. Im Kern ist es eine tragische Coming of Age Story, die sich mit der Frage nach der Schuld an den großen Katastrophen, aber auch der am persönlichen Schicksal des anderen beschäftigt. Dabei ist Grass ein Meister der Formulierung durch seine wunderbare, bildhafte, bunte Sprache. Kaum ein Autor beherrscht es so durch Sprache ein Gefühl für die Protagonisten zu entwickeln und ihnen Tiefe zu geben. Und meinernMeinung nach hat es Grass auch in dieser Novelle perfektioniert. Mit viel Liebe zum Detail ohne überflüssige Worte auf nicht mal 300 Seiten. 

  8. Cover des Buches Deutsche Literatur (ISBN: 9783625121428)
    Karl-Heinz Göttert

    Deutsche Literatur

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Viv29
    Das Buch gehört zu der Serie „Wissen auf einen Blick“, in der 100 wesentliche Aspekte eines Themas - hier eben Deutsche Literatur - auf je einer Doppelseite kurz dargestellt werden. Die Ausstattung ist hervorragend, das Buch ist gebunden, das Papier der Seiten hochwertig und, da glänzend, auch für die zahlreichen Abbildungen gut geeignet. Jede Doppelseite zeigt auf der linken Seite den Text, auf der rechten Seite eine -meistens farbige - Abbildung. Diese Abbildung ist auf der linken Seite neben der Überschrift noch mal klein abgedruckt, was harmonisch und ansprechend wirkt. Der Aufbau der Textseite ist immer gleich: Zuerst gibt es fast immer eine Kurzbiographie des Autors, dann eine Zusammenfassung des behandelten Werkes und in einer Box einige Hintergrundinformationen. Das Buch endet mit einer Zeitleiste, die die einzelnen Themen mit ihren Abbildungen noch einmal enthält und auch die literarischen Epochen darstellt. Dies ist alles gut gelungen.

    Wir reisen chronologisch durch die deutsche Literaturgeschichte, angefangen mit dem Hildebrandslied von 830, endend mit Julia Franks „Die Mittagsfrau“ von 2007. So lernt der Leser die wichtigsten Werke und Autoren der deutschsprachigen Literatur kennen. Nun ja, nicht alle - hier schon mein erster Kritikpunkt: auch hier (wie in ähnlichen Überblicken) wird leider Walter Kempowski mit keiner Silbe erwähnt. Günter Grass findet sich mit zwei Werken im Buch, Kempowski überhaupt nicht. Leider kein Einzelfall, was es nicht weniger unerfreulich macht.

    Mein anderer Kritikpunkt ist, daß sich die Informationen zu den meisten Werken und Autoren auf trockene Kurzbiographien und Nacherzählungen der Werke beschränken. Natürlich kann ein solches Format nicht ins Detail gehen, möchte das auch gar nicht. Das ist völlig in Ordnung und auch sinnvoll. Aber die Entscheidung, die meisten vorgestellten Werke einfach nur nachzuerzählen, führt dazu, daß das Besondere dieser Werke häufig verloren geht. Bei vielen literarischen Werken ist es nicht per se der Inhalt, der sie ausmacht. Es wird in den Hintergrundboxen zwar noch ein wenig zu Literaturströmungen, Zeiterscheinungen, Sprache oder anderen Besonderheiten erwähnt, aber aus Platzgründen bleibt dies sehr an der Oberfläche. Dies kann man zB an der Doppelseite über Faust I & II sehen. Diese Werke auf etwa einer halbe Seite zusammenzufassen, ist eine Herausforderung, der man kaum gerecht werden kann. Und so erfährt der Leser zwar in etwa, worum es in Faust I und II geht, mehr aber nicht. Die Hintergrundbox enthält drei Sätze zum Thema „Vom Faustischen als angeblichem Wesen der Deutschen“. Die ganze Bedeutung des Faust, die vielfältigen Themen, Hintergründe sind hier nicht mal annähernd eingefangen. Niemals würde ich nach der Lektüre dieser Doppelseite darauf kommen, Faust zu lesen und mich damit zu beschäftigen. Daß es auch anders geht, zeigt der Eintrag zu Büchners Woyzeck, in dem die Nacherzählung summarischer ist und mit Hintergrundinformationen verknüpft wird. Das war es, war ich mir von diesem Buch eigentlich erhofft hatte. Informationen, nicht Nacherzählungen.

    Auch die Lebensläufe sind oft wenig erhellend. Eine Jahreszahl reiht sich an die andere, eine Station an die andere. Greifbare Informationen über die jeweiligen Schriftsteller erhält man ab und an, aber leider zu selten. In manchen Fällen werden wichtige Informationen gar nicht erwähnt, oder so knapp angedeutet, daß der Text mehr Fragen als Antworten aufwirft.
    Die Hintergrundboxen sind dagegen meist recht nützlich, wenn auch naturgemäß ausgesprochen knapp. Wenn die Dreiteilung Lebenslauf - Zusammenfassung - Hintergrundbox zugunsten eines zusammenhängenden Textes aufgegeben worden wäre, hätte man individueller auf das jeweilige Werk eingehen und sich auf mehr Erklärungen und weniger Nacherzählungen und Auflistungen konzentrieren können. Auch die großen Abbildungen hätten auf eine halbe Seite reduziert werden und somit mehr Raum für Text liefern können. Dies alles wäre weiterhin übersichtlich und verständlich gewesen.

    Insofern ist Gedanke und visuelle Umsetzung zwar durchaus gelungen, die textliche Umsetzung leidet aber an den Vorgaben. Richtig viel konnte ich mir aus diesem Überblick leider nicht mitnehmen.
  9. Cover des Buches Beim Häuten der Zwiebel (ISBN: 9783958292291)
    Günter Grass

    Beim Häuten der Zwiebel

     (4)
    Aktuelle Rezension von: Pongokater

    Leider war beim Erscheinen dieses autobiographischen, nicht-fiktionalen Buches im Jahr 2006 die dort genannte Mitgliedschaft des Autors in der Waffen-SS das Hauptthema. Denn zwischen den vielen schwachen Büchern, die Grass leider geschrieben hat, ist dies eine sehr positive Ausnahme. In einigen Passagen erreicht das Werk sogar die Qualität der "Danziger Trilogie". Erfreulich ist, dass Grass immer wieder die Unsicherheit der Erinnerung und die Konstruiertheit des Aufgeschriebenen zum Thema macht. Außerdem schafft er es, seine jüngeren Ichs mit durchaus kritischem Verständnis oder sogar Unverständnis zu betrachten. Er konstruiert sich durchaus nicht als jemand, der immer Recht hatte. Und so kann man den Lebensweg von den ersten Schritten des kleinen "Jünterchen" in den Straßen von Danzig-Langfuhr bis zu den allerersten literarischen Erfolgen in den 50er Jahren anschaulich nachvollziehen. Ein Schwerpunkt ist dabei die Zeit des Krieges. Wenn man die Stimme des alten Grass mag, der aus dem schriftlichen "Harrys erster Tag im Krieg" vorgelesen "Hahries erster Tack im Krick" macht, sollte man auf jeden Fall die Audiofassung wählen.

  10. Cover des Buches Ein weites Feld (ISBN: 9783958290839)
    Günter Grass

    Ein weites Feld

     (32)
    Aktuelle Rezension von: rkuehne
    Lang hats gedauert, weit über zehn Jahre steht es in meinen Regalen, immer mal wieder kritisch beäugt, doch nie hatte ich den Mut, es tatsächlich mal in die Hand zu nehmen, zu groß, zu gewaltig, zu furchteinflößend starrte mich dieser Grass an, ich würde ja doch nichts verstehen. Nun also, hab ich mich getraut, hab vorher zur Einstimmung „Effi Briest“ nochmal gelesen und mich dann an das weite Feld und die Spaziergänge mit Fonty und Hoftaller herangemacht. Und ich muss sagen, es war gar nicht schlimm, es war sogar richtig gut. Zwar hab ich auch 100 bis 200 Seiten gebraucht, um so richtig reinzukommen, um mich dem geradezu schleichendem Tempo dieses Romans, der in einer so hektischen Zeit spielt, anzupassen, aber dann, hat es richtig Spaß gemacht. Fonty, die Hauptfigur, wächst einem Seite für Seite mehr ans Herz, und die Wendezeit, in der ich gerade mal 9 war, wird wieder lebendig. Ein beeindruckender umfassender Wenderoman, der alles miteinander verwebt, weit vorn im 19. Jahrhundert begonnen, Bis 1991, der die Gefühle der Menschen aber dennoch in den Vordergrund stellt und sie genauso ernst nimmt, wie die gewaltigen Umbrüche zwischen 1989 und 1991. Auch sprachlich merkt man hier, dass ein Nobelpreisträger am Werk ist, man ist fast geneigt, jeden zweiten Satz sich rauszuschreiben, so geschliffen ist vieles formuliert. Ich bin froh es gelesen zu haben, ein Stück deutsche Zeitgeschichte steckt hier drin, und empfehle es gern weiter, allerdings wäre ein bisschen Fontanelektüre im Vorfeld wirklich hilfreich.
  11. Cover des Buches Mein Jahrhundert (ISBN: 9783958291539)
    Günter Grass

    Mein Jahrhundert

     (45)
    Aktuelle Rezension von: Masau
    Das Buch besteht aus einzelnen Kapiteln, die immer ein Jahr des Jahrhunderts darstellen. Diese handeln von fiktiven Charakteren, die meist in keinster Weise etwas miteinander zu tun haben. Ungefähr nach dem ersten Drittel musste ich es aus der Hand legen, da es mich einfach nicht mehr interessierte. Schade eigentlich, hätte so gut werden können.
  12. Cover des Buches Zerrspiegel (ISBN: 9783944264738)
    Katja Montejano

    Zerrspiegel

     (146)
    Aktuelle Rezension von: nadine_im

    Ein brutaler Überfall stürzt das Leben der neunzehnjährigen Jazz in einen Abgrund voller Angst und Grauen. Gleichzeitig verschwinden ihre Mutter und Schwester - die Polizei steht vor einem schier unlösbaren Rätsel. Wurde die Familie Zielscheibe eines perversen Serienkillers oder steckt ein dunkles Geheimnis aus der Vergangenheit hinter dem schrecklichen Geschehen? Ein gefährliches Katz- und Mausspiel zwischen Jazz und dem wahnsinnigen Mörder beginnt. Sein Plan ist Rache! Ihr Plan ist, zu überleben!


    Zum Aufbau, es wird abwechselnd aus der Sich von Jazz und dem Täter berichtet, dadurch schafft es die Autorin die Leser am Ball zu behalten, denn nur Jazz ihre Ansicht wäre für dieses Buch nicht mitreißend genug gewesen, da sie wirklich emotionslos dargestellt wird und eine lange Zeit im Buch auch nichts passiert bis am Ende wieder ein starker Höhepunkt folgt.

    Also haben wir Spannungen am Anfang und am Ende des Buches, in der Zwischenzeit liest man meiner Meinung schnell Jazz ihre Kapitel durch um schnell wieder zu den Gedanken des Täters zu gelangen. Dort ist die Emotionslosigkeit, oder ab und zu die Wut recht fesselnd.


    Jazz leidet am Asperger Syndrom, leider wird darauf nicht groß aufgebaut und teilweise widerspricht sich das auch in ihrer eigenen Sprache... zudem gibt es ein paar Textstellen wo Jazz Dinge erklärt die wie wortwörtlich aus dem Internet kopiert klingen, ich weis nicht ob das Teil des Syndroms ist, weil man die Dinge einfach übernimmt, oder ob es nicht anders geschrieben wurde.

    Man kann sich nicht wirklich mit ihr identifizieren, da sie ja nun wirklich nicht von Emotionen sprüht, also fehlt auch die Empathie.

    Und dann wird noch eine Liebesgeschichte reingeworfen, die entweder besser ausgebaut hätte werden sollen, oder eben nicht vorkommen sollte. Es ist so als würde man den Inhalt nur auffüllen wollen, trotzdem ist es schön, dass Jazz nicht mehr alleine ist und sich selbst überwinden kann!

    Leider war das Ende dann irgendwie nicht so brutal wie ich es mir vorgestellt habe und vor allem gegen Ende noch schnell mit Fakten aufgefüllt um die Geschichte besser zu erläutern...


    Trotz der paar Schreibfehler und den oben erwähnten Dingen ist das Buch an einigen Stellen spannend und für Zwischendurch nicht schlecht! Also von mir 2.5-3 Sterne!

  13. Cover des Buches Schreiben nach Auschwitz (ISBN: 9783423619257)
    Günter Grass

    Schreiben nach Auschwitz

     (2)
    Noch keine Rezension vorhanden
  14. Cover des Buches Die Flakhelfer (ISBN: 9783570552544)
  15. Cover des Buches Grass. Die Blechtrommel (ISBN: 9783804418530)
  16. Cover des Buches Danziger Trilogie (ISBN: 9783882436914)
    Günter Grass

    Danziger Trilogie

     (13)
    Noch keine Rezension vorhanden
  17. Cover des Buches Deutschlandreise (ISBN: 9783257701760)
    John Irving

    Deutschlandreise

     (21)
    Aktuelle Rezension von: The iron butterfly

    John Irvings Deutschlandreise in den neunziger Jahren – die Süddeutsche Zeitung, München wird auf dem Klappentext mit „Man sollte eigentlich alles von John Irving gelesen haben.“ – Nun ich habe jetzt alles von ihm gelesen und fühle mich tatsächlich bereichert alles von ihm gelesen zu haben. 

    Irving hier auf seiner Deutschlandreise und in seiner sehr persönlichen kleinen Berichterstattung begleiten zu dürfen, ist für mich immer noch etwas Besonderes. Wenn er von der Begegnung mit Elisabeth Mann-Borgese schreibt oder von den beiden Hunden (einer davon kann Schreibmaschine schreiben, der andere Klavier spielen), dann spüre ich, mit welchem feinfühligen Blick für die Details und Individualitäten er durchs Leben geht. Dies fand ich auch in seinen Büchern wieder, in denen diese sehr speziellen Charaktere auftauchen, die auf mich immer sehr authentisch und lebendig gezeichnet erschienen.

    Gerne hätte ich eine Zeitmaschine, um an einer seiner Lesungen teilnehmen zu dürfen, auch wenn er aufgrund einer Schnittverletzung und der benötigten medizinischen Versorgung nicht in Höchstform wäre, wie in Deutschlandreise so offen von ihm beschrieben.


  18. Cover des Buches Das Literarische Quartett (ISBN: 9783898533010)
    Marcel Reich-Ranicki

    Das Literarische Quartett

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Crimeking
    Rezensieren im eigentlichen Sinne kann man dieses Gesamtwerk nicht. Es ist ja ein Nachschlagewerk zu ALLEN 77 Sendungen des literarischen Quartetts. Dennoch macht es Spass die Dialoge, welche wortgetreu wieder gegeben sind, nochmals zu lesen und auch rückblickend die diversen Meinungen der Literarturkritiker anzuschauen. Wer das alles nicht möchte, erhält dennoch einen Schatz an Literaturhinweisen und Literarturlisten welcher ein einziger Quell an schönen Lesetipps ist. Es sind wirklich alle besprochenen Werke in diesen drei Bänden enthalten und man erinnert sich wieder an so manches Buch was man vielleicht immer schon lesen wollte oder mal wieder lesen kann. Es ist eine schöne, hochwertige Ausgabe im Pappschuber. Ein wirklich wundervolles und wertvolles Nachschlagewerk für alle Bücherwürmer.
  19. Cover des Buches Deutsche Lyrik vom Barock bis zur Gegenwart (ISBN: 9783423123976)
    Gerhard Hay

    Deutsche Lyrik vom Barock bis zur Gegenwart

     (2)
    Aktuelle Rezension von: LilStar
    Eine interessante Auswahl an über 300 deutschsprachigen Gedichten aus verschiedenen Themen aus dem Barock bis zur Gegenwart.
  20. Cover des Buches der Ritter und die Lady (ISBN: B006NAV4SS)
    Merline Lovelace

    der Ritter und die Lady

     (2)
    Noch keine Rezension vorhanden
  21. Cover des Buches Hundejahre (ISBN: 9783742404923)
    Günter Grass

    Hundejahre

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Pongokater

    Diese Hörbuchfassung folgt (gottseidank) nicht direkt dem Originaltext, in dem Grass vergeblich versucht hat, seinem Vorbild Döblin in HInblick auf Multiperspektivität und Collagenstruktur nachzueifern. In dieser vereinfachten Version werden deshalb die Qualitäten mancher Teile dieses dritten Teils der Danziger Trilogie deutlicher, weil klarer. Das ist das positive Merkmal der Hörfassung. Das negative Merkmal ist, dass sie zusammengeschnitten ist aus einer Lesung des jungen Grass in der Entstehungszeit und der Lesung des alten Grass in der Zeit der Veröffentlichung dieses Hörbuchs. Beide Stimmen und auch beide Lesweisen sind extrem unterschiedlich und passen nicht gut zusammen.

  22. Cover des Buches Das Treffen in Telgte (ISBN: 9783958294301)
    Günter Grass

    Das Treffen in Telgte

     (34)
    Aktuelle Rezension von: Joachim_Tiele
    Günter Grass galt immer als der Streitbare in der deutschen Nachkriegsliteratur, sei es, weil er auch politisch Partei ergriff (für Willy Brandt und die SPD), sei es, weil er publizistischen Scharmützeln kaum aus dem Weg ging. Das Thema von Das Treffen in Telgte ist der literarische Streit als solcher. Oberflächlich gesehen, treffen sich im Sommer 1647, dem letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges, in einem Landgasthof in der Nähe von Münster und Osnabrück, wo ein Jahr später der Westfälische Friede geschlossen werden sollte, Schriftsteller, Verleger und Kritiker der damaligen deutschen Literaturszene, um über Wert und Wirkung der von ihnen verfassten, verlegten oder rezensierten Werke zu sprechen. Die zentrale Frage ist dabei, ob, und wenn ja, wie, Poeten und andere Literaten der Epoche zu einer Beendigung des Krieges beitragen können. Es kommt, wie es nicht anders kommen kann. Die herausragenden Vertreter des damaligen deutschsprachigen Literaturbetriebs streiten, an einigen Stellen auch in der Wortwahl wie die sprichwörtlichen Kesselflicker, und die Themen ihres Streits sind so weit gefächert wie die Themen ihrer Literatur, der Wirkung selbiger, der politischen Bedingungen, unter denen sie geschrieben wurde, der religiösen und landsmannschaftlichen Verwicklungen jener Zeit. Und natürlich: Eitelkeit, Eigensinn und der Wunsch, Landesherren, Verlegern oder Förderern gefallen zu wollen (und alle Widersprüchlichkeiten, die sich daraus ergeben), gehören auch dazu.

    Als das Buch 1979 erschien, war allen seinerzeit literarisch Interessierten klar, dass es in ihm eigentlich um die Gruppe 47 ging, ein Zusammenschluss von Autoren, Verlegern und Kritikern, dessen Ziel so etwas wie eine Neukonstitution der deutschsprachigen Literatur auf den Trümmern der Hitlerei ebenso wie der zerbombten deutschen Städte war. Initiator und Einladender der Treffen dieser Gruppe ab dem Spätsommer 1947 war Hans Werner Richter, dem das Buch gewidmet ist. Auch wenn es, im Gegensatz zu dem einen fiktiven Treffen in Telgte, zu einer ganzen Reihe von Treffen besagter Gruppe kam, so waren doch einige Themen die gleichen oder sehr ähnliche: ein Land am Ende eines fürchterlichen Krieges, bevorstehender oder im Beginn begriffener Wiederaufbau, die Rolle der Kultur und der Kulturschaffenden, der politische Anspruch, den Literatur und Literaten (nicht) haben sollten, und natürlich das alte Spiel um Geltung, Einfluss, die Befriedigung persönlicher Eitelkeit ebenso wie die Nähe zu den Brotkörben der Verleger. Dies führte dazu, dass Das Treffen in Telgte bei seinem Erscheinen nicht nur als Schlüsselroman, sondern geradezu als Schlüssellochroman gelesen wurde (auch wenn es in Struktur und Aufbau eher eine Erzählung ist): Wer ist wer und warum überhaupt… Sogar Marcel Reich-Ranicki lobte Grass (damals noch) und eine Rezension im Spiegel gab den Anstoß zu einem langandauernden heiteren Personenraten (1).

    Gut, zwei Geschichten in einer, und die andere anhand der einen erzählt. Interessant. Mehr nicht? Natürlich kann man Das Treffen in Telgte als Satire lesen, eine der Art, wie sie lange in autoritären und totalitären Regimen Gang und Gäbe war, indem man als Autor die Zeit und die Geographie veränderte, den Protagonisten andere, zum Beispiel historische, Namen gab, um damit die Zensur zu unterlaufen. 1979 gab es die Gruppe 47 schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr, ihr regelmäßiges Zusammenkommen und der Preis der Gruppe 47 waren im Klagenfurter Literaturwettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis aufgegangen. Die intellektuellen Schlachten der unmittelbaren Nachkriegszeit ebenso wie die der Achtundsechziger-Revolte waren geschlagen, zumindest im damaligen Westdeutschland war die literarische Freiheit garantiert (von wenigen nach wie vor auf dem Index stehenden Büchern einmal abgesehen). Hier zeigt sich – zumindest in der Wahrnehmung dieses Rezensenten – die Meisterschaft von Günter Grass, denn es gibt eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte. Und dies ist die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und der während dieser Zeit wichtig gewordenen deutschen Barockliteratur. Zwar ist das Treffen genau dieser Personen in genau diesem Ort Telgte fiktiv, aber die Kriegsschauplätze und politischen (wie vorgeblich religiösen) Standpunkte und Konfliktlagen sind es nicht, eben so wenig wie die Protagonisten auf Seiten der Schriftsteller, beim verlegerischen, politischen, kirchlichen und militärischen Personal. Das macht Das Treffen in Telgte zu einem der seltenen gelungenen historischen Romane (ich widerhole mich: eigentlich ist es eine Erzählung), die ohne die (inzwischen nahezu) genretypische Geschichtsklitterung auskommen.

    Wer sollte oder könnte diese Geschichte heute noch (eventuell sogar mit Genuss) lesen? Natürlich jede und jeder, die ein professionelles Interesse an der deutschen Geschichte und Literaturgeschichte haben, selbstverständlich auch alle, denen es um ihre Allgemeinbildung geht. Wikipedia im Browser oder ein gutes Konversationslexikon in Reichweite sollten (und können) dabei nützlich sein. Auch, und aus Sicht des Rezensenten unbedingt, empfohlen sei das Büchlein allen Germanistikstudenten im Grundstudium (und dies nicht nur, weil sein Verfasser Günter Grass ist). Irgendwann – nach oder zwischen Mittelhochdeutsch und den Lautverschiebungen – hebt auch die Barockliteratur ihr Haupt: Paul Gerhard, Hans Jacob Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Andreas Gryphius, Martin Opitz, Christoffel von Grimmelshausen (als einziger vielleicht noch aus der gymnasialen Oberstufenlektüre bekannt) und einige andere. Sie alle kommen nicht nur in der Erzählung vor, sondern mit Auszügen aus ihren Werken in einem fast siebzigseitigen Anhang zu Wort. Der Trick ist, dass sie von Grass keineswegs akademisch präsentiert werden. Eher taucht er selbst in Sprache und Setting des Barocks ein (ein paar Seiten der Geduld und des sich Einlesens sind bei manchen sicherlich erforderlich), aber dann kann man die Literatur des deutschsprachigen Barocks in ihrer politischen Dimension ebenso wie in ihrer prallen sprachlichen Sinnlichkeit erleben – eine Germanistik der anderen Art, völlig außerhalb des Hörsaals. Traut Euch! Und dann, nachdem man sich davon erholt hat, kann man sich der neueren deutschen Literaturgeschichte zuwenden, mit der Gruppe 47 und so… (Und Grass, selbst studierter Grafiker und Bildhauer, eben kein akademischer Literat, ist in den Augen des Rezensenten Volksschriftsteller genug gewesen, so dass sich wirklich jeder trauen kann.)

    Grass hat mit anderen Werken die Latte für seine Bewertung sehr hochgelegt. Wenn man Die Blechtrommel (als unbestrittene Weltliteratur, im Ausland stärker als solche geschätzt als hierzulande) mit fünf Sternen bewerten würde (müsste, sollte), dann diese Erzählung mit nur vier, für ein sehr gutes Buch eines Autors, der auch Überragend(er)es abgeliefert hat.

    Joachim Tiele, 17.01.2017

    _____

    (1) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40351566.html

    +++++

    Nachtrag 05.10.2018:

    Habe gerade "Allgemeinbildung deutsche Literatur für Dummies" entdeckt (unten angehängt) und in der Leseprobe des Verlages ein Zitat, das zum "Treffen in Telgte" ebenso wie zu meiner Rezension passt, wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge:

    "Sie  möchten  mehr  über  das  Barock  und  vor  allem  seine  Autoren  wissen,  aber nicht unbedingt die Originalwerke lesen? Dann nehmen Sie am besten Das Treffen in Telgte von Günter Grass  zur Hand. In dem 1979 geschriebenen Roman kommen kurz vor Ende des Dreißigjährigen Krieges 20 Schriftsteller und Dichter zusammen und lesen sich gegenseitig aus ihren Manuskripten vor". (S. 44)

    Können "Dummies" irren? ;-))
  23. Cover des Buches im lidschlag die drosseln (ISBN: 9783935167116)
    Gerd Hergen Lübben

    im lidschlag die drosseln

     (3)
    Aktuelle Rezension von: edelgard-weltz
    Mitreißende Fluchten durch Sprachlandschaften, hinreißende Worttänze: Lübben präsentiert formal virtuos sowie sinnlich sensibel seinen poetischen „lebtag“: „werkstattzeitlebens“!
  24. Cover des Buches Die Blechtrommel (ISBN: 9783868475982)
    Günter Grass

    Die Blechtrommel

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Pongokater

    Die Essenz des Romans passt zwar nicht in die kurze Zeit des Hörbuchs, aber sowohl Kenner des Werks von Günter Grass als auch Neulinge werden hier gut bedient. Der Zauber der Romanvorlage wird durch die Perkussion verstärkt. Oskar Matzerath, der "Held" der Geschichte, hätte seinen Spaß gehabt.

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks