Bücher mit dem Tag "herta müller"

Hier findest du alle Bücher, die LovelyBooks-Leser*innen mit dem Tag "herta müller" gekennzeichnet haben.

12 Bücher

  1. Cover des Buches Atemschaukel (ISBN: 9783596512034)
    Herta Müller

    Atemschaukel

     (282)
    Aktuelle Rezension von: Ava_lon

    Inhalt

    Rumänien, Januar 1945. »Es war 3 Uhr in der Nacht, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15° C.« So beginnt der erschütternde Bericht eines jungen Mannes, der in ein russisches Straflager verschleppt wird – so wie 60000 andere Rumäniendeutsche, von deren Schicksal Herta Müller in diesem ungeheuren Buch erzählt. In Gesprächen mit dem verstorbenen Dichter Oskar Pastior und anderen Überlebenden der Lager hat sie den Stoff gesammelt – und zu überwältigender Literatur geformt.

     

    Cover

    Das Cover gefällt mir überhaupt nicht, ich mag nicht so gerne Fotografien von Menschen und ich mag keine Bilder mit Zigaretten. Auch wenn es den Zeitgeist spiegelt, so sind diese Fotos nicht mein Geschmack.

    Ein Wort vorneweg

    Meine Rezensionen können sowohl Spoiler enthalten als auch Analysen und Bewertungen, wobei der Schwerpunkt auf meinen persönlichen Eindrücken liegt.

    Mein Eindruck

    Ich bin völlig frei von irgendwelchen Vorabinformationen an dieses Buch herangegangen und habe es im Rahmen ein selbst organisierten Leserunde gelesen. Nur den Klappentext kannte ich und konnte mir so ungefähr vorstellen, dass es inhaltlich betrachtet kein leichtes Thema ist. Es ist auch schon sehr lange her, dass ich mich mit den Schattenseiten des zweiten Weltkrieges auseinandergesetzt habe. Und jetzt war dieser Zeitpunkt gekommen und schon die ersten 50 Seiten trugen sehr viel Tiefe in sich. Jeder Abschnitt steht als Synonym für Aspekte des Lebens, zum Beispiel den Deckel für den Topf, um etwas zu verschließen, Gefühle in sich verbergen und einschließen, um nicht emotional zu zerbrechen. Der Zement der an einem klebt oder sich verflüchtigt spiegelt auch sehr gut die Hoffnung und so gab es eine Reihe von Sätzen, die mich von Beginn an nachdenklich zurückgelassen haben.

    Auch die vielen Wort Kreationen wie zum Beispiel Schneeverrat und Hungerengel

    verbinden die Schönheit und das Grauen miteinander. Schnee ist schön, weiß und sanft, kühl und still - allerdings auch ein Verräter, denn er zeigt die Spuren im Schnee, die jemand hinterlassen hat und die dann direkt zum Versteck führen, um der Deportation zu entgehen.

    Hunger ist grausam und ein Horror, wenn der Magen und der Darm grollen und wahrlich kein Engel, der Frieden verspricht.

    Viele Sätze erweisen sich als eine philosophische Wort Spielerei, wie zum Beispiel das schlichte Kofferpacken, wenn jemand noch nie einen Koffer gepackt hat. Was nehme ich mit? Wenn das Falsche zum Notwendigen wird und das Notwendige dann das Richtige ist, zeigt in diesem Zusammenhang immer wieder deutlich wie schnell etwas Ungewöhnliches zu etwas Normalem wird. Und all diese Feinheiten begleiten auf einer Reise, einer Reise die noch ohne Inhalt ist, sich entwickelt und letztlich vielleicht auch wieder zur Rückkehr führen wird. 

    Als LeserIn lernen wir die Geschichten von den Lagerinsassen kennen und die grausamen Erfahrungen jedes Einzelnen nehmen kein Ende.

    Es gibt zahlreiche Sätze und Worte, die mich zutiefst berührt haben und den Taumel zwischen Leben wollen / müssen und Sterben können / sollen aufzeigen.

    Auch das Wort Herzschaufel - eins werden mit seinem Arbeitsgerät, miteinander verschmelzen. Perfektion, Optimierung: die Arbeit ist ein gemeinsamer Tanz - ist eine grausame Vorstellung und zeitgleich steckt darin so viel Poesie. Hungrig und Hoffnungslos gilt es trotzdem den Lebenskampf aufrecht zu erhalten und die Arbeit mit einem geschwächten Körper zu bewältigen.

    Jedes Thema prägt den Lageralltag auf seine besondere Art und daran halten sich alle Lagerinsassen fest. Eine Haltestange aus Erinnerungen, Erzählungen und Beobachtungen.

    Es ist mehr als beeindruckend mit welcher Sprache die Autorin die Gewalt aus den Beschreibungen herausgelöst hat und ein Gefühl von Verstehen auf den Weg gibt. Sie beschönigt nicht und sie verurteilt nicht. 

    Auch wenn die Autorin ihre Worte gut wählt, so wird die bedrückende Situation im Lager mit jedem Abschnitt deutlicher und betrifft auch mich als LeserIn - eine Grenze des zumutbaren wird erreicht. Und trotzdem lesen sich die Zeilen gut, sie treffen den Kern in unserem Inneren und ein langsames Verstehen breitet sich aus. Ich fühle mich verbunden mit den Menschen im Lager.

    Fazit

    Ein tolles Buch, welches ich trotz der Thematik gerne gelesen habe. Es wiegt im Herzen leicht und schwer. Es vermittelt mir ein Bild über die damaligen Geschehnisse und über die Sprachlosigkeit der Rückkehrer. Auch mein Großvater, der im ersten Weltkrieg auf den Schlachtfeldern von Verdun war, hat anschließend geschwiegen. Er hat seine Erlebnisse tief in sich vergraben, um uns Kinder / Enkelkinder vor grausamen Gedanken zu schützen, damit wir die Leichtigkeit des Lebens beibehalten können..

     

    230422

  2. Cover des Buches Reisende auf einem Bein (ISBN: 9783596511570)
    Herta Müller

    Reisende auf einem Bein

     (19)
    Aktuelle Rezension von: kristinaliest

    In "Reisende auf einem Bein" von Herta Müller geht es um Irene, die nach ihrer Ausreise aus Rumänien ein neues Leben in Westberlin beginnen möchte.

    Innerlich ist sie weder ganz abgereist, noch ist sie endgültig im neuen Land angekommen. Sie hat die alte Heimat verloren und keine neue gewonnen. Im neuen Land tragen die Dinge Namen,
    die nicht zu ihnen passen, zersplittert die Welt in unzählige Detailbeobachten, die sie orientierungslos und handlungsunfähig zurücklassen.
    Einsam durchstreift Irene Bahnhofslandschaften und Durchgangsorte, auch in ihren Beziehungen mit Männern bleibt sie innerlich allein.

    Ich weiß gerade gar nicht, wie ich meine Meinung zu dem Buch zusammen fassen kann. Das Buch hat mich richtig verwirrt. An sich klingt die Geschichte richtig interessant, aber durch die verwirrenden Sätze bin ich damit überhaupt nicht klar gekommen.
    Hätte ich das Buch nicht in der Leserunde gelesen, dann hätte ich es höchstwahrscheinlich abgebrochen. Obwohl das Buch nicht dick ist, hat es sich gezogen und am Ende war ich noch verwirrter als am Anfang des Buches.

  3. Cover des Buches Herztier (ISBN: 9783596511532)
    Herta Müller

    Herztier

     (62)
    Aktuelle Rezension von: Buecherwuermer

    Im Grunde ist über Herta Müller alles gesagt und geschrieben. Für mich gibt es keine Dichterin, keinen Dichter, die oder der sich auf diese einzigartige literarische Weise mit dem Totalitären gerade im sozialistischen Rumänien auseinandergesetzt hat. Und obgleich das stets wiederkehrende, stets quälende Thema im Gesamtwerk der Müller das Lesen oft zum Kraftakt werden lässt, schafft es die Dichterin durch ihre einzigartige Sprachkunst, dass die Lektüre immer wieder ein Genuss ist. Dies gilt vor allem auch für den Roman "Herztier", den ich sicher noch einmal lesen werde. 

  4. Cover des Buches Vater telefoniert mit den Fliegen (ISBN: 9783596198269)
    Herta Müller

    Vater telefoniert mit den Fliegen

     (12)
    Aktuelle Rezension von: katzenminze
    Schon seit ich zum ersten mal auf eine von Herta Müllers Collagen gestoßen bin, bin ich ganz verliebt in sie! Aus aus Zeitungen und Zeitschriften ausgeschnittenen Wörtern setzt Müller eine ganz neue Welt zusammen. Es ist erstaunlich, wie sehr mir die abstrakten Texte teilweise ans Herz gehen. Und es ist erstaunlich mit wie viel Kreativität hier Geschichten erfunden werden, die trotz ihrer Kürze intensiv und rund zugleich sind.

    Draußen an der leeren Fahnenstange hört man zum Glück nicht mehr die Eisenringe singen, vielleicht trauen sich jetzt die Kraniche zurück
    Seite 20

    Ein bisschen schwierig ist es manchmal, dass es keine Satzzeichen gibt. Andererseits macht das auch viel vom Charme aus. Müller spielt damit, dass das Ende eines Satzes zugleich der Anfang des nächsten sein kann. Das ergibt ein sehr interessantes Spiel mit der Sprache. Besonders beeindruckt es mich, dass die Geschichten oft auch optisch eine Einheit bilden. Mal dominiert Grün, mal Blau, mal mehr farbige Wörter, mal mehr solche mit farbigem Hintergrund. Als ob es nicht allein schon knifflig genug wäre sinnvolle neue Sätze aus diesen Schnipseln zu bilden!

    Natürlich ist „Vater telefoniert mit dem Fliegen“ nichts zum einfach runterlesen. Wie einen Gedichtband genießt man es am besten in Etappen. Und ich fand, dass gerade durch mehrmals oder laut lesen, die Texte noch an Kraft gewinnen.

    Angst ist ein greller Stoff der beim tragen auffällt wie ein Hühnerkopf als Brosche am Mantelkragen aber ein Polizist hat mal gesagt wunderbar dir glänzt steigende Furcht in den Augen wie Kaviar
    Seite 139

    Melancholisch, verwirrend, ästhetisch, experimentierfreudig, berührend, lustig, bizarr, schön. Mir fallen viele hübsche Adjektive zu diesem Büchlein ein. Günther Rüther schrieb in einem Buch über Herta Müller „Ihre Sprache ist bildreich und sparsam, schön und zugleich hart“. Und das trifft es ziemlich perfekt. Nach dem ich die „Schnipsel“ schon so sehr mag, bin ich umso gespannter auf ihre Prosawerke!

    4,5 / 5 Sternen
  5. Cover des Buches Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt (ISBN: 9783596511563)
    Herta Müller

    Der Mensch ist ein großer Fasan auf der Welt

     (18)
    Aktuelle Rezension von: Tilman_Schneider

    Es tut mir ja leid für Frau Müller, die sympathische Nobelpreisträgerin, aber dieses Buch ist nichts. Das die Story traurig und elend ist, ergibt sich aus dem Thema. Aber die Sprache in diesem Buch ist furchtbar. Eine Freundin von mir die nicht viel liest, hat die erste SEite gelesen und gefragt, was für ein Kinderaufsatz das ist. Leider muss ich ihr da recht geben. Kurze Sätze wie Der Mann geht aus dem Haus. Der Wind weht. usw. Was soll das? Es ermüdet und erinnert echt an einen schlechten Schulaufsatz und nicht an eine große Schriftsetllerin. Hätte man so einen Aufsatz abgeliefert, hätte man ganz schlechte Noten bekommen

  6. Cover des Buches Heute wär ich mir lieber nicht begegnet (ISBN: 9783596188222)
    Herta Müller

    Heute wär ich mir lieber nicht begegnet

     (23)
    Aktuelle Rezension von: HomersEvil
    Herta Müllers Protagonistin ist bestellt. Punkt Zehn. Sie weiß was das heißt. Schon oft musste sie zum Verhör des Geheimdienstes. Pünktlichkeit ist dabei von äußerster Wichtigkeit. Im Verhör selbst hat zudem jede Bewegung und Geste die ihr Körper an den Geheimdienst Offizier zu senden vermag, ob unbewusst oder bewusst, Auswirkungen. Unmittelbare und direkte Folgen für das zukünftige Leben, die Qualität desselbigen und die damit verbleibende Lebensfreude. Alle geäußerten Gedanken, Absichten, Ideen und Überzeugungen müssen möglichst unverfänglich sein. Zudem passend. Passend zu den in den unzähligen vorigen Vernehmungen getätigten Aussagen. Die Strecke die sie auf dem Weg zum Verhör mit der Straßenbahn zurücklegen muss, ist ihr wohl bekannt. Jede Haltestation bringt sie näher. Näher zu einer ungewissen Zukunft. Ist es vielleicht das letzte Mal? Wird sie diesmal nur den Hinweg bestreiten? In einer Art Voraussicht hat sie zumindest Zahnbürste und Handtücher eingesteckt. „Heute wäre ich mir lieber nicht begegnet“ – wie so oft bei den Werken Herta Müllers, steht allein schon der Titel für diesen besonderen und ungewöhnlichen Umgang mit Worten, Bedeutungen und interessanten Assoziationen, die Müllers Sprache unwillkürlich auslösen kann. Auch das vorliegende Werk bildet dabei keine Ausnahme. Im Gegenteil, Herta Müller vollzieht auch hier wieder diese, ihre, unnachahmliche Wandlung von diesen so vielfältig und mannigfaltigen Bedeutungen der Sprache und der daraus folgende Neuinterpretation, so dass man nur fasziniert lesen und genießen sollte. In dem vorliegenden Roman beschreibt Herta Müller das Leben einer Frau. Mit Hilfe von Rückblenden und in der Form von sich stetig weiter entwickelnden Gedanken. Die Autorin beschreibt dabei ein so dichtes und emotionales Leben und ein Schicksal, welches aufgrund der beschriebenen Handlung wohl auch viele Aspekte von ihrem, Herta Müllers eigenem Leben darstellt. Ein Leben das von stetiger Vorsicht vor Spitzeln, Verrat, politischer Unterdrückung und Unfreiheit geprägt ist. Jeder Versuch die Staatsautorität anzuzweifeln oder gar dem Staat durch Flucht zu entkommen, könnte auch der letzte sein.
  7. Cover des Buches Der Fuchs war damals schon der Jäger (ISBN: 9783596511549)
    Herta Müller

    Der Fuchs war damals schon der Jäger

     (32)
    Aktuelle Rezension von: taralu
    Ich fand das Buch, obwohl es nicht einfach zu lesen ist, sehr interessant. Es blieb mir in Erinnerung. Der Schreibstil ist bildhaft, sehr detailverliebt. Viel der teils trostlosen Stimmung, der ängstigenden Szenen oder der einfachen Alltagssituationen wird über Bilder transportiert. Das war zuerst sehr eigenartig, aber wenn man sich darauf einlässt durchaus spannend. Charaktere, deren Beziehungen und Geschichte erschließen sich zwar erst nach einiger Zeit, doch am Ende fand ich das Ganze richtig fesselnd. Kein leichter Stoff, aber lesenswert.
  8. Cover des Buches Die blassen Herren mit den Mokkatassen (ISBN: 9783446206779)
    Herta Müller

    Die blassen Herren mit den Mokkatassen

     (15)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
    „am kleinen Strand da kamen wieder/ die feinen Mitglieder zusammen“ Wer sich vor diesen Zeilen und Versen der letzthin mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Schriftstellerin Herta Müller versammelt, die kokett gestalteten Collagen vor dem Auge zerfließen lässt und dabei auch einmal, vielleicht gar besonders, laut die einzelnen Wörter zählt, der wird einen ungekannten Rhythmus finden und sich am Ende vielleicht gar beim Singen ertappen. Dieses im Jahr 2005 erschiene Büchlein muss ein Liebhaberstück der Autorin gewesen sein. Wenn Herta Müller nicht mehr schreiben kann, wenn sie nicht mehr schreiben will, dann fertigt sie Collagen an, das zumindest sagte auch die Literaturkritikerin Verena Auffermann in einem Interview am 8.10.2009 auf N24. Man kann diese kleinen Texte gar auf Postkarten kaufen. Mit der Schere vom faktualen Zweck befreite Wörter und Buchstaben hat sie mit Kleber auf Papier gedrückt und jedes Blatt ist mir einer kleinen künstlerischen Bildgestaltung versehen. Man ist als liebender Leser versucht, hier einen Beispielauszug vorzulegen. Da dies jedoch leider nicht möglich erscheint, bleibt nur die Bitte oder der Verweis, sich dieses Büchlein einmal selbst anzuschauen. [Mit einer kleinen Anmerkung möchte der Rezensent hier anfügen, dass dies auf Amazon gar möglich ist.] 112 Seiten liegen vor dem Betrachter und zuerst mag vor allem die farbliche Vielfalt ins Auge springen. Ausgeschnittene und aneinander gereihte Wörter haben grundlegend ja erst mal einen Drohbriefcharakter. Doch unglaublicherweise verliert sich dieser Gedanke, kommt gar nicht erst richtig auf, denn die Buchgestaltung und die sehr wechselseitige Anordnung der einzelnen Collagenblätter lenkt die Aufmerksamkeit letztendlich auf das Wichtigste: den Inhalt. Der allerdings ist kein logisch zusammenhängender und doch kann man diesen Text als ein über hundert Seiten langes Gedicht lesen, ist aber auch auf jeder Seite, mit jedem Blick ein neues Gedicht, ein neuer sprachzerwirbelnder Text. Die innere Musikalität der Wortreihen befähigen sich selbst dazu. „[…] zog nur den/ Vorhang an und lief durchs Fenster zur Beerdigung/ zur Begleitmusik mußte ich weinen dem einen/ Kantor tropfte meine Nase auf den Schuh bis/ es ihm zuwider war da riß er eins der Grablieder/ aus seinem Notenbuch gab es mir als Taschentuch/ und sagte wenns trocken ist krieg ich es wieder/ ist das klar“ Herta Müller fängt Umgangssprache ein und verdreht das Müssen und Dürfen so sehr miteinander, dass die putzigen Synekdochen, die bedrohenden Auslassungen, die gewollten Paraphrasen oder sich häufenden Binnenreime die Bilder formen, die im Kopf entstehen. Eine ganz eigene, fast niedliche die Spielerei betonende Sprache wird hier frei. „alle Liebe wird uns mal zur Klette“ Von Liebe spricht Herta Müller. Immer wieder werden in den einzelnen Texten die Mutter, der Vater angesprochen. Sie beurteilen, sprechen, sind paradoxe Erscheinungen. Doch auch die Bild-/Textgestaltung, das Buch als Ganzes drückt die Liebe zum Detail, zum Wort, zur Sprache als Ausdrucksmomentum aus und fordert bei dieser Lektüre alle Sinne ein. Mit einem Male taucht auch ein toter Vogel auf, das lyrische Ich lacht und fürchtet sich und hat „das Problem dass ich nicht weiß vor wem“. Wenn ein Vers so und der Leserhythmus so endet, dann ist das ganz abrupt und sehr nachdenklich, die Bedeutungen klingen nach, bleiben beim Leser und fordern ein erneutes Lesen. Dann beim Wiedersehen der Bilder im Text tauchen Blindstellen auf, so ist bei dem toten Vogel zum Beispiel von der Pfütze die Rede. Eine Pfütze, die mehr als vergänglich ist, weil sie sich selbst tilgt durch die bloße Existenz an der doch von Sonne benetzten Luft. Das tollspielerische an der Sprache wird dann auch ganz schnell zum bitteren Nachgeschmack, wenn die Bildebenen sich so vermischen, dass Menschenteile in den Kaffee gerührt werden und dem guten und schönen Gedanken ein eher bedrängender folgt. Dabei mag dem kontextbeladenen Rezipienten auch immer ein wenig von der unbekümmerten Lesehaltung fehlen, denn man könnte diese Bilder genau so in der einfachen Nebeneinanderexistenz der Möglichkeiten des Seins betrachten, denn so sind auch die geschnittenen Wörter und Zeichen aneinandergereiht – wie das Leben ohne jedwedes Wissen ums Morgen. „[…] wenn niemand/ schaut dann tauschen wir Hals/ über Kopf die Haut“ Im vorliegenden Buch ist Herta Müller etwas ganz Eigentümliches gelungen, das sich ein wenig seitwärts ihrer bisherigen literarischen Werke bewegt. Vor allen Dingen muss man betonen, dass dies eine mutige Verlegerentscheidung ist. Denn sowohl als Bilderbuch, fortlaufender ‚gebastelter‘ Text oder 112 Seiten umfassende Collage ist das Buch nicht genrebestimmt und muss seine Leser wohl eher suchen. Auch wenn das in sich eigentlich unbegründet sein müsste, denn allein das laute Vor-sich-hin-summen des Entstanden macht einen riesigen Spaß.
  9. Cover des Buches Kartoffeln, Kühe und andere Katastrophen (ISBN: 9783986371821)
    Susanna Kess

    Kartoffeln, Kühe und andere Katastrophen

     (51)
    Aktuelle Rezension von: Bianca_Paul

    Das Buch hat mich von der ersten Seite an gefesselt, und wären meine Kinder nicht gewesen, hätte ich es wohl in einem Rutsch durch gelesen. Und das soll was heißen!!

    Ich musste schmunzeln, lachen, habe mit Stella mit gefühlt und muss sagen, dass mir ihr Sturkopf sehr bekannt vor kommt. Sie war mir sofort sympathisch Die Protagonisten wurden in meinem Kopf lebendig und ich muss gestehen, eine Ida hätte ich auch sehr gerne wieder. Das Dorfleben mit seiner Gemeinschaft. Ach ja, auch da musste ich sehr schmunzeln. Ich glaube, dass ist echt überall so. Da kommen Erinnerungen hoch, war bei uns "damals" auf dem Dorf 100% genau so.

    Das Buch ließ sich wirklich toll lesen, der Schreibstil gefällt mir und die Geschichte hatte interessante Details und schöne Wendungen.

    Wird es wohl einen zweiten Teil geben? Großtante Gerda fänd es bestimmt toll!

  10. Cover des Buches Der König verneigt sich und tötet (ISBN: 9783596511556)
    Herta Müller

    Der König verneigt sich und tötet

     (24)
    Aktuelle Rezension von: Farbwirbel

    Sprache war und ist nirgends und zu keiner Zeit ein unpolitisches Gehege, denn sie läßt sich von dem, was einer mit dem anderen tut, nicht trennen. Sie lebt immer im Einzelfall, man muß ihr jedesmal aufs neue ablauschen, was sie im Sinn hat. In dieser Unzertrennlichkeit vom Tun wird sie legitim oder inakzeptabel, schön oder häßlich, man kann auch sagen: gut oder böse. In jeder Sprache, das heißt in jeder Art des Sprechens sitzen andere Augen. - S. 39


    Im letzten Jahr habe ich Müllers 'Atemschaukel' gelesen, für das sie den Nobelpreis für Literatur erhielt. Da mich der Roman auf längere Sicht nicht losließ, wollte ich gern ein weiteres Werk von ihr lesen. Es ist diese Essay-Sammlung geworden, da mich der Titel enorm ansprach. Einen solchen Titel zu entwerfen, beinhaltet für mich bereits viel Überzeugendes.

    Müller schrieb hierfür biografische Essays, die Episoden ihres Lebens betrachten und immer wieder zwischen der einen Vergangenheit zu einer anderen wechseln.

    Sie berichtet von ihrer Kindheit in Rumänien. Sie wuchs dort in einem schwäbischen Dorf auf zur Zeit der Diktatur. Sie berichtet von ihren Eltern und ihren Großeltern, die mit viel seelischem Gepäck auf dem II. Weltkrieg in das Dorf kamen. Sie berichtet dabei sehr intensiv, fast schon brutal. Dieses Erzählgut bestürzte mich bereits bei 'Atemschaukel'.

    Dann beschreibt sie ihre Zeit in der Stadt, wie sie stets beobachtet wurde, immer wieder verhört, wie ihre Wohnungen durchsucht wurden, wie sie betrogen wurde. Sie reist nach Berlin, lebt auch dort weiterhin in Angst.

    Ihre Beobachtungen sind messerscharf und man begreift, wie sie zu einer Autorin werden konnte, denn sie scheint ihr Umfeld beinahe zu observieren. Ob es die Pflanzen sind oder eine Werbetafel.

    Dabei berichtet sie auch immer wieder von der Sprache. Wie ihre Sprache mit der Sprach in Berlin aufeinanderstießen, obwohl es doch eigentlich die selbe Sprache sein sollte. Wie sie eigene Begriffe erfand, weil die benannten Objekte durch den Namen nicht richtig bekleidet wurden.

    Auch berichtet sie davon, dass sie sich über die Bezeichnung ihres 'fremden Blicks' ärgerte, der von der Literaturwissenschaft gelobt werden würde. Sie kann nichts dazu tun. Sie schreibt eben, doch viele andere haben jenen Blick ebenso, doch sie leben ihn anders aus.

    Das Werk geht tief und zeigt dabei nicht nur Herta Müllers Biografie, sondern auch die politischen Entwicklungen, die Prozeduren einer Diktatur, ihre Idee von Sprache, von Freundschaft, vom Leben.

    Müller gibt hier einen aufschlussreichen Blick in die Welt, den man sich bewusst machen sollte.

  11. Cover des Buches Die Nacht ist aus Tinte gemacht (ISBN: 9783932513886)
    Thomas Böhm

    Die Nacht ist aus Tinte gemacht

     (13)
    Aktuelle Rezension von: parden

    EINBLICKE IN KINDHEIT UND JUGEND DER LITERATURNOBELPREISTRÄGERIN...

    In "Die Nacht ist aus Tinte gemacht" erzählt die Berliner Schriftstellerin Herta Müller ihre Kindheit im rumänischen Banat. Aus dem Gespräch heraus, ohne Manuskriptvorlage, erzeugt ihre behutsam sich vorantastende Stimme eine dichte, spannungsreiche Atmosphäre, in der vor dem Ohr des Hörers eine Welt zum Leben erweckt wird, die nur noch in der Erinnerung existiert. 

    Das Leben der Banater Schwaben in Nitzkydorf ist geprägt von bäuerlichen Bräuchen und harter Arbeit. Die Abgeschlossenheit dieses kleinen Kosmos bekommt durch den Schulbesuch erste Risse: Im ständigen Wechsel zwischen Dialekt, Hochdeutsch und Rumänisch entdeckt das Kind, dass die Sprachen ganz unterschiedliche Augen haben, mit denen je andere Dinge wahrgenommen werden können. Durch die Risse wird aber auch die Gewalt deutlicher erkennbar, die in den Körpern sitzt, derer sich die politischen Regime brutal ermächtigen. Für die 1953 Geborene sind die Folgen von Krieg, Deportation der Mutter in ein stalinistisches Straflager, Alkoholismus des Vaters und Enteignung der Familie alltäglich spürbar. So beschreibt Herta Müller ihre Kindheitsängste im Rückblick - als sie auf die Nachstellungen und Drangsalierungen durch den gefürchteten Geheimdienst Securitate zu sprechen kommt als Einübung in die spätere "Angst aus politischen Gründen". Angst, die in der Diktatur Ceausescus bewusst zum Machterhalt eingesetzt wurde. 

    Der ungewöhnlich lange Klappentext fasst den Inhalt dieses ungewöhnlichen Hörbuchs sehr gut zusammen. Eine Stunde und 54 Minuten lang kann der Hörer der Stimme der Literaturnobelpreisträgerin (2009) lauschen, wie sie sich in Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend im Banat ergeht, einer historischen Region in Südosteuropa, die heute in den Staaten Rumänien, Serbien und Ungarn liegt. Herta Müllers damaliger Wohnort Nitzkydorf fiel später Rumänien zu, sämtlicher Privatbesitz wurde enteignet, die Drangsalierungen waren alltäglich.

    Aber auch vor diesen Veränderungen zeichnet sich durch die Stimme Herta Müllers eine Kindheit ab, die heute kaum noch vorstellbar ist - geprägt durch harte Arbeit, Disziplin und Einsamkeit. Faszinierend, wie viele Details von ihren damaligen tiefen Gedanken und Gefühle der Autorin noch erinnerlich sind. Es zeichnet sich ab, dass die hohe Sensibilität, der Wunsch des Hinterfragens, die bereits von Kindheit an stets begleitende Angst in Verbindung mit einem tiefen Verständnis für das Wesen der verschiedenen Sprachen sicherlich dazu beigetragen hat, dass Herta Müller ihren Ausdruck später als Schriftstellerin suchte.

    Weitestgehend chronologisch legt die Autorin hier ein Zeugnis ihrer Vergangenheit dar - nicht als Lesung, sondern im freien Vortrag, vermutlich als Antwort auf Fragen, die hier nicht mit aufgezeichnet wurden. Stellenweise kraftvoll, oftmals aber auch eher leidend und melancholisch lässt die Stimme den Hörer teilhaben an den Erinnerungen. Normalerweise würde mich solch ein an manchen Stellen nahezu depressiv klingender Vortrag stören - wenn man aber der Geschichte lauscht, ahnt man, auch wenn manches nur angedeutet wird, wie man auch auf den Gedanken an einen Suizid als Erlösung kommen kann.

    Ich war fast enttäuscht, als das Hörbuch beendet war. Es war ungemein interessant, in diesen fremden Kosmos einzutauchen, und tatsächlich bin ich nun wieder neugierig geworden auf die Werke Herta Müllers, obschon ich vor einigen Jahren mit 'Atemschaukel' so meine Probleme hatte...


    © Parden

  12. Cover des Buches Atemschaukel (ISBN: 9783844927276)
    Herta Müller

    Atemschaukel

     (6)
    Aktuelle Rezension von: sabisteb
    Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist endlich zu Ende. Die deutschstämmige Bevölkerung muss nun mit ihrer Arbeitskraft die Reparationen für die entstandenen Kriegsschäden bezahlen. Auf Stalins Befehl hin werden alle arbeitsfähigen Männer und Frauen von 17 bis 45 Jahren in Arbeitslager deportiert. So auch der siebzehnjährige Leopold Auberg, für den dieser Tapentenwechsel zunächst ein Abenteuer ist, eine Abwechslung im ständig gleichbleibenden Alltag. Im Lager erlebt er fünf Jahre harte Arbeit, Entbehrung und Hunger. Für Herta Müllers Atemschaukel gab es 2009 den Nobelpreis für Literatur. Die Geräuschkulisse sammelte der Regisseur Kai Grehn auf dem Gelände der Kokschim-Fabrik im ukrainischen Nowo Gorlowka, in welcher Oskar Pastior(rumäniendeutscher Lyriker und Übersetzer und wahrscheinlich Vorbild für die Figur des Leopold Auberg) als Zwangsarbeiter gearbeitet hat Die Uraufführung des Hörspiels war auf 2010 NDR Kultur. Hier nun weder ein klassisches Radiohörspiel noch eine Lesung sondern eine Mischung aus vertonter Lesung und gespielten Hörspieleszenen. Ein Balanceakt, denn einerseits möchte man dieses sprachliche Kunstwerk zu Geltung bringen, andererseits ein Hörspiel produzieren. Man entschied sich dazu einerseits zwei Erzähler, den jungen und alten Leopold Auberg, Passagen erzählerisch lesen zu lassen, und diese dann immer wieder mit gespielten Szenen zu unterbrechen. Den Nobelpreis erhielt das Buch wohl hauptsächlich wegen seiner expressiven Sprache. Viele wunderbar deskriptive Wortneuschöpfungen sind das Markenzeichen der Autorin. Darunter leidet aber die Handlung. So schön die Sprache aus sein mag, die Handlung bleibt weit dahinter zurück. Natürlich kann man nicht erwarten, dass 5 Jahre Arbeitslager unterhaltsam sind, natürlich kann man nicht erwarten, dass in einem Arbeitslager viel passiert, vielleicht will die Autorin die Leser und Hörer durch diese Handlungsarmut auch die Perspektivlosigkeit des Arbeitslagers spüren lassen. Dennoch ist es irgendwann einfach nur noch ermüdend der Handlung zu folgen, und das Schicksal der Häftlinge berührt kaum, da sie einem fremd und fern bleiben. Fazit: Handwerklich solides NDR Radiohörspiel aus dem Jahr 2010.
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