Bücher mit dem Tag "hurrikan katrina"
12 Bücher
- Alicia Bessette
Weiß der Himmel von dir
(129)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderZell lebt zurück gezogen, spricht viel mit ihrem Hund und ihre einzige Ansprache ist Gladys Knight, die ihr mit ihren Liedern aus der Seele spricht. Nick war ihre große Liebe und bei Aufräumarbeiten in New Orleans nach dem verheerenden Sturm Katrina, kam er ums Leben. Erst als ihr Hund weg läuft und sie raus muss, kommt wieder etwas Schwung in ihr Leben. Nach einem Backversuch kommt die Feuerwehr und sie lernt ihre Nachbarn kennen. Ein kleines Mädchen, dass ihr Herz erwärmt und ein überforderter Vater, der eigentlich ganz nett ist. Zell hört im Fernsehen, dass wenn man bei einer bekannten Kochsendung mitmacht und gewinnt, dann bekommt man 20000Dollar. Diesen Betrag würde sie sofort an die Opfer in New Orleans spenden, denn das war immer das Ziel von Nick. Das Nachbarsmädchen Ingrid hilft ihr in der Küche und gemeinsam wollen sie gewinnen. Zell das Geld und Ingrid die Liebe der Starköchin, denn sie glaubt fest daran, dass ist ihre Mutter. Ein ganz wunderbares Buch. Freundschaft und Liebe sind keine Frage des Alters, der Herkunft oder der Zeit. Wer dein Herz berührt, der ist ein wahrer Freund oder sogar Liebe. Großartig!
- Dave Eggers
Zeitoun
(51)Aktuelle Rezension von: WortmagieAm 28. August 2005 erließ New Orleans‘ Bürgermeister Ray Nagin die erste Evakuierungsanordnung in der Geschichte der Stadt. Alle Einwohner_innen, die konnten, sollten New Orleans verlassen und wer nicht konnte, sollte Zuflucht in einem der öffentlichen Schutzzentren suchen. Zu diesem Zeitpunkt war der Großteil der Bevölkerung bereits geflohen. Geflohen vor einem Sturm, wie ihn die USA bis dahin nur selten erlebt hatten: Katrina.
Katrina war der viertstärkste Hurrikan, der das Festland der USA je traf. Sie verursachte 125 Milliarden Dollar Schaden und ist damit der teuerste Tropensturm seit Beginn der Aufzeichnungen (seit 2017 teilt sie sich diesen Rekord mit Hurrikan Harvey). Die Todeszahlen können lediglich geschätzt werden; man geht von über 1.800 Todesopfern aus. Die meisten Menschenleben forderte sie in New Orleans und den umliegenden Gemeinden. Als sie dort am 29. August 2005 einschlug, erfüllte sie die Kriterien eines Kategorie 3 – Hurrikans.
Sie verwüstete New Orleans in einem nie dagewesenen Ausmaß. 80 Prozent der Stadt wurden überflutet, weil die Dämme aufgrund eines fatalen Konstruktionsfehlers nicht hielten. Die gesamte Infrastruktur wurde schwer beschädigt: Straßen waren unpassierbar, die Elektrizitätsversorgung brach zusammen und Kommunikationskanäle versagten weitgehend. Über 204.000 Häuser wurden zerstört; über 400.000 Menschen waren plötzlich obdachlos und hunderttausende verloren ihren Zugang zu ihren Heimen und/oder Jobs. Insgesamt geht man davon aus, dass etwa eine Million Menschen durch Katrina dauerhaft vertrieben wurden. Die demografischen Auswirkungen für die USA ähneln den Effekten der Migrationswellen während der Great Migration und der Großen Depression.
Die Unterstützung für New Orleans lief schleppend an, nachdem Katrina abgezogen war. Es gab keinen Plan dafür, was geschehen sollte, falls die Dämme brachen. Stattdessen trat der sogenannte Hurricane relief plan in Kraft, der jedoch an der weitreichenden Überflutung scheiterte. Die meisten Hilfskräfte konnten zuerst nicht in die Stadt vordringen und diejenigen, denen es gelang, waren zu wenige, um die über 100.000 Menschen, die vor Ort geblieben waren, angemessen zu versorgen. Ohne den couragierten Einsatz privater Organisationen hätte Katrina wahrscheinlich noch mehr Leben gekostet. Es dauerte fünf Tage, bis Hilfe von Bundesebene eintraf.
Den Hilfskräften bot sich ein Bild des Grauens: New Orleans, vormals ein pulsierendes kulturelles Zentrum und Schauplatz des berühmten Karnevals Mardi Gras, war eine Trümmerstadt, in der Leichen in den Straßen lagen oder im Wasser trieben. Darüber hinaus herrschte eine gewisse Nervosität, weil die Medien behauptet hatten, die zivile Ordnung sei kollabiert und von Plünderungen, Gewalt, Vergewaltigungen und Morden berichteten. Tatsächlich waren viele dieser Berichte hemmungslos übertrieben, schlicht falsch oder lediglich Gerüchte, doch da das Kommunikationsnetzwerk gestört war, war es schwierig, sie zu widerlegen und eine realistische Einschätzung der Lage vorzunehmen. Ordnungshüter_innen und Hilfskräfte betraten die Stadt mit diesen Berichten im Kopf und waren auf das Schlimmste eingestellt.
Deshalb war die Errichtung eines Übergangsgefängnisses eine der höchsten Prioritäten des Wiederaufbaus. Bereits zwei Tage nach Katrina wurden sechzehn nach oben offene und mit Stacheldraht gesicherte Maschendrahtzellen von Häftlingen des Louisiana State Penitentiary Gefängnisses auf dem Gelände des Greyhound Busbahnhofs aufgestellt. Die Überwachung übernahmen Wärter_innen derselben Einrichtung, die als eines der härtesten Hochsicherheitsgefängnisse der USA gilt. Die Käfige boten Platz für jeweils etwa 45 Personen, wodurch im sogenannten Camp Greyhound insgesamt bis zu 700 Menschen festgehalten werden konnten. Die Zellen verfügten über keinerlei Möbel, alle Insass_innen mussten auf dem blanken Zementboden schlafen, während die ganze Nacht alle von einem Generator betriebenen Lichter brannten. Sie bekamen zu essen und hatten Zugang zu mobilen Toiletten, erhielten jedoch keine Rechtsbetreuung und durften nicht einmal den ihnen zustehenden Anruf tätigen. Wer auf nicht schuldig plädierte, wurde in eines der umliegenden Gefängnisse überstellt und musste dort auf die weitere Abfertigung warten.
Es stellte sich heraus, dass viele der Insass_innen, die in Camp Greyhound inhaftiert wurden, unschuldig waren. Die überforderten und überspannten Ordnungskräfte reagierten häufig unverhältnismäßig und verhafteten willkürlich Menschen, die ihnen subjektiv als Bedrohung erschienen. Den meisten der Häftlinge wurden Plünderungen vorgeworfen. Oft handelte es sich dabei allerdings um ganz normale Bürger_innen von New Orleans, die nach Katrina in Geschäften und Privathäusern nach grundlegendsten Versorgungsmitteln wie Wasser, Nahrung und Kleidung suchten und dafür in Camp Greyhound landeten. Ein gewisser James Terry berichtete, dass er für die „Plünderung“ seiner eigenen Wohnung verhaftet wurde. Im Anschluss wurde er sieben Monate eingesperrt, ohne jemals angeklagt, einem_einer Richter_in vorgeführt zu werden oder Zugang zu einem Rechtsbeistand zu erhalten. Er war nicht der einzige. Viele schilderten ähnliche Erlebnisse. Der Anwalt Ashton O‘Dwyer erzählte, dass er während seiner Gefangenschaft mit Pfefferspray und Bean Bag Geschossen (nichttödliche Schrotmunition in kleinen Beuteln) attackiert wurde. Auch er wurde niemals angeklagt. Die US-amerikanische Justiz versagte auf ganzer Linie.
Doch nicht nur das Rechtssystem bekleckerte sich nach Katrina nicht gerade mit Ruhm. Im Zuge des Wiederaufbaus mussten sehr viele Häuser entweder abgerissen und neu errichtet oder komplett saniert werden. In dieser Zeit lebten zahlreiche der Bewohner_innen entweder in den Obergeschossen, während das Erdgeschoss wiederhergestellt wurde, oder in Hotels, Mietobjekten, Zeltstädten oder Trailern. Diese Trailer wurden zum Teil von der der Homeland Security unterstellten FEMA (Federal Emergency Management Agency, zu Deutsch in etwa Bundesagentur für Katastrophenschutz) bereitgestellt, trafen aber erst Monate nach Katrinas Wüten ein und deckten nur zwei Drittel des Bedarfs. Als sie eintrafen, waren viele unbewohnbar oder nicht voll funktional, ohne Wasser- und/oder Elektrizitätsanschluss. Bürokratische Hürden und die politische Suche nach einem schwarzen Peter erschwerten den Einwohner_innen von New Orleans die Rückkehr in ihre Heimat erheblich, sodass ein Jahr nach Katrina nur 53 % der Bevölkerung wieder in der Stadt lebten. 2007 waren es immer noch nur zwei Drittel der Bevölkerung; 2009 waren weiterhin viele Häuser zerstört und ihre Besitzer_innen ruiniert.
Wir wissen, wie es den Menschen in New Orleans während und nach Katrina erging, weil viele bereit waren, ihre Geschichten zu teilen. Ein Projekt, das sich der Dokumentation der Erlebnisse von Katrina-Überlebenden widmete, war „Voices from the Storm“ der gemeinnützigen Menschenrechtsorganisation Voices of Witness. Voices of Witness versteht sich als Sprachrohr aller Betroffenen von Unrecht überall auf der Welt. Mithilfe der Oral History – Methode sammeln sie persönliche Berichte dieser Betroffenen, stellen sie zusammen und veröffentlichen sie in Buchform, um gesellschaftliche Missstände konkret sichtbar zu machen. In dieser Mission reisten sie – bereits wenige Tage nachdem Katrina abgezogen war – nach New Orleans und in alle Gebiete, die ebenfalls getroffen wurden und interviewten Überlebende. Die Ergebnisse dieser Gespräche erschienen 2005 als „Voices from the Storm“. Auf diese Weise wurde Dave Eggers auf Abdulrahman und Kathy Zeitoun aufmerksam.
Dave Eggers dürfte vielen von euch durch seinen beklemmend realistischen Erfolgsroman „The Circle“ ein Begriff sein. Er ist jedoch nicht nur ein gefeierter Autor, Gründer des unabhängigen, gemeinnützigen Verlags McSweeny’s Publishing und Herausgeber des monatlichen Literaturjournals Timothy McSweeny’s Quarterly Concern, sondern auch Mitbegründer von Voices of Witness. Die Geschichte des Ehepaars Zeitoun, die er das erste Mal im Kontext von „Voices from the Storm“ hörte, berührte ihn außerordentlich und so beschloss er, sie bei seinem nächsten Aufenthalt in New Orleans zu besuchen.
Eggers unterhielt sich mit ihnen und begriff schnell, dass die Erlebnisse der Familie Zeitoun, die der Hurrikan auslöste, zu komplex waren, um sie lediglich als Teil von „Voices from the Storm“ zu behandeln. Er wollte ihnen ein eigenes Buch widmen und begann 2006 mit ihrem Einverständnis mit der Arbeit und Recherche für den biografischen Roman „Zeitoun“. Drei Jahre lang prüfte er Fakten und Hintergründe, organisierte Interviews mit Personen, die direkt oder indirekt mit dem Schicksal der Zeitouns verbunden waren, und führte zahllose Gespräche mit der gesamten Familie sowohl in den USA als auch in Syrien. Er involvierte Abdulrahman und Kathy Zeitoun unmittelbar in seinen Schreibprozess und schickte ihnen sechs oder sieben Entwürfe seines Manuskripts, bis alle Beteiligten zufrieden waren. Das Buch erschien 2009; der Großteil der Einnahmen floss an die mittlerweile offenbar aufgelöste Zeitoun Foundation, die den Wiederaufbau von New Orleans förderte, sich für die Achtung der Menschenrechte in den USA einsetzte und deren Gründung Dave Eggers ebenfalls unterstützte.
Dies ist meine Rezension von „Zeitoun“, die aus verschiedenen Gründen wieder einmal völlig aus dem Rahmen meiner üblichen Richtlinien für eine Buchbesprechung fallen muss. Überraschung, euch erwartet doch noch Buchcontent, obwohl ihr mittlerweile sicher daran gezweifelt habt. Wie so oft bei Non-Fiction war es auch im Fall von „Zeitoun“ unerlässlich, den Kontext zu etablieren, bevor wir über das Buch selbst sprechen, denn ohne Katrina wäre alles, was das Ehepaar Dave Eggers berichtete, nicht geschehen. Katrina liegt nun schon über 15 Jahre in der Vergangenheit – meine Güte, wie die Zeit vergeht. Ich erinnere mich an die Bilder des überfluteten, verwüsteten New Orleans in den Nachrichten, aber ich erinnere mich auch, dass ich damals überhaupt keinen Bezug zu dieser Katastrophe herstellen konnte und wenig Empathie aufbrachte. New Orleans war so weit weg und ich konnte mir im Alter von 16 Jahren gar nicht vorstellen, was es bedeutet, dass eine größere Stadt plötzlich zu 80 Prozent von Wasser bedeckt ist. Der Anschlag auf die Zwillingstürme des World Trade Center vier Jahre zuvor, der hier heute indirekt ebenfalls eine Rolle spielen wird, bewegte mich weit mehr.
Ich kann nicht genau erklären, warum ich mich vor Jahren entschied, „Zeitoun“ zu kaufen. Ich weiß, dass mein ehemaliger Dozent in US-amerikanischer Kulturgeschichte und Literatur ein leidenschaftlicher Fan von Dave Eggers war, aber meinem Gedächtnis nach schwärmte er damals von dem frisch erschienenen „The Circle“, nicht von „Zeitoun“. Ich glaube, auf „Zeitoun“ wurde ich im Anschluss von selbst aufmerksam. Ich schätze, es war der Klappentext, der meine Neugier weckte, obwohl ich mit Katrina außer diesen Nachrichtenbildern nichts verband: Die Geschichte eines Mannes, der in einem Kanu durch New Orleans paddelte, Hilfe leistete und dem dafür großes Unrecht angetan wurde, klang erschütternd und faszinierend zugleich. Dieser Mann war Abdulrahman Zeitoun, dessen Einzelschicksal ein Mahnmal für alles darstellt, was in den USA nach dem 11. September 2001 schieflief.
Abdulrahman Zeitoun kam 1988 als muslimischer Einwanderer aus Syrien in die USA. Nicht als Geflüchteter – er immigrierte lange vor dem humanitären Desaster des Syrienkrieges. Er reiste im Land herum, nahm Arbeit an, wo immer er konnte, und ließ sich schließlich 1994 in New Orleans nieder. Dort traf er seine künftige Ehefrau Kathy, die in Baton Rouge, Louisiana aufgewachsen und bereits zuvor zum Islam konvertiert war. Sie verliebten sich trotz des recht großen Altersunterschieds von 13 Jahren und heirateten wenig später. Fortan taten sie alles gemeinsam: Sie bekamen drei Töchter (Nademah, Safiya und Aisha), zogen zusammen Kathys Sohn Zachary aus erster Ehe auf und gründeten die Firma Zeitoun A. Painting Contractor LLC. Sie übernahmen alle möglichen handwerklichen Aufträge, von Malerarbeiten bis Komplettrenovierungen und kauften Häuser auf, um sie saniert und renoviert wieder zu verkaufen oder zu vermieten. Kathy managte jegliche Büroarbeit, während Abdulrahman die Baustellen überwachte und auch gern selbst mit anpackte. 2005, bevor Katrina ihr Leben so schwer aus dem Gleichgewicht brachte, lief ihre Firma gut; sie hatten zu jeder Zeit acht bis zehn parallele Aufträge. Sie waren der Inbegriff des amerikanischen Traums, hatten sich mit harter Arbeit aus dem Nichts ein respektables Unternehmen aufgebaut.
Die ersten Berichte über Katrina im August 2005 nahmen sie nicht wirklich ernst. Kathy stammte aus der Gegend und war die Hurrikan-Routine gewohnt; Abdulrahman hatte viele Jahre auf See verbracht und war ebenfalls mit Stürmen vertraut. Anfangs waren sie beide überzeugt, dass Katrina nicht anders sein würde als die Hurrikans vor ihr. Doch als die Berichterstattung stetig alarmierender wurde, fühlte sich Kathy beunruhigt und begann, mit dem Gedanken zu spielen, zu evakuieren. Am Morgen des 27. Augusts, nachdem sie Warnungen gehört hatten, dass Katrina die gefürchtete Kategorie 5 erreichen könnte, teilte sie ihrem Ehemann mit, dass sie mit den Kindern die Stadt verlassen wollte. Es überraschte sie nicht, dass er sie nicht begleiten wollte. Abdulrahman war ein Workaholic; er überließ ihre Firma ungern sich selbst und fühlte sich schnell unwohl, wenn er nicht arbeitete. Es war in der Vergangenheit bereits vorgekommen, dass Kathy und die Kinder ohne ihn verreist und evakuiert waren. Außerdem empfand er eine starke Verpflichtung gegenüber ihren Kund_innen sowie Mieter_innen und wollte nicht riskieren, für eventuelle Schäden, die während eines Hurrikans durch ihre Werkzeuge oder ähnliches verursacht wurden, haften zu müssen. Kathy versuchte nicht, ihn zu überreden. Sie kannte ihren Ehemann zu gut. So blieb Abdulrahman in New Orleans, während seine Familie in Baton Rouge bei Kathys Schwestern unterkam.
Abdulrahman saß Katrina im Obergeschoss ihres Hauses aus. In den ersten zwei Tagen erlebte er die erwarteten Schäden und Einschränkungen: Mobilnetzwerk und Elektrizitätsversorgung waren unzuverlässig, Fenster gingen zu Bruch, das Dach leckte und Regenwasser sammelte sich im Haus – alles lästig, aber nicht besorgniserregend, denn das Wasser begann schon am 29. August, wieder abzulaufen. Die Lage änderte sich nur einen Tag später. Am 30. August brachen die Dämme und New Orleans wurde überflutet. Auch das Heim der Zeitouns wurde erheblich beschädigt, es gelang Abdulrahman jedoch, zumindest einen Teil ihrer Besitztümer zu retten und er selbst blieb glücklicherweise unverletzt. Als Katrina weitergezogen war, begann er, seine Nachbarschaft mit einem impulsiv gekauften und bisher wenig genutzten Kanu zu erkunden. Mehrere Tage paddelte er durch die Straßen und half allen, denen er begegnete und die seine Hilfe brauchten, Menschen gleichermaßen wie Tieren. Überall erfuhr er Freundlichkeit und Dankbarkeit; nur die Ordnungskräfte, die seinen Weg kreuzten, verhielten sich unhöflich und misstrauisch. Er telefonierte so oft wie möglich mit Kathy in Baton Rouge.
Am 06. September hatte er den Eindruck, jede Soforthilfe geleistet zu haben, die er anbieten konnte und war bereit, sich evakuieren zu lassen. Ihm gingen die Lebensmittel aus und er vermisste seine Familie. In der Zwischenzeit waren Hilfskräfte in der Stadt eingetroffen; er glaubte, das schlimmste Chaos läge nun hinter ihnen. Er irrte sich. Bevor er die Gelegenheit hatte, New Orleans zu verlassen, wurde er verhaftet. Die sechs Ordnungshüter_innen, die plötzlich vor ihm standen und aufgrund ihrer zusammengewürfelten Kleidung keiner Instanz zuzuordnen waren, nahmen ihn fest, ohne Gründe zu nennen. Er wurde ins Camp Greyhound gebracht und dort genauso unmenschlich behandelt wie viele andere. Es gab keine klaren Vorwürfe gegen ihn, doch die Wärter_innen ließen durchblicken, dass sie ihn für einen islamistischen Terroristen hielten. Drei Tage wurde er in einer der Maschendrahtzellen festgehalten, bis man ihn ins Elayn Hunt Correctional Center überstellte.
Abdulrahman Zeitoun verbrachte insgesamt 23 Tage unschuldig und unter Missachtung seiner verfassungsmäßigen Rechte im Gefängnis. In diesen 23 Tagen wurde Kathy fast verrückt vor Sorge. Zuerst erklärte ihr niemand, wo ihr Ehemann war, dann weigerte man sich, ihr Auskunft darüber zu erteilen, wie sie ihn kontaktieren und aus dem Gefängnis holen konnte. Sie war letztendlich gezwungen, für ihren unschuldigen Mann Kaution zu stellen. Am 29. September konnten sich die Eheleute endlich wieder in die Arme schließen. Sie haben Katrina und die US-amerikanische Justiz überlebt. Aber ihr Leben war danach nie wieder dasselbe.
Einzelschicksale sind möglicherweise der einzige erfolgsversprechende Zugang zu Katastrophen in dem Ausmaß, das der Hurrikan Katrina erreichte. Je gravierender ein Unglück, je mehr Personen betroffen sind, desto schwerer fällt es uns, aus abstrakten Zahlen und Fakten konkrete Erfahrungen abzuleiten. Wir haben als Menschheit erwiesenermaßen größere Probleme, Empathie aufzubringen, wenn wir Opfer lediglich als anonyme Masse wahrnehmen. Darum ist es so wichtig, dass Bücher wie „Zeitoun“ und „Voices from the Storm“ diese emotionale Barriere niederreißen, denn nur, wenn wir mit Betroffenen fühlen, sehen wir uns vielleicht veranlasst, gegen ungerechte, inhumane Umstände aufzustehen. Ohne solche Veröffentlichungen bleiben ihre Stimmen ungehört. Mit „Zeitoun“ gibt Dave Eggers einer Familie eine Stimme, die die Gelegenheit, ihre Geschichte zu erzählen, zwar nicht mehr verdient als andere, deren spezifische Erlebnisse jedoch so viele gesellschaftliche Schwachstellen in den USA aufdecken, dass ich seine Entscheidung, gerade sie einem weiteren Publikum zuzuführen, sehr gut nachvollziehen kann.
Es ist überaus deutlich, dass Eggers bewusst war, wie entscheidend emotionale Anteilnahme von der Identifikation mit den Akteur_innen abhängt: Von der ersten Seite an bemüht er sich zielgerichtet, subtil Sympathie und Nähe zu erzeugen. Er porträtiert die Zeitouns greifbar als ganz normale, hart arbeitende Leute, in deren Leben ihre Familie die oberste Priorität einnimmt. Hierbei konzentriert er sich vor allem auf die Darstellung der innigen Beziehung zwischen Abdulrahman und Kathy, um den Weg für das Verständnis all ihrer späteren Verhaltensweisen zu ebnen. Dadurch erstickt er jegliche Zweifel im Keim, dass sie in irgendeiner Form eine Mitschuld an dem tragen, was sie erleben werden und bestärkt seine Leser_innen im Glauben an ihre Integrität. Schon nach wenigen Einblicken in Abdulrahmans Persönlichkeit war ich absolut sicher, dass er gar nicht fähig ist, ein Verbrechen zu begehen, vollkommen egal, was ihm nach Katrina vorgeworfen wird.
Dazu trägt ebenso Eggers offensiver Umgang mit Abdulrahmans Einwanderung bei, mit dem er viele Vorurteile über Migrant_innen unmissverständlich widerlegt. Obwohl ich mich als tolerante Person sehe und keine fremdenfeindlichen Ressentiments hege, kann ich doch nicht leugnen, dass sich vor der Lektüre von „Zeitoun“ unbewusst einige Annahmen über Syrien in meinem Kopf befanden, die mehr mit der Realität des Syrienkrieges zu tun hatten als mit der Realität dieses Landes vor über 15 Jahren. Mir war gar nicht klar, dass ich Syrien voreingenommen als rückständiges Entwicklungsland betrachtete. Ich begrüßte es, dass Eggers mich mit meinen eigenen Vorurteilen konfrontierte und mir durch die Augen von Abdulrahman zeigte, welchen Unsinn ich mir da ausmalte. Syrien blickt auf eine uralte Kultur und war ebenso in der Moderne angekommen wie viele andere Nationen auch, bevor der Krieg ausbrach. Ich freue mich, dass ich mein verschobenes Bild korrigieren konnte und ich bin Abdulrahman dankbar, dass er seine tiefen Gefühle für sein Geburtsland teilte. Entgegen dessen, was man vielleicht erwarten würde, beißt sich seine Liebe für Syrien nicht im Mindestens mit seiner Identität als US-Amerikaner. Ganz im Gegenteil, beide Facetten scheinen sich hervorragend zu ergänzen und Abdulrahman beweist, dass Arbeitsmoral und Aufopferungsbereitschaft keine Tugenden sind, die man ausschließlich entwickelt, wenn man in den USA geboren ist. Er glaubte an den amerikanischen Traum, an die Freiheit, sich mit seinen eigenen Händen ein Leben aufbauen zu können, das ihn glücklich machte. Bei ihm war dieser Glaube vielleicht sogar stärker ausgeprägt als bei vielen geborenen US-Amerikaner_innen.
Deshalb erscheint das, was ihm nach Katrina widerfuhr, umso ungeheuerlicher. Ich bin mittlerweile überzeugt, dass man den Hurrikan Katrina und alles, was danach geschah, getrennt beurteilen sollte. Das ist natürlich schwierig, weil beide Aspekte sehr eng miteinander verknüpft sind, doch ich halte diese Trennung für notwendig, um zu begreifen, was der Familie Zeitoun und so vielen anderen Menschen angetan wurde. Ich habe die meisten Details seines Martyriums ausgeklammert, weil es meiner Ansicht nach nicht relevant ist, wie genau seine Menschenrechte verletzt wurden – die Tatsache an sich ist traurig genug. In einem Land, das sich stolz als das freiste der Welt präsentiert, spielten sich Szenen ab, die ebenso in einer Militärdiktatur hätten passieren können. Das ist pervers und paradox. Abdulrahmans Erfahrungen zeigen mit erschütternder Klarheit, dass die Regierung der USA trotz allen Ansprüchen an die Freiheit des Individuums zu vollkommen kopflosen und übertriebenen Reaktionen neigt, sobald sie diese Freiheit bedroht sieht. Ob eine Bedrohung nun real ist oder sich lediglich als Paranoia qualifiziert – wen kümmert’s?
In New Orleans spielten nach Katrina mehrere ungünstige Faktoren zusammen, die schlussendlich dazu führten, dass Abdulrahman Zeitoun wie ein Schwerverbrecher behandelt wurde, obwohl er unschuldig war. Niemand war wirklich darauf vorbereitet, dass die Dämme der Stadt versagen könnten. Verschiedene Behörden warnten vor diesem Szenario; Monate zuvor war sogar eine Simulation veröffentlicht worden, die exakt die katastrophalen Auswirkungen vorhersagte, die durch Katrina eintraten. Sowohl die FEMA als auch Beamt_innen des Staates Louisiana kannten die Simulation, sahen sich jedoch offenbar nicht veranlasst, Vorkehrungen zu treffen. Durch das Fehlen eines Plans, wie auf eine Überflutung zu reagieren sei, war nicht das richtige Equipment vorhanden, um den eingeschlossenen Menschen zu helfen und Hilfsgüter waren nicht in den nötigen Mengen verfügbar. Es wurde um Zuständigkeiten gestritten und die Suche nach einem Sündenbock eingeleitet, die noch Jahre später in Untersuchungen und Anhörungen resultierte. Der Zusammenbruch des Kommunikationsnetzwerkes führte dazu, dass man anfangs nicht wusste, wie genau sich die Lage in der Stadt gestaltete und prophylaktisch vom Schlimmsten ausging. Die Medien trugen zu dieser Fehleinschätzung bei, weil sie Falschmeldungen unreflektiert wiederholten und die Situation aufbauschten, bis alle, die nach New Orleans beordert wurden oder selbstständig reisten, um zu helfen, glaubten, dort herrsche die pure Anarchie.
Zusätzlich wurde den Vollzugsbehörden rund um New Orleans und der Golfküste sowie den Einheiten der Nationalgarde, die in die Gegend geschickt wurden, ein Dokument überlassen, das die Homeland Security 2003 in Auftrag gegeben hatte. Darin analysierte eine Gruppe aus Expert_innen, wie wahrscheinlich es sei, dass eine terroristische Vereinigung die Katastrophenlage eines Hurrikans ausnutzen könnte und welche Strategien sie einsetzen könnten, um die USA zu destabilisieren. Die Expert_innen kamen zu dem Schluss, dass so ein Szenario an sich unwahrscheinlich sei, die größte Gefahr jedoch von Einzeltäter_innen und Splitterzellen ausging, die versuchen könnten, weiteres Chaos zu stiften. Sie empfahlen, die Sicherheitsmaßnahmen an strategisch relevanten Punkten (zum Beispiel Evakuierungsstationen) zu verschärfen und sorgfältige Identifizierungen vorzunehmen, um potenzielle Terrorist_innen rechtzeitig ausfindig zu machen. Den Sicherheitskräften wurde also nicht nur vermittelt, dass New Orleans in der Gesetzlosigkeit versank, ihnen wurde auch aufgetragen, nach möglichen Terrorist_innen Ausschau zu halten – wenige Jahre nach dem Anschlag auf das World Trade Center. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass alle, die eine Uniform trugen, angespannt waren und Bedrohungen hinter jede Ecke vermuteten, auch in einem syrisch-stämmigen Familienvater.
In „Zeitoun“ beschreiben sowohl Abdulrahman als auch Kathy, wie sie die anti-muslimische Stimmung in ihrem Land nach dem 11. September wahrnahmen. Ich fand diese Einblicke in ihre Erlebenswelt sehr aufschlussreich. Ihr Alltag wurde davon geprägt, dass alle Muslim_innen plötzlich unter Generalverdacht standen. Abdulrahman reflektiert nachvollziehbar, wieso diese Form der Diskriminierung in starkem Kontrast zu seiner Auffassung des amerikanischen Traums steht, was sicher viele Einwander_innen ähnlich empfanden. Rational ist mir selbstverständlich bewusst, dass eben nicht alle Menschen dieselben Chancen erhalten (Stichwort Black Lives Matter), aber im Fall der Zeitouns erscheint mir diese Tatsache unfassbar, weil Abdulrahman bilderbuchhaft integriert war und sich aus dem Nichts eine Existenz aufbaute. Für mich zeigt das Buch deshalb, dass das Ideal von Freiheit und Selbstverwirklichung, das in den USA so populär ist, der Realität einfach nicht standhalten kann. Es ist eine Illusion, die unter extremen Umständen kolossal in sich zusammenbricht, während alle Mängel des politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und bürokratischen Systems mit aller Macht zu Tage treten. Katrina zerstörte den schönen Schein.
Der Tatsachenroman „Zeitoun“ schloss für mich viele Wissens- und Verständnislücken. Durch das Einzelschicksal der Familie Zeitoun konnte ich erstmals eine Verbindung zu der Katastrophe herstellen, die der Hurrikan Katrina für die Einwohner_innen von New Orleans und der anderen betroffenen Gemeinden bedeutete. Ich verstand, dass überflutete Straßen noch das geringste Problem waren und das Chaos, das auf den Sturm folgte, in vielerlei Hinsicht von US-amerikanischen Regierungsinstanzen selbst geschaffen und befeuert wurde. Es ist entsetzlich, wie viele Menschen erleben mussten, dass ihre grundlegendsten Rechte in einem demokratischen Land plötzlich Null und Nichtig waren. Noch viel schlimmer finde ich allerdings, dass die vielen Fehlentscheidungen, die nach Katrina von offizieller Seite fielen, offenbar bis heute nicht umfassend aufgearbeitet wurden. Ich konnte zum Beispiel nicht herausfinden, wer eigentlich den Bau des Übergangsgefängnisses Camp Greyhound anordnete und genehmigte. Niemand scheint Verantwortung übernehmen zu wollen. Das ist nicht überraschend, aber es ist ein Armutszeugnis.
New Orleans ist heute besser auf Hurrikans vorbereitet. Das ist erfreulich – all das Unrecht, das nach Katrina geschah, können diese Vorkehrungen jedoch nicht auslöschen. Es bleibt eine Wunde im Gedächtnis der USA.
Normalerweise wäre diese Rezension zu „Zeitoun“ an dieser Stelle abgeschlossen. Leider ist das nicht möglich. Leider habe ich lange nach der Lektüre Dinge über die Protagonist_innen dieses biografischen Romans erfahren, die ich nicht einfach ignorieren kann. Wir müssen darüber sprechen. Also, lasst uns nun noch einmal tief Luft holen und über den Elefanten reden, der hier im Raum steht.
Ich habe „Zeitoun“ im Juni 2020 gelesen. Ein halbes Jahr später, im Dezember 2020, wollte ich über das Buch im Rahmen meines Jahresrückblicks 2020 schreiben und dafür noch einmal nachlesen, aus welchem Land Abdulrahman Zeitoun ursprünglich stammte, weil seine Einwanderung relevant für seine Geschichte ist. Ich besuchte die Goodreads-Seite und überflog die Rezensionen. Das hatte ich bis dahin noch nicht getan. Wenn ich Rezensionen nicht für eine Kaufentscheidung brauche, vermeide ich es meistens, diese vor der Fertigstellung meiner eigenen Rezension zu lesen, um eine Beeinflussung meiner Gedanken zu verhindern. Ich stolperte über haarsträubende Behauptungen. Es hieß, es gäbe zahllose Beschwerden über das Unternehmen der Zeitouns, Abdulrahman und seinem Cousin wurden Betrug und Identitätsdiebstahl vorgeworfen, angeblich wurden Angestellte nicht bezahlt, ausgenutzt und schäbig behandelt. Diese Anschuldigungen zeichneten bereits ein völlig anderes Bild der Familie, als ich es aus „Zeitoun“ kannte, aber wirklich schockierend waren die Berichte angeblicher Vorfälle von häuslicher Gewalt. Ich konnte es kaum glauben, ich war wie vom Donner gerührt: Abdulrahman sollte Kathy 2012, also drei Jahre, nachdem „Zeitoun“ erschienen war, auf offener Straße mit einem Wagenheber beinahe totgeprügelt haben. Damit noch nicht genug sollte er außerdem wenig später den Mord an Kathy, ihrem Sohn Zachary aus erster Ehe und einem weiteren Mann beauftragt haben.
Ich war verstört. Das konnte nicht die Wahrheit sein. Das durfte sie nicht sein. Abdulrahman, der Mann, den ich als liebevoll, verantwortungsbewusst und selbstlos kennengelernt hatte, war zu solchen Verbrechen nicht fähig. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Dennoch begannen die Zahnräder in meinem Kopf zu rattern. Was, wenn es doch wahr ist? Was bedeutet das für das Buch „Zeitoun“ und was sagt es über Dave Eggers aus? Ich beschloss, mich für die Rezension auf eine ausgedehnte Recherche-Mission zu begeben. Ich konnte nicht so tun, als hätte ich die Vorwürfe nicht gelesen, weil die intime Beziehung zwischen Abdulrahman und Kathy ein wesentlicher Bestandteil des Romans ist und ich mich der Frage, wie viel ihrer Geschichte den Tatsachen entspricht, wenn Abdulrahmans Persönlichkeit, wie Eggers sie porträtierte, nicht die Realität widerspiegelt, stellen musste. Ich musste für mich herausfinden, inwiefern das Buch von den Anschuldigungen betroffen ist und entscheiden, ob sie Einfluss auf meine Bewertung haben mussten.
Abdulrahman Zeitoun wurde tatsächlich am 25. Juli 2012 verhaftet, nachdem er Kathy mit einem Wagenheber und seinen Fäusten angegriffen und verletzt hatte. Zu diesem Zeitpunkt waren sie meines Wissens bereits geschieden. Als Trennungsgrund gaben sie finanzielle Unstimmigkeiten an, dass das wirklich der einzige Grund war, erscheint mir jedoch fraglich, weil Kathy ein Kontaktverbot erwirkt hatte, das es Abdulrahman untersagte, sich ihr oder den Kindern zu nähern. Er verstieß mehrfach gegen das Verbot. Die Situation eskalierte an diesem 25. Juli und Abdulrahman wurde ins Gefängnis gebracht. Dort beauftragte er angeblich einen Mitinsassen, Kathy, Zachary und einen dritten Unbekannten zu töten und versprach ihm dafür 20.000 Dollar. Dieser Mitinsasse verriet ihn an die Gefängnisleitung, die den Vorwurf an die Staatsanwaltschaft weitergab. Er wurde des versuchten Mordes, häuslicher Gewalt, der Anstiftung zum Mord und des Verstoßes gegen das Kontaktverbot angeklagt. Vor Gericht sagte Kathy aus, dass sie seit ihrer Hochzeit bis zu ihrer Scheidung Gewalt in der Ehe erlebte, also auch vor und nach Katrina, was in „Zeitoun“ nie auch nur angedeutet wird. Sie fürchtete um ihr Leben.
Abdulrahman verzichtete auf einen Geschworenenprozess, weshalb die Entscheidung in seinem Fall von dem Richter Frank Marullo getroffen wurde. Dieser sprach ihn im Juli 2013 frei. In seiner Urteilsbegründung erklärte er, dass es nicht genug Beweise gab, um Abdulrahman zu verurteilen. Der Mitinsasse, der ausgesagt hatte, dass Abdulrahman ihn für einen dreifachen Auftragsmord bezahlen wollte, war nach Marullos Meinung nicht glaubwürdig, weil er ein langes Vorstrafenregister besaß und zu befürchten war, dass er lediglich versuchte, sich selbst in einem günstigen Licht darzustellen. Marullo sagte also nicht, dass Abdulrahman unschuldig war; er sagte, dass die Staatsanwaltschaft nicht zweifelsfrei (beyond reasonable doubt) beweisen konnte, dass er schuldig war.
2016 stand Abdulrahman erneut vor Gericht. Wieder hatte er gegen das Kontaktverbot verstoßen und Kathy gestalkt. Dieses Mal wurde er für schuldig befunden und zu vier Jahren Haft verurteilt. Im März 2018 hatte er seine Zeit abgesessen. Warum er bereits nach etwa zwei Jahren entlassen wurde, kann ich lediglich vermuten. Möglicherweise kam er durch gute Führung für eine vorzeitige Entlassung in Frage, vielleicht wurde ihm auch die Zeit angerechnet, die er sich zuvor bereits in Untersuchungshaft befunden hatte. Wie auch immer die Gründe letztendlich aussahen, in den USA war er nicht mehr willkommen. Im September 2018 wurde entschieden, dass er abgeschoben werden sollte. Nun wissen wir jedoch alle, dass Syrien im Herbst 2018 drängendere Probleme hatte als die Wiederaufnahme eines Mannes, der aus den USA ausgewiesen werden sollte. Seit 2011 tobt dort ein Bürgerkrieg, der die ganze Welt erschüttert und eine der gravierendsten Flüchtlingskrisen aller Zeiten auslöste. In diesen Hexenkessel konnte man Abdulrahman nicht zurückschicken. Deshalb blieb er in den USA. Soweit ich weiß, lebt er noch heute in den Staaten, als freie Person, allerdings ohne Green Card und unter strengen Auflagen. Er könnte jederzeit ausgewiesen oder wieder inhaftiert werden. Seine Zukunft ist ungewiss.
Das sind die letzten Nachrichten, die ich über Abdulrahman und Kathy Zeitoun finden konnte. Kathy hatte nach der Entlassung ihres Ex-Mannes 2018 große Angst, dass sie und ihre Familie erneut zu Zielscheiben für ihn werden könnten, offenbar ist jedoch nichts geschehen, das ein Eingreifen der Justiz rechtfertigen würde. Ebenso konnte ich keine Hinweise darauf finden, dass die Vorwürfe von Betrug und Identitätsdiebstahl, die bei Goodreads öffentlich nachzulesen sind, je rechtliche Konsequenzen nach sich zogen. Das heißt nicht, dass diese nicht der Wahrheit entsprechen, es bedeutet nur, dass Abdulrahman wohl nie dafür angeklagt wurde, denn im Rahmen der Berichterstattung über seine Prozesse wären Vorstrafen höchstwahrscheinlich erwähnt worden, weil sich diese auf Urteil und Strafmaß ausgewirkt hätten. Letztendlich wissen wir nicht einmal, ob sich Kathys Anschuldigungen von häuslicher Gewalt je so zugetragen haben. Unter normalen Umständen wäre ich die erste, die ihr jedes Wort glaubt und sie dafür feiert, dass sie den Mut aufbrachte, sich zu wehren und ihren Peiniger anzuzeigen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es diesen unverzeihlichen Vorfall mit dem Wagenheber wirklich gab, da sich dieser auf offener Straße zutrug und dementsprechend wahrscheinlich Zeug_innen anwesend waren. Aber ihre Behauptung, Gewalt sei seit ihrer Hochzeit Bestandteil ihrer Ehe gewesen – ich weiß nicht, ob das stimmt und der Grund für meine Ratlosigkeit ist das Buch „Zeitoun“.
Wie ich bereits erklärt habe, spielt die Beziehung zwischen Abdulrahman und Kathy Zeitoun eine wichtige Rolle in dem Roman. Dave Eggers bemühte sich sehr, sie als liebevolles Ehepaar darzustellen, die nicht immer einer Meinung waren, jedoch stets am selben Strang zogen und als Team agierten. In sein Porträt will das Auftreten häuslicher Gewalt nicht so recht passen. Selbstverständlich ist häusliche Gewalt ein Verbrechen, das in den meisten Fällen ausschließlich im privaten Rahmen begangen wird. Betroffene ergreifen oft extreme Maßnahmen, um zu verstecken, dass sie zu Hause geschlagen und misshandelt werden. Wenn Dave Eggers zu Gast war, zeigten sich die Zeitouns garantiert von ihrer besten Seite. Aber irgendwie erscheint mir die Theorie, dass vor allem Kathy jede Spur von Gewalt erfolgreich über drei Jahre verbarg, doch etwas dünn, weil Eggers ja nicht nur Gespräche mit dem Ehepaar selbst führte. Er recherchierte. Er untersuchte. Er grub in ihren Biografien. Wenn Kathy seit über einem Jahrzehnt regelmäßig geschlagen wurde, hätte er meiner Meinung nach Hinweise darauf finden müssen, in Form von offiziellen Dokumenten wie zum Beispiel Arztberichte, in Form von Gerüchten aus ihrer Nachbarschaft und ihren Familien oder in Form von Verhaltensweisen, die dem Bild des perfekten Ehepaares widersprachen. Es hätte Anzeichen geben müssen. Für mich ergeben sich aus dieser Logik und angesichts des Buches nur drei mögliche Erklärungen. Entweder, Dave Eggers ist ein lausiger Biograf, der nicht so gewissenhaft recherchierte, wie er behauptete, oder die Zeitouns waren meisterhafte Illusionist_innen, die ihm erfolgreich vorgaukelten, eine traumhafte Ehe zu führen, oder die Vorwürfe sind gelogen. Ich weiß nicht, welche Option ich plausibel finde, aber dass eine Diskrepanz besteht, nehme ich sehr deutlich wahr.
Dave Eggers hat sich nie zu den Vorwürfen gegenüber Abdulrahman Zeitoun geäußert. Ich finde das … Einerseits nachvollziehbar, andererseits frustrierend. Natürlich hätte er nichts damit gewonnen, ein Kommentar abzugeben. Was hätte er schon sagen sollen? Ihm blieb lediglich die Option, öffentlich zu erklären, dass er nicht wusste, was angeblich hinter verschlossenen Türen bei der Familie Zeitoun ablief. Selbst wenn er häusliche Gewalt vermutete, hätte er das niemals zugeben können, weil ihm das einen Shitstorm und Aufschrei beschert hätte, die seiner Karriere massiv geschadet hätten. Er wäre auf ewig als der Autor gebrandmarkt worden, dem seine Geschichte wichtiger war als die Wahrheit. Hätte er sich hingegen öffentlich distanziert, wären unangenehme Fragen zu seinem Arbeits- und Rechercheprozess gestellt worden. Wenn er drei Jahre in engem Kontakt mit der Familie stand, wie kann es dann sein, dass ihm nicht auffiel, dass Kathy das Opfer häuslicher Gewalt war? Nein, sein Schweigen war die klügste Entscheidung für ihn. Und doch wurmt es mich. Obwohl ich rational weiß, dass er mit einem Kommentar wenig erreicht hätte, sehnt sich ein Teil von mir nach der Bestätigung, dass er es nicht wusste. Ich will die Möglichkeit, dass er für „Zeitoun“ wissentlich Teile der Wahrheit ignorierte, ausgeräumt sehen.
Es irritiert mich auch, dass er offenbar sehr wenig negative Kritik dafür erhielt, dass er schwieg. Normalerweise werden Autor_innen sehr viel nachdrücklicher zur Verantwortung für ihr Werk gezogen und meinem Empfinden nach sind die Ansprüche an Non-Fiction besonders in den USA sehr hoch. Erinnern wir uns an James Frey, dessen Karriere implodierte, als herauskam, dass diverse Passagen in seinem als autobiografisch vermarkteten Roman „A Million Little Pieces“ übertrieben oder gelogen waren. Er wurde verklagt, musste sich öffentlich entschuldigen und einen Passus im Buch ergänzen, der Leser_innen darauf hinweist, dass nicht alles der Wahrheit entspricht, was er schrieb. Es gab ellenlange Artikel, die sein Fehlverhalte minutiös auseinandernahmen (darunter ein Kommentar von Stephen King). Über Dave Eggers‘ existieren solche Artikel nicht, zumindest konnte ich keinen einzigen finden. Er wurde meinen Recherchen zufolge überhaupt nicht dafür angegriffen, dass diese große Diskrepanz zwischen seiner Darstellung und den Anschuldigungen besteht. Ich habe den Eindruck, dass ihm eine Sonderbehandlung zuteilwurde, aber ich verstehe nicht, wieso.
Was bedeutet der Vorwurf häuslicher Gewalt unter dem Dach der Zeitouns nun für das Buch „Zeitoun“? Ich habe lange und intensiv darüber nachgedacht, ob sich aus der Möglichkeit, dass Kathy jahrelang misshandelt wurde, eine Konsequenz für meine Einschätzung des Romans ableitet. Da ich für alle weiteren Anschuldigungen keinerlei Beweise finden konnte, beschränkte ich mich auf diese Frage. So schockiert ich anfangs war, ich komme zu dem Schluss, dass das Buch von meinen Entdeckungen höchstens minimal betroffen ist. Ja, es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass „Zeitoun“ nicht die ganze Wahrheit erzählt. Sollte es tatsächlich stimmen, dass Kathy durch Abdulrahman über ein Jahrzehnt Gewalt erfahren hat, ist das zu verurteilen, abscheulich und ein Verbrechen, das er nie angemessen gebüßt hat. Letztendlich handelt „Zeitoun“ jedoch nicht von Abdulrahmans und Kathys Ehe. Es handelt von Katrina und den Menschenrechtsverletzungen, die Abdulrahman im Schatten dieser Katastrophe erlebte.
Es existiert kein einziger Hinweis darauf, dass dieser Teil ihrer Geschichte nicht wahr ist. Ganz im Gegenteil, Dave Eggers präsentiert Rechercheergebnisse, die keinen Zweifel daran zulassen, dass er wahr ist. Trotz der Erkenntnis, dass Abdulrahman nicht der selige Wohltäter ist, als den Eggers ihn porträtiert, ändert ein mieser Charakter nichts daran, dass das, was ihm widerfuhr, Unrecht war. Auch schlechte Menschen haben grundlegende Rechte, die niemals unter keinen Umständen verletzt werden dürfen. Sein Martyrium ist nicht weniger falsch, unmenschlich und entsetzlich, weil er ein verurteilter Stalker und möglicherweise ein Frauenschläger ist. Egal, was er in seinem Leben verbrochen hat, die demütigende Behandlung, die er erdulden musste, war nicht rechtens. Menschenrechte enden nicht, wenn jemand kriminell wird. Sie verwirken nicht. Dave Eggers wollte mit „Zeitoun“ nicht dafür argumentieren, dass Abdulrahman Zeitoun ein Mann ohne Fehl und Tadel war. Die Sympathie, die er seine Leser_innen empfinden lässt, ist ein Mittel zum Zweck, eine Strategie, um ihnen das Schicksal dieses Mannes näherzubringen. Sie ist nicht der Kern des Romans. Der Kern ist Katrina und der Kollaps der US-amerikanischen Justiz, der zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit führte. Eggers wollte mit „Zeitoun“ diese Menschenrechtsverletzungen in den öffentlichen Diskurs transportieren und das ist ihm zweifellos gelungen.
Darüber hinaus habe ich bereits geschrieben, dass die Familie Zeitoun es nicht mehr verdient als andere, ihre Geschichte zu erzählen. Damit meine ich, dass ihr Schicksal nur eines von vielen ist. Abdulrahman steht stellvertretend für all diejenigen, die nach Katrina Unrecht erfuhren. Er ist eine Stimme, aber nicht die Stimme aller Einwohner_innen von New Orleans. Deshalb ist es für das Buch meiner Meinung nach nur sekundär von Belang, wie die Ehe zwischen Abdulrahman und Kathy wirklich aussah. Er fungiert als Symbol und sollte auch als solches beurteilt werden.
Viele haben sich nach Bekanntwerden seiner Verhaftung darüber aufgeregt, dass dieser Mann im Anschluss an die Veröffentlichung des Buches zu zahlreichen Vorträgen und Auftritten eingeladen wurde. Ich verstehe diesen Impuls. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass viele das Gefühl haben, ein Mann, dem häusliche Gewalt vorgeworfen wird, sollte nicht die Gelegenheit bekommen, sich in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu sonnen. Ich beobachtete denselben Reflex bei mir selbst. Aber sind wir ehrlich: Wieso sollte Abdulrahman kein Recht haben, über seine Erlebnisse nach Katrina zu referieren? Warum sollte er nicht als Experte auf diesem Gebiet gelten? Er hat es erlebt, unabhängig davon, was er sonst getan hat. Die mutmaßliche Gewalt gegen Kathy hat nichts, aber auch gar nichts mit der Gewalt zu tun, die er selbst erfuhr. Er verdiente sie nicht. Er verschuldete sie nicht. Es handelte sich nicht um ausgleichende Gerechtigkeit. Wir müssen diese beiden Aspekte seiner Biografie trennen.
Darum glaube ich, dass „Zeitoun“ dennoch ein brillantes Buch ist. Ich halte es für wichtig, dass künftige Leser_innen darüber informiert sind, dass Abdulrahman keine weiße Weste hat und der Roman vielleicht nur ausgewählte Facetten der Beziehung zu seiner damaligen Ehefrau abbildet, aber die Botschaft, die Dave Eggers vermittelt, ist nichtsdestotrotz signifikant und muss gehört (oder gelesen) werden. Katastrophenmanagement rechtfertigt nicht, dass Menschenrechte ausgehebelt werden. Bevölkerungsgruppen unter Generalverdacht zu stellen und sie ohne Beweise wie Schwerverbrecher_innen zu behandeln, ist diskriminierend und unter keinen Umständen akzeptabel. Meiner Meinung nach tut das Buch sehr viel für die Betroffenen von Katrina, indem es sie sichtbar macht, ihnen ein Gesicht gibt und aus der Abstraktheit, der Anonymität der Masse herausholt. Selbst wenn der Protagonist in Wahrheit ein Verbrecher ist. Lest kritisch, lest differenziert und ihr werdet erkennen, dass „Zeitoun“ zwar die furchtbare Geschichte eines Mannes in den Fokus rückt, der sich später als fragwürdig und kriminell entpuppte – aber hinter ihm stehen Hunderte, wenn nicht Tausende, denen es genauso erging wie ihm und die es verdienen, gesehen und gehört zu werden.
- Tom Cooper
Das zerstörte Leben des Wes Trench
(67)Aktuelle Rezension von: reneeJetzt gibt es mal zur Abwechslung einen Abenteuerroman. „Das zerstörte Leben des Wes Trench“. Ist das nicht ein wunderschönes Cover? Ich muss gestehen, dass mich genau dieses Cover zu dem Buch geführt hat. Die Geschichte erschien auch interessant. Dazu kommt noch, dass ich die Landschaften der südöstlichen Bundesstaaten der USA so absolut wunderschön finde, dass mich Bücher, die in diesen Gebieten handeln, schon allein deswegen magisch anziehen. Und dieses so wunderschön gestaltete Buchcover schon allein beim Betrachten Geschichten freisetzt.
Doch warum geht es in diesem Buch? In dieser Geschichte befinden wir uns in der Barataria Bay im südöstlichen Louisiana, dem ehemaligen Gebiet des Stammes der Chitimacha, die aber in dem Buch überhaupt nicht vorkommen. Handelt dieses Buch doch Jahre später, nach dem Hurrikan Katrina und der Ölpest im Golf von Mexiko. Beide Ereignisse verändern das Leben der Bevölkerung der Barataria Bay, eine vom Rest der USA abgeschlagene Gegend. Dabei werden die Ausmaße beider Unglücke für die Bevölkerung recht anschaulich betrachtet und der Umgang der Ölfirmen mit der eigenen Schuld ebenso beleuchtet. Genauso wie das Wegschauen des Staates. Damit ist dieses Buch eine Gesellschaftskritik. Es geht in diesem Buch um die Versuche verschiedener Menschen, insgesamt 8 verschiedene Männer, ihr Glück zu finden, trotz widriger Bedingungen und Erfahrungen. Wegen dieser Glückssuche erfährt man auch etwas über die Geschichte dieses Landstrichs und im Besonderen erfährt man etwas über die Piraterie in der Barataria Bay und Pierre Lafitte, dem Bruder vom bekannteren Piraten Jean Lafitte. Dabei tröpfelt die Handlung anfänglich etwas, entwickelt aber nach und nach einen gewaltigen Sog und ich bin froh, dieses Buch gelesen zu haben. Nur Nähe zu den Protagonisten entwickelt das Buch fast gar keine, was schade ist, gefallen hat mir das Buch aber trotzdem. - Erica Spindler
Tote Stille
(37)Aktuelle Rezension von: LEXIEine mir bis dato vollständig unbekannte Autorin hat mein Interesse geweckt. Erica Spindler zeigt mir in ihrem Buch "Tote Stille", dass sie es wirklich drauf hat, das Interesse des Lesers zu wecken und Spannung aufrecht zu erhalten. Falsche Fährten, akribische Ermittlungen und einige private Beziehungskisten der Protagonisten verleihen dem Plot entsprechende Fülle. Lediglich das Ende, die Auflösung der Identität des mysteriösen Serienkillers namens "Handyman" war für mich enttäuschend ... zu unklar und nicht nachvollziehbar die Motive und zu wenig Details über die Person des Killers. Schade. Daher nur 4 Sterne - aber ich möchte unbedingt "mehr" von dieser Autorin lesen! - Marc Hujer
Arnold Schwarzenegger -
(1)Aktuelle Rezension von: HoldenArnies Lebensgeschichte, vom kleinen Dorfbub im Thal der Nachkriegsjahre bis zu einem mächtigsten Männer der Welt. Nach Beendigung des Buches 2009 ist ja auch einiges passiert (Ehebruch, Scheidung usw.), eine Neuauflage ist als dringend nötig, Herr Hujer! Die Abschnitte über seine harte Kindheit mit dem sehr strengen Vater und der Aufstieg zum Bodybuilderkönig sind natürlich am interessantesten, da ich im Moment auch ein bißchen zu den Hanteln greife, hätte ich über Trainingsmethoden oder Ernährungspläne auch sehr gern gelesen. Und im neuen Jahrtausend ein ganz neues Leben in den Höhen und vielen Tiefen der Politik, wo ihn manche mit "Gulliver" vergleichen. Ein echter Tausendsassa, der ein Leben für zehn normale andere lebt, in seinem Tatendrang und seinem Fleiß ein echtes Vorbild. - Charlaine Harris
Vampire schlafen fest
(331)Aktuelle Rezension von: SabrysbluntbooksBand 7 der Reihe Sookie-Stackhouse :)
Tolle Reihe, ich kann gar nicht mehr damit aufhören, mir gefällt dass die Hintergrund-Story weiter geht und immer mehr über die Welt der Übernatürlichen aufgedeckt wird, mittendrin immer unsere Sookie die durch ihre telepathischen Gabe in jedes Unglück hineingezogen wird aber auch aktiv helfen kann, dass weniger passiert...
Der Love-interesst ist diesmal mit einem Wehrwesen und ich mag Quinn als Charakter sehr und bin gespannt ob dies noch weitergeht, es bleibt spannend, denn Bill und Erik schwirren auch noch um Sookie und irgendwie hegt sie für alle noch Gefühle aber ganz unterschiedliche :)
- Dolores Redondo
Todesspiel. Die Nordseite des Herzens
(93)Aktuelle Rezension von: paw_prints_on_booksDieses Buch sind drei Thriller, die sich als einer verkleiden. Es geht los mit dem "Komponisten", doch noch bevor die Ermittlertruppe New Orleans vor dem Auftreffen des gefürchteten Hurrikans Katrina erreicht, zeigen sich schon anderen – nicht weniger spannende – Handlungsstränge. Normalerweise mag ich es gar nicht, wenn ein Thriller oder Krimi ständig die Vergangenheit eines Ermittlers beleuchten muss. Vor allem, wenn diese überhaupt nichts mit dem Fall zu tun hat. Aber hier war das etwas ganz anderes. Redondo versteht es, den Leser in den Bann zu ziehen und auch dort zu halten. Im New-Orleans-Abschnitt nach der Katrina-Katastrophe, konnte ich das brackige bakterienverseuchte Wasser, durch das die Figuren waten mussten, quasi riechen. Winziger Wermutstropfen bei einem ansonsten so ziemlich perfekten Buch, sind die etwas mystisch anmutenden kleinen Abschweifungen gegen Ende der Story.
- Wylie Overstreet
Adam ist jetzt mit Eva befreundet
(40)Aktuelle Rezension von: HoldenEine interessante Idee: Was wäre passiert, wenn Mark Z. (bzw. die Winklevoss-Zwillinge) Facebook viel früher erfunden hätten, was hätte man damals nicht alles schon im Vorraus wissen können? Schön ironisch-humorvolle Gedankenspielereien, bei dem einem auch manchmal das lachen im Halse stecken bleibt, zB wenn Hitler Nationalismus bereits 1920 für eine "gute Idee" hält. Sehr amüsant so für zwischendurch, durchaus weiterzuempfehlen. - James Lee Burke
Sturm über New Orleans
(23)Aktuelle Rezension von: Igelmanu66»Die Zahl der Plünderer, Brandstifter und Gewalttäter nahm von Stunde zu Stunde zu, ohne dass wir sie irgendwo unterbringen konnten. Wir ließen Plünderer laufen, nur um sie zwei Stunden später in improvisierten Arrestarealen wiederzusehen. Einige der Festgenommenen waren wahrscheinlich Mörder, Drogendealer oder Soziopathen, die den Sturm ausgenutzt hatten, um Konkurrenten zu beseitigen oder alte Rechnungen zu begleichen.«
August 2005. Der Hurrikan Katrina, eine der verheerendsten Naturkatastrophen in der Geschichte der Vereinigten Staaten, hat die Stadt New Orleans zerstört. Die Stadt ist überflutet, unzählige Menschen sind gestorben. In den Trümmern und verlassenen Häusern treiben Plünderer ihr Unwesen, in den gefluteten Straßen herrscht Gesetzlosigkeit. Schwelender Rassismus bricht allerorten auf, die Polizei ist hoffnungslos überfordert. Grund genug für eine selbst ernannte Bürgerwehr, das Gesetz selber in die Hand zu nehmen. Eines Nachts fallen wieder mal Schüsse und ein siebzehnjähriger Schwarzer ohne Vorstrafen stirbt. In unmittelbarer Nähe zu dem Haus einer weißen Familie, deren Tochter nach der Vergewaltigung durch mehrere Schwarze traumatisiert ist. Ein simpler Fall von Selbstjustiz? Cop Dave Robicheaux schaut genauer hin…
Dieser Krimi ist kein Wohlfühlbuch, er ist hart und brutal. Das beginnt schon bei der Schilderung des Szenarios. Katrina ist zwar viele Jahre her, trotzdem habe ich noch die Fernsehbilder präsent. Die allerdings durch die Wortgewalt der Beschreibungen im Buch noch mal enorm verstärkt werden. Ein pures Albtraum-Szenario, man kann es nicht anders ausdrücken.
Den Leser erfasst Zorn, ganz klar tritt hervor, wie die Opfer – vor allem die ohnehin schon ärmsten unter ihnen – im Stich gelassen werden. Fassungslos liest man von vergeblich auf Hilfe wartenden Menschen. Dass vor diesem Hintergrund Verbrechen und Gewalt blühen, wundert nicht, aber in seinem Ausmaß und der drastischen Darstellung schockiert es schon. Sensible Gemüter sollten besser die Finger von diesem Buch lassen.
Die Protagonisten scheinen alle gegen persönliche Dämonen zu kämpfen. Dave Robicheaux ist ein traumatisierter Vietnam-Veteran und trockener Alkoholiker. Sein Freund Clete war mal sein Kollege, musste aber den Polizeidienst verlassen und arbeitet jetzt als eine Art Privatermittler. Er ist sensibel aber aggressiv, engagiert aber unbeherrscht und nach meiner Einschätzung aktiver Alkoholiker oder auf dem Weg, einer zu werden. Die Guten haben mächtig schlechte Seiten, die Bösen unterscheiden sich im Grad ihrer Grausamkeit, doch auch bei ihnen wird ein Blick hinter die Fassade gewagt, nach den möglichen Ursachen ihres verkorksten Lebenswegs gefragt. Darin steckt gleichzeitig eine Menge Gesellschaftskritik, mindestens bei einem der Bösen war ich am Ende geneigt zu glauben, dass sein Leben unter günstigeren Startbedingungen einen anderen Weg genommen hätte. Ich merkte, wie sich beim Lesen meine Empfindungen wandelten. Beispiel: Vier Plünderer nehmen ausgerechnet das Haus eines Unterweltbosses auseinander. Über die Plünderer erfährt der Leser, dass sie einige wirklich schwere und grausame Verbrechen begangen haben. Da schleicht sich ein fieser kleiner Gedanke in der Art von „Jungs, dieses Mal werdet ihr nicht ungeschoren davonkommen“ ein. Aber wenn es dann so weit ist, kommt fast Mitleid auf. Wie gesagt, der Grad der Grausamkeit macht den Unterschied. Man darf auch nicht darauf hoffen, dass am Ende alles gut ist. Dafür steckt viel zu viel Realismus in der Handlung und die wirkliche Welt ist oftmals keine nette.
Es sind altbekannte Themen, die hier aufgebracht werden, Themen wie Gerechtigkeit, Rache, Vergebung und Schuld. Der Leser kommt nicht umhin, sich unangenehme Fragen zu stellen, die berühmten „was würde ich tun“ Fragen. Recht und Gerechtigkeit sind nun mal nicht immer eins. Und wenn es um die eigenen Kinder geht, übernehmen gerne Urinstinkte die Steuerung menschlichen Handelns.
Ich mag Bücher, die einen als Leser vor solche gedanklichen Herausforderungen stellen. Trotzdem brauchte ich ein wenig, bis ich in der Handlung war, der Einstieg war manchmal verwirrend. Dazu trugen sicher der Umgangston und die vielen benutzten Slangausdrücke bei, deren Übersetzung nicht immer nahelag. Auch für die mehreren Erzählstränge benötigte ich eine kurze Orientierungszeit, nachdem das geschafft war, hat mich das Buch aber wirklich gefesselt.
Fazit: Hart und brutal. Kein Wohlfühlbuch, aber richtig gut!
»Diejenigen, die nicht aus dem Fenster gekommen sind, sind ertrunken«, sagte sie.
»Sagen Sie das noch mal?«
»Fast alle Leute auf dem Dachboden sind ertrunken. Ich hab die Kinder aus dem Fenster geworfen, aber ich hab sie im Wasser nicht mehr gesehn. Die meisten anderen waren zu alt oder zu dick. Ich hab sie einfach zurückgelassen und bin auf einen dicken Baum zugeschwommen, der vorbeigetrieben ist. Ich hab sie in der Dunkelheit brüllen gehört.« - Alia Cruz
Stürmische Gefahr
(22)Aktuelle Rezension von: Murmel_2016Wiedermal bin ich begeistert was Alia Cruz geschrieben hat. Am Anfang brauchte ich kurz bis ich in die Geschichte kam, aber bereits nach kurzer Zeit konnte ich wunderbar eintauchen. Es wird in verschiedenen Perspektiven der Charaktere erzählt, was einen noch viel mehr fesselt, da man sich noch leichter reinversetzen kann. Die Spannung ist ganz groß geschrieben und hält sich bis zum Ende. Die Spannung und der flüssig leichte Schreibstil der Autorin lässt einen das Buch wegsuchten. Ich konnte es einfach nicht weglegen. Perfekte Mischung aus Liebe, Spannung und Erotik. Auch die Erotikszenen sind angenehm, nicht anstößig, sondern passend. Was ich persönlich toll finde ist, wenn man denkt man weiß wie es weiter geht oder endet, aber es dann ganz anders kommt. Das fesselt einen noch mehr, da die Neugier und Spannung einfach nochmal steigt. Das Cover ist mega. Schon alleine deswegen wäre ich begeistert. Auf jeden Fall gibt es eine glasklare Leseempfehlung. Und weil ich mehr als begeistert bin, gibts volle 5 von 5⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️ - Sara Gran
City of the Dead
(5)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-NutzerDetektivin Claire de Witt ist einem traumatisierten Schlachtfeld namens New Orleans auf der Suche nach Vic Willing, der in der großen Flut umgekommen aber auch ermordet worden sein könnte. Sie recherchiert weniger, als dass sie auf Träume, bewusstseinserweiternde Drogen und ein hirnrissiges Handbuch für Detektive ("Silette wrote...") vertraut. Durchnässte Mann-Frau-Teams reißen sich hier nicht direkt die Klamotten vom Leib und tun für die Handlung irrelevante Dinge. Irgendwie großartig. - 8
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