Bücher mit dem Tag "kaiserreich"
260 Bücher
- Ken Follett
Sturz der Titanen
(1.291)Aktuelle Rezension von: SM1"Sturz der Titanen" ist der erste Roman der dreiteiligen "Jahrhundert-Saga" von Ken Follett. Im Mittelpunkt des ersten Teils steht der erste Weltkrieg und dessen Vorgeschichte.
Erzählt wird die Geschichte verschiedener Protagonisten in England, Deutschland, Russland und den USA; diese erleben alltägliche und historische Ereignisse und Entwicklungen aus ihrer jeweiligen individuellen Perspektive. Im Laufe des Romans verknüpfen sich die einzelnen Handlungsstränge langsam miteinander und ergeben ein Gesamtbild.
Freunde historischer Romane werden die gesamte Reihe mögen, deren zweiter und dritter Teil noch besser sind als Teil eins.
- Theodor Fontane
Effi Briest
(1.827)Aktuelle Rezension von: titanreads"Effi Briest" spaltet. Die einen Leser lieben diesen Klassiker, die anderen verabscheuen ihn. Er handelt von der 17-jährigen Effi Briest, die in Hohen-Cremmen eine glückliche Kindheit erlebt und früh Baron von Instetten heiratet. Sie verlässt ihre Geburtsstätte und kommt nach Kessin, wo Baron von Instetten tätig ist. Dabei hat sie eine paranormale Begegnung, wodurch sie sich in ihrem neuen Heim nicht mehr wohlfühlt. Als sie dann Crampas kennenlernt, wird es spannend, denn dieser Crampas ist ein Frauenkenner. Wie wird ihre Zukunft aussehen? Und wie fügt sich Effi in dieses neue Leben voller Edelmänner und feiner Damen ein?
Theodor Fontane hatte nach Hirnleiden und Depression nur zur Ablenkung diesen Roman verfasst, der damals die Gesellschaft spaltete und dies auch heute noch zu schaffen mag, nur leider ist der Schreibstil sehr gewöhnungsbedürftig. Viele Themen (Schwangerschaft, Ehebruch, Tod) sind Tabu-Themen und wurden nicht klar beschrieben. Spannung kommt nur dann auf, wenn solche Themen angeschnitten werden. Fontane schafft es, einen innerlich aufzuwühlen, aber er verpasst viele Chancen, die Themen, Umstände und Situation noch viel tiefer werden zu lassen.
Eine Empfehlung für Literaturliebhaber, die ein sehr gutes Sprachverständnis haben und nicht auf großartige Spannung hoffen!
- Donna W. Cross
Die Päpstin
(4.390)Aktuelle Rezension von: AukjeUm 814 wird Johanna in einem kleinen Dorf in England geboren. Während ihre Mutter, eine normannische Heidin ist, ist ihr Vater der Dorfpriester. Ihr Vater ist ein grausamer Mensch der ihre Mutter schlägt und nicht wertschätzt und Johanna für nicht würdig und dumm hält, da sie ein Mädchen ist. Da er alle Hoffnungen in ihren Bruder legt ein Geistlicher zu werden, stellt er den Pädagogen Asklepius ein der ihn unterrichten soll. Doch dieser stellt ziemlich schnell fest das Johanna intelligent ist und unterrichtet sie heimlich. Als sie jedoch begreift das sie als Mädchen niemals alles erlernen kann, dass sie möchte flüchtet sie von ihrem Heimatort. Während ihrer Reise lernt sie den Ritter Gerold kennen, der ihr hilft. Um in das Kloster in Fulda zu gelangen rasiert sie sich die Haare ab und gibt sich als Junge aus um dort ein Mönch zu werden. Von nun an gibt sie sich als Mann aus und macht durch ihren klugen Verstand eine Karriere in der katholischen Kirche durch, die sie nach Rom führt und sie sogar auf den Papststuhl bringt. Immer begleitet und auch unterstützt wird sie von Gerold und die beiden verlieben sich in einander und haben eine heimliche Beziehung, da sie mittlerweile durch ihre Täuschung Papst ist. Als sie Schwanger von Gerold wird versuchen die beiden es zu verheimlichen, bis es während einer Prozession zum Showdown kommt…
Da ich historische Romane sehr mag, gefiel mir dieses Buch sehr. Geschichtlich soll Johanna als Päpstin wirklich existenz gewesen sein, doch die katholische Kirche leugnet es natürlich bis heute.
- E.M. Remarque
Im Westen nichts Neues
(1.263)Aktuelle Rezension von: Tilman_SchneiderPaul Bäumer und seine Klassenkameraden und Freunde, werden täglich vom Lehrer auf den Krieg vorbereitet. In glühenden Farben berichtet der Lehrer, was es für eine Ehre ist, wenn man im Krieg für das Vaterland dient. Paul will mit seinen Kameraden in den Krieg ziehen und meldet sich. Es geht los und an die Westfront und der Erste Weltkrieg tobt. All zu schnell müssen Paul und seine Kameraden aber erfahren, wie grausam der Krieg wirklich ist. Sie werden gedrillt und es ist alles so anders, als der Lehrer beschrieben hat. Der Lärm, die Verletzten, die Toten, all das verändert Paul und sein Denken und Handeln wird geprägt von den schlimmen Ereignissen. Erich Maria Remarques Buch ist schonungslos und ehrlich und hat von seiner Wucht, seiner Aktualität, leider nichts verloren.
- Hermann Hesse
Unterm Rad
(841)Aktuelle Rezension von: stefan182Inhalt: Hans Giebenrath ist Klassenprimus, gleichzeitig aber auch ein Einzelgänger. Von den Erwachsenen in seinem Umkreis – seinem Vater, dem Rektor und dem Priester – wird er zum intensiven Lernen angehalten, damit er das Landesexamen besteht, um in der Klosterschule Maulbronn zum Landesbeamten ausgebildet werden zu können. Dies gelingt ihm auch, allerdings erwarten ihn in Maulbronn erneut intensive Lernphasen – und langsam, aber sicher wird alles zu viel für Hans…
Persönliche Meinung: „Unterm Rad“ ist eine 1906 erschienene Erzählung von Hermann Hesse, die man heute dem Coming of Age-Genre zuordnen würde. Eine große Rolle innerhalb der Erzählung spielt die Selbstfindung von Hans, der in seinem Heimatdorf und in der Klosterschule permanent unter Druck steht: Seine – durchweg männlichen – Erzieher/Lehrer sehen Hans nur vor dem Hintergrund des Leistungsaspekts; wie Hans innerlich ist bzw. was er tatsächlich möchte, wird nicht berücksichtigt. Ein weiteres Coming of Age-Element, das in „Unterm Rad“ eine wichtige Rolle spielt, ist die (erste) Liebe: Zwei Mal verliebt sich Hans, wobei die eine Liebe eher eine geistige, die andere eine körperliche ist. Innerhalb der Erzählung findet sich zudem scharfe Kritik am Schulwesen um 1900, das, so der Erzähler und einzelne Figuren, zu verkopft sei und lediglich dazu diene, obrigkeitstreue Staatsdiener zu formen. Druck ist das Signum dieses Schulwesens – und die Erzählung zeigt, dass man durch diesen Druck zerbrechen kann. Erzählt wird „Unterm Rad“ von einem auktorialen Erzähler, der oft in die Perspektive von Hans schlüpft. Dabei wird ein vergleichsweise komplexer, leicht verschnörkelter Sprachstil mit häufiger Hypo- und Parataxen-Verknüpfung genutzt (das tut dem Lesevergnügen aber keinen Abbruch). Insgesamt ist „Unterm Rad“ eine eindrückliche Erzählung über das Erwachsenwerden, die auch ein Jahrhundert nach ihrem Erscheinen kaum Aktualität eingebüßt hat. - Florian Illies
1913
(295)Aktuelle Rezension von: bibliophilaraGeschichte fand ich früher meistens furchtbar langweilig. Das lag wahrscheinlich auch daran, dass ich einen Lehrer hatte, der ununterbrochen nur zusammenhanglose Monologe geführt und irgendwelche Daten von unterzeichneten Verträgen in seinen Bart genuschelt hat, ohne jemals etwas an die Tafel geschrieben zu haben. Aber der Kunsthistoriker Florian Illies beweist, dass es auch anders geht. 2012 veröffentlichte er ein historisches Sachbuch, das nur in einem einzigen Jahr spielt: „1913“. In über 300 Seiten entführt er den Leser in ein Zeitalter, das selbst unsere Großeltern nicht miterlebt haben und bietet eine neue Perspektive auf längst vergangene Epochen.
Was ist eigentlich 1913 so alles Wichtiges passiert? Ich wusste vor dem Lesen dieses Buches nur, dass ein Jahr zuvor die Titanic unterging und ein Jahr danach der erste Weltkrieg durch die Ermordung Franz Ferdinands ausgelöst wurde. 1913 selber war für mich aber ein unbeschriebenes Blatt Papier. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich fast alles weiß: Wie Louis Armstrong an seine erste Trompete kam oder Sigmund Freud an seine Katze, welche Intentionen der Kubismus hegte, wie Thomas Mann seine Homosexualität vertuschte und noch vieles mehr. Illies beschäftigt sich mit zahlreichen Themen wie Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, Mode, Musik, Literatur, Architektur, Philosophie und vor allem Kunst. Dabei stellt er die bedeutendsten Persönlichkeiten dieser Zeit vor. Ein besonderes Augenmerk legt er dabei unter anderem auf Franz Kafka, Adolf Hitler, Alma Mahler, Ernst Ludwig Kirchner oder Else Lasker-Schüler und wirft einen Blick hinter die Kulissen dieser großen Namen.
Das Sachbuch ist in insgesamt zwölf Kapitel unterteilt. Jedes Kapitel steht für einen Monat und beginnt jeweils mit einem Bild und einer Vorschau. Innerhalb dieser Kapitel wird wieder in Abschnitte gegliedert, die nicht mehr unbedingt chronologisch vorgehen. Ihre Länge kann von einem Satz bis zu maximal fünf Seiten variieren und befasst sich entweder mit einem Ereignis oder einer Anekdote über eine Berühmtheit, bei der häufig auch Zitate aus Büchern, Briefen, Tagebüchern oder anderen Niederschriften eingefügt werden.
Illies schreibt optimistisch, humorvoll und manchmal auch sarkastisch, verwendet außerdem den Präsens und wendet sich gelegentlich direkt an den Leser, um Wissenswertes, das inzwischen 103 Jahre auf dem Buckel hat, wieder lebendig zu machen. Sein schriftstellerisches Talent zeigt sich ebenfalls darin, wie geschickt er Verknüpfungen zwischen an sich voneinander unabhängigen Abschnitten mit Wortspielen, Randinformationen, Vergleichen, Wiederholungen oder rhetorischen Fragen schafft und somit aus der episodischen Erzählung, wie aus tausend kleiner Scherben, ein buntes, vollständiges Mosaik kreiert. Der intellektuelle Anspruch wird neben dem Inhalt, der gewisse künstlerische Vorkenntnisse erfordert, mit hoher Eloquenz und komplexem Vokabular fortgeführt. Nicht Wenige werden von Begriffen wie Galopin, exaltieren, Mäzen, Samowar, Clochard, sakrosankt oder Päderastie zumindest einen nicht aus dem Stegreif definieren können.
Bemerkenswert ist ebenfalls der große Aufwand an Recherchen, den Illies über sich hat ergehen lassen. Die Auswahlbibliographie ist klein gedruckt und ellenlang. Es ist demnach nur ein Ausschnitt aus den zahllosen Werken, die er durchwälzt hat, um das Jahr 1913 perfekt zu rekapitulieren. Allein das hat meiner Meinung nach volle Anerkennung verdient. Leider ist ihm dann doch ein kleiner Fehler unterlaufen, denn er verwechselt Kokoswasser mit Kokosmilch. Kokoswasser ist die Flüssigkeit, die im Hohlraum einer Kokosnuss liegt; Kokosmilch wird dagegen aus dem gepressten Fruchtfleisch gewonnen. Die Anekdoten sich gleichermaßen faszinierend, wie auch verstörend. Neben Homosexualität sind auch Inzest, Polygamie, Prostitution, Drogenkonsum und Psychosen keine Tabuthemen.
Warum gerade das Jahr 1913 gewählt wurde, vermag ich lediglich zu mutmaßen. Es könnte einerseits daran liegen, dass der erste Weltkrieg sich bereits anbahnte, das Jahr also historisch betrachtet wie ein Wetterumschwung war und die Menschheit damit gut repräsentiert: Eine Mischung aus Gut und Böse. Künstlerisch gesehen waren die 1910er ein Zusammenprall vieler verschiedener Stile, die facettenreiche und widersprüchliche Kunstwerke zutage brachten. Genau das Richtige also für einen Kunsthistoriker wie Florian Illies. Andererseits liegt das Jahr auch inzwischen weit genug zurück, um keine Zeitzeugen mehr zu haben, die sich noch daran erinnern könnten. Es bleiben uns also nur noch Archive, um Informationen einzuholen.
Falls es jemals eine Fortsetzung von „1913“ geben sollte, würde ich sie definitiv auch lesen, jedoch bezweifle ich, dass es dazu kommen wird. Es würde mich wirklich brennend interessieren, für welches Jahr sich Illies dann entscheiden würde. Aber vielleicht kann sogar er die Frage nicht richtig beantworten.
Wer weder vor Kunstgeschichte noch vor hochgestochener Sprache zurückschreckt, hat mit „1913“ von Florian Illies das perfekte Lesefutter gefunden. Egal wie viel Vorwissen man besitzen mag, niemand wird nach dem Lesen behaupten können, nichts spannendes Neues in Erfahrung gebracht zu haben. Wer sich allerdings eher als Kulturbanause bezeichnet, sollte um dieses historische Sachbuch einen großen Bogen machen. Ich zolle Illies‘ Recherchearbeit und fantastischem Schreibstil höchsten Respekt. Besser hätte man ein Buch zu diesem Thema gar nicht umsetzen können. Der kleine Fehler mit der Kokosnuss ist zu gering, als dass er hier ins Gewicht fallen könnte, deswegen erhält „1913“ von mir verdiente fünf Federn.
- Robert Musil
Die Verwirrungen des Zöglings Törleß
(287)Aktuelle Rezension von: hufflepup_kafka„Die Verwirrungen des Zöglings Törleß“ von Rubert Musil aus dem Anaconda Verlag zeichnet sich durch eine düstere und intellektuell anspruchsvolle Atmosphäre aus. Törleß erkundet moralische und militärische Themen im Kontext einer Eliteschule und behandelt die dunklen Seiten der menschlichen Psyche. Musils Erstlingswerk könnte man demnach dem Dark Academia Genre zuordnen und es handelt sich hierbei um einen klassischen Entwicklungsroman aus dem Jahre 1906.
Törleß, zunächst motiviert und voller Tatendrang, wird mit der Zeit von Heimweh und Einsamkeit geplagt. Trost sucht er in den Briefen an und von seinen Eltern, doch dieser Trost weicht einer Depression aus Leere und Langeweile sozusagen, die er mit seinen neuen „Freunden“ Reiting und Beineberg zu kompensieren versucht. Als die drei Jungen ihren Mitschüler Basini als Dieb entlarven, der aus Geldnot seine Klassenkamerad*innen bestiehlt, sehen sie von einer Anzeige bei der Schulleitung ab und sehen stattdessen in ihm ein Ventil für ein Machtspiel aus Gewalt, Selbstjustiz und Bestrafung.
Während Beineberg und Reiting Basini vor allem körperlich wie sexuell misshandeln, beteiligt sich Törleß selbst am Machtspiel aber eigentlich nur wenig und ist viel mehr der in sich gekehrte Beobachter, in dem homoerotische Neigungen wach werden. Von dieser plötzlichen auftretenden sexuellen Begierde beschämt, flüchtet er sich zuerst in die Natur- und Geisteswissenschaften wie Mathematik, Philosophie und Psychologie, und als er darin keine Lösung findet, in das Spirituelle und Esoterische.
Bei diesem Übergang begibt sich Törleß zwischen Identitätssuche und Internatleben und verliert sich dabei in pseudo-poetischen Gedanken, die für mich als Leser einfach nur wirr und zäh waren. Einzig vom allgemein anspruchsvollen Schreibstil und zum Teil auch von den Dialogen war ich etwas angetan. Trotzdem hatte ich nicht den Eindruck, dass ich es hier mit pubertierenden Heranwachsenden zu tun habe, sondern mit Akademikern im ermüdenden, sich im Kreis drehenden und nimmer endenden Diskurs.
Alles in allem ist die Geschichte und die Figur um Törleß ein Konstrukt aus Egozentrik und Voyeurismus, mit dem ich einfach nicht warm wurde und von dem ich auch Klassiker liebenden und lesenden abrate. 2 von 5 Sternen. - Eva Stachniak
Der Winterpalast
(284)Aktuelle Rezension von: WolfhoundDie junge Varvara kommt als Dienstmädchen in den Winterpalast und ist plötzlich so viel mehr. Denn schnell sieht sie sich in der Rolle einer Spionin wieder und wird zu einer Art Vertrauten von Sophie von Anhalt-Zerbst, der zukünftigen Katharina die Große.
Wenn man so ein bisschen die Geschichte von Katharina kennt, wird man nicht viel Neues mehr erfahren, jedoch steht hier auch mehr das Leben "hinter den Kulissen" im Vordergrund.
Leider hatte ich mit dem Buch selbst ein paar Problemchen, da meiner Meinung nach viele Füllsätze genutzt wurden und auch Dinge lang und breit ausgeführt wurden, die nicht wirklich zur Handlung beigetragen haben. Deshalb bin ich zwischendurch aufs Hörbuch umgestiegen, das es tatsächlich überall nur in gekürzter Version gibt. Ein Vergleich hat gezeigt, dass in diesem Fall definitiv sinnvoll gekürzt wurde ohne den Kern der Geschichte zu verfälschen oder den Hörer durch zu starke Kürzung zu verwirren und dadurch zu verlieren. Auch hat Anna Thalbach wieder mal einen tollen Job als Sprecherin gemacht.
Immer wieder erschreckend finde ich, wenn ich etwas über die Zarenzeit lese, wie willkürlich mit Menschenleben umgegangen wurde. Natürlich ist dies in allen Monarchien, sei es England, Frankreich, Spanien oder auch Deutschland, genauso geschehen, aber in Russland wirkt alles immer nochmal extremer und willkürlicher. Das hat dieses Buch wieder einmal deutlich gezeigt. - Julia Dippel
Cassardim 3: Jenseits der Tanzenden Nebel
(372)Aktuelle Rezension von: wordworldNach Band 1 der Cassardim Reihe war mir klar: Hinter den hässlichsten Fantasy-Covers der Welt versteckt sich eine so lesenswerte und interessante Geschichte, dass ich mich richtig ärgere, dass ich die Reihe so lange auf meinem SuB habe versauern lassen! Auch mit Band 2 hatte ich großen Spaß, hier zeigte sich für mich allerdings auch, dass die Reihe nicht wie erhofft, aus den kleinen Schwächen herauswachsen würde, die sich bereits im ersten Band zeigten. In Band 3 geht die Geschichte um Amaia und Noár nun in einem gewohnt mitreißenden und unterhaltsamen Finale zu Ende, den Sprung zur Favorite-Reihe verpasst Julia Dippel aber auch hier knapp!
Zuerst wie immer ein paar kurze Worte zum Cover. Wie in meiner kurzen Einleitung bestimmt schon (subtil) durchgeschimmert ist: ich finde die Cover der Cassardim Reihe wirklich grauenhaft! Auch wenn Band 3 lange nicht so schlimm aussieht wie der erste Band, der mit der braun-beigen Farbe, dem leichenhaftblassen Gesicht der Hauptfigur und der seltsamen Arschgeweih-Titelverzierung wirklich eine Katastrophe ist, ist auch Band 3 weit davon entfernt, ein Augenschmaus zu sein. Das liegt vor allem an den beiden Models, die wohl Amaia und Noár darstellen sollen. Ich stehe Gesichtern auf Buchcover ja sowieso immer sehr kritisch gegenüber, aber hier wurde zusätzlich noch sehr unpassend gewählt. Dafür sind mit der hellbraunen Hintergrundfarbe, der goldenen Brücke und den Lichtpunkten wenigstens die anderen Parameter des Covers besser gewählt. Zum Glück habe ich mich also auch diesmal nicht abschrecken lassen und abermals trotzdem 400 Seiten in "Cassardim" verbracht.
Erster Satz: "Unsere Schwerter schlugen so hart gegeneinander, dass Funken sprühten."
Schon der erste Satz setzt den Ton für ein kämpferisches Finale fest. Der dritte und letzte Band ist wieder deutlich temporeicher erzählt als Band 2 und auch im Spannungsbogen zielstrebiger. Das ist darauf zurückzuführen, dass hier wieder ein klarer roter Faden vorlag und es einiges zu tun gab: das Juwel finden, einen Krieg verhindern, die Barrieren erneuern, Noár vor dem Chaos retten und Amaias Anspruch auf den Kaiserthron festigen. Dennoch habe ich für Band 3 seltsamerweise am längsten Zeit zum Lesen gebraucht. Das lag vermutlich daran, dass mich bereits nach dem ersten Drittel eine ungute Vorahnung überfallen hat, was das Ende der Geschichte angeht. Das hat mich stark ausgebremst, da ich irgendwie fast nicht mehr am Ende angelangen wollte. Ob ich am Ende recht behalten habe oder nicht, möchte ich an der Stelle gar nicht spoilern, aber nur mal soviel: Die Autorin traut sich in ihrem Ende etwas und beschreitet einen Weg, den nur wenige AutorInnen gehen und das hat mir definitiv imponiert.
"Um den Mann zu retten, den ich liebte, würde ich alles tun, was nötig war. Alles sein, was nötig war - auch Kaiserin. Und wenn ich dafür Himmel und Hölle in Bewegung setzten musste!"
Allerdings sind auf den Weg dorthin wieder einige Konflikte sehr konstruiert. Teile der Handlung wie zum Beispiel der Ausflug in die Menschenwelt oder Noárs Befreiung haben mir gut gefallen, viele andere Szenen wirken hingegen beinahe wie Füllmaterial, was die Geschichte definitiv nicht notwendig hat. Denn mit dem wahnsinnigen Kaiser Fidrin, der sich im Chaos versteckt, der Suche nach dem Juwel, der Frage nach den Barrieren und den Kriegsparteien hätte es genügend Themen gegeben, die noch weiterer Erklärung und Ergänzung bedurft hätten. So blieb vieles sehr vage und man erhält nur eine grobe Idee davon, was tatsächlich auf dem Spiel steht. Angesichts der Tatsache, dass das Worldbuilding so komplex und vielversprechend war und noch so viele Anknüpfungspunkte bot, war ich ein wenig enttäuscht, wie oberflächlich am Ende die tatsächliche Ausgestaltung und Auflösung der Grundkonflikte blieb.
"Erst hier in der Menschenwelt hatte ich wirklich und wahrhaftig begriffen, wie atemberaubend und wunderschön das Totenreich war. Und erst als ich für einen kurzen Moment geglaubt hatte, nie wieder zurückkommen zu können, war mir bewusst geworden, dass dieses Land, in dem ich geboren wurde, das ich vergessen und wiedergefunden hatte, tatsächlich mein Zuhause war. Ein Land so voller Wunder, dass selbst ein cassardisches Leben nicht ausreichte, um es zu erkunden."
Dennoch hatte ich beim Lesen wieder den üblichen Spaß. Das liegt zum einen an der tollen Sogwirkung, die sich aus dem humorvoll-zupackenden Erzählstil der Autorin, dem interessanten Worldbuilding und der düster-magischen Atmosphäre der Geschichte ergibt. Zum anderen weiß die Autorin wirklich, wie sie uns über die dünne Handlung vertrösten kann und hält uns mit Kuscheleinheiten mit riesigen Raubkatzen, einem zuckersüßen tierischen Sidekick (der Okoklin Flummel - ein flauschiger Hummel-Hamster-Verschnitt, der Fiepsend in ihren Haaren wohnt und Amaia mutig vor allem Übel verteidigt!!!), überraschenden Allianzen und passionierten Liebeserklärungen zwischen unserem jungen Paar bei Laune.
"Als sie ihr Werk beendet hatte und ich in den Spiegel schaute, fehlten mir die Worte. Wann war aus dem arglosen Menschenwelt-Mädchen, das Andenken in einem Koffer sammelte und Recherchen in ein Notizbuch kritzelte, eine streitbare Fast-Kaiserin mit so fürchterlich ernsten Augen und der Mission geworden, die Welt zu retten?"
Auch in Sachen Figuren konnte Band 3 bei mir mehr punkten als der Mittelteil. Denn im Vergleich zu den Vorgängerbänden, wir Amaia nun endlich selbst aktiv, ergreift von sich aus die Initiative, schmiedet Pläne und treibt ihr Schicksal und damit den Plot aktiv voran. Zwar gab es immer noch einige Momente, in denen sie in ihre Damsel-in-Distress-Neigung zurückverfällt, aber im Vergleich zum Beginn ihrer Geschichte ist sie extrem weit gekommen und zu einer würdigen Anführerin geworden. Von Noár hätte ich mir erwartet, dass er sich mehr von seiner Rolle als Schattenprinz lösen und auch nach außen seinen eigenen Weg gehen kann. Stattdessen geht seine Selbstermächtigung zwischen der Liebesgeschichte und seinem Kampf mit dem Chaos in ihm etwas unter. Dafür rücken aber nochmal unerwartete Nebenfiguren in den Fokus wie Ilion, Rhome oder Moe, die in diesem schnelllebigen Finale sonst untergegangen wären.
"Kein Zögern", rief Keeza mir zu und legte sich die Faust aufs Herz. "Keine Furcht", stimmte Pash ein. "Keine Reue", krächzte Rhome. Und ich antwortete: "Bis in den Tod."
Insgesamt kann Julia Dippel ihre Reihe also mit einem runden, mitreißenden, wenn auch etwas unerwartet endendem Finale abschließen. Meine Hoffnungen für die Reihe, die ich seit Band 1 hatte - mehr Raum für die Nebenfiguren, eine emanzipierte Amaia, eine klarere Spezifikation des Hauptkonflikts und kein ungenutztes Potenzial im Worldbuilding - konnte sie allerdings bis zum Ende nicht erfüllen. So bleibt die dreibändige "Cassardim"-Reihe zwar als spannende YA-Geschichte mit prickelndem Romantasy-Anteil, originellem Schauplatz und temporeichem Erzählstil in Erinnerung, wurde aber nicht wie erhofft zum Highlight!
"Auf die Schatten gekrönt von Licht", flüsterte ich. Er lächelte, dieses schönste aller Lächeln. "Auf das Licht getragen von den Schatten", antwortete er."
Fazit
Die „Cassardim“-Reihe endet in "Jenseits der tanzenden Nebel" mit einem fesselnden Finale, das trotz kleiner Schwächen mit Spannung, Atmosphäre und starken Charakteren überzeugt. Dennoch bleibt das Gefühl, dass nicht alle erzählerischen Möglichkeiten voll ausgeschöpft wurden.
- John Boyne
Das Haus zur besonderen Verwendung
(180)Aktuelle Rezension von: LichtEngelEin John Boyne Roman, der Schreibstil ist etwas ganz besonderes. John Boyne ist für mich eine Neuenddeckung des letzen Jahres. Er begeistert mich immer wieder. Sein Schreibstil und der Aufbau seiner Romane sind einfach genial.
Das Haus zur besonderen Verwendung. Eine wunderschöne, stimmungsvolle aber auch tragische und aufwühlende Geschichte über das Leben und den Niedergang der prächtigen Zarenfamilie. Der Roman ist unglaublich interessant aufgebaut, dadurch entsteht immer eine gewisse Spannung. Eine Mischung aus Historie und ein wenig Märchen.
Mein Fazit ist: ich habe selten so ein spannendes und wunderschön geschriebenes Buch gelesen. Unbedingte Leseempfehlung von mir!!!
- Heinrich Mann
Der Untertan
(387)Aktuelle Rezension von: Timo_JancaIn seinem Hauptwerk seziert Heinrich Mann den unter Kaiser Wilhelm II. aufgekommenen Nationalsozialismus. Der Werdegang Diederichs berührt entwicklungspsychologische Aspekte ein, welche aus einem Außenseiter einen überzeugten Nationalisten entstehen lassen. Der absurde Widerspruch zwischen beanspruchter Moralität und tatsächlichem Handeln wird mit bissigem Humor vorgeführt. Die durchlässige Grenze aus endlosem Egoismus, persönlicher Bereicherung, Ausnutzen anderer und zugleich bedingungsloser Unterwerfung unter die Macht eines Stärkeren verdeutlicht fatale Automatismen, welche bis heute in Gesellschaften wirken. Ein zentrales Werk zur politisches Aufklärung.
- David G. L. Weiss
Narr
(52)Aktuelle Rezension von: Ein LovelyBooks-Nutzer
Ein Thriller der in Österreich spielt und echt sehr spannend ist! Fand dieses Buch auch recht gut recherchiert! Man könnte sagen „Sakrileg“ auf Österreichisch! - Brigitte Hamann
Elisabeth
(135)Aktuelle Rezension von: SaralondeGibt es irgendjemanden, zumindest irgendeine Frau, die die Sissi-Filme nicht gesehen hat? Und deren Bild der Kaiserin Elisabeth nicht von ihnen geprägt ist? Das Sisi tatsächlich eine ganz andere war, hat sich herumgesprochen. Und fernab jeden Schmalzes präsentiert uns Brigitte Hamann ausführlich die echte Sisi. Dazu hat sie sich durch Archive und die private Korrespondenz aller möglichen Personen gelesen, die Sisi nahestanden (und natürlich auch alles, was von Sisi selbst noch erhalten geblieben ist). Man könnte jetzt vielleicht befürchten: “Oje, das hört sich staubtrocken an”, doch nein, Brigitte Hamann hat etwas, was für eine promovierte Historikern ein Glücksfall ist: Erzähltalent. Ich will nicht behaupten, das Buch lese sich wie ein Roman, aber es liest sich flüssig und ist an keiner Stelle langweilig.
Die Kapitel sind chronologisch angeordnet, was Hamann jedoch nicht daran hindert, bezüglich eines bestimmten Themas auch Zeitsprünge zu vollziehen. Es beginnt mit der Verlobung der erst 15-Jährigen mit dem jungen Kaiser in Ischl. Hätte ich mir noch ein Kapitel über Sisis Kindheit gewünscht? Nicht unbedingt notwendig, denn Hamann verweist im Laufe des Buches an gegebener Stelle immer wieder auf Sisi als Kind.
Das Bild, das Hamann von Elisabeth zeichnet, zeigt uns eine hochintelligente, aber auch äußerst zwiespältige Persönlichkeit, ihrer Zeit durchaus voraus, jedoch in einem solchen Maße egozentrisch, dass ihre Ideale schnell beiseite geschoben wurden, wenn es um sie selbst ging. Mir war nicht bewusst, das Sisi so viel gedichtet hat, immer wieder zitiert Hamann ihre Gedichte, die mitunter sehr aufschlussreich sind. Ergänzt wird der Text durch wirklich tolles Bildmaterial, leider nur aus den jungen Jahren der Kaiserin, da sie es im Alter sehr erfolgreich vermieden hat, fotografiert zu werden.
Wenn ihr euch für Sisi interessiert (und sie war wirklich interessant genug!), kann ich euch das Buch wärmstens empfehlen. Unbedingte Kaufempfehlung!
- Christoph Ransmayr
Cox
(106)Aktuelle Rezension von: LeserstimmeDieses Buch hatte sehr große Wirkung auf mich. Ich erwartete ein historisches Buch, wurde aber teils eines Besseren belehrt.
Allister Cox (im historischen James Cox) wird als Uhrmacher und Maschinenbauer mit seinem Helfer in die Verbotene Stadt Bejing eingeladen. Der Kaiser Quianlong erwartet von ihm den Bau einer Uhr, die die Unendlichkeit messen kann. Kiang, ihr ständiger Begleiter und Bediensteter warnt Cox, diese Uhr jemals zu bauen, könne eine solche Uhr doch den Herrscher der Zeit, den Gottkaiser beleidigen und die Maßlosigkeit eine solche zu bauen, die Todesstrafe fordern. Quianlong, der sich selbst "Herrscher der Zeit" nennt, lebt maßlos, zügellos, hat über 300 Konkubinen und etliche Ehefrauen. Ihn anzusehen und den Blick des Kaisers gar zu erwidern, würde die Todesstrafe bedeuten. Strenge Regeln herrschen am Hofe des Kaisers und niemand, der dort verweilt und dient, hat gar einen Freund. Jeder misstraut jedem, der kleinste Fehler könnte dem Kaiser mitgeteilt werden, um sich selbst hochzudienen. Je unsinniger diese Regeln zu sein scheinen, desto mehr Nachdruck und Kraft wird ihnen gegeben. Wer hier eine historisch belegte Geschichte erwartet, liegt falsch. Der Uhrmacher hieß mit Vornamen James und hat niemals den Kaiser getroffen. Beleuchtet wird hier eine Zeit, in der es noch abgeschnittene Nasen als Kennzeichnung eines Verbrechens gab und sich jeder dem Willen des Kaisers zu fügen hatte. Die Sprache ist meiner Meinung nach etwas konstruiert, erfordert aufmerksames Lesen, passt aber sehr gut zum Buch. Quianlong ist 1711 geboren, mit 24 Jahren an die Macht gekommen und blieb offiziell bis 1796 Kaiser. Ransmayr geht es hier eher um die Beleuchtung der Gestalt des Kaisers und die Auswirkungen seiner Strenge auf die Fremden und den Hof, als um historische Fakten. Sehr empfehlenswert, wird aber sicher eher von Männern gelesen. Mir hat das Buch trotzdem sehr gefallen, da es außergewöhnlich ist und ich mich freue dann so etwas zu finden.
- Christian Kracht
Imperium
(166)Aktuelle Rezension von: Christian_FisImperium handelt vom historisch verbürgten August Engelhardt, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach Papua Neuguinea auswanderte, um sich nur noch von Kokosnüssen zu ernähren. Kracht verwebt das Scheitern von Engelhardt mit dem Scheitern der grossdeutschen Sehnsucht nach dem «deutschen Platz am Tisch der Mächtigen». Er verwendet dabei Stilmittel des schnellen Vor- und Zurückspringens und des Comics. Der Leser fragt sich unweigerlich, was geschah real und was hat sich der Autor ausgedacht. Das ist alles originell und sehr gut gemacht.
Gestört hat mich die Erzählstimme. Der Erzähler mag seine Figuren nicht, macht sich über sie nur lustig. Es gibt kaum eine Figur, mit der sich der Leser identifizieren könnte. Der Ton ist herablassend und triefend von grossbürgerlicher Ironie, die durchaus zum Beginn des 20. Jahrhunderts passt. Sicherlich spiegelt sich auch hier das Können von Kracht, einen historischen Roman in diesem historisierenden Ton zu schreiben. Den Figuren hat es enorm geschadet, meiner Lesefreude auch.
- Joseph Roth
Radetzkymarsch
(131)Aktuelle Rezension von: claudiaZDie Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Dies wird anhand des Aufstieges und des Niedergangs der Familie von Trotta über mehrere Generationen dargestellt. Die Geschicke der Familie sind durch einen Zufall im Leben des Großvaters auf alle Zeiten mit dem Kaiser Österreich-Ungarns verbunden. Der Fokus liegt dabei ganz und gar auf dem männlichen Teil der Familie, was den tatsächlichen damaligen Verhältnissen entsprechen dürfte. Denn es geht um Themen wie Ehre, Pflichterfüllung, Standeskodex, die schon im Kindes- und Jugendalter maßgebend sind. Im familiären Bereich trägt dies dazu bei, dass das Verhältnis zwischen den Generationen formell und unpersönlich ist und die Schranken oftmals nicht überwunden werden können.
Sowohl für das Kaiserreich als auch für die Familie von Trotte nimmt die Handlung einen schicksalhaften Verlauf. Dabei empfand ich das Buch allerdings nicht niederschmetternd, was ich dem Schreibstil Joseph Roths zurechne. Aus diesem Grund wird dies nicht das letzte Buch gewesen sein, welches ich von dem Autor gelesen habe.
- Julie Kagawa
Im Schatten des Fuchses
(190)Aktuelle Rezension von: DrachenbuecherhortJulie Kagawa ist bekannt für ihre fesselnden Fantasy-Romane, und mit „Im Schatten des Fuchses“ bringt sie uns in eine Welt voller Magie, Mythen und Samurai. Inspiriert von der japanischen Folklore, erschafft sie eine fesselnde Geschichte über Schicksal, Loyalität und die Grenzen zwischen Gut und Böse.
Die Geschichte spielt in einem von japanischer Mythologie geprägten Fantasy-Reich. Im Mittelpunkt steht Yumeko, ein Mädchen mit einer besonderen Gabe: Sie ist zur Hälfte ein Kitsune – ein magischer Fuchsgeist mit der Fähigkeit, Illusionen zu erschaffen. Ihre Heimat, der Tempel der Stillen Winde, hütet ein uraltes Geheimnis: eine Schriftrolle, die, wenn sie vollständig ist, den Drachen der Wünsche beschwören kann. Doch eines Tages wird der Tempel von Dämonen zerstört, und Yumeko erhält den Auftrag, ein wichtiges Fragment dieser Schriftrolle in Sicherheit zu bringen.
Yumeko ist eine faszinierende Hauptfigur, die mit ihrer Vielschichtigkeit und ihrem Charme schnell das Herz der Leser erobert. Zu Beginn wirkt sie fast kindlich naiv, unbedarft und staunend gegenüber der Welt, die sie bisher nur aus den Erzählungen der Mönche kennt. Aufgewachsen in der abgeschiedenen Sicherheit des Tempels der Stillen Winde, ist sie behütet, aber auch unerfahren, wenn es um die Gefahren der Außenwelt geht. Doch hinter dieser scheinbaren Unschuld verbirgt sich ein kluger Kopf, ein wacher Geist und eine unerschütterliche Entschlossenheit, ihren Weg zu gehen. Was Yumeko besonders macht, ist vor allem ihre natürliche Neugier, die sie trotz aller Widrigkeiten antreibt. Sie begegnet neuen Erfahrungen mit Offenheit, einem Hauch von Verspieltheit und einem trockenen Humor, der in den oft düsteren Momenten der Geschichte für Leichtigkeit sorgt. Gleichzeitig entwickelt sie im Laufe ihrer Reise eine innere Stärke, die sie nach und nach über sich hinauswachsen lässt. Doch was Yumeko wirklich einzigartig macht, ist der innere Konflikt, der in ihr brodelt: Als Kitsune liegt es eigentlich in ihrer Natur, mit Illusionen zu spielen, ihre Umgebung zu täuschen und Menschen an der Nase herumzuführen. Täuschung und Trickserei sind ihre angeborenen Fähigkeiten – doch anstatt sich diesem Schicksal zu fügen, wählt sie einen anderen Pfad. Sie kämpft für das Gute, für Wahrheit und für das Leben derjenigen, die ihr am Herzen liegen. Diese ständige Gratwanderung zwischen ihrer Fuchsnatur und ihrer Menschlichkeit macht sie zu einer fesselnden, tiefgründigen Protagonistin, die weit mehr ist als ein unschuldiges Tempelmädchen oder ein listiger Geist.
Tatsumi ist in jeder Hinsicht das komplette Gegenteil von Yumeko – ein Krieger, geformt aus Disziplin, Härte und tödlicher Präzision. Während Yumeko mit Neugier und Leichtigkeit durchs Leben geht, wurde Tatsumi dazu erzogen, Emotionen als Schwäche zu betrachten. Seit seiner Kindheit hat er gelernt, Schmerz, Furcht und sogar Freude zu unterdrücken, denn als gefürchteter Dämonenjäger des Kage-Clans darf er sich keine Ablenkung leisten. Sein ganzes Dasein ist auf Gehorsam ausgerichtet, sein Schwert ist seine einzige Konstante – ein verfluchtes Katana, das eine dunkle, blutrünstige Kreatur in sich birgt. Jeder Moment der Unachtsamkeit könnte ihn seine Seele kosten. Mit einer beinahe unmenschlichen Kälte geht er seinem Auftrag nach: die Schriftrolle zu finden und jeden zu eliminieren, der sich ihm in den Weg stellt. Doch als er Yumeko begegnet, gerät sein durchstrukturiertes Weltbild ins Wanken. Sie ist so anders als alles, was er kennt – unberechenbar, voller Leben und zugleich verwirrend faszinierend. Während ihre gemeinsame Reise voranschreitet, beginnt er, seine einstudierte Gleichgültigkeit zu hinterfragen. Zum ersten Mal stellt sich ihm die Frage: Gibt es für ihn überhaupt eine Existenz jenseits des Schwertes? Diese innere Zerrissenheit macht Tatsumis Charakterentwicklung besonders spannend. Mit jedem Schritt an Yumekos Seite gerät er tiefer in einen Konflikt zwischen Pflicht und persönlichem Verlangen. Doch je näher er ihr kommt, desto größer wird auch die Gefahr – nicht nur für ihn selbst, sondern auch für sie. Denn der Dämon in seinem Schwert wartet nur auf eine Schwäche, um sich endgültig von seinen Ketten zu befreien.
Auch die Nebencharaktere sind mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet und verleihen der Geschichte zusätzliche Tiefe und Farbe. Jeder von ihnen trägt seine eigene Geschichte, seine eigenen Geheimnisse und Motive mit sich, was sie lebendig und greifbar macht. Sie sind mehr als nur Begleiter – sie sind Persönlichkeiten, die Yumekos und Tatsumis Reise auf unerwartete Weise bereichern. Da wäre zum Beispiel Okame, ein Ronin, der mit seiner schroffen Art und seinem trockenen Humor einen wunderbaren Kontrast zur oft ernsten Atmosphäre der Geschichte bietet. Sarkastisch, unerschütterlich und oft mit einer spöttischen Bemerkung auf den Lippen, scheint er auf den ersten Blick ein wenig desillusioniert zu sein. Doch hinter seiner spöttischen Fassade verbirgt sich ein Mann mit einem guten Herzen, dessen Loyalität weit mehr wiegt, als er selbst zugeben möchte. Er ist jemand, der schon viel erlebt hat und sich selbst nicht mehr allzu ernst nimmt – doch wenn es darauf ankommt, kann man sich auf ihn verlassen.
Dann gibt es Daisuke, einen Samurai, der wie direkt aus einer alten Legende entsprungen scheint. Er verkörpert alles, wofür ein ehrenhafter Krieger stehen sollte: Disziplin, Mut und einen unerschütterlichen Sinn für Gerechtigkeit. Mit seiner edlen, fast aristokratischen Art bringt er eine ganz eigene Dynamik in die Gruppe – stets respektvoll, doch mit einer unbeirrbaren Entschlossenheit. Seine ruhige, kontrollierte Präsenz bildet einen spannenden Kontrast zu Okames Zynismus und Yumekos spielerischer Natur.
Diese beiden sind jedoch nur ein Bruchteil der faszinierenden Nebencharaktere, die Julie Kagawa so meisterhaft in ihre Geschichte einwebt. Sie alle bringen nicht nur unterschiedliche Persönlichkeiten, sondern auch eigene Perspektiven und Konflikte mit. Ihr Zusammenspiel sorgt für mitreißende Dialoge, humorvolle Schlagabtausche und tiefgründige Momente, die das Abenteuer umso lebendiger wirken lassen. Trotz der düsteren Gefahren, die Yumeko und Tatsumi umgeben, sind es oft gerade diese Figuren, die für Lichtblicke sorgen – sei es durch einen unerwarteten Lacher oder eine berührende Szene, die zeigt, dass selbst in den dunkelsten Zeiten Freundschaft und Ehre Bestand haben können.
Eines der größten Highlights des Buches ist ohne Zweifel Julie Kagawas meisterhafte Weltgestaltung. Die Geschichte spielt in einem fiktiven Reich, das an Japan angelehnt ist und so lebendig und atmosphärisch beschrieben wird, dass man sich förmlich in den verwunschenen Wäldern, alten Tempeln und nebelverhangenen Bergen verlieren kann. Hier existieren Samurai und mythische Kreaturen Seite an Seite – eine Welt, in der sich uralte Magie mit der Härte der Krieger vermischt und in der der Glaube an Geister und Dämonen nicht nur Aberglaube, sondern Realität ist. Kagawa schöpft tief aus der reichen Kultur und Folklore Japans und lässt Wesen wie Oni, Yokai und natürlich die listigen Kitsune auf beeindruckend authentische Weise lebendig werden. Besonders spannend ist, wie detailreich sie diese magische Welt zum Leben erweckt – von den Bräuchen und Ehrenkodizes der Samurai bis hin zu den düsteren Legenden, die hinter den einzelnen Kreaturen stehen. Ihre Beschreibungen sind so plastisch, dass man das Knirschen der Kieselsteine unter den Sandalen der Krieger hören, das Flackern der Papierlaternen sehen und das unheimliche Flüstern eines versteckten Yokai im Wind erahnen kann.
Jede mythologische Kreatur, die in der Geschichte auftaucht, ist nicht nur ein schmückendes Element, sondern fühlt sich tief in der Welt verwurzelt an. Die Oni sind furchteinflößende, blutrünstige Monster mit brennenden Augen und klauenartigen Händen, während die Kitsune mit ihrer schillernden Eleganz und ihren trügerischen Illusionen gleichermaßen faszinierend und gefährlich wirken. Selbst die kleinsten Geister oder Schattengestalten, die in dunklen Winkeln lauern, tragen dazu bei, eine Atmosphäre zu schaffen, die gleichermaßen magisch wie unheimlich ist.
Durch diese sorgfältige und detailreiche Weltgestaltung gelingt es Kagawa, ihre Leser tief in das Geschehen eintauchen zu lassen. Man hat das Gefühl, selbst durch die mit Kirschblüten gesäumten Straßen einer alten Stadt zu wandeln oder durch neblige Wälder zu reisen, in denen sich hinter jedem Baumstamm eine neue Legende verbergen könnte. Es ist diese dichte, kunstvoll verwobene Mythologie, die das Buch nicht nur zu einem Abenteuer, sondern zu einem regelrechten Eintauchen in eine magische Parallelwelt macht – ein Highlight für alle, die Fantasy mit kulturellem Tiefgang lieben.
- Kai Meyer
Herrin der Lüge
(126)Aktuelle Rezension von: TuddeDas Thema war an sich interessant. Aber ich fand, daß es eindeutig zu lang war. Zu lange Dialoge. Zu sehr in Nebensächlickkeiten verliebt. Kürzer wäre besser gewesen. Wenn Meyer das Buch auf ein Drittel gekürzt hätte, wäre ein weitaus spannenderes Buch entstanden. - Victor Hugo
Les Misérables / Die Elenden (Band 1-5: Vollständige deutsche Ausgabe): Klassiker der Weltliteratur: Die beliebteste Liebesgeschichte und ein fesselnder politisch-ethischer Roman
(55)Aktuelle Rezension von: Monika_GraslIch denke, allzu viel kann man zu dem Buch ohnehin nicht sagen, außer das es eben ein Klassiker ist, der zwar an machen Stellen langatmig erscheinen mag, aber es dennoch wert ist sich damit auseinander zu setzen.
Fazit:
Von ein paar langwierigen Stellen mal abgesehen ein wirklich hervorragendes Werk, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
- Rena Rosenthal
Die Hofgärtnerin − Frühlingsträume
(101)Aktuelle Rezension von: elycalxa1891, Oldenburg, Marleenes größter Wunsch ist es Gärtnerin zu werden, doch ist eine Lehre ausschließlich Männern vorbehalten. Also beschließt Marleene sich als Junge zu verkleiden, um ihre Lehre zu beginnen. Ihre Kollegen machen ihr das Leben allerdings schwer und auch wird es jeden Tag schwerer die Tarnung aufrecht zu halten.
Ich bin total begeistert von dem Erzählstil von Rena Rosenthal. Die Erzählungen lassen sich locker und leicht lesen. Auch erzählt Rena Rosenthal sehr anschaulich, so dass ich mich direkt nach Oldenburg in die Hofgärtnerei versetzt gefühlt habe.
Spannung zieht sich den gesamten Roman hinweg durch.
Auch die Protagonisten finde ich sehr facettenreich und anschaulich dargestellt. Auch Marleene ist mir direkt ans Herz gewachsen, sodass ich jedes mal mit gebangt habe, dass sie als Marten nicht auffliegt.
Toller Roman. jetzt bin ich sehr gespannt auf den nächsten Teil.
- Maria Nikolai
Die Schokoladenvilla
(253)Aktuelle Rezension von: Minijane„Die Schokoladenvilla“ ist mit ihren über 600 Seiten schon ein Schinken!
Da ich aber wirklich Lust hatte in diese opulente Familiengeschichte, die ihren Beginn in der Kaiserzeit (1903/04) hat, einzutauchen hat mich die Seitenzahl nicht abgeschreckt. Die Geschichte rund um den Schokoladenfabrikanten Rothmann ist dann auch spannend und zeitgemäß erzählt. Man bedauert Tochter Judith, die gegen ihren Willen verheiratet werden soll und deren Leidenschaft für die Schokoladenfabrik so gar nicht gewürdigt wird. Viel Spaß hatte ich an den kleinen Zwillingsbrüdern von Judith, richtige Lausbuben,die mit ihrer Abenteuerlust stets in neue verhängnisvolle Situationen gerieten. Die kranke Mutter weilte derweil im Sanatorium und krempelte ihr Leben komplett um. Ich fand es etwas irritierend, dass ihre Kinder darin quasi nicht mehr stattfanden. Verbotene Lieben und Dienstbotenskandale geben der Geschichte noch zusätzliche Würze, so dass man sich richtig reinfallen lassen kann in diesen Wohlfühlroman à la „Downton Abbey“ im schwäbischen Stuttgart zur Jahrhundertwende.
Auch wenn es sich hier um Band 1 einer Triologie handelt, ist die Geschichte am Ende abgeschlossen. Die weiteren Bände befassen sich mit den nachfolgenden Generationen der Schokoladendynastie Rothmann.
Ich habe diesen Schmöker trotz kleiner Kritikpunkte gerne gelesen.
- James Clavell
Shogun
(136)Aktuelle Rezension von: FranklinTummescheit"Shogun" ist ein historischer Roman von James Clavell, der erstmals 1975 veröffentlicht wurde. Die Geschichte spielt im frühen 17. Jahrhundert und folgt dem britischen Seefahrer John Blackthorne, der nach einem Sturm an der Küste Japans strandet. Obwohl Blackthorne nicht der erste Europäer ist, der nach Japan kommt, ist seine Ankunft außergewöhnlich und prägend. Er wird von den lokalen Mächtigen gefangen genommen und muss sich in der komplexen und fremden Welt der japanischen Samurai und Feudalherren zurechtfinden.
Blackthorne wird in die politischen Intrigen und Machtkämpfe des Landes verwickelt und gewinnt allmählich das Vertrauen des mächtigen Daimyos Toranaga. Während er sich bemüht, seinen Weg in dieser fremden Kultur zu finden, lernt er die japanischen Traditionen, Bräuche und sozialen Strukturen kennen und wird schließlich in die Rolle eines Beraters und Kriegsstrategen eingeführt.
"Shogun" ist eine fesselnde und episch erzählte Geschichte, die die kulturellen Kluft zwischen Japan und Europa des 17. Jahrhunderts eindrucksvoll beleuchtet. James Clavell gelingt es meisterhaft, die Kontraste und Gemeinsamkeiten der beiden Kulturen herauszuarbeiten, indem er Blackthornes Erlebnisse und seine Auseinandersetzung mit der japanischen Gesellschaft detailliert schildert.
Der Roman zeigt, wie stark die japanische Kultur von Riten, Ehre und Hierarchie geprägt ist, im Gegensatz zur europäischen Hierarchie, die stark durch Religion und Königsherrschaft bestimmt wird. Während der europäische Protagonist anfangs von den strengen sozialen Regeln und dem starren Ehrenkodex der Samurai überwältigt ist, lernt er, deren tiefere Bedeutung und die zugrunde liegenden Werte zu schätzen.
"Shogun" hebt die Unterschiede hervor, wie die japanische Gesellschaft Wert auf Loyalität, persönliche Ehre und die Bedeutung von Beziehungen innerhalb des Feudalismus legt, während die europäische Sicht auf Macht und Status oft durch Machtpolitik und wirtschaftliche Interessen geprägt ist. Die komplexe Interaktion zwischen Blackthorne und Toranaga verdeutlicht die Schwierigkeiten und Chancen, die sich aus dem kulturellen Austausch ergeben, und zeigt, wie Verständnis und Respekt über kulturelle Barrieren hinweg entstehen können.
Der Roman bietet nicht nur eine spannende historische Erzählung, sondern auch eine tiefgehende Reflexion über den interkulturellen Dialog und die Herausforderungen, die mit dem Verständnis und der Integration von unterschiedlichen kulturellen Werten verbunden sind.
- Christopher Clark
Preußen
(23)Aktuelle Rezension von: Stefan83Zitiere an dieser Stelle mal Rezensenten-Freund Mario Pf. von "amazon", der es mit seiner Besprechung schon perfekt auf den Punkt bringt:
"Sir Winston Churchill bezeichnete Preußen einst als "die Wurzel allen Übels" und so verwundert es kaum, dass die Churchills Überzeugung zu Grunde liegende Sichtweise von Preußen als Hort des Nationalsozialismus aufgegriffen wurde und in der der Auflösung des Freistaats durch den Alliierten Kontrollrat am 25. Februar 1947 mündete. Nun bricht der 1960 in Sydney geborene Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharines' College in Cambridge mit diesem Diktum und zwingt durch sein eindrucksvolles Standard-Werk zu einer Revision des Preußenbildes, denn "Die Wahrheit ist, dass Preußen ein europäischer Staat war, lange bevor es ein deutscher wurde. Deutschland war nicht die Erfüllung Preußens, sondern sein Verderben".
Für Christopher Clark beginnt der Aufstieg Preußens jedoch nicht erst 1701 mit der Krönung Friedrich III. zu König Friedrich I. in Preußen, sondern bereits um 1600, als die Kurfürsten der Markgrafschaft Brandenburg gerade begannen ihre Position im Heiligen Römischen Reich zu festigen. 1613 etwa, konvertierte Kurfürst Johann Sigismund zum Calvinismus und wurde somit zu einem calvinistischen Herrscher über ein lutherisches Land, was zu einigen Differenzen mit dem Landadel führen sollte. Noch waren die brandenburgischen Hohenzollern lediglich Herrscher Brandenburgs, bis sie 1618 das Herzogtum Preußen erbten, welches außerhalb des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ursprünglich eine Region zwischen Hinterpommern und dem Kurland bezeichnete.
In den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurden die Länder der Hohenzollern vermehrt verwüstet und der Kurfürst wechselte mehr als einmal die Bündnisse, wobei Georg Wilhelm zuletzt in das eher sichere Preußen flüchten musste, wo er 1640 verstarb. Sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm erbte ein zerrüttetes Land, das vom Dreißigjährigen Krieg gezeichnet war, ein schweres Trauma zu bewältigen hatte, doch der junge Monarch schritt energisch zur Tat und begann nicht nur das Heer zu vergrößern, sondern auch zu modernisieren und durch bessere Ausbildung, wie Manöver zu einer schlagkräftigen Truppe zu machen. Als Folge des Dreißigjährigen Krieges erkannten die brandenburgischen Folgen, wie wichtig eine Festigung ihrer Souveränität im Reich ist und dass sich das bleibende Gefühl der Verwundbarkeit nur durch ein starkes Heer effektiv bekämpfen lässt. Um dieses zu erhalten brauchte man allerdings Gelder, die unter anderem durch häufige Wechsel der Bündnispartner lukriert wurden.
Erst als sich Friedrich III. zu König Friedrich I. krönte, wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt, die zur Bildung eines stärkeren Einheitsgefühls der nun königlichen Lande führte und Preußen im Laufe des 18. Jahrhunderts zum Namen des neuen Königreichs werden ließ. Die Krönung, so Clark, passte jedoch in ihre Zeit, als viele europäische Herrscher eine Standeserhöhung anstrebten und diese im Falle Preußens eben doch zu einer besseren Integration des vormaligen Herzogtums führte.
Was an Clarks Werk besonders hervorzuheben ist, er nutzt eine klare und deutliche Sprache, deren Formulierungen für Laien genauso verständlich sind, wie für Historiker. Dabei erzählt er die Geschichte von Preußens Aufstieg lebendig und regelrecht spannend, indem er neben der Ereignisgeschichte auch immer wieder Biographien bedeutender Persönlichkeiten, sowie Berichten und ferner eben Geschichten miteinander verwebt. Dabei bleibt der Autor dem Anspruch des Werkes jedoch treu und hält sich an eine umfassende Darstellung der Geschichte, ohne abzudriften. Dabei würde man sich jedoch immer wieder wünschen, er hätte doch bei diesem oder jenen Thema etwas mehr aufgearbeitet und doch vergisst man darüber leicht, dass genau dies den Umfang des Buches gesprengt hätte. Tragisch ist das gerade beim Thema Religion in Preußen, worüber Clark als Autor von "The Politics of Conversion: Missionary Protestantism and the Jews in Prussia" ein sehr spezifisches Fachwissen besitzen dürfte, dem er in sein opus magnum leider nur geringfügig Rechnung tragen darf.
Fortschritte und Rückschläge zeichnen die Geschichte Preußens und Christopher Clark scheut sich nicht, die Geschichte Preußens frei von allen Mythen, als eine politische Erfolgsgeschichte darzustellen. Die preußische Sicherheitspolitik verlangte ein starkes Heer, das Heer eine Finanzierung durch Bündnisse und die außenpolitischen Interessen eine Abgrenzung von der bedingungslosen Kaisertreue. Somit waren Preußens größte Innovationen und Errungenschaften einer Kosten-Nutzen-Rechnung unterworfen, etwa die Aufnahme Vertriebener Hugenotten, welche als leistungsfähige Arbeiter und Handwerker ihren Beitrag zur wirtschaftlichen Prosperität Preußens leisteten. Als Australier ist Clark denkbar in der Lage sich objektiv-distanziert mit Preußen zu befassen und eigentlich war auch "Preußen: Aufstieg und Niedergang 1600 - 1947" ursprünglich für britische Leserschaft gedacht, wobei von dieser anderen Perspektive aber interessante Impulse ausgehen.
An die Ära des Deutschen Reichs nähert sich Clark unter dem Aspekt an, dass Preußen in dieser Zeit innerhalb des Reichs (Seite 637) "mit 65 Prozent der Gesamtfläche und einem Bevölkerungsanteil von 62 Prozent de facto eine Hegemonialstellung" genoss. Von da an, befand sich Preußen in Auflösung und hatte sich trotz allem den gesamtdeutschen Interessen unterzuordnen, auch wenn der preußische Ministerpräsident gleichzeitig als Reichskanzler agierte und der König Kaiser war.
Die einzige Kritik, die ich an diesem fulminant erzählten und fesselnden Werk gefunden habe (und daher lediglich mit 4 Sternen bewerte) ist, dass die Sozialgeschichte eindeutig zu kurz kommt; der Schwerpunkt liegt auf der Ereignisgeschichte bzw. brilliant geschriebenen biographischen Essays. Natürlich werden auch die politischen Ideen (etwa der Pietismus) und die einzelnen Mächte im Land (Städte, Landadel) beschrieben. Die Auswirkungen der Industrialisierung kommen jedoch eindeutig zu kurz. Industrialisierung und die damit erzwungene Modernisierung waren wichtige Faktoren, die auch Preußen prägten - die preußischen Güter waren überschuldet und marode, der industriellen Konkurrenz nicht mehr "gewachsen" - und es ist bezeichnend, dass der letzte Anlass zum Sturz von Heinrich Brüning die von ihm gesehene Notwendigkeit gewesen ist, die großen Güter in Ostpreußen zu parzellieren und aufzuteilen, was ihm prompt in der Umgebung Hindenburgs als "Agrarbolschewismus" verübelt wurde.
Mit einem über 100 Seiten starken Anhang aus Anmerkungen, Index, Quellen-, Literatur- und Abbildungsverzeichnissen, sowie einigen sehr sehenswerten Kartenmaterial ist Christopher Clarks "Preußen: Aufstieg und Niedergang" ein wahren Wälzer, bleiben doch mehr als 700 Seiten an Text, die das Werk schlicht zu "dem" aktuellen Standard- und Referenzwerk machen, eine lohnenswerte Anschaffung für historisch Interessierte ist es schon aufgrund des unkomplizierten Stils und der fundierten wie erst recht umfassend ausgearbeiteten Geschichte allemal.
Insgesamt ist Christopher Clarks neues Buch über Preußen ist eine hervorragende Darstellung über Aufstieg und Niedergang Preußens zwischen 1600 und 1947. Er sieht Preußens Geschichte - im Gegensatz zu zahlreichen früheren britischen Historikern - nicht nur als Verhängnis an, welches zum Niedergang Deutschlands geführt habe (etwa im Vergleich zu Shirers monumentaler Studie zum Dritten Reich, die dessen Existenz auf das "preußische" und deutsche Erbe ziemlich undifferenziert zurückführt), sondern ist eine wohltuend differenzierte Darstellung, die nicht nur fesselnd geschrieben ist, sondern sich bemüht, Preußen vorurteilslos darzustellen und zu "erzählen". Eine wohltuend differenzierte und gut lesbare Studie entstanden, die Haffners Werk und dem grundlegenden Preußen-Buch von Hans-Joachim Schoeps in keiner Weise nachsteht und sicherlich bald zum Standardwerk der Preußen-Werke zählen wird. " - Markus Heitz
Drachenkaiser
(115)Aktuelle Rezension von: PMelittaMDezember 1926: Nach den Ereignissen des letzten Bandes ist wieder etwas Ruhe eingekehrt, Grigori und Silena bereiten sich auf das Weihnachtsfest vor. Doch es ist die Ruhe vor dem Sturm, der bald darauf ausbricht.
Nachdem ich den ersten Band der Trilogie, der mich nicht ganz gepackt hatte, schon vor längerer Zeit gelesen habe, wurde es nun endlich Zeit für die Fortsetzung, und ich kann hier schon sagen, dass sie mir deutlich besser gefallen hat.
Erzählt wird, wie bei Markus Heitz üblich, aus verschiedenen Perspektiven, davon sind drei besonders im Fokus. Silena, Nachfahrin des Heiligen Georg, gilt als tot, sie ist aber unter falschem Namen untergetaucht, und hat, zusammen mit ihrem Ehemann, eine eigene Drachenjägergruppe gegründet, die Skyguard. Silenas Ehemann, Grigorij, Sohn der Zarin und Rasputins, unterstützt sie dabei. Beide kennt man bereits aus dem ersten Band. Ealwhina Snickelway, ein Medium, lebt in York, hat besondere Fähigkeiten, bekommt einen gefährlichen Auftrag und hat ein Geheimnis, das erst spät aufgedeckt wird.
Die Erzählung ist nicht immer chronologisch, bei manchen Perspektivewechseln gibt es Zeitsprünge in beide Richtungen. Neben den Hauptperspektiven gibt es eine Reihe weiterer, Menschen und Drachen, manche bereits aus dem Vorgängerband bekannt. Habe ich im letzten Band die oberflächliche Charakterisierung der Charaktere kritisiert, komme ich ihnen hier näher, kann so besser mit ihnen mitfühlen.
Drachen stehen hier, neben den Menschen klar im Vordergrund. Sie sind die Herrscher im Hintergrund, die nicht nur von Menschen gejagt werden, sondern diese auch manipulieren und so auch politisch mitmischen. Daneben gibt es noch Drachenfreunde, die sie verehren und gegen die Drachenjäger verteidigen. Unter den Jägern gibt es verschiedene Gruppierungen, die teilweise untereinander verfeindet sind. Eine besonders interessante ägyptische Gruppierung lernt man hier kennen.
Die Drachen teilen sich die Welt untereinander auf. Im letzten Band gab es eine große Schlacht zwischen Menschen und Drachen, bei der es auf beiden Seiten Verluste gab, so dass die Drachen eine neue Ordnung anstreben. Neu mischt sich hier ein chinesischer Drache ein.
Da die ganze Welt betroffen ist, wird viel gereist, hauptsächlich mit Luftschiffen. Schauplätze sind unter anderem Großbritannien, Deutschland, die Niederlande, Russland und China. Die Welt basiert auf unserer, hat sich aber durch das Einwirken der Drachen anders entwickelt, so regiert in England Viktoria II, die Romanows sind noch am Leben, und in Deutschland gibt es noch einen Kaiser.
Die Geschichte bietet viele Wendungen, die in der Regel zusätzliche Spannung mitbringen, ich fühlte mich sehr gut unterhalten. Hin und wieder habe ich etwas vorausahnen können, oft aber nicht. Das Ende macht direkt Lust darauf, den Folgeband zu lesen.
Nicht nur die Charakterisierungen betreffend fand ich meine Wünsche erfüllt, es gibt dieses Mal auch ein Personenregister und ein Glossar, beides sehr nützlich.
Der zweite Band der Drachenreihe Markus Heitz' hat mir besser gefallen als der Vorgängerband, auch weil mir die Charaktere näher kommen. Am Ende darf man gespannt auf den dritten Band sein. Ich vergebe 4,5 Sterne, die ich, wo nötig, aufrunde.