Bücher mit dem Tag "gruppe 47"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "gruppe 47" gekennzeichnet haben.

34 Bücher

  1. Cover des Buches Die Blechtrommel (ISBN: 9783958291300)
    Günter Grass

    Die Blechtrommel

     (556)
    Aktuelle Rezension von: Vani_Schneider

    Das Buch handelt von Oskar Mazerath, der bei seiner Geburt schon voll geistig entwickelt ist. An seinem dritten Geburtstag beschließt er nicht mehr zu wachsen. Man begleitet Oskar durch sein Leben und bekommt durch seine Augen den Aufstieg der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg mit.

    Ich musste das Buch für die Uni lesen und bin nur sehr schwer in das Buch hineingekommen, weil es sehr anspruchsvoll ist. Das Buch zählt zur Gesellschaftskritischen Literatur und der Autor Günter Grass hat seine Kritik am Dritten Reich so kreativ und manchmal auch skurril in die Geschichte eingebettet, dass es manchmal sehr schwer herauszulesen.

    Trotz alledem fand ich das Buch sehr interessant und ich finde es ist ein gutes Werk. Nur leider eben nicht sehr einfach zum lesen, also auf jeden Fall nicht für Zwischendurch und sehr zeitintensiv. Aber wichtig!

  2. Cover des Buches Mein Leben (ISBN: 9783641135508)
    Marcel Reich-Ranicki

    Mein Leben

     (248)
    Aktuelle Rezension von: _leserin_

    Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an schwer begeistert. Marcel Reich-Ranickis Biografie ist interessant, erfrischend, amüsant und berührend. Beim Lesen hatte ich ständig das Gefühl, seine Stimme im Ohr zu haben. Bereits als Kind war es sein Traum, Literaturkritiker zu werden. Oftmals musste er darum bangen, dies zu realisieren und davon leben zu können – er hatte weder eine Ausbildung und noch wurden einzelne Kritiken für Zeitungen gut bezahlt. 

    Der in Warschau geborene Marcel Reich-Ranicki kommt mit sieben Jahren nach Berlin und flieht nach der Matura, mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus, wieder nach Polen zurück. Er berichtet vom Alltagsleben im Warschauer Ghetto, den Transporten in Konzentrationslager und dass er im Ghetto seine Frau kennenlernte. Diese erste Hälfte der Biografie gibt einen umfassen, persönlichen Einblick in das Leben von Jüdinnen und Juden unter dem Nazi-Regime; mit welchen Ängsten die tägliche Aussortierung für den Abtransport nach Treblinka verbunden war, denn im Ghetto wussten die Jüdinnen und Juden genau, dass dieser Transport den Tod durch Vergasen bedeutete. 

    Nach Stationen beim polnischen Geheimdienst und der Zensurbehörde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, beschließt er, einen beruflichen Auslandstermin in Deutschland zu nützen und nicht mehr ins kommunistische Polen zurückzukehren. In Deutschland musste er wieder von Neuem beginnen, konnte aber bei der Wochenzeitung „Die Zeit“ und später bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gut Fuß fassen. 

    Sehr persönlich sind jene Passagen, in denen er sich immer wieder fragt (und das sein ganzes Leben lang), warum er überlebt hat. 

    Irgendwo habe ich gelesen, dass Marcel Reich-Ranicki seinen Verlag davor gewarnt hat, nicht zu viele Erstauflagen von diesem Buch zu drucken, sie würden sonst darauf sitzen bleiben. Millionenfach hat sich seither das Buch verkauft. Monatelang führte es die Spiegel-Bestsellerliste an. Einem breiten Publikum wurde er erst durch seine höchst pointierten und äußerst lebhaften Diskussionen und „Verrisse“ in der Fernsehsendung „Literarisches Quartett“ bekannt. 

    Eine absolute Empfehlung.

  3. Cover des Buches Deutschstunde (ISBN: 9783455009484)
    Siegfried Lenz

    Deutschstunde

     (300)
    Aktuelle Rezension von: dunkelbuch

    Ein ausgiebig erzählter Blick auf Einzelpersonen unter den Nationalsozialisten. Mit Pflicht als starkes Leitthema und atmosphärischer Sprache ist "Deutschstunde" eine Heimaterzählung mit großem literarischen Wert                                                                                                                        

  4. Cover des Buches Schweigeminute (ISBN: 9783455405699)
    Siegfried Lenz

    Schweigeminute

     (311)
    Aktuelle Rezension von: bookstories

    Ich war schon mit mehr als der Hälfte des Buches durch, bis ich merkte, dass es in einem doppelten Schutzumschlag steckt. Ich hatte in den Buchläden schon mehrere Versionen dieses Büchleins gesehen, und interessant ist, dass derselbe Verlag, nämlich Hoffmann und Campe, das Buch in unterschiedlichen Schutzumschlägen anbietet. Da ist die schlichte weisse Ausgabe mit blauer Schrift, oder die mit dem goldbraunen Sonnenuntergang am Wasser, oder der blauweisse Umschlag mit der Unterschrift von Siegfried Lenz, da gibt es eine Ausgabe mit Schutzumschlag in blassem Grün, auf dem Schilf im Wasser abgebildet ist, oder eben die limitierte Sommerausgabe, ein hübsches Cover, das ein weisses Holzhaus vor einer ruhigen See in der Dämmerung zeigt. 


    "Schweigeminute" ist meine erste Lektüre von Siegfried Lenz, und es wird bestimmt nicht die letzte sein. Lenz gehört zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern der Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur. Vermutlich werde ich mir den Roman "Deutschstunde" noch besorgen, und die eine oder andere Erzählung. Eine Kritik aus dem Tagesspiegel auf der Umschlagrückseite meiner Ausgabe verspricht, dass vielen Lesern bei der Lektüre dieses schönen kleinen Buches aufgehen wird, dass sie Siegfried Lenz lieben. Für meine Begriffe ist das vielleicht etwas übertrieben, doch was mir an diesem Autor sehr gefällt, ist seine gepflegte Ausdrucksweise, sein gelassener, runder und fliessender Erzählstil. 


    Auch Marcel Reich-Ranicki äusserte sich in der Frankfurter Allgemeine Zeitung positiv über die Novelle: "Wir haben Siegfried Lenz für ein poetischen Buch zu danken. Vielleicht ist es sein schönstes." Allerdings soll er auch gesagt haben, dass ein guter Sprinter sich nicht als Langstreckenläufer versuchen sollte. Damit wollte er zum Ausdruck bringen, dass Siegfried Lenz das Schreiben von Novellen- und Kurzgeschichten wohl liege, Romane aber nicht unbedingt seine Stärke seien. Ich finde, jeder muss sich darüber selbst ein Bild machen. 


    In "Schweigeminute" will man - so steht es im Klappentext - in der Lakonie des Erzählens die existentielle Härte eines Ernest Hemingway spüren. Als lakonisch würde ich den Erzählstil von Siegfried Lenz nicht beschreiben, denn lakonisch bedeutet nüchtern, mit wenigen Worten treffend ausgedrückt. Peter Stamm (vgl. Ungefähre Landschaft) ist für mich ein lakonischer Schreiber - Siegfried Lenz ist in keiner Weise mit Stamm vergleichbar. Auch wenn Lenz auf direkte Weise ohne Schnörkeleien und Verzierungen das zum Ausdruck bringt, was er sagen möchte, so schreibt er doch nicht auf trockene, sondern schöne Art, vielleicht sogar etwas konservativ. Seine Zeilen zwitschern und plätschern so dahin und erzeugen einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann - wie ein Schiffchen in einem kleinen Bach wird man hier ans Ende des Buches gespült, das weder in Kapitel noch Abschnitte unterteilt ist, und zurück bleibt ein zufriedenes Gefühl von Melancholie. 


    Ernest Hemingway und William Faulkner sollen für Siegfried Lenz Vorbilder gewesen sein. In der zweiten Hälfte seines Schreibens habe er sich an William Faulkners Werken orientiert. Tatsächlich gibt es einige Stellen im Buch, die mich an William Faulkner erinnern, zum einen, wenn die Sätze etwas länger werden und nur mit Kommas unterbrochen werden, wie Wasser in einem Bach, das auf Steine trifft, sie umspült und dann weiterfliesst, oder dann, wenn der Autor mithilfe von zwei oder drei Adjektiven einen Zustand präziser beschreiben möchte. Einmal erwähnt er auch namentlich Faulkners Roman "Licht im August". 


    Warum heisst das Buch Schweigeminute? Der Schüler Christian und seine Englischlehrerin Stella Petersen lieben sich. Sie treffen sich in jenem Sommer immer wieder, niemand darf etwas von ihrer Beziehung erfahren. Stella arbeitet am Lessing-Gymnasium, Christian hilft seinem Vater, der als Steinfischer arbeitet, in der Freizeit und in den Sommerferien auf dem Schlepper aus, sie platzieren Findlinge im Wasser und formen so die Mole mit den Wellenbrechern. Schauplatz der Handlung ist dieser kleine Ort Hirtshafen an der Ostsee, mit dem Hotel Seeblick, in dem Sommergäste logieren, auch Stella einmal. Dies alles, das Treiben am Meer, und vorallem die Liebesgeschichte zwischen Christian und Stella, ihrer Bootsfahrt zur Vogelinsel, ihren gemeinsamen Strandnachmittagen, geschieht als Rückblick in Christians Erinnerungen, denn die Geschichte beginnt mit der Gedenkfeier in der Aula der Schule, wo Lehrerschaft und Schüler von der Lehrerin Abschied nehmen, denn sie lebt nicht mehr. Dort beginnen Christians Erzählungen, dort enden sie wieder. 


    Erzählt wird überwiegend in der dritten Person. Da Christian seine geliebte Stella in seinen Gedanken aber immer wieder in der Du-Form anspricht, kann sich der Leser stärker an den Erzähler und Stellas Person binden. So gibt es immer wieder Passagen, in denen zwischen diesen beiden Erzählformen fleissig gewechselt wird, was mir gefällt, was mir so in der Literatur noch nicht begegnet ist. Interessanterweise wird Stella viel lebendiger in mir, lebensfroher, näher wächst sie mir ans Herz, während Christian, der eigentliche Erzähler, unerklärlicherweise distanziert bleibt. Irgendwie erreicht er mich nicht. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass der Autor auf jegliche Gefühlsduselei verzichtet und selbst erotische Momente nur andeutungsweise aufkommen lässt. Doch für Stella gelingt es ihm, zumindest für mein Befinden, Nähe aufzubauen. 


    Über weite Strecken des Buches fragte ich mich, ob mich die Geschichte tatsächlich interessiert. Trotz des vorwärtssprudelnden Schilderns und den schönen Wortformulierungen – und ich rufe in Erinnerung, dass mir die Musik der Worte wichtiger ist als die Handlung – war ich mir unschlüssig, ob mich das Erzählte fesselt oder berührt. Vielleicht hat der Autor nebensächlichen Dingen, Schilderungen alltäglicher Situationen, zuviel Raum geschenkt. Wichtiger ist mir jedoch, wie es Christian geht, denn schliesslich hat er einen tragischen Verlust erlitten. Zudem hat das Buch ja nur 128 Seiten. Je weiter ich aber dem Schluss und folglich Stellas Tod entgegenlese, desto tiefer berührt die Geschichte, und am Ende lässt sie doch eine etwas traurige Stimmung zurück. Mit dem Ende führt uns der Erzähler gedanklich wieder an den Anfang des Buches zurück, zur Gedenkfeier in die Aula. 


    Ein Satz fast am Ende des Buches macht mich stutzig und lässt vermuten, dass die Erinnerungen an Stellas Verlust womöglich länger zurückliegen als erst ein paar Tage nach dem Unglück und somit auf die Rückschau eines älteren Erzählers 'Christian' hindeuten: "Nicht der Schlepper selbst, aber sein Bild wird mir für immer gegenwärtig bleiben, das ahnte ich, und meine Ahnung hat recht behalten." "Schweigeminute" ist eine Liebeserklärung. Eine stille Geschichte über den Verlust, die Trauer und die Liebe, die den Tod überdauert. Eine Liebesgeschichte, die man freibleibend adressieren kann, wie Siegfried Lenz in einem Interview selbst gesagt haben soll. Er hat mit den Arbeiten zu dieser Novelle 2006, kurz vor dem Tod seiner Frau, begonnen, dann abgebrochen und soll erst mit Zuspruch seiner neuen Lebensgefährtin Ulla, der das Buch auch gewidmet ist, weiter geschrieben haben. Siegfried Lenz selbst starb 2014 im Alter von achtundachtzig.


    Review mit Zitaten und Bildern auf https://www.bookstories.ch/gelesenes1/schweigeminute 

  5. Cover des Buches Werkausgabe in 18 Bänden / Beim Häuten der Zwiebel (ISBN: 9783865215888)
    Günter Grass

    Werkausgabe in 18 Bänden / Beim Häuten der Zwiebel

     (98)
    Aktuelle Rezension von: mabo63

    'Sobald das Abendbrot auf den Tisch sollte, rief der Vater: Vom Lesen ist noch niemand satt geworden!

    Die Mutter sah mich gerne 'schmöckern'. Da die bei Kunden und Handelsvertretern beliebte Geschäftsfrau bei aller Neigung zu träumerischen Wehmutstropfen von heiterer und mitunter spottlustiger Natur war, auch gerne einen kleinen Spass trieb, den sie 'Schabernack' nannte, bereitete es ihr Vergnügen dem einen oder anderen Besucher, so einer Freundin aus gemeinsamer Lehrzeit bei 'Kaisers Kaffee', die Abwesenheit des an bedruckte Seiten verlorenen Sohnes zu beweisen, indem sie ein Marmeladenbrot in dass ich während anhaltender Lektüre ab und zu biss gegen ein Stück Palmoliveseife austauschte.

    Mit verschränkten Armen und lächelnd, weil erfolgssicher, hat sie das Ergebnis der Tauschaktion abgewartet. Das erheiterte sie, wenn der Sohn in Seife biss und erst nach dem abgrasen einer dreiviertel Buchseite merkte, was er dem gleichfalls belustigten Besuch demonstriert hatte.

    Seitdem ist der Geschmack dieses Markenartikel meinem Gaumen bekannt.'

    In diesen Erzählungen beginnend aus seiner Jugendzeit in Danzig berichtet Grass von seiner Zeit in der Wehrmacht gegen Ende des 2. Weltkrieges, erzählt wie er als junger Mensch in die Welt der bildenden Kunst kam, von seinem Leben in Paris, seinen Reisen nach Italien, in die Schweiz.

    Äusserst glaubhaft geblieben sind mir seine erwähnten drei grossen Hunger die er nach Entlassung aus der Kriegsefangenschaft hatte.

    Hunger nach einem Essen welches satt macht.

    Hunger nach dem 'Weibe'.

    Und sein grösster Hunger damals: der Hunger nach Papier und Bleistift.

    Empfehlenswertes autobiografisches Werk.

  6. Cover des Buches Tauben im Gras (ISBN: 9783518188927)
    Wolfgang Koeppen

    Tauben im Gras

     (229)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer

    Hier geht's zur Kurzmeinung auf meinem Blog.


    Kurzmeinung

    + beeindruckender Stil, vor allem die vielen Synonyme und bildhaften Umschreibungen, die sich auseinander entwickeln und in freien Assoziationsketten aneinander gefügt werden

    + fließende Übergänge zwischen den Perspektiven durch Verknüpfung über unvollständige Sätze oder identische Worte

    + starke Verflechtung der Perspektiven, indem die Figuren sich wechselweise begegnen


    - sprachlich so komplex, dass es sehr viel Konzentration erfordert und anstrengend zu lesen ist

    - fühlt sich ziellos an, auch wenn das Ziel, das München der Nachkriegszeit zu analysieren, durchaus erreicht wird

  7. Cover des Buches Der Butt (ISBN: 9783423144803)
    Günter Grass

    Der Butt

     (50)
    Aktuelle Rezension von: Marcus_Soike

    Das letzte Drittel habe ich nur noch überflogen. Wo sind die starken Bilder der "Blechtrommel", wo der Sprachwitz von "Katz und Maus", wo der satirische Pfiff von "Unkenrufe"?  Stattdessen Kochrezepte, Pilzvergiftungen, Schlachtplatte, Blähbäuche durch die Jahrhunderte. Die Sprache wirkt stellenweise so, als wäre Grass von sich selbst übermüdet. Hat mich sehr enttäuscht.

  8. Cover des Buches Ein liebender Mann (ISBN: 9783499255618)
    Martin Walser

    Ein liebender Mann

     (89)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer

    Inhalt:

    Der 73-jährige Goethe ist verliebt. Seine Wahl: die 19-jährige Ulrike von Levetzow. Jedes Jahr trifft er in Bad Marienberg auf die Familie Levetzow und mit jedem Jahr wird seine Liebe zu Ulrike stärker. Allerdings ist Goethe nicht alleine mit seinen Gefühlen. Da gibt es noch den vornamenlosen Beau, der nicht nur ebenfalls großes Interesse an Ulrike zeigt, sondern auch viele Jahre jünger ist, als Goethe. Wen liebt Ulrike? Wem schenkt sie tatsächlich ihr Herz?

     

     

    Meine Meinung:

    Die Geschichte einer sich entfachenden Liebe zwischen einem älteren Mann und einem jungen Mädchen ist sicherlich nicht neu und schon gar nicht bei Walser. Da ist es fast nur logisch, nachdem er das Thema bereits in vorherigen Büchern beschrieben hat, sich nun ein literarisches Pendent zu sich selbst zu suchen. Und genau den Eindruck hat man beim Lesen: In Goethe steckt Walser und Walser sieht sich in Goethe. Die Sprache, die er wählt, ist sehr gefühlvoll, empfindsam, wohlklingend und doch ironisch, wider erwarten selbstkritisch. In schonungsloser Ehrlichkeit stellt er den intelligenten und weltgewandten Goethe in einer Art liebestollen Hilflosigkeit dar, die man sonst eher nur in der ersten Liebe des Teenageralters erwartet. Aber scheinbar zählen in der Liebe weder Alter, Intelligenz noch Lebenserfahrung. Wer verliebt ist, kann sich vor anderen und vor allem vor sich selbst zum Narren machen. Er tut es auch dann, wenn die Liebe doch aussichtslos scheint oder wie hier gar nicht sein darf. Im Gegenteil, Goethe scheint dieser Art des Verhaltens sogar völlig machtlos gegenüberzustehen, solange er auch nur ein Fünkchen Hoffnung sieht, dass seine Gefühle erwidert werden könnten. Die Außenwelt spielt dabei für ihn keine Rolle.

    Walser gelingt es, den Leser zwar sprachlich in eine andere Welt zu versetzen, aber dennoch ein sehr aktuelles Thema auch aktuell zu hinterfragen.

    Schade scheint zunächst nur, dass er eine Offenlegung der wahren Gefühle Ulrikes schuldig bleibt. An einigen Stellen hätte ich gerne gewusst, wie Ulrike wirklich für Goethe empfindet. Doch letztlich würde dieses Wissen der Geschichte nur schaden, da man sonst Goethes Verhalten nicht mehr so ganz verstehen oder seine Beweggründe nicht mehr nachempfinden könnte, da man alles rationaler deuten würde. Und Rationalität und Liebe sind zwei Elemente, die sich nicht immer gut vertragen.

    Das bezaubernde an diesem Buch ist, wie bereits oben erwähnt, die wunderschöne und poetische Sprache.

    Hier einige kleine Kostproben:

    -      „Bis er sie sah, hat sie ihn schon gesehen. Als sein Blick sie traf, war ihr Blick schon auf sie gerichtet.“ (…)

    -      (…) „Meine Liebe weiß nicht, dass ich über siebzig bin.“ (…)

    -      (…) „Wenn die Seelen einander nicht küssen, sind Münder tot.“ (…)

     

    Allerdings gibt es einen Satz im Buch, der so schrecklich und sprachlich so deplatziert ist, dass er dem Buch leider einen doch sehr bitteren Beigeschmack geben kann: Der vorletzte Satz ist einfach nur grauslig, sodass ich jedem raten kann, zu versuchen ihn nicht zu lesen, oder direkt wieder zu vergessen. Schade, dass Walser diesen Satz wählte, um sein Buch ausklingen zu lassen.

     

    Fazit:

    „Ein liebender Mann“ ist wie ich finde ein gelungenes Werk und auch lesenswert, vor allem dann, wenn man solch eine poetische Sprache und den geschichtlich angehauchten Hintergrund mag. Das Thema kennt jeder, wenn auch nicht unbedingt mit dem extremen Altersunterschied. Aber, wer war nicht schon einmal bereit, sich wenn auch nur für eine gewisse Zeit, im Rausche des Verliebtseins, für die Liebe zum Narren zu machen.

    In diesem Zusammenhang fällt mir noch ein schönes Zitat ein, dass ich kürzlich mal gelesen habe:

    „Der Beginn des Verliebtseins ist das Ende der eigenen Zurechnungsfähigkeit“

    Allein aus diesem Grunde, wird jeder den armen Goethe in der einen oder anderen Situation verstehen können oder sogar sich selbst ein wenig darin sehen können.


  9. Cover des Buches Wunschloses Unglück (ISBN: 9783518735343)
    Peter Handke

    Wunschloses Unglück

     (101)
    Aktuelle Rezension von: _liesmich_

    Seufz. Eine einfühlsame, melancholische „Liebeserklärung“ Handkes an seine Mutter, oder auch nicht. Lesen! Meiner Meinung nach eine Pflichtlektüre, nicht nur für Germanist:innen, sondern für alle, die sich mit zeitgenössischer Literatur auseinandersetzen wollen. Auch als Schulkanon meiner Meinung nach geeignet.

  10. Cover des Buches Ohne einander (ISBN: 9783518459072)
    Martin Walser

    Ohne einander

     (12)
    Aktuelle Rezension von: StefanieFreigericht

    Der Handlungsrahmen ist einfach erzählt: Ellen und Sylvio sind verheiratet, Sylvi ist die quasi erwachsene gemeinsame Tochter. Für einen Seitensprung von Sylvio revanchierte sich Ellen, ihr (Ex-)Liebhaber lebt jetzt mit dessen (Ex-)Geliebter zusammen.
    Das Buch beschäftigt sich mit der Klärung dieser Handlung, den Motiven, Beweggründen, Motiven, Auswirkungen,…
     
    In „Ohne einander“ schreibt Walser in drei Kapiteln aus der Sicht von drei seiner Hauptpersonen, Ellen, Syli und Sylvio, und stellt dabei die teil-überlappende Handlung aus unterschiedlichen Perspektiven dar, teils setzt er die Handlung zeitlich voranschreitend fort.
    Ich hatte das Buch vor langen Jahren erworben und beiseite gelegt, ich war damals schlicht zu jung für dieses Buch – und ohne jegliche „Walser-Erfahrung“.
    Mit inzwischen vier von mir gelesenen Werken empfehle ich aus ganz persönlicher Sicht den (Neu-)„Einstieg“ mit „Ein fliehendes Pferd“ – eine (naturgemäß kurze) Novelle; tatsächlich ist Walser nicht ganz einfach zu lesen, wenn man Walser nicht kennt, ihn als nicht „Walser-vorbelasteter“ Leser liest. Andere empfehlen hier „Ehen in Philippsburg“, das jedoch vorerst nur auf meiner Wunschliste steht.
     
    Zum Schneller-Lesen für Walser-Kenner; ich stelle kurz den Vorteil der vorbereitenden Lektüre dar: Walser nutzt gerne typische Stilmittel und hat bestimmte wiederkehrende Themen, beide können sich als etwas anstrengend darstellen, wenn man quasi unvorbereitet darauf stößt (Exemplar und Zitate in alter Rechtschreibung), hier nur einige:
     
    Freude macht mir Walser mit seiner Neigung zu Wortschöpfungen oder Wort-Neu-Zusammenstellungen: Von harmlos S. 12 „Tulpennulpen“, S. 20 „Liberalist, Bestialist“ (analog zu den vorigen Nationalist, Atheist usw.), S. 22 „Nichtnachgeben“, S. 26 „Zweitagebartgesicht“ mit „Zweitagestand“ usw. bis hin zu S. 185 „Restlosverschmolzenheitsphilosophie“.


    Bei wenigen Autoren finde ich ähnlich häufig Sätze zum Anstreichen oder Herausschreiben wie bei Walser, er ist einfach genial darin, in einem einzigen Satz (manchmal mit dem gängigen Nach-Satz dazu) eine universelle Aussage zu treffen oder auch mindestens nur eine wunderschöne Universal-Aussage zu einer Handlung oder einer Person im Buch:
    S. 32 „Ein Alkoholiker ist eine ungeheure Steigerung dessen, was ein Mann ohnehin schon ist.“
    S. 37 „Die vollkommene Niedertracht kommt nur vor, wo eine Frau gegen eine Frau agiert.“
    S. 40 „Ach, jeder Mann ist ein Monologist!“
    Über Ernest, Ellens Liebhaber:
    S. 39 Ellens Aussage: „Wenn er [Ernest] Ellen etwas Schönes sagen wollte, redete er ja auch nur von sich.“
    S. 45 „Er [Ernest] ist nie krank, aber dauernd in Behandlung.“
    Über die 19jährige Tochter Sylvi:
    S. 130 Ernest zu Syvli: „Sie sind nicht zu Hause in Ihrem Körper. Noch nicht.“
    oder, aus Sylvis Sicht:
    S. 138f. „Sie rannte dem Leben nach. Würde es nie einholen.“
     
    Es gibt wiederkehrende Typen von Satzbau bei Walser. Eine Version ist: Ein „klassischer“ Satzbau mit Subjekt-Prädikat-Objekt, dem folgt ein Satz, dem das Verb fehlt, der auch hätte mittels eines Komma angeschlossen werden können, teils nur ein Wort.
    In „Ohne einander“
    z.B. S. 12, als Ellens Liebhaber Ernest zu ihr nach Hause kommen möchte: „Nach fast vier Jahren habe er wohl das Recht, ihr Kinder kennenzulernen. Den Mann lieber nicht. Aber der sei doch ohnehin nie da. Aber Sylvi und Alf. Seit Jahren rede Ellen von Sylvi und Alf. Das meiste in diesen Jahren sei unterblieben wegen Sylvi und Alf.“
    Dieses Stilmittel wirkt auf den Leser drängend, die Handlung vorantreibend, unruhig, atemlos. Da die Sätze einfach bleiben, lassen sie sich meist einfach lesen – taucht das Stilmittel gehäuft auf, kann es genauso passieren, dass man als Leser einfach daran hängen bleibt wie an einem Stolperstein. Geduld!
    Demgegenüber stehen kunstvolle Satzgebilde, mäandrierend, ich füge ein Beispiel ein unter dem nächsten Punkt, Themen Walsers.
     
    Eines der wiederkehrenden Themen ist die Ablehnung des Kulturbetriebs, die Auseinandersetzung mit der medialen Öffentlichkeit (man möge nachlesen zu den Auseinandersetzungen mit Hans Magnus Enzensberger oder gar mit Marcel Reich-Ranicki):
    S. 62/63: „Nur der Schwächling braucht Macht. Nur der Schwächling strebt nach Macht. …
    Und er vertraue darauf, daß einer Ellen … nach mehr als zwanzig Jahren Kulturbetriebserfahrung der tobende, der auftrumpfende, der alle anderen niedermachende Schwächling nicht ganz fremd sei, denn reiner als im Kulturbetrieb manifestiere es sich nirgends, daß Schwäche, also Machtgier, also ethische Entkräftung den Psychofilz jedes Agierenden liefern. Das Allererstaunlichste: daß eine zuschauende Öffentlichkeit so tut, als glaube sie, diesem Betrieb gehe es um etwas anderes als um sich selbst.“
    Die Gründe liefert er nach:
    S. 74 „Einfach so böse, wie jeder andauernd gern wäre, aber er kann es sich nicht leisten, ist ja verheiratet, fest angestellt, muß sich rentenwürdig benehmen. Das hält er nur aus, wenn er die täglich in ihm produzierte Wut in den Bosheitsquanten ablassen kann, die ihm DAS [Anm. d. Verfasserin: Das Magazin, für das Ellen schreibt …oder vermutlich jegliches andere Medium]  verordnet.“
    Das Thema bleibt präsent im Roman, auch als die Perspektive zum Ehemann, zu Sylvio, wechselt:
    S. 176 „Hielt er [Sylvio] doch die kritische Grundhaltung der Produzenten öffentlicher Meinung für Heuchelei. Selbstgerechtigkeit und Heuchelei, das war das Fundament der Meinungsproduktion. Je heuchlerischer, um so krasser kritisch  beziehungsweise je krasser kritisch, um so heuchlerischer. Das sei ein unauflöslicher Interdependenzknoten zur Verhinderung einer Einsicht ins eigene Tun. Denn: je krasser kritisch, desto besser das eigene Gewissen, desto weniger Anlaß, Neigung, Fähigkeit zur Selbstüberprüfung. Die öffentliche Meinung als die neueste Kirche, der letzte Gott“.
     
    Definitiv ist Walser ein Meister der Worte, ihres Gebrauchs, des Spracheinsatzes – das gestehen ihm gemeinhin auch alle Kritiker zu. Kritik erfolgt hier zumeist bezüglich seiner eindeutig vorhandenen Tendenz zum Überbordenden hierbei, wodurch dann die eigentliche Erzählung auch durchaus in den Hintergrund treten kann (die Empfehlung zum Einstieg über „Ein fliehendes Pferd“ rührt aus einer Zurückhaltung Walsers in dieser Novelle bei genau diesem möglichen Kritikpunkt, wohingegen die typischen Stilmittel und Themen brillieren dürfen. Ich hatte die Novelle eingeschoben, als ich zur Halbzeit der Lektüre von „Ein sterbender Mann“ verwirrt und zweigeteilt zu meiner Einschätzung war).
     
    Die Walserschen Protagonisten erweisen sich (auch in diesem Roman) als zutiefst verunsichert, ihre auf das Gegenüber gerichteten Handlungen haben selten etwas zu tun mit der Person ihres Gegenüber, vielmehr mit der eigenen Wahrnehmung, der Illusion, die diese Person bei ihnen hervorruft.
    S. 41 „Er [Ellens Liebhaber Ernest] rede nur soviel, weil er nicht aufhören könne, ihr ihre [Ellens] Wirkung auf ihn zu schildern. Er gebe zu, daß er sie dadurch mitreißen wolle. Da er schon nicht im Stande sei, sie zu begeistern, sie hinzureißen, wolle er eben dadurch, daß er sie ihre Wirkung auf ihn erleben lasse, sie von sich selber hinreißen lassen.
    Obwohl sie Angst hatte und vorsichtig sein wollte, war sie dann doch hingerissen gewesen. Von ihm. Vielleicht doch von ihrer Wirkung auf ihn.“
    S. 83 (aus Sicht Ellens) „Er [ihr Liebhaber Ernest] ist eine Aussicht. Die einzige. Nur weil er eine Aussicht ist, liebst du ihn. Nur ein Mann kann auf die Idee verfallen, man liebe ihn um seinetwillen.“
    S. 119 (im Kapitel Sylvi; über ihren Vater) „ Dieser Schwätzer! Dieser Dekorateur! Dieser Schaumschläger, Wortkonditor, Lügenbold!“
     
    Mein Fazit? Gewappnet mit einem rudimentären Vorwissen über Walser lässt sich dieser Roman schlicht und einfach genießen, sowohl hinsichtlich des Sprachgebrauchs als der Bonmots. Faszinierend, dass sich eine Rezension samt Inhaltsüberblick an diesen entlanghangeln kann! Ausschweifender als „Ein fliehendes Pferd“, dafür mit mehr Sprachschätzen, jedoch deutlich zielstrebiger und am Leser orientierter als „Ein sterbender Mann“, darf man sich als Leser durchaus verstören lassen von Erkenntnissen darüber, wie furchtbar verlogen - auch gegenüber sich selbst Menschen in beruflichen und privaten Beziehungen interagieren – und kommt dabei vielleicht auch auf die eine oder andere unangenehme Gemeinsamkeit mit sich selbst.

  11. Cover des Buches Desintegriert euch! (ISBN: 9783442719143)
    Max Czollek

    Desintegriert euch!

     (3)
    Aktuelle Rezension von: Holden

    Ein tiefschürfendes Buch über die deutsche Schande, wirklich allen ans Herz gelegt. Sehr inhaltsschwer, so daß man nur langsam und mit Bedacht lesen kann. An die Walser-Rede konnte ich mich noch erinnern, sein Buch "Tod eines Kritikers" hätte vielleicht auch Erwähnung in diesem Appell finden können.

  12. Cover des Buches Das Einhorn (ISBN: 9783518398654)
  13. Cover des Buches Die größere Hoffnung (ISBN: 9783104034447)
  14. Cover des Buches Mein Verschwinden in Providence (ISBN: 9783257236071)
    Alfred Andersch

    Mein Verschwinden in Providence

     (7)
    Aktuelle Rezension von: Duffy
    LOVELYBOOKS - Bücher die du liebst Start Bücher Autoren Community Stöbern Login Registrieren Connect Start » Autoren » Alfred Andersch » Bücher » Mein Verschwinden in Providence Mein Verschwinden in Providence Neun Geschichten von Alfred Andersch ISBN 9783257236071, Flexibler Einband, 198 Seiten, aus der Reihe 1, Gegenwartsliteratur, Erscheinungsdatum: 01.10.2006 bei Diogenes Buch bewerten In Dein Regal stellen Teilen Bei deinem Lieblingsshop kaufen Kaufen bei amazon.de oder bei Stein Mein Verschwinden in Providence von Alfred Andersch - Inhaltsangabe Sein dritter Erzählungsband, 1971 erschienen, zeigt Andersch auf der Höhe seiner ästhetischen Möglichkeiten. Neben Formen diskontinuierlichen, fragmentarisierten Erzählens und der literarischen Montage finden sich vor allem traditionell erzählte autobiographische Geschichten, Fiktionalisierungen des eigenen Lebens. Schreib' eine Rezension Die neueste Rezension Als Leser eintragen Leser Followers Besitzer Auf dem Wunschzettel Duffy Mein Verschwinden in Providence - Ähnliche Bücher Ausgaben von "Mein Verschwinden in Providence" Mein Verschwinden in Providence Mein Verschwinden in Providence 9783257236071 Deutsch Flexibler Einband 01.10.2006 Mein Verschwinden in Providence Mein Verschwinden in Providence 9783257205916 Deutsch Flexibler Einband 01.10.1997 Mein Verschwinden in Providence Mein Verschwinden in Providence 9783257014761 Sonstige Formate 01.11.1991 Community Meinung LovelyBooks Bewertung (4) 5 Bibliotheken 1 Leser 0 Gruppen 0 Rezensionen 5 Sterne (2) 4 Sterne (2) 3 Sterne (0) 2 Sterne (0) 1 Stern (0) amerika deutsche literatur deutschland erzählungen gruppe 47 klassiker krieg schullektüre schweiz mehr Meinungen zu diesem Buch FAQ Über uns Social Reading Verlage Autoren Presse Jobs AGB Datenschutz Impressum Werbung Buchhandel © 2011 LOVELYBOOKS
  15. Cover des Buches Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats (ISBN: 9783518188491)
  16. Cover des Buches Sansibar oder der letzte Grund (ISBN: 9783257600551)
    Alfred Andersch

    Sansibar oder der letzte Grund

     (329)
    Aktuelle Rezension von: JazzH

    Schullektüre, die ich in der 10. Klasse nicht verstanden habe. Mit 18 oder so eher vielleicht. Oder ich habe es einfach nicht mit Klassikern. Alleine das Stilmittel, dass Anführungszeichen bei wörtlicher Rede fehlen, fand ich nervig, da man das im Deutschunterricht der 2. Klasse lernt.
    Die Kapitel sind aus der dritten Person Erzählerperspektive geschrieben, wobei der Fokus der Charaktere zwischen den Hauptpersonen wandelt. Es geht um eine gemischte Truppe, die 1937 gemeinsam Deutschland den Rücken für immer kehren und dabei auch eine Skulptur retten wollen.

  17. Cover des Buches Die Gruppe 47 (ISBN: 9783570552193)
    Helmut Böttiger

    Die Gruppe 47

     (3)
    Aktuelle Rezension von: hproentgen
    Längst ist die Gruppe 47, geführt von Hans Werner Richter, zum Mythos geworden. Verehrt von den einen, die davon schwärmen, dass damals Literatur noch etwas gegolten habe, verdammt von den anderen, die darin eine Reichschrifttumskammer sehen und eine Hinrichtungsinstitution, die absolute Macht über den Literaturmarkt gehabt hätte. Helmut Böttiger hat jetzt ein Buch über diese Gruppe, ihre Entstehung und ihre Geschichte vorgelegt. Hans Werner Richter kam nach dem Krieg aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurück. Dort hatte er erstmals mit der literarischen Moderne Kontakt. Deutschland war zwölf Jahre abgeschnitten von allen literarischen Entwicklungen in der Welt, obendrein hatten die meisten Schriftsteller fliehen müssen. In Deutschland gaben weiterhin die den Ton an, die schon zu Nazizeiten hochverehrt wurden. Man distanzierte sich zwar ein wenig von den "pöbelhaften" Nazis, aber mythisierte fröhlich weiter, wenn auch nicht direkt mit Blut und Boden. Religiöse Schwärmerei, überhaupt das Schwärmerische war sehr beliebt, mit den Realitäten wollte man sich lieber nicht befassen. "Ich habe gesagt, der innerste Sinn aller Kunst [...] mache sie zu einer Trösterin über die Vergänglichkeit des Daseins" proklamierte Rudolf Alexander Schröder 1947. Richter und eine ganze Reihe anderer wollten weg davon. Sie wollten das Leben nicht verklären, sondern die Trümmer in Deutschland wahrnehmen. Was ihm aber bei einer Tagung der "Mystiker" gefallen hatte: "So was sollte man öfter machen. Manuskripte vorlesen, diskutieren - da kommt was dabei raus." So entstand die Gruppe 47. Zur ersten Tagung kamen weniger als zwanzig Teilnehmer. Keiner davon war berühmt. Die Gruppe 47 war der einzige Ort, an dem neue Autoren sich von dem Mystizieren der Gegenwart und Vergangenheit absetzen konnten, das damals allgemeine Mode war und vor allem von Friedrich Sieburg und der FAZ apodiktisch vertreten wurde. Sieburg warf Ende der Fünfziger Jahre Walser gar vor, dass früher noch Anstand und Sitte gegolten habe und Walser das verlasse. Wenn man bedenkt, dass "früher" Nazis und Drittes Reich waren und Sieburg dort ein hohes Amt innehatte, eine ziemliche Unverfrorenheit. Wer glaubt, dass Shit-Storms eine Erfindung des Internetzeitalters seien, der irrt. Als Thomas Mann 1949 den Goethepreis bekam, überschwemmten die Protestbriefe das Rathaus und selbst der hessische Kultusminister sagte sein Kommen ab. Mit einem »labilen«, »goethefremden« Dichter wollte man nichts zu tun haben. Andere distanzierten sich gleich vom »Juden Mann«. Als der Norddeutsche Rundfunk ein Hörspiel von Günter Eich brachte, brach ein ähnlicher Shitstorm los - obwohl es das Wort damals noch gar nicht gab. »Sagen Sie mal, was verzapfen Sie heute wieder fürn Mist im Rundfunk? Es ist zum Kotzen«. Trolle gab es schon lange vor dem Internet und die Rüpelrepublik ist kein neues Phänomen. Als die FAZ es 1957 wagte, ein Gedicht von Eich zu drucken, musste sie eine ganze Seite freiräumen für die Leserbriefe im Stil: »In jüngeren Jahren hatte ich für die Entmündigung und Einweisung Geistesgestörter in Irrenanstalten zu sorgen. Der Herr Eich gehört meines Erachtens zweifelsohne dorthin!« Die Gruppe 47 wurde so zu einem Fluchtpunkt all derer, die nicht in das wabernd-nebulöse Mythisieren einstimmen wollten. Es war der Einzige. Helmut Böttiger zeigt in seinem Buch sehr gut die gesellschaftlichen Umstände, die die Gruppe bestimmten. Auch Literatur lebt nicht im luftleeren Raum, sondern wächst aus der Gesellschaft, in der sie geschrieben wird. Eine einheitliche literarische Vorstellung hatte die Gruppe nicht. Richter war ein Vertreter des Realismus, doch er versuchte nie, diese Vorstellung in der Gruppe durchzusetzen. Schon am Anfang gab es Surrealisten, bald folgen die »Formalisten«, die Richter zwar nicht liebte, aber duldete. Anders als heute oft tradiert wird, war Politik ganz und gar verpönt in der Gruppe. Zwar waren die meisten Teilnehmer Gegner des Adenauerstaats und traten oft auch gegen ihn an - in den Gruppentreffen musste man sich aber auf literarische Diskussionen beschränken. Da die Gruppe 47 der einzige Ort war, an dem sich neue Autoren vorstellen konnten, wurde sie bald zur Avantgarde. Mit Günter Eich, Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Alfred Andersch und anderen versammelten sich die, die später in die Literaturgeschichte eingehen sollten. Ingeborg Bachmann schaffte es als Fräuleinwunder 1954 auf das Titelblatt des Spiegels. 1958 las Günther Grass aus der Blechtrommel und wurde damit schlagartig berühmt. Zwar gab es nochmal zahlreiche Versuche, diesen »Schmutz und Schund« zu unterbinden, doch die Zeit ging zu Ende. Die Gruppe 47, als kleine Gruppe literarischer Außenseiter gegründet, entwickelte sich langsam zum literarischen Mainstream. Als das literarische Colloquium, entstanden aus dem Umfeld der Gruppe, in West-Berlin Lesungen organisierte, kamen zu Ingeborg Bachmanns Lesung über zweitausend Zuhörer, später mussten die Veranstalter gar die Polizei rufen, weil sie den Andrang nicht mehr bewältigen konnten. In den heutigen Zeiten, in denen jede Kleinstadt Literaturtage veranstaltet, ist es kaum mehr vorstellbar, welche Bedeutung die Gruppe 47 gewonnen hatten. Als Mitte der Sechziger die Studentenrevolte begann, rechneten sie viele bereits zum Establishment. Mit der Entwicklung änderten sich auch die jährlichen Gruppentagungen. Anfänglich waren die Gruppentagungen Werkstattgespräche zwischen Autoren. Was heute tausendfach in Internetforen, Literaturhäusern und VHS-Treffen passiert, war damals revolutionär neu. Kritik und Diskussion, das war weder im Führerstaat noch im wilhelminischen Deutschland angesehen, das war ein anglo-amerikanischer Import. Doch spätestens nach der Tagung 1958 mit der Lesung der »Blechtrommel« interessierten sich die Zeitungen, das Fernsehen und die Verlage für die Gruppe. Vorlesenden Autoren übten sich in Selbstdarstellung, der Autor als Ich-Marke entstand. Das machte Werkstattgespräche unmöglich. Die Tagungen wurden von Journalisten belagert, wer dort reüssierte, dessen Zukunft war gesichert. Immer wieder versuchte Hans Werner Richter und auch Günther Grass die Tagung zurück zum Werkstattstattgespräch unter Autoren zu führen, vergeblich. Junge literarische Wilde straft das Leben damit, dass sie im Alter Mainstream werden. Böttiger zeigt, wie sich das in den Sechzigern erstmalig entwickelte, Peter Handke und Hans Magnus Enzensberger waren die Ersten, die das begriffen und konsequent umsetzten. Heute verlangt jeder Verlag von seinen Autoren, dass sie in Facebook, Twitter und im Internet ihre Selbstdarstellung betreiben. Was einst einige literarische Autoren begannen, ist heute auch für Genreautoren Pflicht geworden. So manches aus der Gruppe 47 hat sich später verselbstständig. Etwa die Behauptung, dass »wertvolle Literatur« immer realistisch sein solle; dass Eskapismus etwas Schlechtes sei. Diese eindeutige Festlegung der Gruppe gab es aber gar nicht und die Realisten, die es in der Gruppe gab, wollten sich damit zum Wabern und Weben der Nach-Nazi-Literatur abgrenzen. Interessant, wie sich Meinungen und Theorien verselbstständigen und später zum Dogma werden. Und auf Dinge ausgedehnt werden - in dem Fall auf Fantasy etc. - die damit nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Böttigers schreibt stilsicher und flüchtet sich nicht in literarische Verquastheit. Sein Buch lässt die Autoren der Gruppe 47 lebendig werden und wie sich die literarische Szene in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik entwickelte. Vieles, das wir heute im Literaturbetrieb kennen und für selbstverständlich halten, wurde damals angelegt. So ist das Buch ein Muss für jeden, der schreibt, egal ob literarisch oder Genre, und auch für jeden, der sich für Literatur und Bücher interessiert. Leseprobe: http://www.amazon.de/Die-Gruppe-47-Literatur-Geschichte/dp/3421043159/ref=sr_11?ie=UTF8&qid=1355231909&sr=8-1#reader3421043159 Die Gruppe 47 - als die deutsche Literatur Geschichte schrieb, Sachbuch, Helmut Böttiger, DVA, November 2012 ISBN-13: 978-3421043153, gebunden, 478 Seiten, Euro 24,99
  18. Cover des Buches Das Treffen in Telgte (ISBN: 9783958294301)
    Günter Grass

    Das Treffen in Telgte

     (34)
    Aktuelle Rezension von: Joachim_Tiele
    Günter Grass galt immer als der Streitbare in der deutschen Nachkriegsliteratur, sei es, weil er auch politisch Partei ergriff (für Willy Brandt und die SPD), sei es, weil er publizistischen Scharmützeln kaum aus dem Weg ging. Das Thema von Das Treffen in Telgte ist der literarische Streit als solcher. Oberflächlich gesehen, treffen sich im Sommer 1647, dem letzten Jahr des Dreißigjährigen Krieges, in einem Landgasthof in der Nähe von Münster und Osnabrück, wo ein Jahr später der Westfälische Friede geschlossen werden sollte, Schriftsteller, Verleger und Kritiker der damaligen deutschen Literaturszene, um über Wert und Wirkung der von ihnen verfassten, verlegten oder rezensierten Werke zu sprechen. Die zentrale Frage ist dabei, ob, und wenn ja, wie, Poeten und andere Literaten der Epoche zu einer Beendigung des Krieges beitragen können. Es kommt, wie es nicht anders kommen kann. Die herausragenden Vertreter des damaligen deutschsprachigen Literaturbetriebs streiten, an einigen Stellen auch in der Wortwahl wie die sprichwörtlichen Kesselflicker, und die Themen ihres Streits sind so weit gefächert wie die Themen ihrer Literatur, der Wirkung selbiger, der politischen Bedingungen, unter denen sie geschrieben wurde, der religiösen und landsmannschaftlichen Verwicklungen jener Zeit. Und natürlich: Eitelkeit, Eigensinn und der Wunsch, Landesherren, Verlegern oder Förderern gefallen zu wollen (und alle Widersprüchlichkeiten, die sich daraus ergeben), gehören auch dazu.

    Als das Buch 1979 erschien, war allen seinerzeit literarisch Interessierten klar, dass es in ihm eigentlich um die Gruppe 47 ging, ein Zusammenschluss von Autoren, Verlegern und Kritikern, dessen Ziel so etwas wie eine Neukonstitution der deutschsprachigen Literatur auf den Trümmern der Hitlerei ebenso wie der zerbombten deutschen Städte war. Initiator und Einladender der Treffen dieser Gruppe ab dem Spätsommer 1947 war Hans Werner Richter, dem das Buch gewidmet ist. Auch wenn es, im Gegensatz zu dem einen fiktiven Treffen in Telgte, zu einer ganzen Reihe von Treffen besagter Gruppe kam, so waren doch einige Themen die gleichen oder sehr ähnliche: ein Land am Ende eines fürchterlichen Krieges, bevorstehender oder im Beginn begriffener Wiederaufbau, die Rolle der Kultur und der Kulturschaffenden, der politische Anspruch, den Literatur und Literaten (nicht) haben sollten, und natürlich das alte Spiel um Geltung, Einfluss, die Befriedigung persönlicher Eitelkeit ebenso wie die Nähe zu den Brotkörben der Verleger. Dies führte dazu, dass Das Treffen in Telgte bei seinem Erscheinen nicht nur als Schlüsselroman, sondern geradezu als Schlüssellochroman gelesen wurde (auch wenn es in Struktur und Aufbau eher eine Erzählung ist): Wer ist wer und warum überhaupt… Sogar Marcel Reich-Ranicki lobte Grass (damals noch) und eine Rezension im Spiegel gab den Anstoß zu einem langandauernden heiteren Personenraten (1).

    Gut, zwei Geschichten in einer, und die andere anhand der einen erzählt. Interessant. Mehr nicht? Natürlich kann man Das Treffen in Telgte als Satire lesen, eine der Art, wie sie lange in autoritären und totalitären Regimen Gang und Gäbe war, indem man als Autor die Zeit und die Geographie veränderte, den Protagonisten andere, zum Beispiel historische, Namen gab, um damit die Zensur zu unterlaufen. 1979 gab es die Gruppe 47 schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr, ihr regelmäßiges Zusammenkommen und der Preis der Gruppe 47 waren im Klagenfurter Literaturwettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis aufgegangen. Die intellektuellen Schlachten der unmittelbaren Nachkriegszeit ebenso wie die der Achtundsechziger-Revolte waren geschlagen, zumindest im damaligen Westdeutschland war die literarische Freiheit garantiert (von wenigen nach wie vor auf dem Index stehenden Büchern einmal abgesehen). Hier zeigt sich – zumindest in der Wahrnehmung dieses Rezensenten – die Meisterschaft von Günter Grass, denn es gibt eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte. Und dies ist die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und der während dieser Zeit wichtig gewordenen deutschen Barockliteratur. Zwar ist das Treffen genau dieser Personen in genau diesem Ort Telgte fiktiv, aber die Kriegsschauplätze und politischen (wie vorgeblich religiösen) Standpunkte und Konfliktlagen sind es nicht, eben so wenig wie die Protagonisten auf Seiten der Schriftsteller, beim verlegerischen, politischen, kirchlichen und militärischen Personal. Das macht Das Treffen in Telgte zu einem der seltenen gelungenen historischen Romane (ich widerhole mich: eigentlich ist es eine Erzählung), die ohne die (inzwischen nahezu) genretypische Geschichtsklitterung auskommen.

    Wer sollte oder könnte diese Geschichte heute noch (eventuell sogar mit Genuss) lesen? Natürlich jede und jeder, die ein professionelles Interesse an der deutschen Geschichte und Literaturgeschichte haben, selbstverständlich auch alle, denen es um ihre Allgemeinbildung geht. Wikipedia im Browser oder ein gutes Konversationslexikon in Reichweite sollten (und können) dabei nützlich sein. Auch, und aus Sicht des Rezensenten unbedingt, empfohlen sei das Büchlein allen Germanistikstudenten im Grundstudium (und dies nicht nur, weil sein Verfasser Günter Grass ist). Irgendwann – nach oder zwischen Mittelhochdeutsch und den Lautverschiebungen – hebt auch die Barockliteratur ihr Haupt: Paul Gerhard, Hans Jacob Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, Andreas Gryphius, Martin Opitz, Christoffel von Grimmelshausen (als einziger vielleicht noch aus der gymnasialen Oberstufenlektüre bekannt) und einige andere. Sie alle kommen nicht nur in der Erzählung vor, sondern mit Auszügen aus ihren Werken in einem fast siebzigseitigen Anhang zu Wort. Der Trick ist, dass sie von Grass keineswegs akademisch präsentiert werden. Eher taucht er selbst in Sprache und Setting des Barocks ein (ein paar Seiten der Geduld und des sich Einlesens sind bei manchen sicherlich erforderlich), aber dann kann man die Literatur des deutschsprachigen Barocks in ihrer politischen Dimension ebenso wie in ihrer prallen sprachlichen Sinnlichkeit erleben – eine Germanistik der anderen Art, völlig außerhalb des Hörsaals. Traut Euch! Und dann, nachdem man sich davon erholt hat, kann man sich der neueren deutschen Literaturgeschichte zuwenden, mit der Gruppe 47 und so… (Und Grass, selbst studierter Grafiker und Bildhauer, eben kein akademischer Literat, ist in den Augen des Rezensenten Volksschriftsteller genug gewesen, so dass sich wirklich jeder trauen kann.)

    Grass hat mit anderen Werken die Latte für seine Bewertung sehr hochgelegt. Wenn man Die Blechtrommel (als unbestrittene Weltliteratur, im Ausland stärker als solche geschätzt als hierzulande) mit fünf Sternen bewerten würde (müsste, sollte), dann diese Erzählung mit nur vier, für ein sehr gutes Buch eines Autors, der auch Überragend(er)es abgeliefert hat.

    Joachim Tiele, 17.01.2017

    _____

    (1) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40351566.html

    +++++

    Nachtrag 05.10.2018:

    Habe gerade "Allgemeinbildung deutsche Literatur für Dummies" entdeckt (unten angehängt) und in der Leseprobe des Verlages ein Zitat, das zum "Treffen in Telgte" ebenso wie zu meiner Rezension passt, wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge:

    "Sie  möchten  mehr  über  das  Barock  und  vor  allem  seine  Autoren  wissen,  aber nicht unbedingt die Originalwerke lesen? Dann nehmen Sie am besten Das Treffen in Telgte von Günter Grass  zur Hand. In dem 1979 geschriebenen Roman kommen kurz vor Ende des Dreißigjährigen Krieges 20 Schriftsteller und Dichter zusammen und lesen sich gegenseitig aus ihren Manuskripten vor". (S. 44)

    Können "Dummies" irren? ;-))
  19. Cover des Buches Arnes Nachlaß (ISBN: 9783455006841)
    Siegfried Lenz

    Arnes Nachlaß

     (106)
    Aktuelle Rezension von: SabineRosenberger

    Im Prinzip lese ich ganz gerne die Werke von Siegried Lenz, aber dieses Mal fühlte ich mich doch zu sehr in die Rolle des Voyeurs versetzt, der in Arnes kurzem und dramatischen Leben unfreiwillig herumschnüffelt. Die ganze Zeit fühlte ich mich beim Lesen unwohl, wahrscheinlich auch der Haltung wegen, die Arnes Umfeld ihm gegenüber zu seinen Lebzeiten an den Tag legte, und die wohl nicht unerheblich zu seinem Freitod begetragen haben mag. Und doch habe ich das Buch nicht weggelegt, sondern weitergelesen, denn Lenz versteht es, die Spannung, und sei sie auch manchmal subjektiv noch so unangenehm, so gut aufrechtzuerhalten, dass man doch wissen möchte, wie es weitergeht, ob es nicht noch mehr überraschende Wendungen gibt, was denn noch alles ans Licht kommen wird. Dabei schildert er das Setting auf eine Art, die die Charaktere seiner Protagonisten unterstreicht und noch besser zur Geltung bringt. Wer mehrfach Lenz gelesen hat, wird feststellen, dass vieles autobiographisch ist und irgendwann ist es dann auch gut mit Hamburg und Hafenflair, aber hin und wieder ist es dann doch wieder schön, sich durch seine ausdrucksstarken Worte in eine ganz eigene Welt entführen zu lassen.

    Ich empfehle dieses Buch gern weiter, allerdings mit dem Tipp, vielleicht lieber nicht mehrere Bücher von Lenz in Reihe zu lesen, so wie ich es getan habe.

  20. Cover des Buches Damals (ISBN: 9783423135320)
    Reinhard Baumgart

    Damals

     (1)
    Aktuelle Rezension von: claudiaausgrone
    Großartig geschrieben! Reinhard Baumgart schildert sein Leben. Gerade bei seiner Darstellung seiner Kindheit und Jugend, bei seiner Schilderung der Flucht liegen Schmunzeln und Weinen ganz nah beieinander.
  21. Cover des Buches Am Rande der Welt (ISBN: 9783835312593)
  22. Cover des Buches Winterspelt (ISBN: 9783257600810)
  23. Cover des Buches Gruppenbild mit Dame (ISBN: B004PL8UM0)

    Gruppenbild mit Dame

     (9)
    Aktuelle Rezension von: sKnaerzle

    Inhalt: die in nicht ganz soliden Verhältnissen lebende Kölnerin Leni wird von ihrer Umgebung angefeindet, teils weil ihr unehelicher Sohn Lev im Gefängnis ist, teils weil man ihr noch immer eine Liebesbeziehung zu einem russischen Kriegsgefangenen vorwirft. Der Ich-Erzähler als Verfasser, befragt jetzt Menschen, die Leni kannten, um aus deren Aussagen ihr Leben zu rekonstruieren. 

    Was gelang: es dauert lange, bis sich aus den ersten Gesprächen so etwas wie eine Handlung herausschält. Dann aber bekommt man nach und nach ein Panorama der Menschen, die in der weiteren Umgebung von Köln zwischen den 20er und den 70er Jahren gelebt haben. Mir ist aufgefallen, dass ziemlich viel bestochen wird (Kölner Klüngel?) Am besten gefiel mir die Belegschaft einer Friedhofsgertnerei während des Krieges, wo jeder von jedem wusste, wo er vor der Machtergreifung politisch stand, worüber man in der Diktatur aber nicht spricht. Außerdem erzählt der Verfasser von vielen Personen, wie sie das Kriegsende erlebten und das gibt eine beiendruckende Sammlung von schrecklichen und wenigen glücklichen Schicksalen.

    Was nciht so gelungen: die Idee mit den Zeugen verlangt eigentlich, dass Lenis Charakter und Geschichte widersprüchlich und fremd bleibt. Der Verfasser kommentiert aber jden Zeugen und fasst zusammen, was wichtig ist, und so bleibt alles ziemlich eindeutig. 

    Was mich mehr gestört hat: Was die Menschen in diesem Roman zusammenbringt, ist vor allem Liebe und Sexualität und dafür findet Böll keine Worte. Zu allem Überfluss thematisiert er das aber immer wieder.

    Wahrscheinlich ist der Roman am besten für dieziplinierte Leser geeignet. Wenn man den Roman zwischendring weglegt, vergisst man bei den vielen Personen leicht, wer wer war.

  24. Cover des Buches Die Kirschen der Freiheit (ISBN: 9783257600780)
    Alfred Andersch

    Die Kirschen der Freiheit

     (17)
    Aktuelle Rezension von: Monsignore
    "Ich baue nur noch auf die Deserteure." - diesen Satz von André Gide stellt Andersch seinem Buch vorweg. Denn er selbst war einer. Andersch desertierte im Juni 1944 in Italien. Dort hatten im übrigen die deutschen Soldaten die Toskana leergesoffen. Doch Andersch beginnt 1919 mit der Zerschlagung der Münchner Räterepublik und spannt einen autobiografischen Bogen bis zu seiner Desertion. Dieses Buch atmet die Freiheit, es ist ein Lebenszeugnis eines Mannes, "der nach 1933 das Denken nicht vergaß", wie es Heinrich Böll formulierte. Andersch schildert emotional und aufrichtig seinen Lebensweg durch entgleiste, verwilderte, verrohte Zeiten. Das Buch ist Zeugnis eines Freigeistes in geistfeindlicher Zeit. Es gibt wunderbare Textstellen, in denen Andersch seine ganze abgrundtiefe Verachtung für das ganze verlogene Gerede von der Kameradschaft, dem Vaterland und der Soldatenehre geradezu auskotzt.

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