Bücher mit dem Tag "internetdienste"

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7 Bücher

  1. Cover des Buches Der gefährlichste Ort der Welt (ISBN: 9783423281331)
    Lindsey Lee Johnson

    Der gefährlichste Ort der Welt

     (108)
    Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer

    Es fällt schwer Lindsey Lee Johnsons Debüt Der gefährlichste Ort der Welt angemessen zu bewerten und zu rezensieren. Und bevor dies geschieht, muss vorab etwas geklärt werden. Es ist ein sehr schönes Debüt, dass durch seine Multiperspektivität, seine meisterhaften Cliffhanger, viel Spannung, einem angenehmen Schreibstil und einem bewegenden, wichtigen Thema besticht. Insofern würde eine Besprechung auf eine Empfehlung hinauslaufen mit einigen kleineren Einschränkungen. Wäre da nicht, ja wäre da nicht das Problem, dass der deutschsprachige Raum in wesentlichen Teilen ein anderes Buch zu lesen bekommt, als der angloamerikanische. Dass es massive und wesentliche Unterschiede zwischen dem amerikanischen Original und der deutschen Übersetzung gibt, ist dermaßen frappant, dass es mir ursprünglich unmöglich fiel, das Buch positiv zu bewerten. Ich erwarte von einer Übersetzung, dass diese so dicht wie irgend möglich am Original bleibt, schließlich hat sich die Autorin etwas dabei gedacht.

    In der deutschen Übersetzung kommt der Prolog hinzu, der im Original nicht existiert, dafür wird „der Brief“ um mehr als die Hälfte gekürzt, obwohl dieser doch ein ganz wesentlicher Aspekt der Geschichte ist. Aber der schlimmste Eingriff ist, dass im Original die Lehrerin Molly Nicoll eine wesentliche Rolle im Roman einnimmt, so dass Penguin Randomhouse wirbt: „Into this complicated web, an idealistic young English teacher arrives from a poorer, scruffier part of California. Molly Nicoll strives to connect with her students—without understanding the middle school tragedy that played out online and has continued to reverberate in different ways for all of them.“

    Nur leider kommt Nicolls in der deutschen Ausgabe quasi gar nicht vor. Sie erscheint lediglich auf den letzten Seiten als Randnotiz. Und das während im Original die Geschichte um Nicolls herum gestrickt wird. Sie ist die verbindende Person, um die die einzelnen Episoden zentriert sind. Im Original wechseln sich die Perspektiven der Lehrerin und der Teenager ab. Es erschließt sich mir beim besten Willen nicht, warum in eine Romanvorlage dermaßen intensiv eingegriffen wird. Deshalb habe ich bei dtv nachgefragt.

    Geantwortet hat Patricia Reimann, Lektorin und Programmleitung Literatur bei dtv. So gibt es auf der Impressumsseite tatsächlich einen Hinweis auf die verschiedenen Versionen, den ich schlichtweg überlesen hatte. Dort heißt es zunächst: „Die Abweichungen zwischen amerikanischer Original- und deutscher Erstausgabe sind mit der Autorin abgestimmt.“ Interessanter fällt aber die Begründung von Reimann aus:

    „Unsere Ausgabe basiert auf dem von mir akquirierten amerikanischen Originalmanuskript. Der Verlag in den USA hat die Autorin später gebeten, eine weitere Figur einzubauen, Miss Molly, und damit die gesamte Perspektive zu verändern. Ich war der Ansicht, dass der Text dadurch verloren hat und habe mich mit der Autorin darauf geeinigt, an der ursprünglichen Version festzuhalten.“

    Eine schönere Begründung hätte ich mir gar nicht wünschen können. Hier ist dtv der Idee von Lindsey Lee Johnson gefolgt und hat das Buch herausgebracht, das diese ursprünglich geschrieben hat, während in den USA eine Version erscheint, in die der Verlag massiv eingegriffen hat. Und wenn man das Buch liest, ergibt sich auch die ein oder andere Vermutung, warum der Verlag dies getan hat. Dtv hat sich mit dieser (durchaus auch mutigen) Entscheidung schon mal eine kleine Ecke in meinem Literaturherzen erobert.

    Denn sie wissen nicht, was sie tun

    Mit dem Wissen, dass die deutsche Ausgabe, die Intention von Johnson widerspiegelt, lässt sich die Rezension auch viel besser angehen. Der gefährlichste Ort der Welt befindet sich in Mill Valley, Kalifornien und ist natürlich eine dienliche Übertreibung, denn es handelt sich um einen reichen, wohl behüteten Vorort und ist somit weit entfernt davon wirklich gefährlich zu sein. In der „viertbesten Kleinstadt in Amerika“ leben knapp 14.000 Menschen vor den Toren San Franciscos. Es wirkt eher nach „white people problems“. Im Zentrum steht eine Gruppe von Teenagern, die von der Middle- bis zur High-School begleitet wird. Lindsey Lee Johnson schafft es aber in ihrem Roman in der Binnenperspektive und im Selbsterleben der Jungen und Mädchen die Schule tatsächlich zum gefährlichsten Ort der Welt mutieren zu lassen. Das Kinder grausam sein können, ist geradezu eine Binsenweisheit. Aufgrund der mangelnden, weil noch nicht voll ausgebildeten, Langsicht, sind sich Kinder und Teenager der Konsequenzen ihrer Handlungen oft nicht bewusst. Ein Umstand dem nicht zuletzt im Strafrecht Rechnung getragen wird. Was dies aber im Alltag junger Menschen wirklich bedeuten kann, beschreibt Johnson sehr einfühlsam.

    Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Ansehen, dem Teenager in westlichen Gesellschaften unterliegen und in einigen Konstellationen geradezu pervertieren, führt unausweichlich in die Abwertung anderer. Sich selbst erhöhen auf Kosten anderer, ist der leichteste und schnellste Weg zum vermeintlichen Steigern des eigenen Wertes im unausgesprochenen Ranking der Schülerinnen und Schüler. Es gilt eine imaginäre Highscore anzuführen, das eigene Image zu pimpen und sich irgendwie als Besonders und Interessant zu gerieren. Dabei sind die Maßstäbe unbekannt und können permanent wechseln, je nach Mode. Lediglich einige wenige übergeordnete gesellschaftliche Werte sind beständiger und sind entsprechend wirkmächtig. Am gefährlichsten Ort der Welt sind dies für die Teenager Schönheit, Geld und Macht. Allem voran aber das Aussehen. Die Oberflächlichkeit einer Gesellschaft potenziert durch die noch nicht vorhandene Tiefgründigkeit Jugendlicher, eine explosive Mischung. Und hier setzt Johnson an. Bullying und Mobbing sind schon lange ein ernsthaftes Problem. Radikalisiert, beschleunigt und verewigt durch die sozialen Medien können Demütigungen leicht zu einer Überforderung, erst recht, junger Menschen führen.

    Dies ist der Ausgangspunkt des Romans. Die jungen Achtklässler*innen und ihre gemeinsame, schicksalhafte Geschichte. Ausgehend von einem dramatischen Schlüsselereignis, beschreibt Johnson die unterschiedlich Beteiligten immer aus deren jeweiliger Perspektive. So entsteht ein Kaleidoskop des Leidens: Leid verursachend und Leid ertragend. Täter und Opfer, Opfer und Täter. Diese Multiperspektivität ist der größte Gewinn des Buches, vermeidet Johnson doch einseitige Schuldzuweisungen, sondern lässt die Lebensläufe und Erlebnisse für sich sprechen. Das geht allerdings zu einem guten Teil auch auf Kosten möglicher Identifizierungspotenziale. Das wird sicherlich einige Leser*innen stören, ich fand es im Rahmen dieser Geschichte genau richtig, wenn auch manchmal herausfordernd.

    Stereotype oder Hyperbel?

    In der Gruppe findet sich die ausgezeichnete Schülerin mit einem Geheimnis, der hochintelligente Junge, der seine Fähigkeiten aber lieber für illegale Geschäfte nutzt, das Hippiemädchen (California, you know), die hoch engagierte und talentierte Tänzerin, der infantil-narzisstische Junge, der ausschließlich seine hedonistischen Empfindungen folgt, der gute aussehende und alle Mädchen abschleppende Baseballstar, der Asiate mit überstrengen Eltern und natürlich die unnahbare Schulschönheit. Das erinnert schnell an stereotype Filme der 80er Jahre, allen voran The Breakfast Club. Und die Charaktere sowie ihr gesamtes Umfeld sind tatsächlich das manifeste Klischee. Die reichen, immer zu feiernden Teenies. Die Empathie befreiten Kinder, Empathie befreiter Eltern.

    Was in der Einzeldarstellung gut funktioniert und als literarische Verdichtung oder Hyperbel durchgeht, wirkt in der Gesamtschau allerdings überborden. Zwar gibt es jeden einzelnen Fall in der Realität und auch noch weitaus schlimmer, aber der Roman glänzt eben auch mit der Abwesenheit differenzierterer Charaktere, was sich besonders schlimm beim Frauenbild niederschlägt. Dass der Wettbewerb unter Teenagern, gerade in reichen, weißen Vororten in einer an Oberflächlichkeiten und Imagebuilding leidenden Kultur, extrem sein kann, ist mittlerweile Popkultur. Das dem aber ausschließlich alle unterliegen sollen und es keine Protagonistin gibt, die nicht als leicht bekleidete und jederzeit Paarungswillige daherkommt, wirkt arg befremdend. Hier muss man aber aufpassen nicht in die Falle der eigenen Wünsche und Gefühle zu tappen.

    In amerikanischen Rezensionen haben sich tatsächlich einige Mütter aus Mill Valley (und ähnlichen Vororten) gemeldet und haben die Aussagen des Romans bestätigt. So bitter es auch ist, manchmal ist die Gruppendynamik und die daraus entstehende Subkultur genau die Pervertierung, die wir nicht wahrhaben wollen. Insofern wirken Johnsons Stereotype schnell als dienliche Hyperbel. Frei nach dem Sozialphilosophen Adorno: „In diesem Falle ist die Übertreibung dringlich geboten.“ Was anfangs also als Modernisierung des gefälligen Teenie-Dramas wirkt, wird schnell zu einer Adaption des Films Kids in die Gegenwart der reichen privilegierten Suburbans und damit zu einer herausfordernden Tragödie.

    Die Botschaft wiegt schwer

    Allerdings, und hier kommen dann die kleinen Einschränkungen, wirkt es so, als sollten so viele „Gefahren“ für Heranwachsende wie möglich aufgeführt werden. Vorsicht vor Drogen. Vorsicht vor Alkohol. Vorsicht vor Mobbing. Vorsicht vor Sex. Vorsicht vor Partys. Alles für sich berechtigt und alles für sich auch durchaus stimmig und treffend von Johnson eingefangen. In der Masse wirkt dies allerdings leicht missionarisch. Fehlt nur noch der Hinweis, dass Selbstmord keinen Sinn macht. Ach ne, fehlt nicht, wird sogar explizit so erwähnt: Lasst das, das Leben ist wundervoll. Macht was draus. So sinnvoll die Botschaft auch ist, so abschreckend wirkt der erhobene Zeigefinger. Zumal die pädagogische Botschaft das Ende dominiert. Und das wirkt ein gutes Stück weit deplatziert für eine ansonsten gelungene Beschreibung einer dekadenten Gesellschaft auf Irrwegen.

    Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch hier von außen eingegriffen wurde, um den jungen Leser*innen ein positives Ende und eine deutliche, pädagogische Message mit auf den Weg zu geben oder aber Johnson wurde von ihrer eigenen Dramatik überrascht und fühlte sich verpflichtet zu korrigieren. So oder so passen die letzten Zeilen nicht zur vorhergehenden Erzählweise.

    In Gänze vermag das vermutlich eher jüngere Leser*innen, also den Young Adult Lesekreis etwas irritieren. Wer die Botschaft etwas beiseiteschieben und das Drama auf sich wirken lassen kann, bekommt einen bewegenden Roman, ein modernes Teenie-Drama, dass durch seine Perspektivwechsel beeindruckt. Jede Handlung hat Konsequenzen und Lindsey Lee Johnson zeigt mit erschütternder Präzision, wie unschuldige, privilegierte Teenager am gesellschaftlichen Druck, den Erwartungen ihrer Eltern, ihrer Peer Group als auch ihren eigenen, verzweifeln und scheitern.

  2. Cover des Buches Die Datenfresser (ISBN: 9783596190331)
    Constanze Kurz

    Die Datenfresser

     (11)
    Aktuelle Rezension von: chiara
    "Was wir uns heute jedoch angewöhnen, was wir zulassen und was wir ablehnen, bestimmt die Zukunft" Inhalt Wie der Titel des Buches schon sagt, befassen sich Constanze Kurz und Frank Rieger mit den Datenfressern, die uns in der digitalen Welt überall auflauern. Hierbei beschränken sich die beiden Autoren nicht nur auf die sozialen Netzwerke und Google, die man bei so einen Thema eigentlich immer als erstes im Verdacht hat. Sondern sie geben einen umfassenden Blick über den Tellerrand hinaus und zeigen einige Datensammler, die man im alltäglichen Leben so gar nicht auf dem Schirm hat. Bewertung Nach dem Lesen dieses Buches ist mir erst einmal so richtig bewusst geworden, wo im Internet ich überall Spuren hinterlasse. Bei vielen Dingen hat man selbst die Kontrolle über seine Daten und entscheidet nach bestem Wissen und Gewissen, was man über sich preisgibt – beispielsweise in sozialen Netzwerken oder bei der Anmeldung für bestimmte Dienste. Doch die beiden Autoren zeigen mit ihrem Buch, dass der Nutzer in vielen Fällen gar nicht weiß, dass er Spuren hinterlässt. Natürlich kann jetzt jeder sagen, dass man paranoid ist und man sich nicht so anstellen soll, wenn man nichts zu verbergen hat. Allerdings ist diese Haltung fatal, worauf die beiden Autoren eindeutig hinweisen. Also was tun? Ich finde das Thema Datensammelwut sehr interessant, was mich vor allem dazu veranlasst hat dieses Buch zu lesen. Allerdings ist es schade, dass die Thematik nicht etwas aufgelockert wurde. So strotzen die einzelnen Kapitel vor lauter Fakten, die leider auch in erheblichen Maße den Lesefluss behindern. Daher muss einen das Thema wirklich interessieren. Ansonsten dürfte es schon nach wenigen Seiten schwer werden sich zum Weiterlesen zu motivieren. Zu guter Letzt möchte ich noch zwei Punkte erwähnen, die mich an diesem Buch besonders beeindruckt haben. Da ist zum einem die Beschreibung unseres Lebens in zehn Jahren. Manches ist sicherlich übertrieben dargestellt. Allerdings kann man heute schon so manche Ansätze in die Richtung sehen, da Facebook den einen oder anderen Dienst bereits anbietet. Was mich am meisten erschreckt hat, ist eigentlich die Erkenntnis, dass ich mir ohne Probleme diese Zukunft vorstellen kann. Der zweite Punkte, der besonders gut gefallen hat, sind die Ratschläge im letzten Kapitel. Da haben es sich die Autoren nicht leicht gemacht und mit dem erhobenen Zeigefinger gewedelt – ganz im Gegenteil. Anstatt ein generelles Internetverbot auszusprechen, für den Fall dass man nicht ausspioniert werden will, setzen Constanze Kurz und Frank Rieger auf Aufklärung. Fazit „Die Datenfresser“ ist ein interessantes Buch, das schon fast eine Pflichtlektüre für diejenigen ist, die regelmäßig in der digitalen Welt unterwegs sind. Auch wenn es etwas langweilig geschrieben ist, bietet es einen guten Überblick und hilft sich gegen die Datensammler im Internet zur Wehr zu setzen. Wer nicht auf das Netz verzichten will, aber auch nicht alles über sich preisgeben will, was oft auch unbewusst geschieht, sollte sich dieses Buch einmal ansehen.
  3. Cover des Buches Images (ISBN: 9783961152322)
    Alexandra Carol

    Images

     (1)
    Aktuelle Rezension von: Almeri
    Dieses Buchcover und der Buchtitel haben mich hier zuerst angesprochen. Beim Durchlesen des Klappentextes, war mir klar, das muß ich lesen. Man hört ja immer wieder, und es wird immer häufiger, das zwei Menschen sich im Internet kennen lernen und daraus eine Liebe entsteht. Die Autorin hat hier wirklich gute Recherche Arbeit geleistet (Erklärung am Ende des Buches). Alexandra Carol schreibt ihre Geschichte so, das jeder einmal über das eine oder andere Nachdenken muß oder wird. Ihr Schreibstil ist leicht und bleibt locker, so das man das Buch recht zügig lesen kann. Ich habe natürlich wieder ein paar Lesepausen eingelegt, denn ich habe wieder einmal ZUVIEL nachgedacht, und über die eine oder andere Textstelle gegrübelt. Aber ich kann euch dieses Buch zum Lesen empfehlen, denn es ist nicht eines der Klischee Liebesromanen.
  4. Cover des Buches Gemeinsam einsam (ISBN: 9783280054222)
    Carsten Görig

    Gemeinsam einsam

     (4)
    Aktuelle Rezension von: HarryF
    Dieses Buch gibt - vor allem für Menschen die sich bisher nicht intensiv damit beschäftigt haben - einen guten Überblick über Google, Twitter und vor allem Facebook und deren Geschäftstaktikenum an unsere Daten zu kommen. Es wird genau beschrieben, wie diese Unternehmen mit unseren Daten Geld machen, indem sie personalisierte Werbung verkaufen. Was mir ein wenig gefehlt hat, waren Tipps um dem zu entgehen und ein Ausblick was die Zukunft bringen könnte.
  5. Cover des Buches Chinas Bosse (ISBN: 9783593508740)
    Wolfgang Hirn

    Chinas Bosse

     (2)
    Aktuelle Rezension von: Dr_M
    Die Geschichte steckt voller seltsamer Ironie. Die Parole "Überholen ohne einzuholen" stammt vom SED-Bonzen Walter Ulbricht und wurde gegen Ende der 1950-Jahre verkündet. Größenwahnsinnig wie Sozialisten in der Regel sind, dachte Ulbricht, in einem kleinen Land mit 17 Millionen Einwohnern und einer Planwirtschaft, könnten innovative Produkte entstehen, die die Welt noch nicht gesehen hatte. Das ging gewaltig schief, wie man inzwischen weiß. Doch nun, ein halbes Jahrhundert später, hat die Spitze der Kommunistischen Partei Chinas begonnen, Ulbrichts Parole leicht modifiziert in die Tat umzusetzen. Statt, wie Ulbricht es wollte, bereits vorhandene Technologien zu ignorieren, nimmt man diese her und verbessert sie so, dass innovative Neuigkeiten oder gar neue Produktpakete entstehen. Dazu unten mehr.

    Inzwischen kann man die Volksrepublik kaum noch als ein sozialistisches Land bezeichnen, vielmehr herrscht in China ein freigelassener Kapitalismus unter dem Regime einer diktatorisch auftretenden Partei, die eher nationalistisch als kommunistisch ist. Eine solche Struktur ist ebenso einmalig auf der Welt wie dieses Land es ist. Innerhalb von nur knapp zwei Jahrzehnten vollzog die Volksrepublik eine atemberaubende wirtschaftliche Entwicklung, die sich bis jetzt noch nicht einmal völlig entfaltet hat. China befindet sich auf dem besten Wege, die westliche Konkurrenz in den Schatten zu stellen und eine dominierende Wirtschaftsmacht zu werden.

    In diesem Buch kann man sich davon überzeugen. In leicht euphorischer Weise stellt sein Autor die inzwischen zahlreichen chinesischen Unternehmen von Weltrang vor und enthüllt ganz nebenbei die raffinierte Strategie, mit der die chinesische Staatsmacht den Weg zu dieser unglaublichen Entwicklung geebnet hat und weiterverfolgt. Dahinter stecken alte, in der chinesischen Kultur tief verwurzelte Denk- und Handlungsstrategeme, die vom Westen mit seiner typischen Arroganz nicht verstanden werden. Wenn man das Buch kritisieren möchte, dann kann man darauf hinweisen, dass die dunklen Seiten dieser Entwicklung und zahlreiche wirtschaftliche Risiken nicht erwähnt wurden. Es war jedoch nicht das Ziel des Textes, eine umfassende Analyse zu vermitteln. Vielmehr geht es allein darum, die großen chinesischen Unternehmen vorzustellen, ihre Entwicklung zu beleuchten und die Macher dahinter einmal ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Und das ist geradezu hervorragend gelungen.

    Der Text befasst sich zunächst mit den vielen IT-Unternehmen Chinas und deren rasantem Aufstieg. Ganz am Ende des Buches findet man jedoch ein Beispiel, das man sehr gut verstehen kann und das die chinesische Strategie geradezu exemplarisch beleuchtet: die Bahnindustrie. Dort steht: "Bis vor 20 Jahren besaß das Land noch ein antiquiertes System, wo altersschwache Lokomotiven unkomfortable Waggons mit einem Stundenschnitt von 40 Kilometern über jahrzehntealte Schienen zogen. Und heute besitzt das Land das größte Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt – 20000 Kilometer." Da unter anderem Siemens nicht auf den chinesischen Markt verzichten wollte, ging das deutsche Unternehmen auf die Forderung ein, auch die komplette Technologie abzuliefern. Nach nur wenigen Jahren war China dann in der Lage, sämtliche Züge selbst herzustellen. Inzwischen ist das chinesische Unternehmen CRRC das größte Bahnunternehmen der Welt, Siemens nur noch Sublieferant. Da CRRC nicht nur Züge liefert, sondern auch die gesamte Strecke baut (und das zu unschlagbaren Preisen), sind sie inzwischen auch in der Lage die ehemaligen Platzhirsche vom Weltmarkt zu verdrängen. Ähnliche Entwicklungen zeichnen sich auch in anderen Technologiebereichen ab.

    Hinzu kommt dabei noch, dass die Chinesen sich überall auf der Welt seltene Rohstoffe sichern. Sie gehen dabei ganz anders vor als die ehemaligen Kolonialmächte. Wer das verstehen will, kann es im Buch nachlesen oder am Fall der deutschen KUKA nachvollziehen, wo eine ähnliche Strategie gefahren wurde. Kurz gesagt: Die Chinesen machen sich keine Feinde, sondern nutzen die Energien und Möglichkeiten anderer für sich. Wer sich schon einmal mit asiatischen Kampfkünsten und ihren geistigem Hintergrund befasst hat, erkennt diese Strategien sofort. Inzwischen sind die westlichen Industriestaaten außerhalb des schlafmützigen Europas etwas aufgewacht. Um diese für sie sehr nachteilige Entwicklung aufzuhalten, dürfte es jedoch inzwischen viel zu spät sein.

    China besitzt viele Vorzüge, die zwar ab und zu im Buch diskutiert werden, jedoch nicht im Vordergrund stehen. Vor allem ist es seine Größe und seine Bevölkerungszahl, die einen gigantischen, hart umkämpften inneren Markt schaffen, auf dem so viel Geld verdient werden kann, dass es leicht ist, danach weltweit zu expandieren. Während insbesondere in Europa Unternehmen mit bürokratischen Regeln zugeschüttet werden, lässt die chinesische Führung staatlichen und privaten Unternehmen viel Freiheit, so lange sie im strategischen Interesse der Volksrepublik handeln. Ausländische Konkurrenz wird einfach abgeblockt. Beispielsweise hat Amazon nie einen Fuß auf den chinesischen Markt setzen können.

    Man findet sicher viel Platz für Kritik an diesem System. Doch das alles ist heiße Luft, die niemandem etwas nützt, wenn gleichzeitig immer mehr Marktanteile deutscher Firmen nach China abwandern. Leider scheint die Macht des Faktischen noch nicht in Deutschland angekommen zu sein, obwohl die Situation an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt. Gelingt es den Chinesen nicht, ein Unternehmen zu kaufen, dann kaufen sie eben das Fachpersonal, beispielsweise von BMW.

    Dieses Buch zeichnet nicht nur ein Bild von den inzwischen zahlreichen chinesischen Weltunternehmen, sondern auch von der strategischen Vorgehensweise, die es dem Land ermöglicht in einem unglaublichen Tempo seine ehemalige Rückstände aufzuholen und dann dominante Marktpositionen aufzubauen. Wer sich also immer noch im Dämmerschlaf befindet, dem ist dieses Buch wärmstens zu empfehlen.
  6. Cover des Buches Internet in a Nutshell (ISBN: 9783897211131)
  7. Cover des Buches Web 2.0 - Webseiten intelligent verknüpfen (ISBN: 9783772379055)

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