Bücher mit dem Tag "heimatlosigkeit"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "heimatlosigkeit" gekennzeichnet haben.

45 Bücher

  1. Cover des Buches Altes Land (ISBN: 9783328602101)
    Dörte Hansen

    Altes Land

     (714)
    Aktuelle Rezension von: Imke_Brunn

    Vera kommt als Flüchtlingskind mit ihrer Mutter au Ostpreußen auf den Hof im Alten Land. Der Sohn der Besitzerin, schwer kriegstraumatisiert, bleibt mit Vera dort, dachdem Veras Mutter ihn verlassen hat. Veras Halbschwester bekommt 2 Kinder, einen hochbegabten Künstler und eine begabte Tochter, die im Schatten des jüngeren Bruders steht. Diese junge Frau zieht nach gescheiterter Beziehung mit dem kleinen Sohn zu Vera auf den alten Hof. Ein weiterer Hnadlungsstrang beschäftigt sich mit einem städtischen Autor, der sich über das Landleben lustig macht, dafür aber von den "Bauernflegeln" aufgezogen wird, ohne dass er es merkt.

    Die Geschichte lebt von den Gegensätzen in den Zeiten und von Stadt-Land, gebildet-einfacheren Menschen in vielen Facetten.

    Für mich waren viele der Handlungsstränge nicht wirklich auserzählt und manches nur angedeutet.

  2. Cover des Buches Die Blechtrommel (ISBN: 9783958291300)
    Günter Grass

    Die Blechtrommel

     (556)
    Aktuelle Rezension von: Vani_Schneider

    Das Buch handelt von Oskar Mazerath, der bei seiner Geburt schon voll geistig entwickelt ist. An seinem dritten Geburtstag beschließt er nicht mehr zu wachsen. Man begleitet Oskar durch sein Leben und bekommt durch seine Augen den Aufstieg der Nationalsozialisten und den Zweiten Weltkrieg mit.

    Ich musste das Buch für die Uni lesen und bin nur sehr schwer in das Buch hineingekommen, weil es sehr anspruchsvoll ist. Das Buch zählt zur Gesellschaftskritischen Literatur und der Autor Günter Grass hat seine Kritik am Dritten Reich so kreativ und manchmal auch skurril in die Geschichte eingebettet, dass es manchmal sehr schwer herauszulesen.

    Trotz alledem fand ich das Buch sehr interessant und ich finde es ist ein gutes Werk. Nur leider eben nicht sehr einfach zum lesen, also auf jeden Fall nicht für Zwischendurch und sehr zeitintensiv. Aber wichtig!

  3. Cover des Buches Die Vereinigung jiddischer Polizisten (ISBN: 9783462052381)
    Michael Chabon

    Die Vereinigung jiddischer Polizisten

     (59)
    Aktuelle Rezension von: Giselle74
    Sitka, Alaska. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der Atombombe auf Berlin, durften sich geflüchtete Juden dort mit Erlaubnis der Amerikaner einen eigenen kleinen Staat errichten. Nun soll die Enklave zurück an die USA fallen und die dort wohnenden Juden wären wieder heimat- und staatenlos. In dem Chaos der Abwicklung und inmitten sich auflösender Behörden und Zuständigkeiten geschieht in einem kleinen, schmierigen Hotel ein Mord. Ein junger Schachspieler wird mit einer Kugel im Kopf auf seinem Zimmer aufgefunden. Der zufällig im selben Hotel wohnende Polizist Meyer Landsman beginnt zu ermitteln und sticht dabei in ein Wespennest.
    Was für ein grandioser Roman! Einerseits ein Krimi im Stile Chandlers, mit einem Protagonisten, der ähnlich zerbeult agiert wie Philip Marlowe, andererseits aber auch ein Blick auf die unterschiedlichen Strömungen jüdischen Lebens. Die Chassidim und Zionisten kommen dabei eher schlecht weg, verhalten die "Schwarzhüte" sich doch ähnlich wie die Mafia und haben ihr Netzwerk über ganz Sitka gespannt.
    Mit ungeheurer Fabulierlust, viel Wortwitz und genauso viel Einfühlungsvermögen führt uns Chabon durch seine Welt bzw durch Meyer Landsmans Welt. Glaube, Politik, Schach, die große Liebe, Identitätsfragen, Chabon verbindet und mischt diese Themen hemmungslos. Sein Blick ist zugleich zynisch, schwarzhumorig und liebevoll. Das muss einem erst einmal gelingen! Und wenn dann noch Ureinwohnerrecht auf jüdische Befindlichkeiten trifft, wird die Mischung explosiv...
    Es ist beeindruckend, wie mühelos Chabon ein Meer durchquert, das klippenreicher nicht sein könnte. Er überschreitet Grenzen und verteilt seine Spitzen hemmungslos in jede Richtung: seien es geldgierige Stammesregierungen, tiefgläubige Mafiosi, gewinnorientierte Amerikaner oder attentatsbereite Zionisten. Und so ganz nebenbei zeigt dieser Roman auch, dass Menschlichkeit und Fanatismus sich ausschließen. Immer.
    Wer also Krimis mag, wer... ach, Unfug! Lest dieses Buch, es ist einfach rundherum großartig!
  4. Cover des Buches Antonio im Wunderland (ISBN: 9783499259067)
    Jan Weiler

    Antonio im Wunderland

     (435)
    Aktuelle Rezension von: Holden

    Der zweite Teil von Weilers Familiengeschichten, diesmal aufgeteilt zwischen einem Familien-Italien-Urlaub mit Jan und alleman, bei dem sich eine Scherbe im Fuß nach tetanus-Spritze als Glücksfall gestaltet (man hat endlich seine Ruhe und wird von Nonna Anna umsorgt), natürlich nur mit mitgebrachter Matratze, und einem New-York-Trip mit Toni und Benno Tiggelkamp, die schon den Check-in am Düsseldorfer Flughafen aufmischen und später zu diversen Verhaftungen im Big apple sorgen. Nur die Robert-de-Niro-Passage kann man kaum glauben, ist dies wirklich passiert? Oder geht hier die Pretty-woman-Phantasie mit dem Autor durch? Sehr mysteriös, wohlwahr, und nur einfach schön mit der Onkelwerdung am Ende des Buchs.

  5. Cover des Buches Der Schwimmer (ISBN: 9783104000053)
    Zsuzsa Bánk

    Der Schwimmer

     (165)
    Aktuelle Rezension von: Alisha70

    Vor dem Hintergrund des Volksaufstandes 1956 in Ungarn setzt die Handlung des Romans „Der Schwimmer“ der in Frankfurt am Main lebenden ungarisch-stämmigen Autorin Zsuzsa Bánk ein.

    Kata, Isti und ihr Vater Kalman wurden von der Mutter verlassen, die die Wirren des Aufstandes genutzt hat, um in den Westen zu fliehen. Die Familie bleibt rat- und haltlos zurück, dieses Thema zieht sich durch den ganzen Roman.

    Der Vater zieht fortan mit den Kindern quer durch Ungarn von Familienmitglied zu Familienmitglied und lebt dort einige Wochen bzw. Monate. Auf die Art und Weise fühlen sich die Kinder niemals zu Hause und erleben die Welt hauptsächlich aus Zügen und in ihnen fremden Häusern.

    Die Geschichte wird aus der Perspektive der Tochter Kata erzählt, selbst die Passagen, von denen sie eigentlich gar nichts wissen kann, nämlich die Flucht der Mutter und deren erste Zeit im Westen. Das Thema des Verlassenseins und die Frage nach dem Warum lässt die beiden Kinder Kata und Isti nicht mehr los.

    Mein Leseeindruck war vor allem in der ersten Hälfte leider eher negativ. Zwar beschreibt Zsuzsa Bánk alles wunderschön, das ganze Setting ist jedoch sehr zäh und ereignislos. Trotzdem (und ich weiß nicht wie) haben mich immer wieder einzelne Passage oder Andeutungen neugierig bleiben lassen und ich wollte wissen, wie es weitergeht, auch wenn sich wirklich alles sehr langatmig dahinzog. Am Ende hat es dann Fahrt aufgenommen, auch wenn das leider (zumindest für mich) sehr vorhersehbar war.

    Ich „musste“ das Buch für einen Lesekreis lesen und deshalb wollte ich dranbleiben, und im Nachhinein bin ich dann doch froh, es fertig gelesen zu haben.

    So eine richtige Leseempfehlung aus tiefstem Herzen kann ich leider nicht aussprechen, dafür war es einfach zu langatmig wenn auch wunderschön erzählt.

  6. Cover des Buches Der Russe ist einer, der Birken liebt (ISBN: 9783423142465)
    Olga Grjasnowa

    Der Russe ist einer, der Birken liebt

     (187)
    Aktuelle Rezension von: GiaLuu

    Klappentext: Mascha ist jung und eigenwillig, sie ist Aserbaidschanerin, Jüdin, und wenn nötig auch Türkin und Französin. Als Immigrantin musste sie in Deutschland früh die Erfahrung der Sprachlosigkeit machen. Nun spricht sie fünf Sprachen fließend. Sie plant gerade ihre Karriere bei der UNO, als ihr Freund Elias schwer erkrankt. Verzweifelt flieht sie nach Israel und wird von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt. Ebenso tragisch wie komisch, mit Sinn für das Wesentliche erzählt Olga Grjasnowa die Geschichte einer Generation, die keine Grenzen kennt, aber auch keine Heimat hat.

    Der Schreibstil von Olga Grjasnowa und die Geschichte zu Der Russe ist einer, der Birken liebt empfand ich als sehr bewegend und interessant. Sie setzt sich mit verschiedenen Identitäten auseinander, wo fühlt man sich zugehörig in einem fremden Land. Die Protagonistin muss Verluste verkraften und daraus resultieren tiefe Traumata, über die sie nicht hinwegkommen scheint. Der Roman beinhaltet wichtige Themen aus vergangener und heutiger Zeit. Für mich war die Geschichte sehr interessant und berührend zu lesen, auch wenn ich mir an Menschen Stellen ein bisschen was anderes gewünscht hätte, das Ende fand ich leider nicht so gut, aber dennoch passend zur Protagonistin, ich hatte mir einfach anderes erhofft. Trotzdem ein gutes Buch. 

  7. Cover des Buches Draußen vor der Tür (ISBN: 9783872912497)
    Wolfgang Borchert

    Draußen vor der Tür

     (223)
    Aktuelle Rezension von: Orisha

    Ein Mann kommt nach Deutschland. Er kommt zurück, nach drei Jahren Sibirien, nach fünf Jahren Krieg. Zurück in eine Heimat, die nichts mehr für ihn bereit hält. Seine Frau liegt bei einem anderen. Der Oberst kennt ihn nicht mehr. Ein Job wird ihm nicht gegeben. Die Eltern sind tot. Da bleibt für Beckmann nur noch ein Weg - der Gang zur Elbe…

    Bocherts "Draußen vor der Tür" zählt zu Recht zu den Klassikern der Nachkriegszeit. Mit seiner Figur Beckmann fängt Borchert das Leben eines Kriegsheimkehrers ein. Beckmann steht vor den Trümmern seines Lebens und wird mit unserer Gesellschaft konfrontiert. Eine Gesellschaft, die nach dem Krieg die Verantwortung von sich schob, die auf die anderen zeigte - ohne sich selbst zu hinterfragen. Die Anfängern keine Chancen mehr gab. Die dem Elend, draußen vor der Tür, den Rücken kehrt. Selbstmorde stehen an der Tagesordnung. Doch das interessiert niemanden.

    Borchert fängt mit seinem Drama ein Stück Nachkriegsgeschichte ein. Eine Geschichte, die die Situation nach 1945 gut illustriert und den 1000den Schicksalen der Kriegsheimkehrer eine Stimme gab. Sicher in extremer Form, doch die braucht es, um wachzurütteln. 

    Kurzum: Ein Klassiker, den man gelesen haben sollte. Empfehlenswert.


  8. Cover des Buches Wo wir waren (ISBN: 9783499271892)
    Norbert Zähringer

    Wo wir waren

     (5)
    Aktuelle Rezension von: Xirxe

    Was für eine schöne und auch traurige Geschichte - fast ein richtiger Schmöker. Doch zum völlig darin Versinken hat es nicht ganz gereicht, ohne dass ich so genau weiss, woran es liegt.
    Ausgangspunkt ist der 21. Juli 1969, also ziemlich genau vor 51 Jahren, als die ersten Menschen den Mond betraten. Obwohl man im Nachhinein das Gefühl haben könnte, dass an diesem Tag sonst nichts weiter Aufregendes passierte 😉 geschah doch so einiges Andere, was für manche Menschen zu enormen Veränderungen im Leben führte.
    Die wichtigste Figur ist der fünfjährige Hardy Rohn, der mit einem älteren Jungen aus dem Waisenhaus flieht, wo sie täglich gewalttätigen und erbarmungslosen Aufsichtspersonen ausgesetzt sind. Zwar misslingt die Flucht (zumindest für Hardy), doch sie ist der Grund, weshalb er ein Jahr später adoptiert wird und so ein um vieles besseres Leben verbringen kann. Und vermutlich ist diese Flucht auch der Grund dafür, dass Jahre später ein brutaler Mensch ebenso brutal ermordet wird.
    Doch nicht nur Hardy flieht an diesem Tag - auch seine wegen Mordes zu lebenslänglich verurteilte Mutter unternimmt einen Fluchtversuch.
    Diese beiden Personen sind der Ausgangspunkt für die rund 500 Seiten umfassende Geschichte, die deren Leben und das ihrer Vorfahren und nächsten Verwandten schildert. So spannt sich ein Erzählbogen über das Jahrhundert von Memel bis Vietnam, vom Rhein bis in die USA, von 1901 bis 2009. Norbert Zähringer nimmt seine Leserinnen und Leser mit durch Raum und Zeit und wir erleben das Jahrhundert durch die Beschreibungen von Hardys Grossvater, seiner Mutter, seines Vaters undundund.
    Eigentlich sind die Voraussetzungen ideal für einen Schmöker zum darin Versinken, denn der Autor weiss gute Geschichten zu erzählen, unter anderem indem er durch kleine Ausblicke in die Zukunft Spannung erzeugt. Doch ich blieb zu den Figuren auf Distanz - vielleicht liegt es an den doch recht häufigen Zeit- und Raumsprüngen, vielleicht an der etwas spröden Persönlichkeit Hardys.
    Dennoch: Ein schön zu lesendes Buch mit einer unterhaltsamen Geschichte.

  9. Cover des Buches Dummheit (ISBN: 9783218012881)
    Heidi Kastner

    Dummheit

     (24)
    Aktuelle Rezension von: mapefue

    Für Kastner war ausschlaggebend das dünne, 96 Seite „starke“ Büchlein „Dummheit“ zu verfassen, „wie sich Politiker während der Pandemie verhalten hätten“. Darin versuche sie kurzweilig, unakademisch und uneitel, bestimmende Merkmale der Dummheit darzulegen. Sie unterscheidet zwischen Intelligenzminderung und Dummheit, liefert einen kurzen historischen Abriss der Intelligenzforschung und kommentiert das aktuelle Geschehen um Pandemie und deren Begleitdebatten. Darüber hinaus erzählt sie teils ziemlich komische Fallbeispiele nach, die ihr in ihrer Tätigkeit als Gerichtsgutachterin untergekommen sind.
    Tunlichst vermeidet es Kastner, in die Falle der Selbstüberhebung jener zu tappen, die die Dummheit immer nur bei den anderen festzustellen. Dumme Handlungen, beruhten „auch auf unzureichendem Wissen, aber nur dann, wenn man den eigenen Wissensmangel nicht als problematisch erkennt“ (Zitat Kastner).

    Dummheit ruhe auf mehreren starken Säulen: der Pseudodebilität, die durch innere Denkhemmung bedingt sei; der Denkfaulheit, welche Menschen schlicht die Beschaffung von Fakten, mit deren Hilfe sie ihre Entscheidungsgrundlage erweitern könnten, verweigern lasse; hinzu käme der weitverbreitete Irrtum, sowieso von allem ausreichend Ahnung zu haben, vor allem von der Medizin. "Dabei würde wohl niemand bei einem offenen Unterschenkelbruch auf die bewährten Heilmethoden der Tante Anni vertrauen!" (Zitat Kastner).

    Sie nimmt die Coronaschwurbler auf Korn, die „...mit der leicht paranoid anmutenden Gewissheit, dass sowieso hinter allem „die Pharmaindustrie“ stehe, dass alle Ärzte korrupte Knechte dieser Branche sind und dass man daher keinem trauen kann, wird von der Konsultation von Fachleuten abgeraten, zumindest solange es nicht ernsthaft um das eigene Leben geht.“ (Zitat Kastner).

    Die Lektüre des schmalen Büchleins ist köstlich und beim Lesen fällt viel Selbstbestätigung sowie Wissenszuwachs ab. Und auch die Selbsterkenntnis, dass ich unter einem Mangel an „Emotionaler Empathie“ leide, den ich ab sofort vermindern werde: Wenn auf der Autobahn auf dem linken Fahrstreifen ein Porsche/BMW/VW mit gefühlten 250 km/h  dahinbrettert, dann hat er natürlich einen guten Grund. Entweder muss er zu seiner unmittelbar gebärenden Frau, oder seinem Ehemann wird ein neues Herz eingepflanzt, oder es ist etwas ganz anderes… 

  10. Cover des Buches Chocolat / Himmlische Wunder (ISBN: 9783548609331)
    Joanne Harris

    Chocolat / Himmlische Wunder

     (55)
    Aktuelle Rezension von: Tilman_Schneider

    Vianne Rocher eröffnet in einem kleinen französischen Dorf mitten in der Karwoche eine Chocolatier. Angefeindet von den Bewohnern und vorallem vom Pfarrer, hat sie es schwer und spührt die Anfeindungen und Ablehnung. Mit ihrer Tochter versucht sie trotzdem Fuß zu fassen und kreiert die herrlichsten Schokoladenkreationen. Bald werden doch einige Neugierig und sie findet eine alte Bewohnerin, die Schokolade über alles liebt. Ist sie eine Magierin? Das fragen sich viele, denn um sie herum gibt es viele Rätsel und ihre Pralinen, heiße Schokolade, ganze Tafeln oder einfach kleines Konfekt, all das scheint nicht von dieser Welt zu sein. Vianne versucht alle zu verzaubern, aber der Pfarrer bleibt hart und so greift Vianne zu ganz anderen Mitteln und auch die Bewohner des Dorfes sind der Schokolade und der hübschen Fremden nicht mehr so abgeneigt. Joanne Harris Chocolat ist eine wunderschöne, süße, spannende und zu Herzen gehende Geschichte. Gekonnt vermischt sie etwas Magie, die Süße der Schokolade, menschliche Schicksale und echte Freundschaft. 


    Wer erinnert sich nicht an die wunderbare Vianne Rocher aus Chocolat. Mit ihren herrlichen Kreationen und ihrem einnehmenden Wesen begeisterte sie vor Jahren die LeserInnen. Nun kehrt sie zurück. Anouk hat noch eine Schwester bekommen und gemeinsam mit ihrer Mutter lebt sie mitten in Paris. Vianne heißt jetzt Yanne und will ihr altes Leben vergessen. Die Behörden sind ihr nämlich auf der Spur und sie versucht ihre Tarnung aufrecht zu halten. Doch dann taucht eine Magierin auf, die alles kaputt machen will. Yanne muss sich entscheiden und ringt mit sich, ob sie ihre Zauberkräfte doch wieder einsetzen soll. Eine schöne und spannende Fortsetzung. Nicht so gut wie das Original, aber ein wunderschönes Wiedersehen und man sollte unbedingt Pralinen im Haus haben.

  11. Cover des Buches In meinen Träumen läutet es Sturm (ISBN: 9783423289863)
    Mascha Kaléko

    In meinen Träumen läutet es Sturm

     (68)
    Aktuelle Rezension von: parden
    BERÜHMT - UND DOCH UNBEKANNT...

    Hand aufs Herz - Mascha Kaléko? Wer von uns hat zuvor schon etwas von dieser Frau gehört oder gelesen? Nun, ich kann natürlich nur für mich schreiben, und ich muss gestehen: ich nicht...

    Mascha Kaléko. Dieser Name tauchte zuerst um 1930 in Berlin auf - sie schrieb "Zeitungsgedichte", vom Alltag für den Alltag, und diese Art der pointierten Großstadtlyrik liebte man in den dreißiger Jahren ganz besonders. Kaléko gehörte in Berlin zum Kreis der schöpferischen Boheme, saß, dichtete und diskutierte im "Romanischen Café" mit Größen wie Tucholsky, Ringelnatz und Kästner. Die erste Auflage ihres Buches "Das lyrische Stenogrammheft" war schnell vergriffen - doch als Ernst Rowolt die zweite Auflage druckte und auch ihr zweites Werk "Kleines Lesebuch für Große", wurden beide Bücher noch in der Druckerei beschlagnahmt. Mascha Kaléko war Jüdin.

    "Berühmt - und doch unbekannt: der Schnittpunkt dieser beiden Komponenten weist auf ein deutsch-jüdisches Schicksal, markiert den Sturz ins Vergessenwerden, signalisiert das Verdammtsein ins Echolose, zur totalen Heimatlosigkeit."

    Das lebenslängliche Gefühl von Heimweh und Ausgeliefertsein, Emigrantin von Kind auf, Schicksalsschläge und Einsamkeit - all dies prägt die Lyrik von Mascha Kaléko.


    " Wie in der kranken Auster nur
    sich eine Perle rundet
    so formt sich auch des Dichters Lied
    im Herzen, das verwundet."

    (Aus "Sublimiertes Wehweh")


    ********

    Oftmals sind die Gedichte Ausdruck der Überzeugung oder der Gefühle der Autorin. Es finden sich Werke zu Freundschaft, Zivilcourage, Umgang mit Schicksalsschlägen - und immer wieder Einsamkeit. Und Kaléko bringt es derart auf den Punkt, dass die Gedichte für sich sprechen und keiner Interpretation bedürfen.
    Alleine um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen - für mich - stelle ich hier nun noch zwei der Gedichte ohne weiteren Kommentar vor.


    Der Eremit

    Sie warfen nach ihm mit Steinen.
    Er lächelte mitten im Schmerz.
    Er wollte nur sein, nicht scheinen.
    Es sah ihm keiner ins Herz.

    Es hörte ihn keiner weinen,
    Er zog in die Wüste hinaus.
    Sie warfen nach ihm mit Steinen.
    Er baute aus ihnen sein Haus.


    *********

    Take it easy!

    Tehk it ih-sie, sagen sie dir.
    Noch dazu auf englisch.
    "Nimm´s auf die leichte Schulter!"

    Doch, du hast zwei.
    Nimm´s auf die leichte.

    Ich folgte diesem populären
    Humanitären Imperativ.
    Und wurde schief.
    Weil es die andere Schulter
    Auch noch gibt.

    Man muss sich also leider doch bequemen,
    Es manchmal auf die schwerere zu nehmen.


    *********

    Es ist nicht immer die Zeit für Gedichte. Aber wenn die Zeit passend ist, ist dieses Buch eine Bereicherung.
    Von mir eine klare Empfehlung!


    © Parden
  12. Cover des Buches Das Mädchen mit dem Fingerhut (ISBN: 9783446250550)
    Michael Köhlmeier

    Das Mädchen mit dem Fingerhut

     (95)
    Aktuelle Rezension von: Greedyreader
    Michael Köhlmeiers Roman „Das Mädchen mit dem Fingerhut“ erinnert vom Titel her an Andersens berühmtes Märchen, ist aber keins. Der Roman erzählt von einem 6jährigen Mädchen, das sich Yiza nennt, aber seine Identität nicht wirklich kennt. Das Kind ist offensichtlich unbegleitet in einer namenlosen Stadt in einem europäischen Land angekommen und wird von einem „Onkel“ betreut, der nicht wirklich sein Onkel ist. Er bringt Yiza mit genauen Verhaltensmaßregeln täglich auf einen Markt, wo sie stumm sitzen und lediglich laut und anhaltend kreischen soll, wenn jemand das Wort Polizei ausspricht. Irgendwann kommt der Onkel nicht mehr wieder, und das Mädchen ist auf sich allein gestellt. Yiza versteht die Menschen nicht und hat bisher lediglich überlebt, weil sie niedlich aussieht und die Passanten und Geschäftsleute ihr gern helfen. Eines Tages wird sie in ein Heim gebracht, wo sie zwei Jungen in derselben Situation kennenlernt: Arian und den 14jährigen Schamhan, der die Sprache des Mädchens versteht und für Arian dolmetscht. Die drei bilden zeitweise eine Kleinfamilie, geben einander Schutz und Wärme, bis sie nach einem Einbruch gefasst werden. Arian und Yiza können entkommen und in einem eiskalten leer stehenden Gewächshaus kurze Zeit überleben. Dann erkrankt Yiza schwer. Die Besitzerin des Grundstücks pflegt sie im Haus gesund, sperrt das Mädchen jedoch ein und will es für sich behalten. Bei Arians Versuch, seine Gefährtin zu befreien, kommt es zur Katastrophe.
    Köhlmeier erzählt in nüchterner Sprache ohne jede Sentimentalität von einem Schicksal, wie es heutzutage überall in Europa vorkommen kann. Obwohl der Autor es nicht darauf anlegt, empfindet der Leser angesichts der ungeheuren Härte einer solchen Kampfes um das nackte Überleben Empathie und kommt ins Grübeln. Ein Einzelschicksal ist allemal beeindruckender als Zahlen und Statistiken. Köhlmeiers Roman ist keine herzerwärmende schöne Geschichte, sondern ein wichtiges und gut geschriebenes Buch.        
  13. Cover des Buches Hasenleben (ISBN: 9783596031153)
    Jens Steiner

    Hasenleben

     (8)
    Aktuelle Rezension von: WinfriedStanzick
    Jens Steiner, Hasenleben, Dörlemann 2011, 287 Seiten, ISBN 978-3-908777-64-9 Der in Zürich lebende und 1975 geborene Jens Steiner hat mit diesem Debütroman ein Buch vorgelegt, von dem man beim Lesen an nicht wenigen Stellen regelrecht Bauchschmerzen bekommt, so realistisch und hoffnungslos wird da eine Geschichte von Menschen erzählt, wie sie in unserer allernächsten Umgebung häufiger leben, als wir denken. Mit folgenden Worten beginnt ein Buch, das einen nicht loslassen will ob seiner Tragik und Dramatik, das einen packt und abstößt, traurig macht und nachdenklich: „Dies ist Lilis Geschichte. Sie beginnt harmlos. Lilis Leben hatte eine komplizierte Mitte und etwas zerfledderte Ränder. In der Mitte eine Arbeit, die Geld einbringen sollte, immer zu wenig, aber irgendwie kam sie trotzdem über die Runden, zwei Kinder, und viele verschwommene Träume von einem anderen Leben. An den Rändern kleine Verzweiflungen und Fluchten. Alles normal. Lilis Gesichte ist nicht Lilis Geschichte. Nichts in ihr ist, was es ist, die Mitte ist keine Mitte und die Ränder sieht man nicht. Dies ist keine Geschichte. Wir fangen mit Lili an. Ganz harmlos.“ Aber harmlos bleibt sie nicht, jene prosaische Schilderung des verkorksten Lebens und der Hoffnungslosigkeit einer alleinerziehende Mutter und ihrer beiden Kinder Werner und seiner Schwester Emma. Beide sind schon jetzt für ihr Leben gezeichnet und werden es schwer haben. Allein gelassen von ihrer vergnügungssüchtigen Mutter, die sich in ihren Träumen verliert und Nächte lang auf Trebe ist, dabei doch immer von einer richtigen Ausbildung und einen normalen Leben träumt für sich und ihre Kinder, zeigen sie schon früh gestörte Verhaltensweisen. Als eines Tages ein Mann auftaucht, der Mutter und Kindern bekannt vorkommt, ergreift Lili wieder einmal die Flucht. Und dann passiert ein fruchtbares Ereignis, das alles, was bisher noch zu tragen schien, etwa die Bindung zwischen Werner und seiner Schwester Emma, endgültig zerstört. „Hasenleben“ ist ein verstörender Roman, der ein helles Licht wirft auf das Leben unzähliger Menschen, Frauen meist, die alleinerziehend, ohne gute Bildung, mit prekären Beschäftigungsverhältnissen und ebensolchen Beziehungen von einer Lebenskatastrophe in die andere stürzen und ihren Kinder nicht das sein können, was diese bräuchten. „Ohne Sicherheit bietende Beziehungen entwickeln Kinder keine sicheren Bindungen, und ohne sichere Bindungen können sich Kinder nicht zu eigenständigen, sozial kompetenten und verantwortlichen Persönlichkeiten entwickeln, „ schreibt Karl Gebauer in seinem eben in der elften Auflage erschienen Buch „Kinder brauchen Wurzeln“. Der Roman von Jens Steiner ist die Dokumentation eines Lebens, in dem all dies misslingt. So wie er sein Buch geschrieben hat, bin ich sicher, dass es eine reale Person mit ihren Kindern gibt, die ihn dazu inspiriert hat.
  14. Cover des Buches Kosakenberg (ISBN: 9783351039691)
    Sabine Rennefanz

    Kosakenberg

     (55)
    Aktuelle Rezension von: AgnesM

    "Kosakenberg", das kleine Dorf, verändert sich und in der Mitte dieser Veränderungen steht Kathleen, deren Geschichte von der Dynamik zwischen ihrer ländlichen Heimat und der großen, weiten Welt erzählt.

    Kathleen ist eine interessante Hauptfigur, die ihre Wurzeln tief in der Provinz verankert hat, aber dennoch das Verlangen spürt, hinauszugehen und die Welt zu erkunden. Doch egal wie weit sie reist, Kosakenberg bleibt stets ihr Ankerpunkt, ihr Hafen der Geborgenheit. Doch mit jeder Rückkehr stellt sie fest, dass sich ihr Heimatdorf verändert hat - und nicht immer zum Besseren.

    Durch Kathleens Augen sehen wir, wie sich die Landschaft und Gesellschaft von Kosakenberg allmählich verändert: Familien zerbrechen, Geschäfte schließen, neue Leben beginnen, während alte enden. Es ist ein bewegendes Porträt von Gemeinschaft und Wandel.

    Als Leserin konnte ich mich leicht in Kathleens Erfahrungen hineinversetzen, da ich selbst einmal meine Heimat verlassen musste. Die Themen von Distanz, Zugehörigkeit und die komplexen Gefühle rund um das Konzept von Heimat und Fremde sind gut eingefangen.

    Treffend ist die Wahl des Buchcovers, das erst nach dem Lesen des Buches seine wahre Bedeutung offenbart.

    Ein Zitat aus dem Buch hat sich besonders tief in mein Gedächtnis eingeprägt: "Vielleicht bin ich deshalb am liebsten in der Fremde, weil es dort leichter zu ertragen ist, fremd zu sein, als an einem Ort namens 'Zuhause'." Diese Worte fassen die komplexen Gefühle von Entfremdung und Sehnsucht auf eine eindringliche Weise zusammen.

    Dieses Buch hat mich von Anfang bis Ende gefesselt und immer wieder meine Erinnerungen an meine „alte Heimat“ wachgerufen. Es war ein Genuss, in die Seiten einzutauchen und die Geschichte zu erleben, während sie mich an vergangene Zeiten und Orte erinnerte, die mir viel bedeuten.

  15. Cover des Buches Überm Rauschen (ISBN: 9783423140089)
    Norbert Scheuer

    Überm Rauschen

     (33)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer

    INHALT: Der Mittvierziger Leopold kehrt nach Jahren in seinen Heimatort in der Eifel zurück, ein verschlafenes Nest mit einem Gasthaus, das Leopolds Familie seit Generationen betreibt und das bei Anglern sehr beliebt war. Doch diese Zeiten sind längst vorbei. Sein älterer Bruder Hermann hat sich vor ein paar Tagen in seinem Zimmer eingeschlossen, öffnet die Tür nicht mehr und redet mit niemandem. Offenbar hat er den Verstand verloren. Auch auf Leopolds Bitten ist kein Laut aus dem Zimmer zu vernehmen. Dabei waren die beiden Brüder als Kinder unzertrennlich.

    Leopold nimmt sich Hermanns Angelausrüstung und geht an den Fluss. Das Fischen war für seinen Bruder und seinen Vater mehr als nur ein Hobby. Es war eine feste Konstante in ihrer beider Leben, eine Aufgabe, der sie all ihr Herzblut widmeten. Ihr Vater war besessen davon, den sagenumwobenen Ichtys zu fangen, den Großen Fisch, den noch nie jemand zu Gesicht bekommen hatte, und der für ihn den Inbegriff der Weisheit darstellte. Bei seinen Ausflügen den Fluss entlang kommen in Leopold nach und nach all die Erinnerungen an längst vergangene Zeiten hoch, und mit jedem Fisch am Haken werden es mehr. Es ist, als würde er Erinnerungen angeln, die im Fluss der Zeit verborgen waren. Es gab gute Tage, an die er gern zurückdenkt, aber auch solche, wegen denen er einst, um sie zu vergessen, seine Heimat verließ…

    FORM: Norbert Scheuer (*1951) erzählt seine Geschichte in schnörkelloser, klarer Sprache, die sich sehr leicht lesen lässt. Ganz wie es zu einem Angler passt, verzichtet er auf stilistische Spielereien und versteckt seine Metaphern nicht in kleinen Details, sondern wirft sie dem Großen und Ganzen als Mantel über. Der Fluss als vergehende Zeit; die Fische als Erinnerungen, die es zu fangen gilt; der Ichtys, der seinen Fänger zur Erkenntnis führen könnte, den aber (natürlich) noch keiner am Haken hatte … kurz: Das Angeln als Lebensphilosophie – das ist Scheuers großes Thema, verpackt in unscheinbare Prosa.

    FAZIT: Ich habe das Büchlein sehr genossen, weil es zum Nachdenken anregt über das eigene Leben und die unwiederbringlichen Zeiten. Allerdings fehlt mir für die volle Punktzahl das gewisse Etwas. Die Geschichte ist zu sauber, keine Ecken oder Kanten. Übrig bleiben sehr gute vier Sterne plus eine Leseempfehlungen für Angler mit einem Hang zum Melancholischen.

    *** Diese und viele weitere Rezensionen könnt Ihr in meinem Blog Bookster HRO nachlesen. Ich freue mich über Euren Besuch ***

  16. Cover des Buches Nirgendwo in Afrika (ISBN: 9783453811294)
    Stefanie Zweig

    Nirgendwo in Afrika

     (120)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer

    Inhaltsangabe:

    Walter Redlich, Jurist, wandert Ende 1937 von Deutschland nach Kenia aus, um sich und seine Familie vor den Nazis zu schützen, denn er und seine Frau Jettel sind jüdischer Abstammung, ebenso ihre kleine Tochter Regina.

    Walter findet eine Anstellung auf einer Farm, kann kaum ein Wort englisch und kann mit Hilfe der anderen jüdischen Emigranten ein einfaches Leben fristen. Jettel, in Leobschütz eine kleine Lebedame und nur Dienstboten gewohnt, findet sich nur schwer in dem Leben in Kenia zurecht, während Regina von ihrem neuen Leben auf der Farm begeistert ist. Sie baut Freunschaften zu den Einheimischen Schwarzen auf und lernt ihre Sichtweise kennen.

    Doch immer wieder holt sie die Vergangenheit ein. Als der Krieg in Europa ausbricht, beginnt eine neue bange Zeit. Nur schwer findet sich Walter damit ab, das er ein Refugee ist, ein Ausgestoßener. Er fühlt sich ohne Heimat leer und ausgebrannt und kann seine Trauer kaum überwinden. Regina wird auf eine teure Schule geschickt und sie lernt auf ihre Art und Weise, mit den Problemen zu Hause fertig zu werden.

    Als der Krieg jedoch vorbei ist, beginnt für Walter erneut die Zeit des Aufbruchs. Denn obwohl viele von ihren Freunden und Bekannten den Krieg nicht überlebt haben, möchte er nach Deutschland zurück.

    Mein Fazit:

    Ich habe mich mit diesem Roman sehr schwer getan. Es ist mein erster Afrika-Roman und ich bin mir nicht sicher, ob ich wieder einen lesen werde. Der Klappentext klang ganz vielversprechend und mit einer gewissen Erwartungshaltung habe ich dann begonnen zu lesen.

    Der Schreibstil ist sehr ungewöhnlich. Ich kam damit fast nicht zurecht, tat mich schwer mit den Erzählungen. An einigen Stellen habe ich den Sinn des Satzes auch nicht verstanden. Zwei oder drei kleine Handlungs-Stränge sind nicht abgeschlossen worden und nach meinem Geschmack wurden manchen Personen, die nur kurz auftauchten, zuviel Bedeutung beigemessen.

    Mir persönlich war es zu wenig Erzählungen von Afrika. Mir fehlten die Bilder der Landschaft, die ich beim Lesen glaubte sehen zu können. Erst im letzten drittel kam es so ein bißchen hervor und auch die Handlung wurde lebhafter und interessanter.

    Ein Buch, dem ich nicht soviel abgewinnen kann, aber auf die Verfilmung wäre ich doch sehr neugierig!

    Anmerkung: Die Rezension stammt aus Januar 2009.

  17. Cover des Buches Der Stern, auf dem wir leben (ISBN: 9783498096809)
  18. Cover des Buches Lazarus (ISBN: 9783442741472)
    Aleksandar Hemon

    Lazarus

     (7)
    Aktuelle Rezension von: Hallogen
    Es beginnt ungemein spannend mit einem Mordfall, der dem Opfer untergeschoben wird, weil der Täter der Polizeipräsident von Chicago ist, wohingegen das Opfer dem anarchistischen Umfeld (1908) zugerechnet wird. In ständigem Wechsel zwischen der Weitererzählung der Vorgänge nach dieser Tat (mit der Schwester des Opfers als Hauptfigur) und der Recherche derselben im Jahr 2004 (mit dem Schriftsteller Vladimir Brik und dessen Freund Rora), entsteht ein Geflecht, in dem die historischen Parallelen etwas übertrieben werden, und vieles im Stil von Andric 'Brücke über die Drina' (gleiche Namen und Vorgänge zu verschiedenen Zeiten zum Beispiel) ausgeführt wird. Für Brik wird dies eine Reise in die Vergangenheit seiner Familie. Grundkonzept: Pogrome sind immer möglich, selbst im Amerika (z. B. nach 9/11) denkbar und Geschichte wiederholt sich. Leider verliert das Buch aber über diese Konzentration auf historische Parallelen den Faden und wird zu einem klischeehaften Panoptikum Osteuropas, das nur jemand schreiben kann, der amerikanisch geprägt ist: Kleinkriminelle, Menschenschmuggel, Schlägereien, Morde in Straßencafés und ähnliche Extremfälle werden hier zum Standard erhoben. Egal ob in der Ukraine, Rumänien, Moldawien oder Bosnien: Überall herrscht die Gewalt. Nun ist das Buch weit davon entfernt schlecht zu sein. Es kommt nur völlig aus der Spur und wird eher zu einer Art Roadmovie quer durch Ost-/Südosteuropa. Gefallen haben mir nicht nur die Fantasien von Rora, de oft völlig übertrieben Ereignisse des Bosnienkriegs darstellen, und die bosnischen Witze, sondern auch die (seltenen) zarteren Momente auf dem jüdischen Friedhof in Moldawiens Hauptstadt und im Krankenhaus in Sarajevo. Völlig überflüssig fand ich Aufzählungen und detailverliebte Szenenbeschreibungen, die mit dem Fortgang nichts zu tun haben. Wohlwollend könnte man dem Autor unterstellen, dass er gerade mit der Darstellung der Tristesse der osteuropäischen Metropolen zeigen will, dass diese einstigen Zentren jüdischen Lebens durch die Pogrome ihren einst lebendigen Charakter verloren haben. Das wäre dann aber schon ziemlich aufwertend für das Buch, denn gesagt wird das nicht, sondern die Städte erscheinen nur als Schlaglichter, wohingegen die Fahrten in Bus und Taxi ausgiebig beschrieben werden. Ein gutes Buch, aber kein sehr gutes.
  19. Cover des Buches Ohrfeige (ISBN: 9783442714902)
    Abbas Khider

    Ohrfeige

     (88)
    Aktuelle Rezension von: Tokall

    Von Abbas Khider kenne ich den Roman „Der Erinnerungsfälscher“, der mir sehr gut gefallen hat. Und der Roman „Ohrfeige“ kann durchaus mit diesem Werk mithalten und als eine Art Ergänzung dazu gelesen werden, allerdings ist der Erzählton etwas drastischer und deutlich schonungsloser, darauf muss man im Vorfeld gefasst sein. Und anders als in dem Roman „Der Erinnerungsfälscher“ geht es weniger um die Erinnerungen eines irakischen Flüchtlings an sein Heimatland, sondern mehr um die Beschreibung der schweren Anfangszeit in der neuen Heimat. Die Handlung spielt um die Jahrtausendwende herum.

    Karim Mensy ist die Hauptfigur in diesem Roman und durch ihn erhalten wir als Leser einen Einblick in die „Parallelgesellschaft“. Er informiert uns darüber, wie man einen Schlepper oder Schwarzarbeit findet, wie die Heiratsvermittlung in der Fremde abläuft oder wie man Geld in ein instabiles Land wie dem Irak transferiert. Er beschreibt eindringlich, was für Polizeischikanen er erlebt hat und welchen immer gleichen Vorurteilen er als irakischer Flüchtling in Gesprächen mit Einheimischen begegnet ist. Mit schonungsloser Offenheit berichtet uns Karim, dass er immer wieder auf Leute trifft, die aus der Not eines Flüchtlings Profit schlagen. Und wir leiden mit ihm mit, als er durch den Widerruf seines Asylantrags einen Schock erlebt. Er fühlt sich ohnmächtig, als ihm die Aufenthaltserlaubnis entzogen wird, er weiß nicht, was er tun soll, und als Leser empfindet man Mitgefühl. Mit sehr viel Ehrlichkeit beschreibt Karim darüber hinaus im Rückblick, wie er in Deutschland ankommt, verhaftet wird, eine erniedrigende Behandlung über sich ergehen lassen muss und wie sich sein Leben im Asylheim gestaltet, wo er keiner sinnvollen Beschäftigung nachgehen kann, wo er von Mitbewohnern eine Anleitung dafür erhält, wie man richtig Asyl beantragt, und wo er mit Kriminalität, Prostitution sowie mit anderen menschlichen Abgründen in Berührung kommt. Wir erfahren auch, warum Karim sein Heimatland verlassen hat und verstehen auf diese Weise, wie intolerant die Gesellschaft war, in der Karim zuvor lebte. Der Autor macht am Beispiel von Karim gut nachvollziehbar deutlich, welcher psychische Druck auf Flüchtlingen lastet, weil sie sich bürokratisch schwer verständlichen Verfahren zur Asylbeantragung ausgeliefert fühlen. Folge davon ist ein konfliktreicher Alltag im Asylheim. Der Umgangston in dieser Umgebung ist barsch und direkt. Erschwerend kommt hinzu, dass Karim außer zu einigen wenigen Mitarbeitern der Caritas keinen Kontakt zu Einheimischen pflegen kann, was das Erlernen der fremden Sprache enorm erschwert. Dennoch kämpft er sich durch, lässt sich trotz aller widrigen Umstände nicht unterkriegen. Er nimmt einen Integrationsjob als Müllsortierer an, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch und wohnt, weil er keine eigene Mietwohnung findet, in einem Obdachlosenheim, als er vorübergehend Asyl und eine Aufenthaltsgenehmigung erhält. Auch die Auswirkungen der Ereignisse des 11. September 2001 auf sein persönliches Leben schildert Karim. Plötzlich wird er argwöhnisch beäugt und fühlt sich unter Generalverdacht, sogar ein Verhör muss er über sich ergehen lassen. Dabei wird auch einmal eine andere Sichtweise auf den Irakkrieg deutlich, und zwar die Sicht von jemandem, der Familie in Bagdad hat. Mit Betroffenheit liest man Passagen, in denen Karim von einem Freund berichtet, der aufgrund der politischen Ereignisse durchdreht, Wahnvorstellungen entwickelt und in die Psychiatrie eingewiesen wird. Stellenweise erzählt Karim auch von skurrilen Figuren und Begebenheiten, dann wird der Erzählton auch einmal ironisch und bissig-humorvoll, sonst empfand ich ihn meist als sehr eindringlich.

    Die Gefühle Wut und Verzweiflung sind bei Karim allgegenwärtig, was auch die Rahmenhandlung erklärt. So gibt sich Karim der Gewaltfantasie hin, sich an einer Sachbearbeiterin zu rächen, die ihm stets ohne Verständnis begegnet ist. Das fand ich ehrlich gesagt schon grenzwertig in der Darstellung, es verleiht den Emotionen von Karim aber auch eine gewisse Drastik. Auch hätte ich mir etwas mehr Differenziertheit bei der Darstellung der Aufnahmegesellschaft gewünscht, v.a. was die deutsche Polizei betrifft. Was ich aber an diesem Werk schätze ist die schonungslose Offenheit und Ehrlichkeit, es wird nichts schön geredet. Wohl kaum jemand traut sich so offen über den Alltag in einem Asylheim zu sprechen wie Karim. Und wie schon bei dem Roman „Der Erinnerungsfälscher“, wo die Hauptfigur Said im Mittelpunkt stand, kann das Schicksal von Karim ebenfalls exemplarisch für das anderer Flüchtling in Deutschland stehen. Das macht auch diesen Roman für mich so interessant. Man erhält einen Einblick in die Lebenswelt und in die Erfahrungen eines Flüchtlings aus dem Irak, und das aus der Feder eines Autors, der ebenfalls eine Fluchtgeschichte erlebt hat. Einige biographische Überschneidungen zwischen der fiktiven Figur Karim und Abbas Khider gibt es nämlich (wie schon bei „Der Erinnerungsfälscher“). Und hier stellt sich schon die Frage, wie autobiographisch geprägt auch das Buch „Ohrfeige“ eigentlich ist. Das kann nur der Autor beantworten. Auf jeden Fall leistet der Roman einen Beitrag dazu, Empathie gegenüber Flüchtlingen entwickeln und beibehalten zu können.

     

    Fazit: Ich wiederhole das, was ich schon bei „Der Erinnerungsfälscher“ geschrieben habe. Ein Roman, der dem Leser/ der Leserin einen interessanten Einblick in die Biographie und in die Gefühls- sowie Erlebniswelt eines irakischen Flüchtlings gibt, der zum Nachdenken anregen kann und der einen Beitrag dazu leistet, Empathie gegenüber Flüchtlingen zu entwickeln bzw. beizubehalten. Vom Erzählton deutlich drastischer als „Der Erinnerungsfälscher“.

  20. Cover des Buches Der Fluch - Bachmann ist King - Stephen King ist Bachmann (ISBN: B00HP33SDQ)
    Richard Bachmann

    Der Fluch - Bachmann ist King - Stephen King ist Bachmann

     (87)
    Aktuelle Rezension von: Yps

    Ich habe das Buch das erste Mal in den 90ern gelesen und als offensichtliche Horror-Parodie der amerikanischen Fressucht und Diätmanie in Erinnerung behalten. Als ich es jetzt nochmals gelesen habe, hat es mich immer noch mit Unterhaltung und Spannung mitgerissen. Mir hat sich aber auch eine ganz andere Interpretationsmöglichkeit aufgedrängt die mir bisher entgangen war. Mal sehen ob Ihr selbst darauf kommt. Das Buch von 1984 spielt in Reagans Amerika und der Protagonist ist ein übergewichtiger Durchschnitttsmann. Als seine Frau ihm beim Autofahren einen bläst baut er einen tödlichen Unfall. Er überfährt die Frau eines Zigeuners (damals sagte man das noch so) der ihn daraufhin verflucht. Dieser Vertreter einer diskriminierten Minderheit hat nicht nur den bösen Blick sondern auch noch eine von Krankheit zerfressene Nase (Freud lässt grüßen). Er rächt sich am weißen Mann mit diesen tödlichen Flüchen: Der fette Kerl soll immer weiter abnehmen. Der Polizist soll von Pusteln übersät werden. Der Richter soll eine schuppige Echsenhaut bekommen. Alles in allem haben wir also einen kranken Mann der andere Männer mit Krankheiten sozusagen ansteckt, deren Symptome Gewichtsverlust und Hautveränderungen sind. Die Opfer werden durch ihr Leiden irre, verlassen ihre Familie, werden zu Ausgestoßenen der Gesellschaft oder begehen gleich Selbstmord. Ist so etwas damals nicht wirklich passiert? Ein Beispiel dafür dass Kings Werke nicht so trivial sind wie sie auf den ersten Blick oft scheinen.

  21. Cover des Buches Das Mädchen vom Goldenen Horn (ISBN: 9783949550027)
    Kurban Said

    Das Mädchen vom Goldenen Horn

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Schmiesen
    Inhalt:  
    Nach dem Sturz der osmanischen Regierung sind etliche ehemalige Würdenträger gezwungen, ihre Heimat Türkei zu verlassen und vor dem neuen Regime zu fliehen. Unter ihnen auch Achmed- 
    Pascha Anbari, einst 38. Ehrenmann im Gefolge des Königs, nun verarmter, teppichhandelnder "Wilder" in Berlin. Mit ihm wurde auch seine schöne Tochter Asiadeh, die einem osmanischen Prinzen versprochen war, ins Exil getrieben. Im Studium altturkischer Sprachen an der HU Berlin versucht sie, die Verbindung zu ihrer Heimat und zu ihren Ahnen zu halten. Eines Tages trifft sie dann den österreichischen Arzt Dr. Hassa und bald darauf heiraten die beiden. Doch auch der vetriebene osmanische Prinz erhebt Anspruch auf seine Versprochene, und so findet sich Asiadeh zwischen Orient und Okzident und der Liebe zu zwei Männern. 
     
    Meine Meinung: 
    Ein Buch aus den 30er Jahren, das aktueller nicht sein könnte. Und dann auch noch verfasst von einem Autor, dessen Identität bis heute nicht abschließend geklärt werden konnte. Allein schon diese Prämissen (und meine Liebe zu "Ali und Nino") ließen mich diesen Roman mit großer Freude angehen. 
     
    Die großen Themen dieser Geschichte sind Heimat und Heimatlosigkeit. Vertriebene aller Art finden sich in Berlin wieder und versuchen auf unterschiedlichste Art, ihr heimatloses Leben zu meistern. Asiadeh sucht die Brücke vom Westen in den Osten im Studium der Sprachen ihrer Ahnen. Sie ist eine bemühte Philologiestudentin, die durch ihre blonden Haare und grauen Augen so gar nicht orientalisch wirkt. 
     
    Als sie den Arzt Dr. Hassa ehelicht, der eigentlich Hassanovic heißt und aus dem muslimischen Sarajevo stammt, eröffnet sich für sie endgültig die Kluft zwischen ihrer orientalischen Heimat und der okzidentalen Fremde, in der sie versucht, sich heimisch zu fühlen. Nackte Schultern, Frauen, die immer wieder neue Männer haben, Männer, die die Ehre ihrer Frauen nicht verteidigen. All das ist ihr fremd, und auch ihr Ehemann muss ihr fremd bleiben. "Herr und Gebieter" oder "Hassa" nennt sie ihn. Sie nennt sich seine Sklavin, ewig ergeben solange er sie nicht verstößt. Ihre türkischen Haremsvorstellungen einer Ehe bringt sie in diese Beziehung mit, wird dadurch zur Vorzeigeehefrau und gleichzeitig als "Wilde" belächelt. 
     
    Als dann eines Tages der verschollen geglaubte osmanische Prinz wieder in ihr Leben tritt, sieht sie sich mit der Heimat konfrontiert. Der Prinz hat zwar einen amerikanischen Namen und trinkt zu viel Alkohol, doch er ist ein Mann, der die Ehre der Frau auch mit Gewalt verteidigt und sie für sich einfordert. Diese Welt ist Asiadeh bekannt, sie sehnt sich nach ihr und will nicht länger mit einem "Fremden" leben. Doch sie ist zu stolz, zu ehrlich und zu treu um Hassa einfach den Rücken zu kehren. Und am Ende ist doch sie es, die allen Beteiligten zu ihrem ganz persönlichen Glück verhilft. 
     
    Die beiden scheinbar unverträglichen Seiten Orient und Okzident werden in diesem Roman so differenziert und ungeschönt dargestellt, dass der Leser nicht wagt, auch nur im Geringsten über eine der Personen zu urteilen. Zwar werden fremde Gebräuche, vielleicht sogar barbarisch anmutende Traditionen geschildert, doch es prallen hier Welten aufeinander, die kein Urteil erlauben und in ihrer Unterschiedlichkeit zu akzeptieren sind. Und so werden die heimatlosen, vertriebenen Türken zu wahrhaftigen Menschen, die uns vor Augen führen, dass keine Welt gut oder schlecht, richtig oder falsch sein kann: "Es war keine schlechte Welt, die sich hier ausbreitete, es gab vielleicht überhaupt keine guten und keine schlechten Welten. Jede Welt konnte ihre Menschen glücklich machen." Alles, wonach sich die Menschen in allen Welten sehnen, ist ein Gefühl der Heimat und Verbundenheit; das gilt für Hassa und Marion genauso wie für Asiadeh und den Prinzen. Und wahrscheinlich ebenso für jeden von uns. 

    Fazit:
    Ein überwältigendes Buch, das jeden Einzelnen die Dinge in seinem Leben überdenken lässt, die er für selbstverständlich hält. Ich wünsche dieser Geschichte viele Leser und vor allem viele Zuhörer, die erkennen, was sie uns geben kann.
  22. Cover des Buches Der Berg, der nie bestiegen wurde (ISBN: 9783957801302)
    Gabor Laczko

    Der Berg, der nie bestiegen wurde

     (19)
    Aktuelle Rezension von: ramona_liest

    Béla muss bereits als Kind viel durchmachen und die Unbeständigkeit und Ruhelosigkeit, die er zu dieser Zeit erlebt, begleitet ihn durch sein Leben als Erwachsener. Allzu oft scheint er weltfremd, aber er versucht immer das Richtige zu tun, denn sobald er nicht mehr hinter seiner Überzeugung steht, trifft er eine Entscheidung die alles verändert. Mir persönlich war die Lektüre zeitweise etwas zu düster...

  23. Cover des Buches Heimflug (ISBN: 9783716027097)
    Brittani Sonnenberg

    Heimflug

     (38)
    Aktuelle Rezension von: rallus
    Heimat ist für jeden ein anderer Begriff, ein anderes Gefühl. Ich bin seit Jahrzehnten in immerwährender Diskussion mit mir und anderen, was dieser Begriff nun darstellt.  Nun zuallererst ist für viele Heimat da, wo man aufgewachsen ist. Kindergarten, Schule der erste Kuss, das ’sich-finden‘, sich und andere entdecken. Einfach das Gefühl von Nähe, sich heimisch fühlen. „There is no place like home“, sagte schon Dorothy nach ihren aufregenden bunten Erlebnissen im Zauberer von Oz.

    Für manche bedeutet einfach nur das Kuscheltier in der Hand das Gefühl von Heimat. Ein geliebter Mensch, nahe bei einem, ist Heimat. Home is where your heart is. Und das Herz schlägt in einem selbst und genau da sollte sich jeder am meisten zu Hause fühlen. In sich.

    Doch der Weg dorthin ist sehr lang und dornenreich und so mancher findet seinen Frieden nicht mit sich und der Welt. Brittani Sonneberg hat mit dem vorliegenden Buch über in der Fremde aufwachsen, ein interessantes Thema angeschnitten. Ihr autobiografisches Buch, beschreibt die Nomaden der Moderne. Die Kinder von Eltern, die wegen ihres Arbeitsplatzes viel umziehen. Und zwar nicht nur in den Nachbarort, nein auch gleich auf einen anderen Kontinent, in eine andere Kultur.

    Kann man sich in der Fremde wohl, sich heimisch fühlen? Heimflug (Im englischen Original besser ‚Home Leave‘) beschreibt das Aufwachsen auf verschiedenen Kontinenten, die Vorteile die daraus erwachsen, aber auch dieses ständige Gefühl, nirgendwo so richtig dazu zu gehören. Das Buch ist in verschiedene Kapitel aufgeteilt, die Räume dazwischen umfassen meist Jahre. Eingefügt sind Sitzungen bei einem Familientherapeuten in drehbuchartiger Form. Durch diese Form wirkt das Buch etwas zerrissen, im Nachhinein habe ich erfahren, dass die Autorin die einzelnen Stücke nachträglich zu einem Buch zusammengefügt hat. Das macht das Lesen etwas schwierig, die Befindlichkeiten der Personen und ihre Gefühle werden aber sehr gut erfasst und dem Leser näher gebracht.

    Chris und Elise lernen sich in den Staaten kennen und heiraten. Beide möchten flüchten, vor den provinziellen Südstaaten und vor den eigenen Ängsten. Chris nimmt eine Arbeit bei einem internationalen Konzern an, der ihn quer durch die Welt führt. Deutschland, England, China oder Singapur sind die Stationen. Elise und die zwei Töchter Leah und Sophie ziehen mit ihm. Die Kulturen, Länder und Menschen ändern sich, aber die Familie, der Kern bleibt gleich. Manches Mal ist der Besuch bei den Großeltern angesagt.

    „Jedes Jahr Mitte Juni verlassen die expatriierten Frauen und Kinder von Shanghai das Land, als wäre es die rasch sinkende Titanic. Ihre Koffer stopfen sie mit Geschenken für die Angehörigen in der Heimat voll: Billigstfächer vom Straßenmarkt, sodass ihre Kleidung köstlich nach Sandelholz riecht, Pandabären aus Plüsch, knallbunte Essstäbchen für Verwandte, die ausschließlich Messer und Gabel gebrauchen und Kalender, die ‚Chinas Ehrfurchtsame Beste Klassik-Tourist-Attraktionen‘ präsentieren.“

    Ist dies nun ein Heimaturlaub oder wo ist Heimat bei den Kindern der Familie? Chris der in seiner Arbeit aufgeht, hat anscheinend seine Heimat gefunden, aber die Familie leidet doch unter den verschiedenen Wohnorten.

    „Bei Elise, Sophie und Leah löst der Heimaturlaub ein Gefühl aus, als versuchten sie mit einem Videorekorder zwei Filme zu sehen. Knapp nach der Hälfte des ersten Films werfen sie die Kassette aus und legen die zweite ein, sehen eine Weile zu und kehren dann zur ersten zurück, mitten in die Szene, die sie zuletzt angehalten haben. Diese Vorgehensweise biete den Vorteil, dass man zwei Filme nahezu gleichzeitig sehen kann. Allerdings spricht die gestückelte Anmutung gegen ein solches Filmerlebnis, ganz abgesehen davon, wie lästig es ist, sich immer wieder vom Sofa erheben zu müssen.“

    So richtig sind die Kinder nicht zu Hause, nicht im Wohnort, aber auch nicht im Heimaturlaub bei den Großeltern. Und so erwächst aus der Erfahrung der Wurzellosigkeit eine Sehnsucht nach Normalität. Freundschaften mit gleichaltrigen Nomaden-Kinder scheitern meist an der Unverbindlichkeit, die ein solches Leben nach sich zieht. Es muss viel mehr Kraft für die Bindung aufgebracht werden, die in dem Alter naturgemäß nicht vorhanden ist. In den verschiedenen Filmen verlaufen die Leben ganz anders.

    „Im amerikanischen Film haben Leahs alte Freunde alle ihren Führerschein gemacht, während sie noch kein einziges Mal hinter dem Steuer saß. Im chinesischen Film kann Leah allein durch Shanghai bummeln, beim Kauf von Orangen auf Mandarin feilschen und differenziert schildern, wie ihre Freunde die kulturellen Zwänge empfinden, je nachdem, ob es sich um brasilianische Katholiken oder koreanische Protestanten handelt. Das Einzige, was beide Filme gemeinsam haben, sind Leah, Sophie und Elise – und bis zu einem gewissen Grad auch Chris.“

    Doch an das Leben gewöhnen sich die Kinder, es entsteht eine Art Fernweh.

    Bei unserer Rückkehr in die Staaten sind wir fünf Kilo leichter, von Bettwanzen zerstochen und befremdlich still, weil wir so viele Wochen lang mit niemandem gesprochen haben. Unsere Rucksäcke riechen nach grünem Tee/Bushaltestellen/Meer. Und als wir unsere Sachen im strahlend sauberen Heim unserer Eltern in die Waschmaschine schmeißen, erkennen wir: Wir sehnen uns bereits zurück, sehnen uns danach, wieder fremd zu sein.“

    Sehnt man sich immer nach dem was man nicht hat? Wie verhält man sich in der Pubertät? Wie verarbeitet jeder seine Kindheit? Was bedeutet diese Unrast für spätere Bindungen? In dem Buch gibt Brittani Sonnenberg keine Antworten, sie beschreibt in ihren kurzen Skizzen sehr empathisch die Gefühle und Verwirrtheit der Charaktere. Durch einen Schicksalsschlag wird das Gefüge der Familie noch einmal durcheinander gerüttelt. Die Psychiater Sequenzen, in Dialogform geführt, fand ich persönlich die interessantesten Stellen im Buch, eine quasi Zusammenfassung der verschiedenen Gemütslagen der Familienmitglieder. Doch Wünsche, Träume, Sehnsüchte können im späteren Leben immer noch umgesetzt werden. Das liegt dann an jedem selber, wie er die Erlebnisse der Kindheit umsetzt. Für Sophie ist der Wunsch eindeutig:

    „Natürlich wollte ich mich binden – allerdings eher in geographischer als in romantischer Hinsicht. Einfacher gesagt, wollte ich schlicht an Ort und Stelle bleiben.“

    Durch die springende Erzählweise wird dem Leser einiges aufgeladen. Zeitsprünge, Kapitel von jeweils einer anderen Person erzählt, ergeben kein homogenes Bild. Doch das was beschrieben wird, ist in sich auch zerrissen und zerfahren. Ein Buch auf das man sich einlassen muss, das mich aber mit seiner verträumten und literarischen Art positiv eingefangen hat.

  24. Cover des Buches Die Sammlerin der Seelen (ISBN: 9783351025625)
    Irena Brezná

    Die Sammlerin der Seelen

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Liisa
    Die Sammlerin der Seelen ist die neueste Veröffentlichung von Irena Brezžná und versammelt Reportagen, Essays und persönliche Reflektionen, die sie auf ihren Reisen geschrieben hat. Diese Reisen haben sie in Ecken Europas geführt, die für die meisten nicht im unmittelbaren Blickfeld liegen. Sie ist auf der Spur der Vertriebenen, der Heimatlosen, der von Kriegen Betroffenen und versucht ihnen und ihrem Erleben nachzuspüren und die Fragen und Probleme, die sie umtreiben ihren Lesern nahezubringen. Ein abwechslungsreiches Kaleidoskop tut sich für den Leser auf in eine Welt, die gar nicht so weit von uns entfernt ist und doch so fremd erscheint. Mit ihr an seiner Seite besucht der Leser das Kosovo, die Siebenbürger in Transsilvanien, die Slowakei, die Goralen in Polen, Moldavien und Transnistrien, weibliche Gefangene im russischen Gulag und schließlich auch das vom Krieg verwüstete Tschetschenien. Ein nachdenkliches Buch von einer die beobachtet, Fragen aufwirft und sich mit vorschnellen Antworten zurückhält, vielleicht, weil sie selbst ihre Heimat mit 18 Jahren verlor und seitdem eine Wanderin auf der Suche nach dem, was Heimat ist und als eine Art Chronistin der Schicksale aller Heimatlosen geworden ist. Ein Buch, das wichtig ist, gerade heute, wo trotz aller Medien, diese Ecken Europas selten im Blick sind oder schnell wieder aus dem Scheinwerferlicht der Kameras verschwinden, die uns häufig eher oberflächliche Einblicke gewähren.

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